Hintergrund und Fragestellung

Die Erkennung neuer, Phäochromozytome(PCC)- und Paragangliome(PGL)-verursachender Keimzellmutationen hat im vergangenen Jahrzehnt zu einem vollkommen neuen Verständnis der in vielfältiger Form auftretenden Tumoren des sympathoadrenalen Systems geführt [1]. Während schon seit längerem bekannt ist, dass hereditäre PCC im Rahmen einer MEN (multiple endokrine Neoplasie)-2-Erkrankung auf dem Boden einer RET-Mutation entstehen, wurde erst mit Identifikation z. B. der Mutationen des SDH (Succinatdehydrogenase)-Komplexes (SDHB, SDHD) und anderer Mutationen (z. B. VHL, von Hippel-Lindau; NF1, Neurofibromatose Typ 1) nachgewiesen, dass weit mehr PCC und vor allem PGL als bislang angenommen familiär bedingt sind. Heute sind 10 unterschiedliche Keimzellmutationen bekannt, die familiäre Tumoren des sympathoadrenalen Systems verursachen können. Die hereditäre Pathogenese erklärt, warum Tumoren des sympathoadrenlen Systems multipel vorkommen und warum manche dieser Tumoren häufiger maligne sind (z. B. bei SDHB-Mutation) als andere (z. B. bei RET-Mutation). Die Frage der potenziellen Multifokalität und Malignität ist von außerordentlicher chirurgischer Bedeutung. Die vorliegende Untersuchung wurde durchgeführt, um zu klären, wie häufig bei Patienten mit PCC oder PGL eine Keimzellmutation des SDHB-, SDHC-, VHL-, RET- oder NF1-Gens vorlag.

Methoden

Insgesamt 110 nicht verwandte Patienten mit PCC oder PGL wurden 2004 bis 2012 klinisch und genetisch untersucht. Nur bei 26 % war vorher eine familiäre Vorgeschichte eines PCC oder PGL bekannt. 22 % hatten multiple Tumoren, 6 % bilaterale PCC. Altersunterschiede hinsichtlich der unterschiedlichen Lokalisationen (Nebenniere, extraadrenal abdominell/retroperitoneal, thorakal oder Kopf/Hals) bestanden nicht.

Ergebnisse

Insgesamt 41 % hatten eine der genannten Keimzellmutationen, 29 % bei PCC, 47 % bei PGL, 23 % bei fehlender, 90 % bei positiver Familiengeschichte oder klinischem Syndrom der untersuchten Patienten. Der höchste Anteil nicht nachgewiesener Mutationen (71 %) betraf die PCC-Patienten, während dieser Anteil bei den PGL-Patienten bei nur 52 % lag. Die meisten PGL-Patienten mit nachgewiesener Mutation hatten eine SDHB-Mutation. Unter den mutationspositiven Patienten mit ausschließlich Kopf-Hals-PGL hatten 40 % eine SDHB-, 60 % eine SDHD-Mutation. 22 % der 110 Patienten hatten ein malignes PCC oder PGL, davon war knapp die Hälfte mutationspositiv, alle davon hatten eine SDHB-Mutation.

Diskussion und Fazit

  • Alle Patienten mit PCC oder PGL sollten auf das Vorliegen einer Keimzellmutation genetisch untersucht werden, wenn möglich bereits präoperativ. Der Anteil hereditärer PCC/PGL betrug in der vorliegenden Untersuchung 41 % und könnte ggf. noch höher sein, wenn alle aktuell bekannten Mutationen untersucht werden [1].

  • Von den mutationspositiven Patienten hatten 83 % multiple Tumoren, bei den mutationsnegativen nur 17 %.

  • Alle malignen, mutationspositiven Patienten hatten eine SDHB-Mutation, sodass beim Nachweis dieser Mutation bereits präoperativ aufgrund der hohen Malignitätswahrscheinlichkeit die Operation entsprechend zu planen ist.

  • Selbst bei fehlender familiärer Vorgeschichte ist der Anteil mutationspositiver Patienten (23 %) höher als bei vielen anderen Tumorerkrankungen.