Infektionen sind ohne jeden Zweifel das älteste Thema der Chirurgie. Die steigende Prävalenz multiresistenter Erreger und gleichzeitig geringere Verfügbarkeit neuer, sensibler Antibiotika verschärfen die klinische Problematik zunehmend. Das Leitthema der aktuellen Ausgabe ist deshalb mit „Infektionen in der Viszeralchirurgie“ am Puls der Zeit und von praktischer Relevanz, sicher auch über die Fachdisziplin Viszeralchirurgie hinaus.

Bezogen auf sog. Healthcare-assoziierte Infektionen haben „surgical site infections“ (SSI) größten Stellenwert und sind entsprechend verantwortlich für eine Steigerung von Morbidität und Mortalität mit Kosten für das Gesundheitssystem in Milliardenhöhe. In diesem Zusammenhang stellen die Greifswalder A. Kramer und Kollegen die wachsende Bedeutung multiresistenter Erreger als Ursache von SSI heraus.

Für Antibiotika mit „Enterokokkenlücke“ sind wir mitverantwortlich

Der Beitrag aus Stuttgart von J. Pochhammer et al. führt diese Thematik fort und stellt anhand klinischer Daten von über 2700 kolorektalen Eingriffen die zunehmende Problematik von Enterokokken bei SSI und abdomineller Sepsis dar. Dieser Artikel gewinnt an Brisanz, da wir dieses Problem durch den unreflektierten Einsatz von Antibiotika mit „Enterokokkenlücke“ mitverantwortlich aggravieren.

Hinleitend auf Beiträge zur Vermeidung von SSI stellt der Beitrag von D. Seidel und J. Bunse aus Witten/Herdecke bzw. Berlin die Grundlage für Diagnose, Klassifikation und Behandlung der SSI dar.

B. Globke und Kollegen aus Berlin greifen hiernach die Thematik „Drainagen in der Viszeralchirurgie“ auf und stellen provokant, aber folgerichtig die Frage, ob wir dadurch abdominelle Infektionen und assoziierte Komplikationen verhindern oder vielleicht sogar induzieren.

Abgerundet wird dieses Themenheft durch die systematische Literaturübersicht zu evidenzbasierten Prinzipien zur Vermeidung von SSI durch die Kollegen F. Pianka und A.L. Mihaljevic aus Heidelberg.

Wir hoffen mit dieser Zusammenstellung einen lesenswerten und vor allem informativen Fokus „Infektionen in der Chirurgie“ für Sie setzen zu können.

Antibiotikatherapie ist keine generelle Alternative zur chirurgischen Fokussanierung

Apropos Fokus: Fokussanierung („source control“) stellt ein ebenso etabliertes chirurgisches Prinzip dar („ubi pus, ibi evacua“, Hippokrates) und benötigt in der Regel keine Beweisführung im Sinne der evidenzbasierten Medizin. Dennoch: Es wird jüngst zunehmend hinterfragt. So zeigen aktuelle Studien, dass eine Antibiotikatherapie in vielen Fällen eine Appendektomie zunächst vermeiden kann, jedoch – im Gegensatz zur Chirurgie – nicht definitiv, mit der Gefahr eines Rezidivs und dem Risiko des Entstehens einer komplizierten Appendizitis [13]. Verknüpft man die Expertise aus den Beiträgen dieses Leitthemas, kommen wir zu folgendem Schluss: In Hinblick auf Kosten- und ResistenzENTWICKLUNG im GESUNDheitswesen kann diese ENTWICKLUNG nicht GESUND sein.

Schlussendlich muss sich die Chirurgie dem Thema „Infektion“ weiterhin klinisch, aber auch wissenschaftlich stellen. Für die Zukunft bedeutet dies:

  1. 1.

    Indikationen zum Antibiotikaeinsatz müssen sowohl im ambulanten wie auch im stationären Bereich kritisch geprüft werden.

  2. 2.

    Konsequentes, präoperatives Screening auf multiresistente Erreger ist erforderlich. Je nach Dringlichkeit und Risiko des geplanten, operativen Eingriffes sollte die vorherige Dekolonisation erwogen werden.

  3. 3.

    Die Antibiotikatherapie kann keine generelle Alternative zur chirurgischen Fokussanierung darstellen.

  4. 4.

    Der Einsatz von Drainagen in der Viszeralchirurgie sollte individuell reflektiert werden, die Evidenz hierzu liegt vor.

  5. 5.

    Weitere klinisch belastbare Daten in Form randomisierter, multizentrischer Studien werden benötigt.

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Prof. Dr. Markus Diener

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Prof. Dr. Markus Büchler