Die flexible Endoskopie rückt aufgrund neuer, insbesondere interventioneller Möglichkeiten wieder vermehrt in den Fokus der Chirurgie, insbesondere der Viszeralchirurgie. Zu den Innovationen zählen endoskopische und minimal-invasive Hybridverfahren, minimal-invasive Eingriffe über natürliche Körperöffnungen mittels spezieller Endoskope und die endoskopische Therapie von Komplikationen. Gemeint sind bei Letzterem Blutstillungsverfahren, der intraluminale Verschluss von Perforationen durch neu entwickelte Clips und nicht zuletzt die intraluminale Vakuumtherapie bei Perforationen und Anastomoseninsuffizienzen, insbesondere nach Eingriffen im oberen und unteren Gastrointestinaltrakt. Die wesentlichen Impulse dabei kommen aus der chirurgischen Endoskopie und der Medizintechnik in Deutschland. Gerade die endoskopische Vakuumtherapie (EVT) wurde zuallererst in Deutschland untersucht und beschrieben. Das Verfahren entwickelte sich in Anlehnung an die exzellenten Ergebnisse der Wundbehandlung mittels grobporiger Polyurethanschwämme unter kontinuierlichem Unterdruck bei offenen Wunden sowie bei offenem Abdomen [1].

Die Erstbeschreibung der EVT bei 29 Patienten mit einer Dehiszenz einer Rektumanastomose stammt von R. Weidenhagen aus München. Nach durchschnittlich einem Monat (34,4 ± 19,4 Tagen) konnte bei 28 Patienten eine Abheilung der Anastomose erzielt werden. Dafür waren im Mittel 11 endoskopische Interventionen erforderlich [2]. Aus dieser Erstbeschreibung haben sich weitere Anwendungsindikationen, aber auch spezielle Medizinprodukte entwickelt. Neben der Anastomoseninsuffizienz im unteren Gastrointestinaltrakt gibt es zwischenzeitlich Anwendungen im oberen Gastrointestinaltrakt, in der Abdominalhöhle und intrathorakal. Bislang basieren die Erfahrungen auf Patientenserien aus wenigen spezialisierten chirurgischen Endoskopieeinheiten, kontrollierte Studien zu alternativen Verfahren liegen bislang nicht vor [3].

Der Einsatz der EVT im Körperinneren erfordert ein Umdenken in der Diagnostik

Eine intrathorakale Anastomoseninsuffizienz nach Kardia- oder Ösophagusresektion ist eine lebensbedrohliche Komplikation und die Inzidenz gilt darüber hinaus als wesentliches chirurgisches Qualitätskriterium. Umso mehr ist es erstaunlich, dass es gerade dafür bislang keine einheitliche Klassifikation gibt, weshalb sich Qualitätsberichte und Publikationen nur bedingt vergleichen lassen. Dies war Anlass für die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Endoskopie und Sonographie (CAES) der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Viszeralchirurgie (DGAV) eine Klassifikation zu etablieren. Neben der Beschreibung der Beschaffenheit der Leckage und der Durchblutung des Interponates ist die Notwendigkeit einer interventionellen Therapie entscheidend für den Schweregrad der Komplikation. Nach Erstvorstellung und interdisziplinärer Diskussion bei nationalen Kongressen wurde die Letztversion mittels reeller Patientenverläufe aus zwei Kliniken validiert (A. Schaible et al. in diesem Heft).

Bis Mitte des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend galt als Standardtherapie einer Anastomoseninsuffizienz im oberen Gastrointestinaltrakt bzw. intrathorakal die Stentimplantation mit chirurgischer oder interventioneller Drainage der extraluminalen Retention. Im unteren Gastrointestinaltrakt, insbesondere nach tiefer Rektumanastomose, war dies die chirurgische Revision. Dabei erfolgte größtenteils die lokale Drainage und Vorschaltung eines Stomas bei kleiner Leckage und guter Durchblutung, Übernähung bis zum Auflassen der Anastomose mit meist definitivem Kolostoma. Der Einsatz der EVT im Körperinneren erfordert allerdings auch ein Umdenken in der Diagnostik von Anastomoseninsuffizienzen. Schnittbildgebungsverfahren, aber auch Kontrastmitteldarstellungen finden trotz der bekannten eingeschränkten Sensitivität nach wie vor Anwendung. Gerade bei dieser Fragestellung hat die flexible Endoskopie ihren großen Vorteil. Ohne spezielle Vorbereitung kann die Endoskopie jederzeit erfolgen, sie erlaubt die sichere Diagnose mit der wesentlichen Zusatzinformation über die Durchblutung des Darms, Beschreibung der Beschaffenheit und Größe der extraluminalen Höhle, aber auch wesentlich der Option der unmittelbaren Therapie. Obwohl vergleichende Studien fehlen, zeigen mehrere Fallserien das Potenzial der EVT mit zum Teil beeindruckenden Verläufen und Ausheilung großer Defekte mit der Erhaltung des Interponates und der Kontinenz.

Zwei weitere Arbeiten zum Thema „Chirurgische Endoskopie im Komplikationsmanagement“ in dieser Ausgabe von Der Chirurg beschreiben die Anwendung der EVT im oberen sowie im unteren Gastrointestinaltrakt, geben Einblicke in die Entwicklung und zuletzt auch in neue Anwendungsmöglichkeiten. Die EVT hat die Stentimplantation zur Überbrückung und Abdeckung einer spontanen sowie interventionellen Perforation bzw. Anastomoseninsuffizienz im oberen Gastrointestinaltrakt weitgehend abgelöst. Dabei wird je nach Größe der Leckage und der extraluminalen Höhle der Vakuumschwamm intraluminal oder intrakavitär platziert. Erste Erfahrungen bei einer Insuffizienz einer Pankreasanastomose sowie die kombinierte chirurgische Anwendung werden erstmals beschrieben (G. Loske). Auch im unteren Gastrointestinaltrakt kann der Schwamm intraluminal oder intrakavitär platziert werden. Beinahe immer empfiehlt sich die Vorschaltung eines Stomas. Auch im Beitrag M. Kantowski und A. Kunze werden die Entwicklungen und die Strategie ausführlich dargestellt und durch einen Therapiealgorithmus komplettiert.

Neue Trainingsmodelle/-module bieten dem Endoskopiker realitätsnahe Simulationen

Die EVT hat auch das Komplikationsmanagement nach bariatrischen Operationen völlig verändert. Im Beitrag von C. Stier und C. Corteville werden zunächst die typischen Komplikationen nach Schlauchmagenbildung aufgezeigt und die therapeutischen Optionen mit pathophysiologischen Überlegungen sowie Vor- und Nachteile der Verfahren beschrieben. Auch für diese Indikation ist die Stentimplantation in Kombination mit der externen Drainage des extraluminalen Bereichs weitgehend abgelöst worden.

Die letzte Arbeit zum Thema „Chirurgische Endoskopie im Komplikationsmanagement“ (K. E. Grund, U. Schweizer, A. Zipfel und B. Mothes) zeigt exzellent den unverzichtbaren Zusammenhang zwischen endoskopischer Expertise und profunder chirurgischer Kenntnis auf. Gerade das komplexe Komplikationsmanagement erfordert chirurgisches Hintergrundwissen zu den unterschiedlichen Anastomosenarten bzw. Techniken, aber auch zu den Folgen einer insuffizienten Therapie. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt im Bereich des Kompetenzerwerbs dieser neuen Therapieoptionen an speziell dafür entwickelten Trainingsmodulen und Trainingsmodellen ohne jegliche tierische Organe oder gar Tiere. Die unterschiedlichen Anwendungsoptionen können allesamt im Modell abgebildet werden und bieten dem Endoskopiker weitgehend realitätsnahe Simulationen. Ergeben sich im Zeitverlauf neue Fragestellungen, lassen sich diese unproblematisch umsetzen. Die wesentlichen Vorteile sind das patientenunabhängige flexible Training des gesamten Teams praktisch an jedem Ort und die Entwicklung bzw. Optimierung der Verfahren.

Zusammenfassend gibt diese Publikationsreihe eine Übersicht über die Klassifizierung intrathorakaler Anastomoseninsuffizienzen sowie neue Optionen in der Therapie von Anastomoseninsuffizienzen im Gastrointestinaltrakt und soll dem interessierten Leser das hohe Potenzial der EVT im Komplikationsmanagement in einem wichtigen Bereich der Viszeralchirurgie näher bringen. Abgerundet wird die Übersicht mit einer Arbeit von K.E. Grund et al.: Wie kann dieses Verfahren erlernt und trainiert werden.

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Prof. Dr. Alfred Königsrainer

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Prof. Dr. Utz Settmacher