FormalPara Originalpublikation

Markar SR, Mackenzie H, Lagergren P, Hanna GB, Lagergren J (2016) Surgical proficiency gain and survival after esophagectomy for cancer. J Clin Oncol 34(13):1528–1536

FormalPara Hintergrund und Fragestellung.

In der Literatur der letzten Jahre ist nachdrücklich belegt, dass das postoperative Outcome nach Ösophagektomie durch die Behandlung in spezialisierten High-Volumen-Zentren verbessert werden kann. In einer kürzlich publizierten Metaanalyse wurde weiterhin festgestellt, dass hierbei die Operationsfrequenz des einzelnen Chirurgen von größerer Bedeutung ist als die Gesamtfallzahl des Zentrums [1]. In diesem Zusammenhang ist jetzt eine aktuelle Studie aus Schweden erschienen, die anhand eines nationalen Datenregisters den Einfluss der individuellen Lernkurve auf die Mortalität im kurz- und langfristigen Verlauf untersucht.

FormalPara Methoden.

Basierend auf 2 nationalen, validierten Registern in Schweden wurden alle Patienten identifiziert, die bei der Diagnose Ösophaguskarzinom im Zeitraum von 1987 bis 2010 in kurativer Intention über einen transthorakalen Zugang ösophagektomiert wurden. Zielparameter dieser Untersuchung waren die Gesamt- und krankheitsspezifische Mortalität nach 30 und 90 Tagen sowie nach 1, 3 und 5 Jahren. Für jeden in den Registern dokumentierten Operateur wurde nach Anonymisierung die Anzahl der durchgeführten Operationen im zeitlichen Verlauf erfasst. Für alle eingeschlossenen Operateure wurde dann eine risikoadjustierte kumulative Summenkurve („risk-adjusted cumulative sum curve“, RA-CUSUM) hinsichtlich des primären Zielparameters „Mortalität“ erstellt.

Insgesamt wurden in die Analyse 1821 Patienten eingeschlossen, die von 139 Chirurgen operiert wurden. Die durchschnittliche Fallzahl des einzelnen Operateurs lag bei 16 Ösophagektomien (höchste Fallzahl 262 Ösophagektomien). Es wurden in dem Untersuchungszeitraum lediglich 32,2 % wegen eines lokal fortgeschrittenen Tumors neoadjuvant therapiert. Die mediane Nachbeobachtungszeit dieser Kohorte war 491 Tage.

FormalPara Ergebnisse.

Für die 30-Tage Gesamtmortalität lag der Wendepunkt der Lernkurve („proficiency gain curve“) bei 15 Fällen, die Sterblichkeit fiel nach Erreichen dieser Fallzahl signifikant von 7,9 % auf 3,1 % ab (p < 0,001). Im Vergleich hierzu stieg der beobachtete Wendepunkt der Lernkurve für die primären Zielparameter 90-Tage-, 1‑, 3‑ und 5‑Jahre-Gesamtmortalität kontinuierlich an (jeweils 22, 53, 35 und 59 Ösophagektomien). Exemplarisch aufgeführt, fiel die 5‑Jahre-Gesamtmortalität bei einem Wendepunkt von 59 Ösophagusresektionen von 31,4 % auf 19,1 % signifikant ab. Die Lernkurve hatte ebenfalls einen Einfluss auf die Anzahl der resezierten Lymphknoten, die mit zunehmender Fallzahl kontinuierlich anstieg. Die RA-CUSUM-Analyse zeigte auch für den Qualitätsparameter „Reoperation“ einen statistisch signifikanten Zusammenhang mit einem Wendepunkt von 55 Fällen (12,6 % vs. 5,0 % Reoperationen, p < 0,001).

FormalPara Fazit.

Die vorliegende populationsbasierte Studie belegt eindeutig, dass die Sterblichkeit nach Ösophagektomie durch die Lernkurve des Chirurgen beeinflusst wird und dass der langfristige Erfolg nach dieser Operation eine Zahl von mindestens 50 Resektionen voraussetzt. Auch onkologische Parameter wie die Anzahl resezierter Lymphknoten und die R0-Resektionsrate unterliegen der Lernkurve des Chirurgen. Mit zunehmender operativer Erfahrung sinkt ebenfalls die Rate der notwendigen Reoperationen.

In dieser Untersuchung wurde nur ein geringer Anteil der Patienten minimalinvasiv operiert. Die zunehmend eingesetzten minimal-invasiven Verfahren sind aber im Vergleich zur offenen Ösophagektomie die komplexeren Prozeduren mit längeren Lernkurven, als in dieser Untersuchung angegeben. Um die Prozessqualität und damit auch die Sicherheit des Patienten zu erhöhen, ist deshalb eine wesentliche Forderung aus dieser Studie, die individuelle Lernkurve – soweit es geht – zu verkürzen und in der „kritischen“ Phase unterstützend durch ein strukturiertes Ausbildungskonzept und ein gezieltes Mentoring zu begleiten.