Hintergrund

Traditionell besteht bei Vorliegen einer komplizierten Divertikulitis (Abszess, Fistel, Stenose, Blutung) eine Indikation zur (früh-)elektiven Intervalloperation, mit dem Ziel, aktuelle Beschwerden zu beseitigen und das Risiko eines Erkrankungsrezidivs (von bis zu 50 %) zu minimieren. Da jedoch keine randomisierten Studien zu dieser Fragestellung existieren, erfolgt die Indiktionsstellung zum operativen Vorgehen auch bei komplizierter Divertikulitis zunehmend zurückhaltender [1].

Fragestellung der Studie

Ziel der vorliegenden retrospektiven Studie war es, den Krankheitsverlauf von Patienten mit perforierter Divertikulitis und parakolischem Abszess zu analysieren, bei denen eine interventionelle Drainage des Abszesses als alleinige Therapie erfolgte, ohne Kolonresektion im Verlauf.

Methode

Mittels einer Datenbankanalyse zweier US-amerikanischer Zentren wurden diejenigen Patienten identifiziert, die im Zeitraum 2002 bis 2007 wegen einer perforierten Divertikulitis mit parakolischem Abszess > 3 cm eine interventionelle Drainage und antibiotische Therapie erhalten hatten. Primäre Endpunkte waren die Komplikationsrate der Therapie, die Rate an Rezidivdivertikulitiden und das kolektomiefreie Überleben.

Ergebnisse

Insgesamt 218 Patienten mit einer medianen Abszessgröße von 5,7 cm wurden im 6-Jahres-Zeitraum mittels interventioneller Drainage therapiert: 159 Patienten (73 %) mussten im Verlauf reseziert werden (22 Patienten notfallmäßig, 137 Patienten elektiv), 27 Patienten gingen dem Follow-up verloren und 32 Patienten (15 %) blieben langfristig kolektomiefrei. Diese 32 Patienten zeigten eine ausgeprägte Komorbidität (ausschließlich ASA III/IV, davon 7 Patienten nach Organtransplantation immunsuprimmiert). Die Drainage wurde bei diesen Patienten im Median für 20 Tage belassen (Range: 5–33), der mediane stationäre Aufenthalt betrug 5 Tage (Range: 3–8). Nach einem mittleren Nachbeobachtungszeitraum von 7,4 Jahren betrug das rezidivfreie Überleben der nicht operierten Patienten 0,58 (95 %-Konfidenzintervall 0,42–0,73). Von den übrigen Patienten mit Divertikulitisrezidiv nach ausschließlich interventioneller Drainage (unkomplizierte Divertikulitis: n = 5, komplizierte Divertikulitis: n = 4, Divertikelblutung: n = 1) bedurfte keiner im Verlauf einer Resektion.

Diskussion und Fazit

Die Autoren schlussfolgern, dass bei selektionierten Patienten mit perforierter Divertikulitis und parakolischem Abszess < 5 cm eine alleinige perkutane Drainage (inkl. antibiotischer Therapie) ohne konsekutive Kolonresektion eine therapeutische Option darstellt. Ob diese Schlussfolgerung anhand der vorgelegten Daten gerechtfertigt ist, muss aus unserer Sicht kritisch hinterfragt werden: Schließlich blieben von den eingeschlossenen 218 Patienten nur 32 Patienten (15 %) kolektomiefrei, und bildeten damit das zu analysierende Patientenkollektiv. Von diesen 32 Patienten erlitten wiederum 42 % (13 Patienten) innerhalb von 7,4 Jahren ein Divertikulitisrezidiv. Dies bedeutet umgekehrt, dass nur 19 von initial 218 Patienten (8,7 %!) mit perforierter Divertikulitis und parakolischem Abszess mit der Intervention „perkutane Drainage ohne Intervalloperation“ erfolgreich therapiert wurden, i. S. einer langfristigen Rezidiv- und Beschwerdefreiheit. Diese Daten sind unserer Meinung nach eher ein Beleg für die in dieser Situation gegebene Operationsindikation!