Hintergrund

Die intraoperative Radiotherapie (IORT) gilt als effektive Option zur Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle und damit auch des Gesamtüberlebens bei verschiedenen Tumorentitäten [15]. Als vorteilhaft für die IORT wird die hohe Präzision durch chirurgische Exposition des Tumors bzw. des Tumorbetts sowie eine Eskalation der Strahlendosis bei gleichzeitigem Schutz gesunden Gewebes als dem dosislimitierenden Faktor bei der perkutanen Bestrahlung angesehen [13, 15]. Die Evidenz bezüglich der adäquaten Strahlendosis und der Relation zwischen Dosis und zu erzielendem Effekt ist bislang jedoch unzureichend, was den Nachweis eines therapeutischen Benefits für einzelne Tumorentitäten erschwert [8]. Dennoch kann die IORT sowohl bei primären intraabdominellen und retroperitonealen Tumoren als auch bei Tumorrezidiven ergänzend zur chirurgischen Resektion Erfolg versprechend eingesetzt werden [15].

In der Viszeralchirurgie stellen Sarkome die Hauptindikation zur Durchführung der IORT im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte dar [15, 21]. Zudem kann die IORT als individuelle Option bei lokal weit fortgeschrittenen Rektumkarzinomen oder Rektumkarzinomrezidiven erfolgreich angewandt werden [15, 21]. Verschiedene Fallserien berichten auch über den Einsatz bei gynäkologischen Rezidivtumoren, wo mittels IORT teils gute lokale Tumorkontrolle erreicht werden konnte [5, 16, 22, 24]. Für weitere viszerale Tumorentitäten wie Pankreas- oder Magenkarzinome sowie hepatobiliäre Tumoren ist die Datenlage zur Rolle der IORT bislang limitiert. Obwohl die IORT bei einigen der aufgeführten Indikationen durchaus im klinischen Alltag etabliert ist, stellt die Patientenselektion einen entscheidenden Faktor für deren Erfolg dar [15]. Entsprechend sollte die Behandlung nicht mit einer gravierenden Zunahme der Morbidität und Mortalität einhergehen.

Das Ziel dieser Arbeit war die Erfassung der eigenen Daten zur Durchführung einer IORT kombiniert mit chirurgischer Resektion bezüglich der perioperativen und, sofern vorhanden, onkologischen Ergebnisse.

Material und Methoden

Studienpopulation

Patienten, welche eine intraoperative Strahlentherapie im Rahmen der Resektion eines intraabdominellen oder retroperitonealen Tumors bzw. einer Rezidivresektion in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg von Januar 2008 bis Dezember 2018 erhielten, wurden nach Bewilligung durch die Ethikkommission der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (220/19) in diese Arbeit eingeschlossen.

Perioperatives Management

Die Entscheidung, die chirurgische Resektion um eine intraoperative Strahlentherapie potenziell zu ergänzen, wurde während der präoperativen Patientenevaluation in enger Zusammenarbeit der Kliniken für Allgemein- und Viszeralchirurgie und Strahlentherapie bei erwarteter R1-Resektion bzw. zu erwartendem sehr knappem Resektionsrand getroffen und im interdisziplinären Tumorboard diskutiert.

Die Kontrolluntersuchungen umfassten die klinische, laborchemische und bildmorphologische Untersuchung im Abstand von 3 bis 4 Monaten.

IORT

Der definitive Entschluss zur IORT erfolgte intraoperativ bei vorliegender R1-Situation bzw. sehr knappem Resektionsrand. Je nach Anforderung an das Strahlenfeld werden am Universitätsklinikum Freiburg das Interbeam- oder das Mobetron-Gerät verwendet. Ersteres appliziert niederenergetische Röntgenstrahlen mit hoher biologischer Wirksamkeit im Nahbereich, während das Mobetron-Gerät Elektronenstrahlung verwendet. Durch deren geringe Eindringtiefe werden besonders tiefer liegende, gesunde Organe geschont.

Datenerhebung

Folgende Patientendaten wurden retrospektiv erhoben: Geschlecht, Alter, Art der Tumorerkrankung, Rezidivstatus, TNM-Klassifikation, Art der Operation, intraoperative Parameter (Operationszeit, Blutverlust), Dosis der intraoperativen Strahlentherapie, Resektionsstatus, perioperative Parameter (Komplikationen, „comprehensive complication index“ [CCI], Dauer des Krankenhausaufenthalts, ungeplante Wiederaufnahme, 90-Tage-Mortalität), neoadjuvante bzw. adjuvante Chemo- bzw. Radiotherapie, Überlebens- und Rezidivraten. Postoperative Komplikationen wurden nach Dindo-Clavien [25] klassifiziert und Komplikationen °IIIb oder höher als schwere Komplikation gewertet. Aufgrund des heterogenen Patientenkollektivs und der z. T. sehr unterschiedlichen Nachbeobachtungszeiträume wurden die Überlebensdaten nur bis zu 12 Monaten postoperativ erfasst.

Statistische Auswertung

Die statistische Analyse der Daten erfolgte mittels SPSS (Version 22.0; IBM, Armonk, New York, USA). Stetige Variablen sind als Median und Spannweite angegeben, kategoriale Daten als Anzahl und Prozent. Überlebensdaten wurden vom Tag der Resektion mit IORT berechnet und mittels Kaplan-Meier-Methode abgeschätzt.

Ergebnisse

Patientencharakteristika

Zwischen 2008 und 2018 erhielten 58 Patienten eine IORT kombiniert mit chirurgischer Resektion. Die häufigste Indikation stellten Sarkome mit 26 Patienten (8 primäre Sarkome, 18 Sarkomrezidive) sowie Rektumkarzinome mit 21 Patienten (7 lokal weit fortgeschrittene primäre Rektumkarzinome, 14 Rektumkarzinomrezidive) dar. Zudem hatten 4 Patienten Analkarzinomrezidive, 6 Patientinnen gynäkologische Rezidivtumoren (Endometriumkarzinom, Zervixkarzinom, Ovarialkarzinom und Vaginalkarzinom) und 1 Patient ein retroperitoneales Rezidiv eines Pankreaskarzinoms. Patienten, die eine IORT kombiniert mit chirurgischer Resektion erhielten, waren im Median 66 (23–79) Jahre alt und in der Mehrzahl männlich (34/58; 59 %). Die mediane angewandte Strahlendosis der IORT lag bei 15 Gy (8–19 Gy). Die Ergebnisse sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Tab. 1 Allgemeine Patientencharakteristika

Perioperative Behandlung

Eine neoadjuvante Behandlung wurde bei 13 Patienten (22 %) durchgeführt. Acht Patienten (14 %) erhielten eine kombinierte Radiochemotherapie, 2 Patienten eine neoadjuvante Chemotherapie und 3 Patienten eine neoadjuvante Radiatio. Eine adjuvante Therapiestrategie erhielten insgesamt 18 Patienten, wobei hierzu nur Daten von 50 der 58 Patienten vorlagen. Sechs Patienten (12 %) wurden einer adjuvanten Radiatio, 10 Patienten (20 %) einer adjuvanten Chemotherapie und 2 Patienten (3 %) einer adjuvanten Radiochemotherapie zugeführt. Die Ergebnisse sind in Tab. 2 zusammengefasst.

Tab. 2 Perioperative Therapie

Resektionsausmaß

Das Resektionsausmaß bei Patienten mit Sarkom (n = 8) bzw. Sarkomrezidiv (n = 18) umfasste eine alleinige Tumorexstirpation bei 50 % der Patienten (4/8) mit primärem Sarkom und 44 % der Patienten (8/18) mit Sarkomrezidiv. Bei den verbleibenden Sarkompatienten (primär 4/8, 50 %; Rezidiv 10/18, 56 %) mussten eine oder mehrere begleitende Organresektionen vorgenommen werden (Nephrektomie, Adrenalektomie, Splenektomie, Hemikolektomie, Gastrektomie, Dünndarmteilresektion, Pankreatoduodenektomie, atypische Leberresektion, Orchiektomie, Exenteratio plevis).

Patienten mit lokal weit fortgeschrittenem Rektumkarzinom (n = 7) wurden im präoperativen, klinischen Staging als cT4 (5/7; 71 %) bzw. cT3 (2/7; 29 %) und cN2 (5/7; 71 %) bzw. cN1 (2/7; 29 %) eingestuft und konnten in 71 % der Fälle (5/7 Patienten) mittels tiefer anteriorer Rektumresektion (hiervon bei jeweils einem Patienten [14 %] kombiniert mit vorderer Exenteratio bzw. Hemikolektomie links) reseziert werden. Bei 29 % der Patienten (2/7) musste eine Rektumexstirpation erfolgen. Bei Patienten mit Rektumkarzinomrezidiv (n = 14) gelang eine alleinige Tumorexzision des Lokalrezidivs in 43 % der Fälle (6/14). Bei 5/14 Patienten (36 %) war eine simultane Organresektion notwendig (Dünndarmteilresektion, Nephrektomie, Ureterresektion, Zystektomie), eine Rektumexstirpation erfolgte bei einem Patienten (7 %) und eine Exenteratio pelvis bei weiteren 2/14 Patienten (14 %).

Patienten mit Analkarzinomrezidiv erhielten in 50 % der Fälle (2/2) eine Exenteratio pelvis, bei je einem Patienten (25 %) erfolgte eine lokale Tumorexzision bzw. eine Tumorexzision mit Ovarektomie und Os-coccygis- und partieller Os-sacrum-Resektion. Bei den Patientinnen mit gynäkologischen Rezidivtumoren (n = 6) konnte bei 2/6 Patienten (33 %) eine lokale Tumorexzision erfolgen, bei 2 weiteren Patienten (33 %) war neben der Tumorexzision eine Dünndarmsegmentresektion bzw. ein Vena-cava-Ersatz notwendig. Die restlichen beiden Patienten erhielten eine Exenteratio pelvis. Der Patient mit lokalem Rezidiv eines Pankreaskarzinoms wurde einer lokalen Tumorresektion mit Lymphadenektomie zugeführt.

Postoperative Morbidität

Die postoperative Gesamtkomplikationsrate betrug 59 % (34/58 Patienten). Dabei traten Abszesse/Verhalte und Wundheilungsstörungen mit 16 % und 14 % als häufigste Komplikationen auf. Weitere häufig auftretende Komplikationen waren Harnwegsinfekte (10 %), Ileus und Anastomoseninsuffizienzen (je 9 %) sowie Thrombosen oder Lungenembolien (7 %) (Abb. 1). Eine Nervenläsion als oftmals IORT-assoziierte Komplikation trat in unserem Kollektiv bei 3 Patienten (5 %) auf. Hiervon erhielten 2 Patienten eine lokale Tumorexstirpation mit Lymphadenektomie bei primärem Sarkom, während der 3. Patient aufgrund eines lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms eine tiefe anteriore Rektumresektion erhalten hatte. In Folge postoperativer Komplikationen musste bei 8/58 Patienten (14 %) eine Intervention (Komplikation °IIIa nach Dindo-Clavien) erfolgen. Schwere Komplikationen im Sinne einer Komplikation nach Dindo-Clavien ≥ °IIIb traten bei 14/58 Patienten (24 %) auf und waren besonders für Patienten mit Rezidivresektionen bei Analkarzinom (2/4, 50 %) und Rektumkarzinom (5/14, 36 %) erhöht. Einschränkend muss hier sicherlich die geringe Patientenzahl insbesondere bei Patienten mit Analkarzinomrezidiv gesehen werden. Die mediane Aufenthaltsdauer im Krankenhaus betrug 13 Tage (6–136). Der mediane CCI lag bei 11,9 (0–100). Die 90-Tage-Mortalität betrug 0 %. Die Ergebnisse sind in Tab. 3 zusammengefasst.

Abb. 1
figure 1

Die häufigsten Komplikationen im Patientenkollektiv nach IORT. HWI Harnwegsinfekt

Tab. 3 Perioperative Parameter

Tumorkontrolle

Bei 33 Patienten (57 %) des Gesamtkollektivs konnte eine R0-Situation erreicht werden. Der mediane Nachbeobachtungszeitraum lag bei 16,5 Monaten. Aufgrund des kurzen medianen Nachbeobachtungszeitraums sind die Überlebensdaten im Folgenden nur für 12 Monate postoperativ angegeben (Tab. 4). Für die Patientinnen mit gynäkologischen Rezidivtumoren (6/58, 10 %) sowie für den Patienten mit Lokalrezidiv eines Pankreaskarzinoms wird aufgrund der geringen Anzahl der einzelnen Tumorentitäten sowie der Heterogenität dieser Patienten auf eine Analyse der Überlebensdaten verzichtet. Die Ergebnisse für Patienten mit primärem Sarkom, Sarkomrezidiv, primärem Rektumkarzinom, Rektumkarzinomrezidiv und Analkarzinomrezidiv sind in Tab. 4 zusammengefasst.

Tab. 4 Tumorkontrolle mittels IORT 12 Monate postoperativ

Diskussion

Mit der vorliegenden Arbeit berichten wir über eigene Erfahrungen und Ergebnisse der IORT, die im Rahmen viszeralchirurgischer Operationen durchgeführt wurde. In unserem Patientenkollektiv waren die Hauptindikationen Sarkome und Rektumkarzinome, was auch der vorhandenen Literatur entspricht [15, 21]. Trotz der hohen Anzahl von Patienten mit strahlentherapeutischer Vorbehandlung (im Krankheitsverlauf oder neoadjuvant; 40/58; 69 %) stellte die IORT eine gute Möglichkeit dar, diese Patienten erneut effektiv strahlentherapeutisch zu behandeln. Dabei wurde eine mediane Strahlendosis von 15 Gy (8–19 Gy) angewandt. Die Rate an schwerwiegenden Komplikationen betrug 24 %, wobei Abszesse/Verhalte und Wundinfekte mit 16 % und 14 % die häufigsten Komplikationen darstellten. Kein Patient verstarb innerhalb von 90 Tagen nach der Operation/IORT. Der mediane Nachbeobachtungszeitraum der eingeschlossenen Patienten lag bei nur 16,5 Monaten.

Aufgrund der Heterogenität unserer Patientenkohorte sowie des limitierten Nachbeobachtungszeitraums lassen sich die mittelfristigen Überlebensdaten auch nur schwer mit der vorhandenen Literatur vergleichen. Dennoch scheinen diese beispielsweise für Rektumkarzinomrezidive vergleichbar zu sein. Dresen et al. [4] beschreiben eine 1‑Jahres-Lokalrezidivrate von 15 %, während diese in unserem Kollektiv 21 % (3/14 Patienten; 1/14 Patient mit alleinigem Lokalrezidiv sowie 2/14 Patienten mit Lokalrezidiv und Fernmetastasierung) betrug.

Welche Patienten von einer IORT profitieren können, ist nach Studienlage bisher nicht abschließend geklärt. Jedoch wird besonders für Patienten mit primärem, lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom die IORT nur bei positiven Resektionsrändern ohne Möglichkeit der funktionserhaltenden Nachresektion empfohlen. So konnten nur bei R1-Resektion übereinstimmend sowohl verbesserte Lokalrezidiv- als auch Gesamtüberlebensraten mittels IORT verzeichnet werden [7, 10, 11, 20]. Obwohl die in unserer Serie eingeschlossenen Patienten mit primärem Rektumkarzinom eine IORT aufgrund einer zu erwartenden R1-Situation oder mutmaßlich knapper Resektionsränder erhielten, wurde in allen Fällen eine R0-Resektion erreicht. Vor diesem Hintergrund ist die geringe Lokalrezidivrate, die bei dieser Indikation beobachtet wurde, sicher nicht klar als Erfolg der IORT anzusehen, sondern muss im Gesamtkontext betrachtet werden. Der Resektionsstatus gilt auch für Rektumkarzinomrezidive und Sarkome als wichtiger prognostischer Faktor für die Entwicklung eines lokalen (Re‑)Rezidivs, sodass die R1-Situation eine Indikation zur Durchführung einer IORT darstellt. Im Rahmen dessen ist beispielsweise auch die hohe R1-Resektionsrate von 71 % für Rektumkarzinomrezidive zu erklären. In unserem Kollektiv wiesen nur 3/10 Patienten nach 12 Monaten ein erneutes Lokalrezidiv auf. Ein weiterer Faktor, welcher die lokale Tumorkontrolle für Rektumkarzinomrezidive und Sarkome zu beeinflussen scheint, ist die Dosisaufsättigung mittels neoadjuvanter oder adjuvanter Radiatio. Auch wenn hierzu aus den eigenen Daten eine Aussage nur schwierig abzuleiten ist, so konnten Studien für Patienten mit Rektumkarzinomrezidiven, welche vor Resektion mit IORT eine perkutane Bestrahlung erhalten hatten, verbesserte Lokalrezidivraten zeigen [1, 9, 18]. Dieser Effekt trat besonders bei R1-Situation und kurzer Wartezeit von <7 Wochen zwischen perkutaner Bestrahlung und Resektion mit IORT auf [9]. Auch für Patienten mit primären und rezidivierenden Sarkomen >5 cm, welche vor Resektion mit IORT mittels perkutaner Radiatio behandelt wurden, konnte eine sehr gute 5‑Jahres-Lokalrezidivrate von 28 % erreicht werden [19]. Im Gegensatz dazu scheint die Indikationsstellung der IORT bei Patienten mit Analkarzinomrezidiven schwierig und die Ergänzung des radikalen chirurgischen Vorgehens um eine IORT positive Resektionsränder nicht zu kompensieren [3]. Allerdings ist die Datenlage bezüglich der IORT für Analkarzinomrezidive generell limitiert. So existiert diesbezüglich nur eine kleine Fallserie von 14 Patienten, die die Durchführung einer IORT verbunden mit „Salvage“-Resektion untersuchte [3]. Bereits nach im Median 8 Monaten entwickelten 11/14 Patienten ein Rerezidiv. Die Autoren schlussfolgerten, dass auch mittels radikalem chirurgischem Vorgehen kombiniert mit IORT keine suffiziente lokale Tumorkontrolle erreicht werden könne [3]. Dies lässt sich trotz unseres geringen Patientenkollektivs von nur 4 Patienten mit Analkarzinomrezidiven auf die eigenen Daten übertragen; bereits nach 4 Monaten (Median) wiesen die Hälfte der Patienten ein erneutes Lokalrezidiv inklusive Fernmetastasierung auf und nach 8 Monaten (Median) zeigten alle Patienten eine Fernmetastasierung. Diese ungenügende lokale Tumorkontrolle zeigte sich trotz R0-Resektion bei allen Patienten.

Aus diesen Daten und aufgeführten Studien lässt sich auf die Wichtigkeit der Patientenselektion zur Durchführung einer IORT schließen. Während zum einen die Tumorentität selbst ein wichtiger Faktor zu sein scheint und Patienten mit Analkarzinomrezidiven möglicherweise nur wenig von einer IORT profitieren, sind Rektumkarzinome und Sarkome häufig beschriebene Indikationen. Hierfür ist die IORT aktiv im klinischen Alltag etabliert, obwohl die Evidenzlage zur Effektivität der IORT auch für diese beiden Tumorentitäten nur gering ist. Bei den meisten Studien handelt es sich um Erfahrungen aus einzelnen Zentren, teils mit sehr kleinen Patientenkollektiven. Prospektive, randomisiert-kontrollierte Studien fehlen bisher. Zum anderen stellt das Risiko, ein Lokalrezidiv zu entwickeln, einen guten Selektionsmarker zur Durchführung einer IORT dar und ist besonders für Patientinnen mit Mammakarzinom bereits gut definiert. Entsprechend müssen nicht nur die Histologie und die bisherigen Behandlungsstrategien und Tumorrezidive des Patienten, sondern auch die zu erwartenden Resektionsränder berücksichtigt werden. Somit stellt beispielsweise die R1-Resektion bei Rektumkarzinomen eine gute Indikation zur Durchführung einer IORT dar.

Unabhängig von der jeweiligen Indikation und Tumorentität erscheint die Morbiditätsrate von 59 % (34/58) in unserer Serie zunächst relativ hoch. Dabei trat eine schwerwiegende Komplikation bei 24 % der Patienten (14/58) auf. Diese Daten sind jedoch vergleichbar mit vorangegangen Arbeiten; so beschreiben beispielsweise Mirnezami et al. in einer Metaanalyse zur IORT bei Rektumkarzinomen eine Komplikationsrate von bis zu 59 % [12]. Ähnliche Ergebnisse berichten Roeder et al. mit 34 % schwerwiegenden Komplikationen nach IORT bei Sarkomen [17]. Auch im Vergleich der Komplikationsrate nach operativen Eingriffen mit und ohne IORT zeigt sich diese nicht signifikant erhöht: Beispielsweise beschreiben Dubois et al. [6] das Auftreten von Komplikationen in 29,6 % vs. 19,1 % (p = 0,15) der Fälle für Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom mit bzw. ohne IORT. Für lokal rezidivierende Rektumkarzinome mit und ohne IORT sind ebenfalls ähnliche Raten an schwerwiegenden Komplikationen beschrieben [23]. Als besonders häufige und relevante Komplikation nach IORT werden jedoch Wundheilungsstörungen genannt [3, 12, 15, 17]. Dies spiegelt sich auch in unseren Daten wider: Wundheilungsstörungen waren neben Verhalten/Abszessen mit jeweils 14 % bzw. 16 % die häufigsten Komplikationen. Während die hohe Rate an Verhalten/Abszessen möglicherweise auch als Folge des radikalen chirurgischen Vorgehens gewertet werden kann, ist die lokale Neuropathie sicherlich ein weitgehend IORT-assoziierter Faktor. Diese trat in unserer Serie in 5 % der Fälle auf, wovon 2 von 3 Patienten an einem primären Sarkom litten. Analysiert man Studien zur Neuropathie nach IORT bei Sarkomen, so sind vergleichbare Raten von bis zu 10 % beschrieben [2, 14]. Um die Morbiditätsraten in unserer Serie abschließend zu bewerten, muss gewiss beachtet werden, dass der Großteil der Patienten (39/58; 67 %) an einem Rezidivtumor litt und somit bereits ausgiebig voroperiert wurde und ggf. zusätzlich vorbestrahlt war, was das chirurgische Vorgehen wiederum erschwert und das Komplikationsprofil beeinflusst. Dabei ist die neoadjuvante Radiatio – abhängig von der applizierten Dosis – ein weiterer Faktor, welcher besonders das Auftreten von Wundinfektionen erhöht. Eine neoadjuvante Radiatio (inklusive Radiochemotherapie) erhielten in unserem Kollektiv 19 % der Patienten. Vor diesem Hintergrund lässt sich bei vergleichbaren Morbiditätsraten in der Literatur auf eine gute Machbarkeit der IORT schließen. Zudem spiegelt der mediane CCI von 11,9 und die 90-Tage-Mortalität von 0 % die Seltenheit relevanter Komplikationen wider.

Einige Limitationen müssen bezüglich dieser Arbeit genannt werden. Durch das retrospektive Design und die Evaluation einer selektiven Patientenkohorte an nur einer Institution besteht die Möglichkeit eines Selektionsbias. Patienten, die die IORT kombiniert mit radikaler chirurgischer Resektion erhielten, wiesen möglicherweise einen aggressiven Erkrankungsverlauf auf, sodass die Entscheidung zur Durchführung der IORT begünstigt wurde. Des Weiteren muss limitierend der kurze mediane Nachsorgezeitraum in unserem Kollektiv sowie die geringe Patientenanzahl in den einzelnen, teilweise heterogenen Gruppen genannt werden, der eine effektive Überlebensanalyse erschwert.

Schlussfolgerung

Die IORT zeigte in unserem Patientenkollektiv eine gute Machbarkeit für alle Tumorentitäten. Um lokale Tumorkontrolle und Langzeitüberleben zu erreichen, ist die Indikationsstellung ein kritischer Punkt, der weitere Untersuchungen erfordert. Besonders für Analkarzinomrezidive war die lokale Kontrolle nach einem Jahr trotz R0-Resektion unzureichend.