Hintergrund

Endoskopisch diagnostizierte Dysplasien bei Colitis ulcerosa (CU), insbesondere High-grade-Dysplasien (HGD) und „dysplasia associated lesions or mass“ (DALM), tragen ein signifikantes Karzinomrisiko bis 50 %. Karzinombefunde bei CU-assoziierten Dysplasien möglichst exakt vorhersagen zu können, wäre essenziell für Empfehlungen hinsichtlich der Notwendigkeit und des Ausmaßes einer eventuellen Resektion.

Fragestellung und Methode

Ziel der hier vorgestellten Studie war die Analyse von Häufigkeit und Lokalisation von Dysplasien und Karzinomen in Proktokolektomiepräparaten bei Patienten mit Colitis ulcerosa/indeterminata mit präoperativ bioptisch gesicherter Dysplasie. Hierzu wurden Patientencharakteristika und endoskopische Befunde retrospektiv mit der Histologie des endgültigen Resektats korreliert. Präoperative Dysplasien wurden eingeteilt nach ihrem Grad („low-grade“ [LGD], „high-grade“ [HGD] und „indefinite“ [IND]), dem endoskopischen Erscheinungsbild („flat“, DALM und „adenoma-like“ [ALM]) sowie der Fokalität (uni- vs. multifokal). Primärer Endpunkt war der histopathologische Befund des Kolektomiepräparats, klassifiziert nach Dysplasiegrad (LGD, HGD, IND) oder Karzinom.

Ergebnisse

Insgesamt konnten durch Datenbankanalyse (1984–2007) 348 Patienten mit präoperativer Dysplasie identifiziert werden. Das mediane Alter zum Operationszeitpunkt lag bei 46 Jahren (38–57), bei einer medianen Erkrankungsdauer von 14,6 Jahren (8,7–20,9). Die endgültige Histologie bestätigte bei 51 Patienten (15 %) ein Karzinom und bei 172 Patienten (49 %) eine Dysplasie, die übrigen 125 Patienten (36 %) hatten eine unauffällige Histologie. Patienten mit präoperativer HGD zeigten in 29 % der Fälle ein Karzinom, verglichen mit 3 % bei präoperativer LGD (p < 0,001). Bei Patienten mit präoperativer DALM fand sich in 25 % der Fälle postoperativ ein Karzinom, verglichen mit 8 % bei flacher Dysplasie und 0,4 % bei ALM (p < 0,001). Dabei zeigten Patienten mit präoperativer High-grade-DALM – verglichen mit allen übrigen Dysplasieformen – die höchsten Raten an postoperativer HGD (52 %) bzw. invasivem Karzinom (34 %). Patienten mit Low-grade-DALM zeigten gegenüber Patienten mit flacher LGD ein 3-fach erhöhtes Risiko einer HGD oder eines Karzinoms (29 % vs. 9 %, p = 0,015). Bezogen auf die Lokalisation der Dysplasie war das Risiko eines Karzinoms mit 26 % am höchsten bei präoperativ kombiniertem Dysplasienachweis in Kolon und Rektum. Die multivariate Analyse bestätigte die Faktoren „Krankheitsdauer“, „präoperative HDG“ und „präoperative DALM“ als unabhängige Risikofaktoren für ein Karzinom in der postoperativen Histologie.

Diskussion und Fazit des Reviewers

Die vorliegende Arbeit gibt eine klare Empfehlung zur Proktokolektomie bei allen Patienten mit endoskopisch-bioptisch nachgewiesener HDG und allen Patienten mit DALM unabhängig vom Dysplasiegrad. Das Vorgehen bei flacher LGD ist dagegen kontrovers, auch wenn sich die aktuelle Arbeit auch hier für einen „low threshold for surgery in all patients with LDG“ ausspricht, da immerhin 1 von 10 Patienten mit flacher LGD zum Zeitpunkt der Diagnose eine HGD oder ein invasives Karzinom aufwiesen. Diese Empfehlung wird auch durch eine Übersichtsarbeit bestätigt, die zeigen konnte, dass nach Diagnosestellung einer LGD mit einem 9-fach erhöhten Risiko der Karzinomentstehung und 12-fach erhöhten Risiko der Ausbildung fortgeschrittener dysplastischer Läsionen zu rechnen ist [1]. Darüber hinaus sollten weitere Aspekte, wie z. B. Multifokalität der Dsyplasie, lange Krankheitsdauer und Pankolitis, als gewichtige Faktoren pro resectionem gewertet werden.