Fragestellung

Die medizinischen Fakultäten in Deutschland leiden unter wachsenden Finanzierungsproblemen, wie sich an den z. T. hohen Defiziten im Jahr 2013 ablesen lässt. Wesentliche Gründe dafür liegen im Sonderstatus der Unikliniken als Krankenhäuser der Maximalversorgung, ihrer Schlüsselrolle in der ärztlichen Weiterbildung, der Behandlung seltener und oft sehr teurer Erkrankungen sowie der parallel durchgeführten Lehrveranstaltungen für die Studierenden, wie dies Albrecht et al. [1] und Bitzinger et al. [6] 2013 und 2014 in der Zeitschrift Deutsches Ärzteblatt zusammenfassten.

Die Promotion ist für zukünftige Wissenschaftler weiterhin wichtig und sollte möglichst schon im Studium erfolgen, um dafür keine Zeit in der Weiterbildungsphase aufwenden zu müssen [3, 5, 22]. Diese Forderung gewinnt Bedeutung vor dem Hintergrund, dass nur promovierte Wissenschaftler einen Antrag im Normalverfahren der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) stellen dürfen. Diesen Umstand haben Kroemer und Kawczek [19] kürzlich zum Anlass genommen, um auf die Notwendigkeit einheitlicher Infrastrukturen hinzuweisen. So kann derzeit die Drittmittelforschung nicht nur als Garant, sondern auch als Gefahr für die Forschungsfreiheit angesehen werden [12]. Besondere Bedeutung kommt aber auch dem Umstand zu, engagierte Personen rechtzeitig für die Forschungsarbeit zu motivieren. An der Forschung interessierte Medizinstudenten sind durch spezielle Angebote, wie das Biomedical Exchange Program (BMEP) erreichbar [4]. Das Problem der Motivation zur aktiven Forschungsbeteiligung liegt nicht zuletzt an der langen Ausbildungszeit für Ärzte, die nach einem sechsjährigen Medizinstudium meist noch eine fünfjährige Weiterbildung (oft sind für eine Zusatzbezeichnung, z B. Gastroenterologie, weitere Fortbildungsjahre notwendig) absolvieren müssen. In der Chirurgie beträgt die Weiterbildungszeit sogar 6 Jahre.

Auf einen drohenden Mangel an Chirurgen hat Ansorg 2012 [2] mit Nachdruck hingewiesen. In einer Evaluation des Blockpraktikums Chirurgie und des Abschnittes des Praktischen Jahres in der Chirurgie fühlten sich Studentinnen und Studenten vergleichbar gut betreut und trotzdem planten weniger Frauen eine chirurgische Weiterbildung, ohne dass dafür Gründe angegeben wurden [24].

Männer und Frauen unterscheiden sich wesentlich im Hinblick auf Karrierewünsche, weil Frauen ihre Karrierewünsche hinter die Familie stellen, dies belegt eine Schweizer Studie an Staatsexamenskandidaten [7].

Im Herbst 2015 wurde ein dringender Aufruf in den USA publiziert, der die Existenz des „clinical scientist“ als extrem gefährdet sieht [21]. Die Prognosen für Deutschland sehen nicht besser aus, wie kürzlich Epstein et al. ausführlich dokumentiert haben [14]. Deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen u. a. bei der Publikation der Egebnisse der Medizinischen Promotion belegte kürzlich Pfeffer et al [25]. Studierende der Medizin sollten bereits im Studium mehr Kontakt mit der Forschung haben, wie es durch eine strukturierte Doktorandenausbildung möglich ist, wie kürzlich von Pfeiffer et al. belegt [23].

In einer Umfrage unter den Dekanen der medizinischen Fakultäten in Deutschland zu ihren internen Programmen der Nachwuchsförderung in der Forschung bestätigten 91 % der angeschriebenen Fakultäten, dass zahlreiche oft unterschiedliche Programme im Hinblick auf deren Zielgruppe, Förderdauer und Förderhöhe z. B. Promotionsstipendien, Startfinanzierung einer eigenen Forschergruppe [23] existieren, jedoch keine Fakultät ihre Programme bisher evaluiert hat. Aus diesem Grund sollen hier die Ergebnisse der Evaluation der hochschulinternen leistungsbezogenen Forschungsförderung (HILF) an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) dargestellt werden. Dabei stehen folgende Kriterien im Vordergrund:

  1. 1.

    Wie erfolgte die Auswahl der geförderten Projekte?

  2. 2.

    Werden die wissenschaftlichen Ziele wie Publikationen und anschließende Drittmitteleinwerbungen erreicht?

  3. 3.

    Gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

Methodik

Im Jahr 1998 wurde aufgrund eines Vorschlags der Forschungskommission das HILF-Programm an der MHH eingeführt. Zweimal jährlich können promovierte Wissenschaftler seitdem einen Antrag auf Förderung eines eigenen Forschungsprojektes mit einer Gesamtfördersumme von maximal 25.000 EUR stellen. Eine Altersbegrenzung besteht dabei nicht. Die Mittel können für Personal- und Sachkosten, nicht aber für Reisen oder elektronische Hilfsmittel (z. B. Computer) eingesetzt werden. Die Laufzeit beträgt maximal ein Jahr. Von der Forschungskommission bewertete und bewilligte Anträge sind an die Verpflichtung gebunden, einen Abschlussbericht in Verbindung mit einem Vortrag bzw. einem Poster zu erstellen. Der beste Vortrag und das beste Poster werden jährlich mit je 500 EUR von der Gesellschaft der Freunde der MHH prämiert. Im Jahr 2005 wurde aus finanziellen Gründen kein HILF-Programm ausgeschrieben. Im Übrigen gab es für einige Jahre ein Zusatzprogramm zur Förderung von Kooperationsprojekten (genannt HILF II), das aber aus finanziellen Gründen ohne Evaluation wieder eingestellt wurde. Die vorliegenden Daten beziehen sich daher nur auf das ursprüngliche HILF-Programm. Für die Evaluation wurden alle Projektleiter der Jahrgänge 1998 bis 2011 angeschrieben und deren zurückgesandten Antworten ausgewertet. Der Fragebogen umfasste die Teilbereiche Publikation, Vorträge und Poster sowie bewilligte Drittmittelprojekte auf der Grundlage des HILF-Projekts. Die Angabe der Publikationen wurde durch Ermittlung der Impact-Faktoren objektiviert. Der Fragebogen steht als elektronischer Anhang dieser Arbeit zur Verfügung.

Resultate

Von 1998 bis 2011 wurden insgesamt 353 Projekte nach kritischer Begutachtung durch die Forschungskommission gefördert, wobei die Anzahl der eingereichten Anträge von 28 bis 96 pro Jahr stark schwankte. Die Bewilligungsquote lag im Zeitraum 1998 bis 2004 bei 69,5 % ± 14,0 % und in den Jahren 2006 bis 2011 bei 30,9 % ± 11,0 % pro Jahr. Das mittlere Fördervolumen betrug 18.636 EUR pro Projekt. Insgesamt 69 % der 353 geförderten Projektanträger waren männlich.

Ausgefüllte und auswertbare Fragebogen wurden von 174 (49,2 %) Geförderten zurückgesandt. Es bestanden keine Unterschiede in der Autorenquote zwischen Geförderten aus der inneren Medizin (34 %) und Chirurgie (35 %). Die Rücklaufquote variierte in den einzelnen Förderjahrgängen (Abb. 1), wobei die von 1998 bis 2007 geförderten Projektleiter sich deutlich weniger an der Befragung beteiligten als die der nachfolgenden Jahre. Das durchschnittliche Alter lag bei 33,7 ± 4,2 Jahre. Die Höhe der eingeworbenen Drittmittel betrug durchschnittlich das 7,2-Fache der durch die Hochschule eingesetzten Fördermittel. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede je nach Förderjahrgang (Abb. 2). Die Nationalität der Rücksender war zu 92 % deutsch. Von den 50 geförderten Projektträgern, die sich vor ihrem bewilligten HILF-Antrag im Ausland aufhielten, waren über zwei Drittel in den Vereinigten Staaten von Amerika. Auffällig ist, dass der Anteil weiblicher Projektträger ohne Publikation 38 % aus dem HILF-geförderten Projekt im Vergleich zu männlichen Projektträgern 17,6 % beträgt (Abb. 3). Es wurden auch zahlreiche Tagungsbeiträge mit Daten aus den HILF-Projekten dokumentiert (Abb. 4). Sowohl 80 % der Männer als auch der Frauen haben hier mindestens einen Tagungsbeitrag eingereicht. Die Anschlussförderung variierte zwischen den Förderjahrgängen, liegt aber im Schnitt bei einer guten Förderungsrate von 56,3 % (Abb. 5). Bei der Anzahl der Patentanmeldungen, die aus ca. 6 % der geförderten Projekte hervorgingen, gab es keinen Geschlechtsunterschied. Die wenigen Frauen hatten im Vergleich zu den männlichen Projektanträgern im Mittel größere Impact-Faktoren der auf dem HILF-Projekt basierenden Publikationen erhalten (Männer: 3,8 ± 3,7; Frauen: 4,5 ± 3,3; p = 0,0950, t‑test; Tab. 1). Mindestens eine Anschlussfinanzierung erhielten 62,7 % der Männer und 43,3 % der Frauen (p = 0,0245, Binomial-Test). Da oft Anträge auf Anschlussförderung erst nach einer erfolgreichen Publikation sinnvoll sind, haben wir uns auf eine Zeit bis 2011 beschränkt. Bei der Anzahl der Folgeförderung durch die DFG und Stiftungen mit kritischem Reviewsystem bestand kein Unterschied zwischen den Geschlechtern, während bei der Förderung durch sonstige Förderer die Männer mit 28,2 % erfolgreicher als die Frauen mit 14,1 % waren (p = 0,0208, Binomial-Test). Inzwischen haben sich 56 % der befragten Männer und 42 % der Frauen habilitiert, wobei 71 % angaben, dass das HILF-Projekt relevant für ihre bereits erfolgreiche bzw. noch andauernde Habilitation gewesen sei. Die freien Äußerungen waren zum überwiegenden Teil positiv. Die Förderung durch HILF im Verhältnis zu allen Drittmitteleinnahmen schwankt zwischen den Kliniken, aber es bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den sieben Kliniken des Zentrums für Innere Medizin und den sieben Kliniken des Zentrums Chirurgie. Wenn die Ergebnisse in der Chirurgie und Inneren Medizin pro Klinik dargestellt werden (Abb. 6) zeigen sich Unterschiede zwischen den Kliniken.

Abb. 1
figure 1

Beteiligung an der Befragung

Abb. 2
figure 2

Durchschnittliche Ausgaben und Einnahmen pro Projekt. HiLF Fragebogen zur hochschulinternen Leistungsförderung

Abb. 3
figure 3

Anzahl Publikationen nach Geschlecht

Tab. 1 Impact-Faktoren der Publikationen nach Geschlecht
Abb. 4
figure 4

Anzahl der Tagungsbeiträge nach Geschlecht

Abb. 5
figure 5

Anschlussförderung

Abb. 6
figure 6

Höhe der eingeworbenen HilF-Gelder pro Klinik in a Department Chirurgie und b Department Innere Medizin (1000 E). HiLF Fragebogen zur hochschulinternen Leistungsförderung

Wiederholt wurde um eine Aufstockung und Erweiterung des Programms gebeten. Für die hochschulinterne Diskussion in der Forschungskommission wurden die Ergebnisse nach operativen/nichtoperativen, vorklinischen/klinisch theoretischen Fächern und der psychologischen Medizin getrennt ausgewertet.

Diskussion

Die Ergebnisse dieser Befragung zeigen die Effektivität des Programms zur Anschubförderung der Forschung für junge Wissenschaftler. Allerdings sollte einschränkend festgehalten werden, dass keine Vergleichsgruppe vorlag. Einige nicht geförderte Antragsteller waren nicht bereit, an der Befragung teilzunehmen, was dazu führte, dass diese Gruppe nicht weiter verfolgt wurde. Bei der Evaluation haben wir nicht zwischen Medizinern und Naturwissenschaftlern unterschieden. Bei den Bewilligungssummen pro Klinik muss berücksichtigt werden, dass sich die Zahlen der wissenschaftlichen Mitarbeiter unterscheiden und Wechsel der Klinikleitung sicher auch einen Einfluss haben. Die Gründe für die unterschiedlichen Bewilligungsquoten in den Jahren 1998 bis 2004 und 2006 bis 2011 sind nicht bekannt. Die Zusammensetzung der Auswahlkommission hängt natürlich von der Wahlperiode der akademischen Gremien ab. Die Tatsache der Unterschiede wurde erst nach dieser Evaluation auch für uns deutlich. Der geringe Datenrücklauf von Personen, die vor langer Zeit gefördert wurden, überrascht nicht, da viele von ihnen schon nicht mehr an der MHH tätig sind. Ein wesentlicher Vorteil des Programms ist die Eigenverantwortlichkeit und Flexibilität bei der Ausgabe der bewilligten Mittel. Junge Wissenschaftler sind als Postdoktoranden sonst nur in größere Forschungsprojekte eingebunden und haben dabei weder eine eigene Verantwortung noch Berichtspflicht. Allerdings müssen die Belastungen durch Weiterbildung bei Medizinern, die in der Lehre tätig sind, berücksichtigt werden. Trotzdem muss dem Programm im Hinblick auf eine Habilitation der Geförderten eine zunehmende Bedeutung zugeschrieben werden. In einer kürzlich publizierten Studie zur Habilitation in der Medizin wurde der Wunsch nach finanzieller Förderung von 40 % der Befragten geäußert [27]. Es darf nicht vergessen werden, dass das Privatleben (Stichwort Generation Y) und die berufliche Qualifikation in der Forschung miteinander in Einklang gebracht werden müssen [26]. Natürlich sind Impact-Faktoren nur ein Parameter und für eine umfangreiche Bewertung der Forschungsleistungen sollte man umfangreichere Bewertungen einbeziehen sowie kürzlich Herrmann-Lingen et al. [18] betonten und Epstein et al. aktuell belegen [14]. Die an der MHH angebotenen regelmäßigen Veranstaltungen zur erfolgreichen Antragstellung für die Erlangung von Drittmitteln, ein spezielles Mentoring-Programm für Frauen in der Wissenschaft [20] und das HILF-Programm bilden solide Bausteine zur Unterstützung der medizinischen Forschung. Alle diese Maßnahmen sind wahrscheinlich ein Grund für die überproportional erfolgreich gestellten Drittmittelanträge bei der DFG im Vergleich zu anderen medizinischen Fakultäten [9, 11]. Trotz aktueller finanzieller Probleme mit denen alle medizinischen Fakultäten kämpfen [1, 15, 17], darf die jetzige Generation der Wissenschaftler in der jungen Postdoktorandenphase nicht alleine gelassen werden. Damit können nicht nur die Grundlage zur erfolgreichen Einwerbung von Forschungsmitteln gelegt und eine Motivation für junge Wissenschaftler geschaffen werden, sondern auch Belastungen durch Facharztweiterbildung und Aufgaben in der studentischen Lehre überwunden werden [14, 17]. Klinikdirektoren sollten Mitarbeiter nachdrücklich auf die jeweilige Möglichkeit der Forschungsförderung der eigenen Fakultät wie der DFG (z. B. Antrag der eigenen Stelle oder Gerok Stelle) aufmerksam machen [23] und individuelle Freiräume für interessierte Ärzte und Ärztinnen schaffen. Das gilt besonders für Frauen bei einem steigenden Prozentsatz der jungen Ärztinnen [7, 8]. Die ständige Senatskommission für Grundsatzfragen in der klinischen Forschung der DFG hat im Juni 2014 nachdrücklich auf die aktuellen Probleme hingewiesen [10] und die Expertenkommission für Forschung und Innovation hat den Handlungsbedarf betont [15]. Eine aktuelle Studie der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung dokumentiert die derzeit schwierigen Rahmenbedingungen medizinischer Forschung in Deutschland [13].

Fazit für die Praxis

Das HILF-Programm ist eine mögliche Lösung dieses Problems. Wir würden es begrüßen, wenn sich der Medizinische Fakultätentag mit Programmen zur Anschubfinanzierung befasst, und möchten alle Fakultäten anregen, ihre Fördermöglichkeiten für junge Wissenschaftler kritisch zu evaluieren. Dann könnten aus den Erfahrungen der anderen Fakultäten für die eigene Fakultät sinnvolle Hinweise erhalten werden, um weiterhin Nachwuchs als „clinical scientist“ zu rekrutieren.