Passend zum Schwerpunktthema des vorliegenden Heftes Der Chirurg wird eine Arbeit der niederländischen Arbeitsgruppe von M.R. Vriens [1] vorgestellt, die sich mit dem Resektionsausmaß an den Nebennieren beim MEN2-Syndrom befasst. Hauptargument der überwiegend vom angloamerikanischen Raum ausgehenden Strategie der bilateral totalen Adrenalektomie war das krankheitsimmanente Rezidivrisiko. Nach ersten Publikationen zur funktionserhaltenden Adrenalektomie durch Tibblin [2] und van Heerden [3] waren es vor allem Berichte über teils erhebliche Risiken der adrenokortikalen Substitutionspflicht (Addison-Krise mit Todesfolge; [4]), die zum Überdenken der bilateral totalen Adrenalektomie führten. Heute wird von den meisten Arbeitsgruppen eine wenn immer möglich nebennierenrindenerhaltende Strategie präferiert, um die körpereigene adrenokortikale Stresskompetenz so lange als möglich zu erhalten.

In der Arbeit von Scholten et al. wurden 61 MEN2-Patienten, die in den Jahren von 1959 bis 2010 in Utrecht wegen eines Phäochromozytoms adrenalektomiert wurden, retrospektiv untersucht. Bei 9 von 61 Patienten (15%) wurde beim Ersteingriff eine uni- (n = 7) oder bilateral (n = 2) subtotale Adrenalektomie durchgeführt. Bei den beiden bilateral subtotal adrenalektomierten Patienten war postoperativ keine Substitutionstherapie erforderlich, jedoch entwickelte sich bei beiden Patienten ein ipsilaterales Rezidiv im Median 7 Jahre postoperativ. Bei den sieben unilateral subtotal adrenalektomierten Patienten kam es in lediglich einem Fall zu einem ispilateralen Rezidiv. Die ipsilaterale Rezidivrate lag somit nach einer Beobachtungszeit von durchschnittlich 15 Jahren bei ca. einem Drittel und dies nach einer Latenz von 6 bis 7 Jahren. Kein Patient der gesamten Serie hatte ein malignes Phäochromozytom. 8 von 22 Patienten nach bilateral totaler Adrenalektomie (36%) hatten z. T. erhebliche Nebenwirkungen der adrenokortikalen Substitution, 3 von ihnen Addison-Krisen.

Die sehr kleine Fallzahl in dieser Untersuchung zeigt, dass selbst spezialisierte Arbeitsgruppen lange Zeit gebraucht haben, um vom nebenwirkungsbelasteten Konzept der bilateral totalen Adrenalektomie abzurücken, jetzt aber offenbar davon überzeugt sind, da nicht nur die Lebensqualität der funktionserhaltend operierten Patienten viel besser ist, sondern auch die Rezidivrate nur ca. ein Drittel ausmacht, somit wesentlich seltener ist, als früher argumentiert wurde.

Fazit

Trotz sehr kleiner Fallzahl untermauert die Studie den mittlerweile von vielen Arbeitsgruppen vollzogenen Strategiewandel beim MEN2-Phäochromozytom von der primär uni- oder sogar bilateral totalen Adrenalektomie zur primär minimal-invasiven organ- und funktionserhaltenden uni- oder bilateralen Adrenalektomie. Die Rezidivrate ist niedrig, Rezidive treten erst nach ca. 5 bis 10 Jahren auf und sind nicht selten selbst dann durchaus einer erneut funktionserhaltenden Readrenalektomie zugänglich [5]. Da beim sporadischen Phäochromozytom und den anderen Formen hereditärer Phäochromozytome (z. B. SDHB [Succinat-Dehydrogenase B]-Mutation) das Malignitätsrisiko deutlich höher ist als beim MEN2-Syndrom, erfordert das subtotale Adrenalektomiekonzept in jedem Fall eine entsprechende präoperative Gendiagnostik. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass beim Nachweis eines MEN2-Phäochromozytoms die subtotale Adrenalektomie bereits beim Primäreingriff das zu präferierende Verfahren darstellen sollte.