Hintergrund

Wundkomplikationen in der Leistengegend sind ein häufiger Grund für postoperative Morbidität und auch Letalität nach gefäßchirurgischen Eingriffen [1, 2]. Trotz aller Bemühungen, Infektionen der Operationsstelle vorzubeugen, werden in der Literatur Inzidenzen von 4–43 % berichtet [3,4,5,6]. Besonders tiefe Protheseninfektionen stellen in der Gefäßchirurgie aufgrund der hohen Mortalitäts- und Amputationsraten zwischen 6–75 % und 22–75 % eine der am meisten gefürchteten Komplikationen dar [1, 2].

Die Leistenbeuge ist aus verschiedenen Gründen ein ungünstiges Wundumfeld und die am häufigsten von postoperativen Infektionen befallene Region in der Gefäßchirurgie [2, 7, 8]. Die bekannteste Einteilung postoperativer Wundinfektionen geht auf Szilagy zurück und beschreibt drei Kategorien [9]. Grad I umfasst eine oberflächliche Infektion begrenzt auf die Haut, wohingegen sich eine Grad-II-Infektion auch auf das subkutane Gewebe erstreckt. Eine Grad-III-Infektion betrifft letztendlich auch die Gefäßprothese und führt zu einem erhöhten Risiko einer Bakteriämie [9]. Der traditionelle chirurgische Therapieansatz umfasst die Verabreichung systemischer Antibiotika und die Entfernung der infizierten Gefäßprothese, gefolgt von einer erneuten Rekonstruktion falls erforderlich [9,10,11]. Seit 1976 wird die Bedeckung der Leistengegend mit einem Oberschenkelmuskellappen als zusätzliches Therapieverfahren beschrieben, da auch beim traditionellen Therapieansatz hohe Morbiditäts- und Mortalitätszahlen berichtet werden [8, 12,13,14]. Diese Muskellappen decken die großen Gewebedefekte ab, die durch die Infektion und chirurgisches Débridement entstehen. Außerdem hat die Muskellappenplastik aufgrund eines erhöhten Blutflusses mit erhöhter Zufuhr von Sauerstoff, Nährstoffen und Antibiotika in den infizierten Bereich positive Auswirkungen auf den Heilungsprozess [7, 14]. In der Literatur werden verschiedene Muskellappen zur Wundrekonstruktion in der Leistengegend beschrieben. Weltweit ist die Sartorius-Muskellappen-Schwenkplastik das am häufigsten verwendete und beschriebene Verfahren. Die Nutzung des Rectus-femoris-Muskellappens ist jedoch ein vielversprechendes Alternativverfahren mit mehreren Vorteilen. Trotz des zweiten Weichteildefekts, der für die Entnahme des Rectus-femoris-Muskellappens erforderlich ist, sind das größere Volumen des Muskels und der größere Abstand zum betroffenen infizierten Bereich in der Leiste in erster Linie günstig für die Behandlung komplexer Leistenwundinfektionen. Darüber hinaus ist die Mobilisierung des Sartorius-Lappens aufgrund der segmentalen Blutversorgung durch die oberflächliche Femoralarterie, welche bei Patienten mit Atherosklerose außerdem häufig selbst geschädigt ist, nur von lateral möglich. Der Rectus-femoris-Muskellappen verfügt über eine zuverlässigere Blutversorgung durch die Arteria profunda femoris [7, 8, 14, 15]. Die Entscheidung, welcher Muskellappen zur Bedeckung der Leiste entnommen wird, hängt hauptsächlich von der Präferenz und Erfahrung des Krankenhauses und des operierenden Chirurgen ab. Obwohl tiefe Wundinfektionen in der Leiste seit Jahrzehnten eine schwierige und häufige Komplikation sind, ist die optimale therapeutische Strategie immer noch sehr unklar. Ein randomisierter Vergleich zwischen dem Sartorius-Muskellappen und dem Rectus-femoris-Muskellappen wurde nie durchgeführt [7].

Ziel dieser Studie war es daher, von unseren Erfahrungen mit der Anwendung des Rectus-femoris-Muskellappens und des Sartorius-Muskellappens bei Komplikationen der tiefen Leistengegend in der Gefäßchirurgie zu berichten.

Material und Methoden

Dies ist eine retrospektive monozentrische Studie. Wir analysierten alle Patienten, die im Zeitraum zwischen 2006 und 2017 an den zwei Standorten eines grenzüberschreitenden Gefäßzentrums mit einer der beiden Muskellappenplastiken behandelt wurden. Vor Beginn dieser Studie wurde die Zustimmung der örtlichen Ethikkommission eingeholt. Patienten, die aus anderen Gründen als Gefäßoperationen eine Muskellappenplastik in der Leiste bekamen oder mit anderen Muskellappen behandelt wurden, wurden ausgeschlossen.

Datenerhebung

Wie bereits erwähnt, wurden alle Daten rückwirkend erhoben. Die elektronischen Patientenakten der Krankenhäuser wurden verwendet, um demographische Daten sowie Begleiterkrankungen zu identifizieren. Darüber hinaus wurden verschiedene operative Merkmale und klinische Ergebnisse erhoben. Alle Amputationen über dem Sprunggelenk wurden als Majoramputation und daher als Gliedmaßenverlust definiert. Es wurde zwischen primärem und sekundärem Verlust der Gefäßprothese unterschieden. Sekundärer Verlust der Gefäßprothese trat auf, wenn eine Reintervention zur sekundären Gefäßprothesenentnahme erforderlich war.

Operationstechniken

Alle analysierten Muskellappenoperationen wurden durch Gefäßchirurgen ausgeführt. Die Leistenwunden wurden in der Regel mikrobiologisch untersucht und eine Antibiotikatherapie gestartet. Die Wunden wurden ausgiebig chirurgisch gesäubert und gespült. Die Auswahl des Muskellappens wurde vom Operateur getroffen und basierte immer auf einer Beurteilung der Wundgröße und des entstandenen Weichteildefekts sowie der Beurteilung der Eignung der lokalen Muskellappen. Die Wunden wurden subjektiv beurteilt und es wurden keine Volumenmessungen oder spezifische Untersuchungen der Blutversorgung durchgeführt.

Um den Rectus-femoris-Muskel zu entnehmen, wird ein zusätzlicher Längsschnitt in der Mitte des Oberschenkels vorgenommen, der sich über die distalen zwei Drittel des Oberschenkels erstreckt (Abb. 1). Der Musculus rectus femoris wird identifiziert und von seiner distalen Anheftung an der Patella sowie von seinen Faszienverbindungen gelöst. Die anführende laterale Femoralarterie wird identifiziert und erhalten. Der Muskellappen wird in einer distal-proximalen Vorgehensweise angehoben und durch einen subkutanen Tunnel, der die Entnahmestelle und die Leistenwunde verbindet, in die Leistenwunde eingeführt. Abhängig vom Gewebedefekt wird die Wunde schichtweise über eine Saugdrainage geschlossen oder eine Vacuum-assisted closure(VAC)-Therapie eingeleitet. Die Entnahmestelle wird ebenfalls mit einem geschichteten Wundverschluss versorgt. Einschließlich ausgiebigem Säubern und Spülen der Wunde dauert eine Rectus-femoris-Muskellappenplastik im Allgemeinen 30–60 min.

Abb. 1
figure 1

Darstellung einer Muskellappenplastik mit dem Musculus rectus femoris. a Zusätzliche Längsschnitte in der Mitte des Oberschenkels. b Der Muskellappen wird über einen subkutanen Tunnel zur Leistenwunde geführt, um die Gefäßprothese abzudecken. c Der Muskellappen füllt den entstandenen Weichteildefekt. Die Entnahmestellen werden mit einem geschichteten Wundverschluss versorgt. d Eine vollständige Wundheilung wurde erreicht

Für die Sartorius-Muskellappenplastik wird die Inzision der Leistenwunde zunächst nach lateral verlängert und die Faszie eingeschnitten, wodurch der Sartorius-Muskel freigelegt werden kann. Der proximale Rand des Muskels wird abgelöst und die segmentalen Äste der A. femoralis superficialis an der Unterseite des Muskels werden identifiziert. Der Muskel wird umgedreht und in die Leistenwunde gelegt. Wieder wird entweder eine VAC-Therapie eingeleitet oder die Wunde schichtweise über eine Saugdrainage geschlossen. Einschließlich Säubern und Spülen wird auch die Sartorius-Muskellappenplastik im Allgemeinen innerhalb von 30–60 min durchgeführt.

Postoperativ wurde die initiierte Antibiotikatherapie basierend auf den mikrobiologischen Ergebnissen angepasst und in der Regel über mehrere Wochen, zunächst intravenös und dann in oraler Form, fortgesetzt. Diese Entscheidungen wurden immer in enger Zusammenarbeit mit Infektiologen getroffen. Die Patienten konnten in der Regel nach wenigen Tagen wieder mobilisiert werden und das Krankenhaus nach ausreichender weiterer Wundheilung, sodass eine ambulante Wundversorgung möglich ist, verlassen. Regelmäßige Wundkontrollen fanden zunächst im stationären und später im ambulanten Umfeld statt bis die Leistenwunden verheilt waren.

Endpunkte der Studie

Die primären Endpunkte waren das Überleben der Muskellappen, Erhaltung der Gefäßprothese und Majoramputationen. Sekundäre Endpunkte waren Wundheilung, lokale Wundkomplikationen innerhalb von 30 Tagen sowie Komplikationen der Rectus-femoris-Entnahmestelle, Gefäßkomplikationen und das Überleben des Patienten. Darüber hinaus wurden die Morbidität aufgrund einer gestörten Muskelkraft des Knieextensors nach Rectus-femoris-Entnahme und die Dauer des Krankenhausaufenthalts als sekundäre Endpunkte analysiert. Das Datum des letzten klinischen Kontakts wurde zur Berechnung der Follow-up-Periode pro Patient verwendet.

Statistische Analyse

Alle statistischen Analysen wurden mit SPSS Statistics 24 durchgeführt und die beiden Behandlungsgruppen (M. rectus femoris vs. M. sartorius) wurden miteinander verglichen. Für die demographischen Daten und Begleiterkrankungen wurden Standardverfahren der deskriptiven Statistik verwendet. Kategoriale Daten wurden als Prozentsätze dargestellt, kontinuierliche Daten als Mittelwert in Kombination mit der Standardabweichung (SD). Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen wurden mit χ2-Tests bewertet. Um die Mittelwerte der kontinuierlichen Variablen zu vergleichen, wurden t‑Tests für unabhängige Stichproben verwendet. Als statistisch signifikant wurden p-Werte von <0,05 angesehen.

Ergebnisse

Während des Untersuchungszeitraums wurden bei 39 Patienten insgesamt 44 Rectus-femoris-Muskellappenplastiken und bei 24 Patienten insgesamt 25 Sartorius-Muskellappenplastiken durchgeführt. Der durchschnittliche Follow-up-Zeitraum betrug in der Rectus-femoris-Gruppe 24 Monate (±24) und in der Sartorius-Gruppe 17 Monate (±20). Die demographischen Daten aller Patienten sind in Tab. 1 und die operativen Merkmale in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 1 Demographische Daten und Begleiterkrankungena
Tab. 2 Operative Merkmalea

In beiden Gruppen waren mehr als zwei Drittel der Patienten männlich (73 % bzw. 76 %). Das Durchschnittsalter betrug in der Rectus-femoris-Gruppe 67 Jahre (±9,6) und in der Sartorius-Gruppe 65 Jahre (±16,0). Die untersuchten Begleiterkrankungen waren häufig in dieser Studienpopulation vorhanden und vereinzelt wurden signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen gefunden (Tab. 1). In der Rectus-femoris-Gruppe wurden mehr Patienten wegen Hypercholesterinämie behandelt (86 % vs. 44 %, p < 0,001), während in der Sartorius-Gruppe mehr Patienten an einer chronischen Niereninsuffizienz litten (5 % vs. 44 %, p < 0,001).

Operative Merkmale

In Bezug auf die operativen Merkmale hatten fast alle Patienten in dieser Studienpopulation eine Vorgeschichte mit früheren Leistenoperationen (98 und 88 %). In den meisten Leistenwunden befand sich Kunststoffmaterial (98 % vs. 84 %). Tiefe Wundinfektionen in der Leiste waren in beiden Gruppen die häufigste Indikation für die Muskellappenplastik (48 und 56 %). Mehr als die Hälfte aller Patienten benötigte einen Notfalleingriff (57 und 56 %). In beiden Gruppen war mehr als die Hälfte aller Wundkulturen positiv für Mikroorganismen (64 und 72 %). Während der Rectus-femoris-Operationen wurde die Gefäßprothese aus 17 der 43 Leisten mit Kunststoffmaterial in situ (40 %) entfernt. In 6 dieser Fälle wurde die Prothese ohne Rekonstruktion entfernt, in 5 Fällen wurde das nichtautologe Prothesenmaterial durch venöses Material ersetzt, und in den verbleibenden 6 Fällen wurde erneut nichtautologes Material verwendet. Während der Sartorius-Operationen wurde die ursprüngliche Gefäßprothese aus 10 der 21 Leisten mit Kunststoffmaterial in situ (48 %) entfernt, in 3 Fällen durch venöses Material ersetzt und in 4 Fällen durch Kunststoffmaterial. Mehr als die Hälfte aller Patienten benötigte eine VAC-Therapie (56 und 81 %).

Endpunkte der Studie

Die klinischen Ergebnisse nach den Muskellappenplastiken sind in Tab. 3 dargestellt. Während des durchschnittlichen Follow-up-Zeitraums von 24 bzw. 17 Monaten (±24 bzw. 20) blieben 91 % bzw. 84 % aller Muskellappen vital. Wundheilung, Verlust der Gefäßprothese, Amputationen und Mortalität waren ebenfalls zwischen beiden Behandlungsgruppen vergleichbar. Insgesamt konnten 65 % bzw. 73 % der verbleibenden Gefäßprothesen sekundär erhalten werden. In der Rectus-femoris-Gruppe war nur eine Amputation innerhalb der ersten 30 Tage erforderlich und 4 Patienten verstarben aufgrund rezidivierender Infektion und Sepsis. Auch in der Sartorius-Gruppe war eine Amputation innerhalb der ersten 30 Tage erforderlich. Ein Patient verstarb aufgrund von Blutungen und ein anderer Patient aufgrund einer unabhängigen Todesursache. In beiden Gruppen wurden zurückkehrende Wundinfektionen am häufigsten als lokale Komplikation an der Leistenwunde beschrieben (34 % vs. 12 %). Interessanterweise war die Komplikationsrate der Entnahmestelle in der Rectus-femoris-Gruppe sehr niedrig. Nur ein Patient entwickelte eine Komplikation an der Entnahmestelle (2 %) und in nur einem Fall wurde von einer Beeinträchtigung der Muskelkraft berichtet. Die durchschnittliche Dauer des Krankenhausaufenthalts war in der Rectus-femoris-Gruppe deutlich kürzer als in der Sartorius-Gruppe (27 ± 20 Tage vs. 41 ± 26 Tage, p = 0,02).

Tab. 3 Klinische Ergebnissea

Diskussion

Die Behandlung von Komplikationen in der Leistenwunde nach gefäßchirurgischen Eingriffen stellt weltweit immer noch eine Herausforderung für Gefäßchirurgen dar [16]. Diese retrospektive Studie an zwei Standorten eines grenzüberschreitenden Gefäßzentrums vergleicht die Ergebnisse der Rectus-femoris-Muskellappenplastik mit den Ergebnissen der Sartorius-Muskellappenplastik. Wir konnten zeigen, dass eine Muskellappenplastik ein effektives Verfahren ist, um tiefe Defekte nach Infektionen der Leistenwunde zu bedecken, und haben mit beiden Techniken gute Ergebnisse hinsichtlich Amputationen und Gefäßprothesenerhalt nachweisen können.

In dieser Studie mit einem durchschnittlichen Follow-up-Zeitraum von 2 Jahren waren 91 % aller Rectus-femoris-Muskellappen und 84 % aller Sartorius-Muskellappen beim letzten Patientenkontakt vital. In beiden Behandlungsgruppen traten schwerwiegenden Komplikationen wie Verlust der Gefäßprothese, Amputationen und Mortalität selten auf. Darüber hinaus benötigten mehr als die Hälfte aller Patienten einen Notfalleingriff, was den Schweregrad der Infektionen und der klinischen Darstellungen deutlich macht. Patienten mit tiefen Infektionen in der Leiste stellen für den Gefäßchirurgen eine schwierige Gruppe von Patienten mit schlechter Prognose dar [1, 2]. Unsere Studie zeigt, dass die Muskellappenplastik mit beiden Muskeln zu akzeptablen Mortalitäts- und Amputationsraten führte, die im Vergleich mit den Mortalitäts- und Morbiditätsraten nach traditionellem Wundmanagement niedrig waren [11]. Der einzige signifikante Unterschied zwischen beiden Gruppen war eine kürzere Dauer des Krankenhausaufenthalts in der Rectus-femoris-Gruppe. Dieser Unterschied ist am wahrscheinlichsten auf allgemeine Unterschiede im Gesundheitswesen zwischen Deutschland und den Niederlanden zurückzuführen. Die Verwendung des Rectus-femoris-Muskellappens wird im niederländischen Teil des Gefäßzentrums präferiert, während die Sartorius-Muskellappenplastiken in Aachen durchgeführt wurden. Statistiken zeigen, dass die durchschnittliche Verweildauer im Jahre 2016 in deutschen Krankenhäusern 7 Tage betrug und in den Niederlanden 5 Tage [17, 18]. Daher ist es nicht verwunderlich, dass dieser Trend auch in unserer Studie zu sehen ist.

Infektionen der Leistenwunde

Es ist nicht überraschend, dass die Leiste die Region ist, die am häufigsten von postoperativen Infektionen betroffen ist [8]. Die Mehrheit der peripheren Gefäßinterventionen wird über einen inguinalen Zugang durchgeführt. Es ist jedoch bekannt, dass die Leistenbeuge aufgrund der lymphatischen Anatomie, des Potenzials für einen großen Gewebedefekt und postoperativer Fettgewebs- und Hautnekrosen ein eher ungünstiges Wundumfeld ist [2, 7]. Außerdem trägt auch die direkte Nähe dieses Gebietes zur stark kontaminierten Anogenitalregion zu einem erhöhten Risiko für Wundinfektionen bei [7, 8]. Darüber hinaus sind bei gefäßchirurgischen Patienten häufig mehrere Begleiterkrankungen vorhanden, wie z. B. Diabetes mellitus, die zusätzliche Risikofaktoren für Wundinfektionen darstellen [2, 7]. Diabetes, Nikotinabusus und ein hoher Body-Mass-Index (BMI) waren auch in unsere Studienpopulation häufig vorhanden, was das Risiko von Wundinfektionen erhöhte. Dies könnte mit zu der relativ hohen Rate lokaler Komplikationen nach der Muskellappenplastik beigetragen haben. Am häufigsten wurden zurückkehrende Infektionen und Blutungen berichtet, die jedoch bei der Mehrzahl der Patienten nicht zu einem Muskellappenverlust führten. Darüber hinaus werden in der Literatur vergleichbare Komplikationsraten berichtet. Mirzabeigi et al. führten eine relativ große Muskellappenstudie in den USA durch und die Autoren berichteten von einer Komplikationsrate von 34 % [7]. Obwohl in unserer Studie in der Rectus-femoris-Gruppe eine Tendenz zu einer höheren Komplikationsrate gefunden wurde, war der Unterschied nicht statistisch signifikant und die langfristigen klinischen Erfolge in beiden Behandlungsgruppen vergleichbar.

Ergebnisse der Muskellappenplastiken

In der Literatur konzentrierten sich bisher wenige Studien auf die Ergebnisse der Rectus-femoris-Muskellappenplastik bei tiefen Leistenwunden. Mirzabeigi et al. berichteten von Amputationen in 5,8 % der Fälle und 21,6 % Gefäßprothesenverlust [7]. Fischer et al. berichteten von Amputations- und Prothesenverlustraten von 1,4 % bzw. 2,9 % [13]. Andere Amputationsraten reichen bis zu 25 % und Prothesenverlustraten bis zu 35 % [19, 20]. Mirzabeigi et al. berichteten außerdem von vergleichbaren Komplikationsraten, auch nachdem der Sartorius-Muskel verwendet wurde, während Fischer et al. über eine signifikant niedrigere Gesamtrate von Komplikationen von 2,9 % (Prothesenverlust, Amputation oder Reintervention) berichteten, wenn der Rectus-femoris-Muskel verwendet wurde, verglichen mit 13,2 % nach Verwendung des Sartorius-Muskels [7, 13]. In unserer Studie waren keine Unterschiede zwischen beiden Behandlungsgruppen bezüglich der primären Endpunkte zu verzeichnen. Interessanterweise war die in unserer Studie festgestellte Komplikationsrate der Rectus-femoris-Entnahmestelle hingegen sehr niedrig. Im Vergleich dazu haben Fischer et al. in ihrer Studie von einer Komplikationsrate von 7,5 % berichtet [13]. Das mögliche Risiko von zusätzlicher Morbidität durch den zweiten Weichteildefekt sowie von Funktionsdefiziten der Knieextension nach der Rectus-femoris-Muskellappenplastik ist einer der größten potenziellen Nachteile. Unsere Studie zeigt, dass eine zusätzliche Morbidität aufgrund der Entnahme des Muskels eine Seltenheit war. Darüber hinaus haben auch Sbitany et al. gezeigt, dass die Muskelstärke in ihrer Studie nach vollzogener Rectus-femoris-Muskellappenplastik nicht merklich abgenommen hat [21]. Weitere Studien fanden ebenfalls keine signifikante funktionelle Einschränkung [22, 23]. Ein Nachteil der Sartorius-Muskellappenplastik ist die komplexere Blutversorgung. Der M. sartorius wird segmental von der A. femoralis superficialis (SFA) durchblutet und im proximalen Teil des Muskels auch von anderen Gefäßen in diesem Bereich [24, 25]. Bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit ist die SFA häufig beeinträchtigt [7, 8, 14, 15]. Töpel et al. haben jedoch den Einfluss einer SFA-Okklusion auf das Ergebnis der Sartorius-Muskellappenplastik beurteilt und kein erhöhtes Risiko auf einen Verlust des Muskellappens festgestellt [26]. Viel wichtiger ist, dass das Risiko einer Muskellappennekrose erhöht ist, wenn die posteromedial eintretenden Gefäßstiele während der Mobilisierung des Sartorius-Muskellappens nicht erhalten bleiben. Um eine Lappennekrose zu vermeiden, sollte nur ein kleines Segment des M. sartorius lateral mobilisiert und dann in die Leistenwunde gedreht werden [25].

Alternative Verfahren zur plastisch-chirurgischen Defektdeckung in der Leiste, wie der Gracilis-Muskellappen, der Tensor-fasciae-latae(TFL)-Lappen oder der kontralaterale Rectus-abdominis-Lappen, können auch nach gefäßchirurgischen Eingriffen angewandt werden [27,28,29,30]. Validierte klinische Daten zu jeglichen Formen der Defektdeckung in der Leiste sind jedoch sehr begrenzt, meist basierend auf Fallberichten und Studien mit kleinen Patientengruppen. Durch Dua et al. wurde vor kurzem eine Gracilis-Muskellappen-Technik evaluiert mit 100 % Wundheilung als Ergebnis, sodass geschlussfolgert wurde, dass dieses Verfahren als primäres Verfahren der Defektdeckung in der Leistengegend in Erwägung gezogen werden sollte [27]. Die Rectus-femoris- und Sartorius-Muskellappenplastik bieten außerdem vor allem im Vergleich zum TFL- und kontralateralen Rectus-abdominis-Lappen den Vorteil einer geringeren Invasivität, dass sie üblicherweise durch die Gefäßchirurgen selbst angewendet werden können und für die meisten in der Gefäßchirurgie vorkommenden Leistendefekte von ausreichender Größe sind.

Einschränkungen

Ein Nachteil der vorliegenden Studie ist ihr retrospektiver Charakter. Alle möglichen Nachteile dieses Designs, wie beispielsweise fehlende Daten und Erinnerungsverzerrung, können vorhanden sein. Außerdem ist die Studienpopulation relativ klein. Aufgrund des retrospektiven Charakters dieser Studie erfolgte keine Randomisierung und wir fanden signifikant mehr Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz in der Sartorius-Gruppe. Diese unterschiedliche Verteilung eines Risikofaktors für Wundheilungsstörungen kann die Ergebnisse beeinflussen.

Zukunftsperspektiven

Wie im Vorfeld erörtert, werden für beide Muskellappen zahlreiche potenzielle Vor- und Nachteile beschrieben. Die Entscheidung, welcher Muskellappen zur Bedeckung der Leiste entnommen wird, hängt derzeit hauptsächlich von der Präferenz und Erfahrung des Krankenhauses und des operierenden Chirurgen ab. Die derzeit verfügbaren Daten unterstützen keinen eindeutigen klinischen Vorteil für eines der beiden Verfahren, wobei jedoch keine prospektiven oder randomisiert kontrollierten Studien verfügbar sind. Auch in unserer Studie waren beide Muskellappen gleichwertig im Hinblick auf die klinischen Ergebnisse. In weiteren Studien muss daher untersucht werden, ob eine der beiden Muskellappenplastiken der anderen hinsichtlich der klinischen Ergebnisse überlegen ist.

Schlussfolgerung

Die Muskellappenplastik ist ein effektives Verfahren um Leistendefekte durch tiefe Infektionen nach gefäßchirurgischen Eingriffen zu bedecken, mit guten Ergebnissen in einer schwierigen und verletzlichen Gruppe von Patienten. Es wurden keine Unterschiede zwischen beiden Muskellappenplastiken in Bezug auf Amputationen und Verlust der Gefäßprothese gefunden. Wir empfehlen daher, die Muskellappenplastik abhängig von den Vorlieben und Erfahrungen des Operationsteams durchzuführen. Hierbei ist es jedoch unseres Erachtens sinnvoll, beide Techniken zu beherrschen, da die Rectus-femoris-Muskellappenplastik vor allem zum Bedecken großer Gewebedefekte geeignet ist und die Sartorius-Muskellappenplastik für kleinere Defekte verwendet werden kann.

Fazit für die Praxis

  • Die Muskellappenplastik ist ein effektives Verfahren, um tiefe Infektionen in der Leiste zu behandeln.

  • Der Rectus-femoris-Muskel und der Sartorius-Muskel sind gleichwertig hinsichtlich Amputationsraten und Gefäßprothesenverlust.

  • Beide Techniken können sicher durchgeführt werden, je nach Präferenz und Erfahrung des Operationsteams.