Herr Prof. Dr. Volker Bay (Abb. 1) wurde am 9. März 1929 in Stuttgart geboren. Nach anfänglichen Studien in Bonn und Freiburg kam er früh nach Hamburg, legte hier 1955 das medizinische Staatsexamen ab und wurde im selben Jahr promoviert. Die Medizinalassistentenzeit begann er unter Söhring in der Pharmakologie, wechselte in die Anästhesie unter Horatz und wandte sich dann endgültig der Chirurgie zu, zunächst im AK St. Georg bei Buck-Gramcko und Buchholz. Die entscheidende Prägung erfuhr Prof. Bay im Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE) durch seinen verehrten Lehrer Prof. Zuckschwerdt, dem er über das Berufliche hinaus lebenslang eng verbunden blieb. Im UKE wurde er 1963 habilitiert mit dem Thema „Das toxische Adenom der Schilddrüse“. Dieses Organ hat ihn zeitlebens fasziniert. Weiter entwickelte Bay eine besondere Neigung für die Kinderchirurgie, ein Fach, das damals noch in den „Kinderschuhen“ steckte. Die persönlichen Kontakte zu den Kinderchirurgen in der DDR rissen auch in politisch schwierigen Zeiten nicht ab; er versorgte seine Freunde nicht nur mit wissenschaftlicher Literatur. Als das geplante Ordinariat für Kinderchirurgie im UKE nicht verwirklicht wurde, übernahm Prof. Bay 1970 nach dem Unfalltod von Prof. Lichtenauer die I. Chirurgische Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses Harburg mit damals über 100 Betten und einer großen Kinder- und Säuglingsstation. Es gab keinen allgemeinchirurgischen Bereich, in dem Prof. Bay nicht zu Hause war. So expandierte in enger Zusammenarbeit mit der Lungenabteilung, zunächst unter Hain, später unter Kaukel, die Lungenchirurgie und erreichte unter den thoraxchirurgischen Kliniken Deutschlands nicht nur wegen der hohen Operationszahlen, sondern v. a. wegen innovativer Ideen einen geachteten Stellenwert. Geradezu ein Steckenpferd wurden die Schilddrüsenerkrankungen. Waren es zu Beginn seiner Harburger Zeit gerade einmal 30 Eingriffe an der Schilddrüse pro anno, steigerte sich diese Zahl auf 1200 in den letzten Jahren seiner Tätigkeit. Vehement forderte er auf Kongressen und in Publikationen die damals noch sehr unübliche intraoperative Darstellung des N. recurrens. Außerdem setzte er, angeregt durch die Ergebnisse der Mayo-Klinik, die eingeschränkte Radikalität beim papillären Mikrokarzinom der Schilddrüse durch, ein bahnbrechender Paradigmenwechsel.

Abb. 1
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Professor Dr. Volker Bay

Trotz eines vollen Arbeitstags durfte in seiner Abteilung die Fortbildung nicht zu kurz kommen. Bay verstand es, seine Mitarbeiter zur Teilnahme an Studien zu motivieren. Wer wollte, durfte jederzeit Kongresse und Fortbildungen besuchen, sofern die Patientenversorgung geregelt war. Neuen Operationsmethoden stand er kritisch, aber offen gegenüber. Die tägliche Visite, auch an den Wochenenden, vom Stationsarzt und nicht vom Diensthabenden, war ehernes Gesetz. Um problematische Patienten kümmerte sich der Chef selbst in beispielhafter Zuwendung und assistierte, so oft es ging, jüngeren Mitarbeitern, dabei saubere Präparation fordernd.

Ein besonderes Anliegen war unserem Chef die Betreuung der PJ-Studenten. Im täglichen Unterricht ließ er sich nur selten und ungern vertreten. Die hohe Zahl abgeschlossener Doktorarbeiten und Publikationen aus seiner Klinik dokumentieren sein wissenschaftliches Engagement. In den Jahren 1973 und 1987 war Prof. Bay Vorsitzender der Tagung der Vereinigung Nordwestdeutscher Chirurgen mit breitgefächertem Programm, und er leitete 1986 in Hamburg die jährliche Tagung der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Endokrinologie CAE, heute CAEK.

Etliche Abende verbrachte Bay im Fortbildungsausschuss der Hamburger Ärztekammer und in der Ethikkommission, der er vorstand. In seinen freien Stunden erfreute er sich mit seiner Frau in seinem modernen Haus an alter und neuer Kunst, die beide mit Leidenschaft sammelten, und er widmete sich, besonders nach seiner Pensionierung, seinen Freunden vom Rotary Club.

Bitter traf es ihn, dass nach seinem Ausscheiden 1994 seine Abteilung komplett umstrukturiert wurde. Seine Vision eines endokrinen Zentrums sollte sich erst 20 Jahre später erfolgreich an anderer Stelle erfüllen.

Nach seinem intensiven Arbeitsleben, geprägt von Fürsorge um seine Patienten, Engagement für klinische Forschung und fundierte Ausbildung angehender Chirurgen verhinderten zehrende Erkrankungen einen beschaulichen Lebensabschnitt. Mit Freude und Genugtuung nahm er noch am 9. März 2014 zahlreiche Glückwünsche ehemaliger Patienten, Kollegen und Schüler zum 85. Geburtstag entgegen. Am 7. April 2014 verstarb Herr Prof. Bay. In der für ihn typischen Bescheidenheit wünschte er keine Trauerfeier. Mit Respekt, Hochachtung und Dankbarkeit behalten wir unseren verehrten Lehrer in Erinnerung.