Im Jahre 1978 veröffentlichen A. Parks und R. Nicholls aus der St. Marks Clinic in London erstmals eine Serie von 8 Patienten, bei denen nach Proktokolektomie ein Neoreservoir aus Ileum geschaffen wurde [1]. Dies stellt die Geburtsstunde des ileoanalen Pouchs dar. Nachdem Parks und Nicholls in ihrer Erstpublikation noch einen S‑Pouch zur Anwendung brachten, konzentrierte man sich in den folgenden Jahren zunächst auf das Pouchdesign. Mehrere verschiedene Designs (J-Pouch, W‑Pouch, H‑Pouch, K‑Pouch etc.) wurden versucht und nach einigen vergleichenden Untersuchungen setzte sich der von J. Utsunomiya erstpublizierte J‑Pouch wegen gleich guter funktioneller Ergebnisse wie andere aufwendigere Konstruktionen bei technischer Einfachheit und weniger verwendetem terminalem Ileum durch [2].

Nahezu 40 Jahre später ist das Operationsverfahren voll etabliert und wird im klinischen Alltag eingesetzt. Dennoch werden einige Teilaspekte zur Indikation und Technik immer wieder kontrovers diskutiert, weshalb in diesem Schwerpunktheft der Zeitschrift Der Chirurg im Wesentlichen vier unterschiedliche Teilaspekte zu dem Operationsverfahren in entsprechenden Beiträgen bearbeitet werden.

Für die chirurgische Therapie der Colitis ulcerosa, der familiären adenomatösen Polyposis (FAP) und des multilokulären Kolonkarzinoms ist der ileoanale Pouch der Goldstandard und allgemein akzeptiert. Beim M. Crohn und bei dem Krankheitsbild einer schweren Slow-transit-Obstipation dagegen ist die Indikation zu diesem Verfahren Gegenstand kontroverser Diskussion.

Anfangs galt M. Crohn für die restaurative Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage als Kontraindikation. Analysen größerer Serien mit akzidenteller Pouchanlage auch bei M. Crohn zeigten, dass für eine Subgruppe von Patienten (auf das Kolon limitierte Colitis Crohn, keine perianalen Fisteln, kein Dünndarmbefall) diese Operation auch eine Option darstellen kann. Die Erfolgsrate liegt mit ca. 80 % nur 10 % unter der durchschnittlichen Erfolgsrate bei der Colitis ulcerosa, bei vergleichbarem funktionellem Ergebnis. Es bedarf daher einer neuen Bewertung der Operationsindikationen zu diesem Verfahren.

Auch bei M. Crohn ist der ileoanale Pouch eine Option

In einem zweiten Beitrag wird die operative Technik auf den Prüfstand gestellt. Vor allem die Frage der technischen Herstellung der Anastomose (Stapler oder Mukosektomie mit Handnaht) ist nach wie vor nicht eindeutig gelöst. Ein zusätzlicher kritischer Punkt war die Notwendigkeit eines protektiven Ileostomas. Diese Frage konnte zugunsten der protektiven Ileostomie entschieden werden, vor allem wegen der Gefahr einer sekundären Ileostomaanlage im Falle von Komplikationen.

Auch wenn es eine Vielzahl neuer medikamentöser Substanzen zur Behandlung der Colitis ulcerosa gibt, ist die restaurative Proktokolektomie mit Ileum-J-Pouch nicht nur eine gute Option beim Karzinom und Therapieversagen, sondern auch eine echte Therapiealternative zur dauerhaften Immunsuppression. Die Operation ermöglicht abgesehen von der Pouchitis und den extraintestinalen Manifestationen eine Heilung von der Erkrankung. Ein weiterer Beitrag in diesem Heft belegt die guten Langzeitergebnissen dieses Verfahrens eindeutig.

Unter einigen Gastroenterologen, aber auch bei dem einen oder anderen Viszeralchirurgen genießt die Operationstechnik nach wie vor einen schlechten Ruf. Begründet wird der schlechte Ruf durch eine ca. 10 %ige Versagerrate (chronische Pouchitis, Inkontinenz, M. Crohn, postoperative Komplikationen). Wie der letzte Beitrag dieses Themenheftes zeigt, besteht selbst in diesen Situationen noch eine Möglichkeit, einen ileoanalen Pouch zu retten und dem betroffenen Patienten eine adäquate Funktion zu erhalten.

Wie hoffen, Ihnen mit diesem Schwerpunktheft einen aktuellen Überblick über die Datenlage zu diesem wichtigen viszeralchirurgischen Thema für eine angeregte interdisziplinäre Diskussion mit Ihrem gastroenterologischen Partner verschafft zu haben und wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre.

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Prof. Dr. C. T. Germer

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Prof. Dr. A. J. Kroesen