Einleitung

Seit einigen Jahren befasst sich die Gesundheitspolitik in Deutschland verstärkt mit dem Szenario eines drohenden Mangels hausärztlicher Versorger*innen [1]. Blickt man auf die soziodemografische Situation, so zeigt sich, dass inzwischen jede/r dritte Hausärzt*in ein Alter von 60 Jahren oder mehr erreicht hat [2, 3]. Die Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) weist für das Jahr 2021 ca. 4000 offene Stellen für Hausärzt*innen aus, wobei im Durchschnitt der vergangenen Jahre der Anteil der vakant gebliebenen KV-Sitze bei ca. 60 % liegt [2].

Berechnungen zeigen, dass jährlich etwa 1700 Hausärzt*innen aus der Berufstätigkeit ausscheiden, während die fachärztlichen Anerkennungen zwischen 1300 und 1400 liegen [4, 5]. Obwohl Letztere zuletzt wieder anstiegen, ist der Kompensationsbedarf zur Aufrechterhaltung der bestehenden Versorgungskapazitäten seit geraumer Zeit ungedeckt. Verschärft wird diese Entwicklung dadurch, dass nachrückende Hausärzt*innen eine größere Präferenz für Teilzeit- und flexiblere Arbeitsmodelle sowie eine Festanstellung zeigen [6, 7]. Infolge dieser zusammenwirkenden Trends ist bis zum Jahr 2030 ein Defizit von bis zu 23.000 hausärztlichen Vollzeitäquivalenten möglich, wobei hiervon besonders ländliche und strukturschwache Regionen betroffen sein dürften [8]. Eine Studie der Robert Bosch Stiftung aus dem Jahr 2021 prognostizierte bis 2035 für den ungünstigsten Fall eine Unterversorgung von 40 % aller deutschen Landkreise [5, 9].

Vor dem Hintergrund solcher Befundlagen und Projektionen wird fortdauernd über geeignete Maßnahmen diskutiert, um einem zu starken Schwund allgemeinmedizinischer Behandler*innen möglichst effektiv entgegenzuwirken [10]. Ein konzeptioneller Schwerpunkt zur strukturellen Stärkung der Primärversorgung zielt auf die breitflächige Schaffung multiprofessioneller ambulanter Zentren, die einerseits den Rückgang traditioneller Einzelpraxen kompensieren und andererseits die multiprofessionelle Anbindung der Hausarztmedizin verbessern sollen [11]. Ebenfalls von diversen Akteuren gefordert wird die Einführung eines Primärarztsystems, um die hausärztliche Rolle spürbar aufzuwerten [12, 13]. Ein weiterer Ansatzpunkt, der bereits seit Jahren kontinuierlich verfolgt wird, betrifft die Schaffung neuer Delegationsmodelle innerhalb von hausärztlichen Praxen, die Allgemeinmediziner*innen entlasten und zur Versorgungseffizienz beitragen sollen [14].

Um die Ansiedlung von Hausärzt*innen insbesondere in ländlichen Regionen zu fördern, werden mehrere Strategien verfolgt. Beispiele sind eine stärkere Bedarfsplanung mit regionaler Verteilungswirkung [15], aber auch eine wirksamere Anreizstruktur mit Niederlassungsprämien oder Stipendien. Ebenfalls angeregt wird eine (stärkere) Strukturierung der Weiterbildung durch Landkreise und Kommunen, aber auch kassenärztliche Vereinigungen, Verbände, Institute für Allgemeinmedizin und Krankenkassen [16]. Um das Reservoir für die Rekrutierung von hausärztlich tätigen Mediziner*innen auszuweiten, sind Vorschläge unterbreitet worden, den Anteil der Allgemeinmedizin an der Weiterbildung zu erhöhen, den Zugang zur Spezialist*innenweiterbildung zu quotieren sowie die hausärztliche Tätigkeit unter bestimmten Voraussetzungen stärker für einen Quereinstieg aus anderen Disziplinen zu öffnen [13, 17].

Neben der erfolgten Einführung von bundeslandspezifischen Landarztquoten gibt es weitreichende Vorschläge zur Anpassung der Aus- und Weiterbildung. Diese fokussieren einerseits eine curriculare Neugestaltung des Studiums der Humanmedizin, andererseits eine Modifikation von Zulassungskriterien, um eine hausärztliche Berufsperspektive zu befördern [18]. Nicht zuletzt sind Empfehlungen ausgesprochen worden, Art und Dauer der fachärztlichen Weiterbildung zu verändern und eine stärkere Ausrichtung an einer allgemeinärztlich niedergelassenen Tätigkeit vorzunehmen [19].

In Anbetracht der zahlreichen Akteure aus den Bereichen der Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung, die sich zur Thematik äußern, ist auffällig, dass die genuin hausärztliche Perspektive bis dato vernachlässigt wurde. So gibt es nur wenig Evidenz, wie Hausärzt*innen aus ihrer beruflichen Erfahrung zu verschiedenen Ansätzen zur langfristigen Sicherstellung der Primärversorgung stehen. Es erscheint sinnvoll, bei der Planung, Umsetzung und Justierung solcher Schritte die Sichtweisen und Einschätzungen von Hausärzt*innen zu berücksichtigen, um praxisorientierte und nachhaltige Lösungen zu ergreifen.

Ziel der Studie war es, Positionen, Haltungen und Erfahrungswerte von Hausärzt*innen mit Blick auf eine langfristige Sicherstellung der allgemeinmedizinischen Versorgung einzuholen. Im Zentrum standen dabei v. a. folgende Fragestellungen:

  • Wie wird die Zukunft der hausärztlichen Versorgung wahrgenommen?

  • Inwiefern wird die hausärztliche Versorgung als gesichert angesehen?

  • Welche Maßnahmen werden als vielversprechend und vordringlich erachtet, um die hausärztliche Versorgung sicherzustellen?

Methoden

Im Frühjahr 2023 wurde eine Vollbefragung von Hausärzt*innen in 4 Bundesländern durchgeführt. Diese war ausgestaltet als Onlinebefragung mit schriftlich-postalischem Anschreiben.

Erhebungsinstrument

Die Konzeption des Befragungsinstruments für die quantitative Querschnittsstudie (siehe Onlinematerial) erfolgte maßgeblich auf Grundlage einer qualitativen Vorstudie, bei der im Jahr 2022 insgesamt 96 hausärztlich tätige Mediziner*innen zur Thematik befragt wurden [20]. Daneben floss eine Literaturrecherche zum Thema in den Entwicklungsprozess ein (u. a. [4, 6, 13, 21, 22]). Insbesondere wurde auf die Arbeit von van den Bussche [13] zurückgegriffen, der Problematiken der gebündelten Sicherstellung der Primärversorgung diskutiert. Auf dieser Grundlage konnte eine Liste der abzufragenden Maßnahmen erstellt werden. Auch wurden 2 Fragen mithilfe des MLP-Gesundheitsreports 2022 adaptiert [23].

Der letztendliche Fragebogen beinhaltet insgesamt 23 Fragen und setzt sich aus 4 inhaltlichen Schwerpunkten zusammen:

  • Status quo und Entwicklung der hausärztlichen Versorgung in längerfristiger Perspektive,

  • persönliche Belastungserfahrungen sowie Beobachtungen zum Ärzt*innenmangel,

  • favorisierte Ansätze bzw. Maßnahmen zur Sicherstellung der Hausarztmedizin,

  • Beurteilung ergriffener Maßnahmen zur Sicherstellung und weitere Optimierungsansätze.

Neben den standardisierten Fragen wurden mehrere offene Fragen eingesetzt, um dem explorativen Charakter der Studie Rechnung zu tragen (Frage 4, 6, 9, 11, 16, 18, 20, 21).

Als soziodemografische Merkmale wurden Geschlecht, Alter, Praxisumgebung, Praxisform und Anzahl der Patient*innen pro Quartal erhoben. Vor dem Feldeinsatz wurde ein Pretest durchgeführt. Hierzu wurde der Fragebogen 50 zufällig ausgewählten Hausärzt*innen aus dem Umfeld der hausärztlichen Lehrbeauftragten der Abteilung Allgemeinmedizin vorgelegt. Der Pretest zeigte, dass eine gute Verständlichkeit und Strukturierung sowie Vollständigkeit der Antwortkategorien gegeben sind.

Rekrutierung und Stichprobe

Auf schriftlich-postalischem Weg zur Teilnahme an der anonymisierten Befragung eingeladen wurden zwischen Februar und Juni 2023 sämtliche 13.913 als Behandler*innen aktive Hausärzt*innen in Baden-Württemberg (6664), Hessen (3839), Rheinland-Pfalz (2667) und im Saarland (743). Die Entscheidung zugunsten dieser Bundesländer erfolgte zum einen aus der Erwägung heraus, dass bevölkerungsstarke Flächenländer in die Studie eingeschlossen werden sollten, die zumindest eine angenäherte Repräsentanz der Hausärzteschaft in Deutschland haben. Zum anderen lagen den Autoren aufgrund kontinuierlicher Beforschung der hausärztlichen Versorgung für besagte Bundesländer aktuelle, vollständige Kontaktlisten vor. Es handelte sich um ein einmaliges Anschreiben, in dem die zu befragenden Ärzt*innen u. a. einen passwortgeschützten Zugang zur Onlinebefragung mitgeteilt bekamen (keine Incentives).

Der Rücklauf der Fragebögen betrug 30 %. Von den 4259 bearbeiteten Fragebögen waren 4176 vollständig ausgefüllt und gingen in die Auswertung ein. Tab. 1 stellt die gewonnene Stichprobe und repräsentative KV-Daten zum Aufbau der Hausärzteschaft in Deutschland gegenüber.

Tab. 1 Stichprobe in Gegenüberstellung mit Repräsentativstatistik

Datenanalyse

Die Daten wurden mittels SPSS 23.0 (IBM, Armonk, NY, USA) ausgewertet. Zur Ermittlung von signifikanten Unterschieden zwischen 2 Gruppen erfolgte ein t‑Test bei unabhängigen Stichproben. Es wurden 2 Signifikanzniveaus getestet (mittlere Differenz bei p < 0,05 und p < 0,001). Diese parametrische Methode weist eine hohe Teststärke auf und gilt als statistisch robust. Mit der Fallzahl, der Normalverteilung der zu unterscheidenden Gruppen und der Tatsache, dass die Stichproben aus derselben Grundgesamtheit stammen, waren die notwendigen Voraussetzungen gegeben [24].

Die Auswertung der offenen Fragen basiert auf einer Nachcodierung im Sinne der qualitativen Inhaltsanalyse. Dies beinhaltete für die Freitextantworten zu jeder offenen Frage die Erstellung eines basalen Kategoriensystems [25]. Als Reporting Statement wurde STROBE herangezogen. Prägnante Freitextantworten, die Teil der Ergebnisdarstellung sind, finden sich gesammelt in Tab. 2 (im Folgenden wird anhand der Zitatnummer (Zx) auf die Zitate in Tab. 2 verwiesen).

Tab. 2 Ausgewählte Zitate, Freitextantworten (Fragen 4, 6, 9, 11, 16, 18, 20, 21)

Ergebnisse

Status quo und Entwicklung der hausärztlichen Versorgung in längerfristiger Perspektive

23 % der Befragten gehen davon aus, die ambulante Gesundheitsversorgung werde sich in den kommenden Jahren verbessern (11 %) oder gleichbleiben (12 %), während 67 % eine moderate (31 %) oder sogar deutliche (36 %) Verschlechterung erwarten. Analog dazu halten lediglich 20 % die hausärztliche Versorgung, wie sie heute besteht, für die kommenden 1–2 Jahrzehnte gesichert; 77 % gehen von einer weniger guten (33 %) oder gar gänzlich ungesicherten (44 %) Situation aus. Geht es um Zukunft und Entwicklungsperspektiven der ambulanten Primärversorgung zeigen sich 24 % sehr (3 %) oder eher (21 %) zuversichtlich, während 73 % eher (44 %) oder sehr besorgt (29 %) sind (Z1, Z2).

Eine Aufschlüsselung der oben angesprochenen Fragen belegt, dass Ärzt*innen in Kleinstädten und Landgemeinden eine deutlich pessimistischere Einschätzung der Perspektive der Hausarztmedizin haben als Ärzt*innen in Groß- und Mittelstädten (Tab. 3).

Tab. 3 Einschätzungen zur Sicherung der ambulanten und hausärztlichen Gesundheitsversorgung

Bezogen auf die gesamte Stichprobe nehmen 30 % aller Befragten an, dass sich in den kommenden 10–20 Jahren ein (verstärkter) Mangel an Hausärzt*innen vorwiegend in ländlichen und strukturschwachen Regionen manifestieren wird. 37 % gehen darüber hinaus von einem breitflächigen Mangel allgemeinärztlicher Versorger*innen auch in städtischen Einzugsgebieten aus (16 % kein nennenswerter Mangel). Unter denjenigen Befragten, die von einem Mangel an Hausärzt*innen ausgehen, rechnen 27 % mit einem Versorgungsdefizit zwischen 5 % und 15 %; 57 % nehmen einen ungedeckten Bedarf von 15 % und mehr an.

Eine kombinierte Auswertung zweier offener Fragen (9, 11) zeigt, dass viele Befragte zum einen eine in erheblichen Teilen Deutschlands anzutreffende Unterversorgung antizipieren, die wiederum Auswirkungen auf eine funktionierende Zuleitung zu anderen Versorgungsebenen haben wird. Zum anderen befürchtet ein beträchtlicher Teil der Befragten aufgrund der stärkeren Belastung der verbliebenen Hausarztpraxen eine Art Negativspirale, wenn es um die Anziehungskraft einer allgemeinärztlichen Tätigkeit aus Sicht junger Mediziner*innen geht (Z3).

Bereits heute konstatieren 53 % der Studienteilnehmer*innen eine stark (27 %) oder eher stark (26 %) sinkende Attraktivität der Hausarztmedizin für den ärztlichen Nachwuchs, wohingegen 36 % von einer stark (5 %) oder eher stark (31 %) steigenden Attraktivität ausgehen. In einer offenen Nachfrage führt ein beträchtlicher Teil der Befragten die grundlegende Problematik eines Imageproblems an, das zu einer Abschreckung nachrückender Ärzt*innen führe (Z4).

Besagtes Attraktivitätsdefizit wird seitens der Befragten schwerpunktmäßig 3 Problembereichen zugeordnet:

  • Stellung der hausärztlichen Versorgung im deutschen Gesundheitswesen: Die Befragten monieren eine zu schwach regulierte und daher ineffektive Arbeitsteilung zwischen den Versorgungssektoren. Im Ergebnis führe dies wirtschaftlich, zeit- und ressourcenbezogen unverhältnismäßig stark zu einer Belastung von Hausärzt*innen. Die mangelnde Einbeziehung von Hausärzt*innen im interprofessionellen Zusammenhang führe u. a. zu unnötigen Redundanzen und u. U. zu einer schlechteren Versorgung. Da Nachwuchsmediziner*innen die nachteilige Rolle von hausärztlichen Primärversorger*innen nicht verborgen bleibe, seien diese zumeist nicht geneigt, die Allgemeinmedizin als Arbeitsbereich ins Auge zu fassen.

  • Voraussetzungen in Aus- und Weiterbildung: Aufgrund mangelnder Vorbereitung auf eine ambulante und hausärztliche Tätigkeit im Curriculum gehe derzeit nach Dafürhalten vieler Befragter selbst der harte Kern derjenigen, die der Hausarztmedizin zugetan sind, teilweise verloren. Diese Problematik manifestiere sich auch und gerade bei den Themen der Selbstständigkeit und des Praxismanagements. Zudem würden der Wert, der Alltag und die Motivationsfaktoren der hausärztlichen Arbeit nicht im ausreichenden Maße vermittelt.

  • Arbeitsbedingungen: Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich darauf, dass es die Gesundheitspolitik zu lange versäumt habe, die veränderten Vorstellungen von Berufstätigkeit oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Form neuer Beschäftigungsmodelle auszugestalten (z. B. mehr Teilzeitoptionen, flexible Arbeitszeiten, geringerer Wunsch nach Selbstständigkeit, stärkere interdisziplinäre Anbindung).

Ungeachtet des verbreitet skeptischen Ausblicks auf die weitere Entwicklung der hausärztlichen Versorgung würde ein hoher Anteil der Befragten (69 %) Medizinstudierenden oder Ärzt*innen in Weiterbildung heute empfehlen, Hausärzt*in zu werden. Trotz erheblicher Stress- und Belastungsfaktoren im Praxisalltag wird dies mit einer hohen Berufszufriedenheit, intrinsischer Motivation und der Überzeugung begründet, als Hausärzt*in echte Primär- und Breitenversorgung leisten zu können (Z5).

Persönliche Belastungserfahrungen sowie Beobachtungen zum Ärzt*innenmangel

Ein erheblicher Anteil der konsultierten Allgemeinmediziner*innen beobachtet im eigenen Praxisumfeld einen merklichen Schwund der hausärztlichen Versorgung. So geben 42 % an, die eigene Gegend sei sehr stark (18 %) oder eher stark (24 %) vom Rückgang hausärztlicher Praxen betroffen; 26 % sehen eine geringfügige bis moderate Betroffenheit (27 % kaum bis gar nicht betroffen). Nach Beurteilung von 29 % ist der Rückgang hausärztlicher Praxen inzwischen so groß, dass die entsprechenden Befragten eine beeinträchtigte bzw. erschwerte Versorgungslage in der eigenen Praxisumgebung wahrnehmen; 26 % sehen ein entstandenes, wenn auch noch kein gravierendes Versorgungsdefizit. Ärzt*innen in Kleinstädten und Landgemeinden nehmen gegenüber ihren Kolleg*innen in Mittel- und Großstädten rund doppelt so häufig eine aufgrund von Hausärzt*innenschwund entstandene Mangelversorgung wahr (40 % zu 19 %, p < 0,001).

Gefragt nach verschiedenen Belastungsfaktoren für die hausärztliche Tätigkeit, gibt eine überwältigende Mehrheit der Befragten Aspekte wie ein hohes und zeitkonsumierendes Maß an bürokratischen Pflichten sowie empfundenem Kostendruck an, der mitunter Folgen für die Gewährleistung einer optimalen Versorgung hat (Tab. 4). Insbesondere Ärzt*innen in ländlichen Gebieten erleben Schwierigkeiten bei der Suche nach neuem Personal, Folgen der zurückgehenden hausärztlichen Versorgung und die eingeschränkte Verfügbarkeit von Spezialist*innen als belastende Faktoren ihrer Tätigkeit.

Tab. 4 Erlebte Problematiken bei der hausärztlichen Arbeit

Favorisierte Ansätze bzw. Maßnahmen zur Sicherstellung der Hausarztmedizin

Tab. 5 zeigt eine Übersicht der Ansätze und Konzepte, die aus Sicht der Befragten mehr oder weniger effektive Beiträge leisten können, um die hausärztliche Versorgung zu sichern. Erkennbar ist, dass v. a. Maßnahmen favorisiert werden, die die hausärztliche Position im Gesundheitswesen aufwerten und Aus- bzw. Weiterbildung an aktuelle Erfordernisse anpassen. Auffällig hoch ist der Zuspruch in Bezug auf die Einrichtung eines Primärarztsystems als Maßnahme, um – etwa in Kombination mit stärkerer Verbindlichkeit des hausärztlichen Leistungskatalogs – die Handlungsfähigkeit und damit Attraktivität der Hausarztmedizin nachhaltig zu steigern (Z6).

Tab. 5 Zustimmung zu Maßnahmen zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung

Jenseits einer Veränderung des Medizinstudiums (Zulassungskriterien, inhaltliche Neustrukturierung) sprechen sich die Befragten für strukturell fundierte Interventionen im Verlauf des Studiums (longitudinale Begleitprogramme) aus, damit Studierende intensive Einblicke in die hausärztliche Tätigkeit erhalten, interessiert und motiviert werden sowie Unsicherheiten beseitigt und Fertigkeiten frühzeitig erlernt werden können. Zudem sind viele Hausärzt*innen von einer Stärkung der Weiterbildung und dem (verstärkten) Aufbau multiprofessioneller Versorgungszentren überzeugt, nicht zuletzt weil diese als Hebel erachtet werden, um den Beschäftigungsvorstellungen junger Mediziner*innen besser entgegenzukommen (Z7, Z8).

Vergleichsweise wenig Vertrauen zeigen die befragten Ärzt*innen im Hinblick auf Maßnahmen wie Landarztquote, Budgetaufwertungen oder Mittel der Digitalisierung, um die Hausarztmedizin längerfristig zu stabilisieren. Auch die reine Steigerung der Studienplätze wird vom Gros der Befragten nicht per se als hilfreich erachtet (Z9).

Bei den favorisierten Maßnahmen zeigen sich einige hochsignifikante Unterschiede zwischen urbanen und Landärzt*innen. So sprechen sich Erstere in erheblich höherem Maße für Zentren der Primärversorgung aus und sehen deutlich mehr Chancen in digitalen Lösungen. Ärzt*innen mit ländlichem Praxisstandort wiederum erblicken größeren Mehrwert im verstärkten Einsatz von Delegation und nichtärztlichen Gesundheitsberufen, befürworten in stärkerem Maße eine effektive ärztliche Personalrekrutierung zur Ansiedlung in ruralen Gegenden und stehen einer bundesweit einheitlich geregelten Landarztquote erheblich aufgeschlossener gegenüber als urbane Ärzt*innen (Z10, Z11).

Weiter fällt auf, dass Ärzt*innen mit derzeitiger oder früherer Lehrerfahrung im akademisch-allgemeinmedizinischen Kontext im Vergleich zu den übrigen Ärzt*innen deutlich häufiger für die systematische Etablierung ergänzender longitudinaler Begleitprogramme parallel zum Medizinstudium plädieren (94 % zu 71 %, p < 0,001). Ähnliches gilt für die inhaltlich-curriculare Umstrukturierung des Medizinstudiums und eine stärkere Änderung der Zulassungskriterien zum Medizinstudium (Z12).

Beurteilung ergriffener Maßnahmen zur Sicherstellung und weitere Optimierungsansätze

Während 36 % mit den bislang ergriffenen gesundheitspolitischen Anstrengungen zur Stabilisierung der hausärztlichen Versorgung sehr (4 %) oder eher zufrieden (32 %) sind, zeigen sich 64 % sehr (18 %) oder eher (46 %) unzufrieden. Zwar wird in den offenen Antworten immer wieder auf zuletzt wieder angestiegene fachärztliche Anerkennungszahlen hingewiesen, allerdings seien diese immer noch deutlich zu niedrig, um den absehbaren Bedarf an nachrückenden hausärztlichen Versorger*innen zu decken (Z13, Z14).

Jenseits limitierter Ressourcen, die von gesundheitspolitischen Akteuren zur Stützung der Primärversorgung aufgewandt werden, bündelt sich die Kritik der Befragten in verschiedenen Schwerpunktbereichen. Dies betrifft zunächst die inhaltliche Ausgestaltung und Steuerung im Studienverlauf, der deutlich mehr auf die ambulante Versorgung ausgerichtet werden müsse. Die mit dem Masterplan 2020 initiierte Reform des Humanmedizinstudiums, so führt eine Reihe von Befragten an, habe nur zaghafte curriculare Neujustierungen vorgenommen und sei bis heute nicht konsequent umgesetzt (Z15, Z16).

In Bezug auf die Landarztquote äußern sich auffallend viele Befragte zurückhaltend und sehen in der bisherigen Ausgestaltung kaum positive Effekte für substanziell steigende Zahlen nachrückender Hausärzt*innen. Dies wird maßgeblich darauf zurückgeführt, dass viele Bundesländer keine On-top-Quoten für die teils eingerichtete Landarztquote beschlossen haben, sondern einen Anteil der bestehenden Studienplätze hierfür vorsehen. Auch dass die Ausgestaltung der Landarztquote im föderalen Gefüge stark uneinheitlich ist, wird kritisiert. Viele Hausärzt*innen halten es für gewinnbringender, mehr Anstrengungen bei der Suche und Auswahl nach künftigen Allgemeinärzt*innen aufzuwenden (Z17, Z18).

Während beim Medizinstudium immerhin Reformbemühungen erkennbar seien, bestehen aus Sicht der Befragten im Bereich der Weiterbildung nach wie vor zu starke Beharrungskräfte und ein entsprechender Reformstau (Z19).

Ein wertvoller Hebel, um das Heranziehen von Hausärzt*innen aus der Weiterbildung heraus zu fördern, wird von einem Teil der Befragten in den nahezu in allen Bundesländern eingerichteten Kompetenzzentren Allgemeinmedizin gesehen, die die Weiterbildung aktiv unterstützen (Z20, Z21).

Ferner, so wünschen sich viele Befragte, dürfe die Hausarztmedizin nicht mehr unter dem ständigen Druck und Einfluss von Kostenrestriktionen stehen; vielmehr müsse ihre Eigenständigkeit und Souveränität im Gesundheitswesen gestärkt werden. Die Einrichtung eines Primärarztsystems im Sinne eines strukturierten hausarztzentrierten Modells wird in diesem Zusammenhang erneut von einem Teil der Ärzt*innen herausgestellt (Z22).

Wenn es darum geht, einem zukünftigen Hausärztemangel vorzubeugen, wünscht sich eine Mehrheit der befragten Allgemeinmediziner*innen (62 %) eine stärkere Einbindung ihrer Berufsvertreter*innen in gesundheitspolitisch relevante Gremien, damit sie ihre Perspektive besser einbringen und Maßnahmen entsprechend mitgestalten können. In der Folgefrage konnten die Befragten zwischen 3 Ansätzen wählen, mittels derer die Perspektive von Hausärzt*innen institutionell besser verankert werden könnte. 27 % entschieden sich für eine Aufstockung der hausärztlichen Besetzung in ärztlichen und wissenschaftsnahen Gremien mit gesundheitspolitischem Bezug, während 24 % ein stärkeres und systematischeres Herantreten an Akteure der Gesundheitspolitik von Bund, Ländern und Kommunen aus den organisierten Verbänden bzw. Fachgesellschaften heraus (z. B. Hausärzteverband, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin – DEGAM) favorisieren. 40 % sprechen sich für den Vorschlag des Deutschen Ärztetages aus, der 2023 die Einrichtung eines ressortübergreifenden Deutschen Gesundheitsrats unter Beteiligung der Bundesärztekammer (BÄK) und weiterer Vertreter der Selbstverwaltung sowie der Wissenschaft forderte. Ähnlich dem Deutschen Ethikrat soll sich der Deutsche Gesundheitsrat proaktiv oder im Auftrag entsprechender Fachressorts in politische Prozesse einbringen [26].

Trotz aktuell bestehender Sorgen in Bezug auf die Stabilisierung der ambulanten Breitenversorgung erachten die Befragten das hausärztliche Berufsbild gerade in Zeiten zunehmender disziplinärer Spezialisierung als wichtiger denn je. Gelinge es, das hausärztliche Metier durch wirksame Maßnahmen zu stärken und neu zu vitalisieren, so werde dies das Gesundheitswesen insgesamt absichern (Z23, Z24).

Diskussion

Um in Zukunft auf ein leistungsfähiges und resilientes Gesundheitssystem zurückgreifen zu können, kommt der hausärztlichen Primärversorgung eine Schlüsselrolle zu [27]. Wie die Ergebnisse der vorliegenden Befragung von 4176 Allgemeinmediziner*innen untermauern, ist die Problematik eines Schwundes hausärztlicher Versorger*innen in der Mitte der Hausärzteschaft angekommen. Ein erheblicher Teil der Befragten erlebt inzwischen Belastungen und Engpässe aufgrund des sich regional teils merklich ausdünnenden Versorgungsnetzes. Hierbei decken sich die Befunde zum Erleben schwindender Versorgung mit dem MLP-Gesundheitsreport 2022, einer repräsentativen Trendbefragung von Ärzt*innen [23].

Laut den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit blicken viele Allgemeinmediziner*innen sorgenvoll in die Zukunft, wenn es um die langfristige Gewährleistung der hausärztlichen Versorgung geht. Trotz partieller Fortschritte bei der Stärkung der Hausarztmedizin wird großer Handlungsbedarf für die nächsten Jahre ausgemacht, um das Fachgebiet für den medizinischen Nachwuchs attraktiver zu machen. Die größten Probleme stellen nach Dafürhalten der Befragten strukturelle Problematiken des deutschen Gesundheitssystems, aber auch ein Stau notwendiger Reformen in der Aus- und Weiterbildung dar. Hinzu kommen u. a. Defizite von (regionaler) Bedarfsplanung und Anreizförderung.

Gegenüberstellung mit Befunden anderer Studien

In Bezug auf die von Hausärzt*innen favorisierten Maßnahmen, die in dieser Studie anhand einer großen Stichprobe breit abgefragt werden konnten, ähneln die Befunde stark den Ergebnissen der vorangegangenen qualitativen Interviewstudie mit Allgemeinärzt*innen [20]. Dabei sind mit Blick auf bestimmte Lösungsansätze zur Sicherung der allgemeinärztlichen Versorgung zunächst Gemeinsamkeiten zwischen den Antworten der Hausärzt*innen und den Vorschlägen von Expert*innen der Versorgungsforschung oder dem „Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“ [28] erkennbar. Jenseits der Verringerung von Kostendruck und -restriktionen [22, 29] sieht das Gros der Befragten v. a. die Einrichtung eines Primärarztsystems als wirksames Konzept [13]. Dieses wird bereits seit Jahren von der DEGAM gefordert, um die Hausarztmedizin im Gesundheitswesen zu repositionieren und günstigere Voraussetzungen für seine Gewährleistung zu schaffen [12].

Auch das Gutachten des Sachverständigenrats (SVR) fordert verstärkte Schritte in Richtung einer hausarztzentrierten Versorgung [27]. Begründet wird dies nicht nur mit einer gesteigerten Attraktivität der Hausarztmedizin, sondern auch mit der bestehenden Evidenz über ihren Versorgungsmehrwert (u. a. niedrigere 5‑Jahres-Mortalität, geringeres Hospitalisierungsrisiko, erhöhte Versorgungskontinuität; [30,31,32,33]). Um eine weitergehende Hausarztzentrierung zu erreichen, so der SVR, müsse die hausärztliche Versorgung internationalen Vorbildern folgend weiter optimiert werden. Hierfür werden allerdings deutlich mehr und entsprechend qualifizierte Fachärzt*innen für Allgemeinmedizin benötigt.

Weitere Schnittmengen bestehen zwischen den befragten Hausärzt*innen und den Forderungen von Expert*innen hinsichtlich einer möglichst verbindlichen Definition des hausärztlichen Leistungskatalogs sowie der Etablierung und kontinuierlichen Förderung multiprofessioneller Versorgungszentren (Chance für Synergiepotenziale mit sektorenübergreifenden Lösungen; [5, 34]). Ähnliches gilt für den Ausbau von Delegationskonzepten (Einsatz nichtärztlicher Gesundheitsberufe; [14, 35]), aber auch bezüglich einer stärkeren Regulierung des Zugangs zur fachärztlichen Weiterbildung, welche stärker am allgemeinen Bedarf ausgestaltet werden sollte [13, 18].

Gleichzeitig zeigen die Befragungsresultate, dass es von Bedeutung ist, die Sichtweisen von Allgemeinmediziner*innen zur Thematik einzuholen, da sie eigene Schwerpunkte und Prioritäten setzen, die sich mitunter von bislang verfügbaren Expertisen unterscheiden. Besonders deutlich wird dies etwa mit Blick auf longitudinale Interventionen im Studienverlauf, die von den Befragten als hochwirksam erachtet werden, z. B. bei Studierenden bereits zu einem frühen Zeitpunkt Interesse an der Hausarztmedizin zu wecken sowie Kenntnisse und Kompetenzen für die niedergelassene Tätigkeit zu vermitteln. Im Masterplan 2020 ist der längsschnittliche Unterricht durch die Allgemeinmedizin als ein Kernelement angelegt [36]. Auch hat der SVR in seinem Gutachten den Stellenwert von additionalen Angeboten im allgemeinmedizinischen Studium hervorgehoben, darunter freiwillige Landarzt-Tracks oder eine verstärkte Berufsfelderkundung [28]. Tatsächlich konnten internationale Arbeiten nachweisen, dass sich die Teilnahme an allgemeinmedizinischen Blockpraktika signifikant auf die Berufspräferenz bzw. Niederlassungsbereitschaft auswirken kann [22, 37, 38]. Den Autoren ist im Zuge ihrer Recherchen aufgefallen, dass im deutschsprachigen Raum präsente Autor*innen, wie z. B. van den Bussche et al. [13, 18, 19], die Thematik der longitudinalen Intervention nicht im gleichen Maße prominent behandeln wie andere Forderungen zur Reform der Hausarztmedizin.

Viele Allgemeinmediziner*innen halten es für entscheidend, dass klassische Arbeits- und Beschäftigungsmodelle in moderne Formen überführt werden, die nachrückenden Generationen entgegenkommen. Daher ist bezeichnend, dass sich eine vergleichsweise große Gruppe zugunsten neuer, integrativer Settings wie Primärversorgungszentren ausspricht, die von der klassischen Einzelpraxis wegführen [39,40,41]. Diesbezüglich gibt es Schnittmengen mit den Studien von Huenges et al. [42] oder auch van den Bussche et al. [13, 19, 43], die Ärzt*innen in Weiterbildung befragt haben. In besagten Studien zeigte sich der Bedarf an einer weiterreichenden Reform der Weiterbildung mit Blick auf Dauer, Inhalte und Didaktik. Kompetenzzentren, die auch der SVR als flächendeckende, universitär angebundene Einrichtungen angeregt hat [28], können als „natürliche“ Partner in Anknüpfung an das Studium eine wirksame Begleitung leisten. So können sie flankierend die Weiterbildung abstützen und mittels strukturierter Kursprogramme, Mentoring oder Aufbau von Weiterbildungsverbünden zu einer Stärkung des hausärztlichen Nachwuchses beitragen [18]. Nicht zuletzt können sie Abbruchraten in der Weiterbildung verringern helfen [44].

Weiter fällt auf, dass Hausärzt*innen bestimmte in der Öffentlichkeit präsente und auch im gesundheitspolitischen Diskurs diskutierte Ansätze nur als begrenzt hilfreich empfinden. Dies gilt etwa für die Landarztquote, der viele Befragte keinen großen Nutzen unterstellen. So wird Kritik an der bundeslandspezifischen Ausgestaltung und den quantitativ stark begrenzten Kapazitäten des bislang ergriffenen Landarztquotenmodells geübt. Darüber hinaus zeigte die Vorstudie, dass Hausärzt*innen die Befürchtung haben, das Quotenprinzip könnte einen defizitären Zustand der hausärztlichen Versorgung in der Öffentlichkeit unterstreichen [20]. Im Kontrast zu vorgelegten Expertisen sind die Befragten reserviert, wenn es darum geht, Quereinsteiger*innen stärker für die Hausarztmedizin zuzulassen und die Hürden der Weiterbildung zu senken [12, 13, 45].

Entsprechend des artikulierten Wunsches der Befragten sollten Hausärzt*innen bei der Planung, Implementierung und Evaluation von Maßnahmen zur Bekämpfung des (drohenden) Mangels von Primärversorger*innen konsequent einbezogen werden. In ärztlichen und wissenschaftsnahen Gremien ist ihre Berufsgruppe zumeist in der Minderheit und sollte daher verstärkt durch die gesundheitspolitischen Entscheidungsträger*innen berücksichtigt werden.

Stärken und Schwächen

Die Befragung hat auf einer qualitativen Vorstudie aufgebaut und war daher konkret und praxisnah auf die hausärztliche Perspektive zugeschnitten. Eine Reihe offener Fragen ermöglicht die Erfassung nichtstandardisierter Informationen. Zudem erzielte die Befragung einen vergleichsweise hohen Rücklauf, sodass die erreichte Stichprobe im Hinblick auf Merkmale und Einstellungen in Bezug auf die untersuchte Thematik breit gestreut ist.

Dennoch ist auf diverse Limitationen hinzuweisen. So kann die Studie nicht im strengen Sinne, sondern – durch einen Vergleich mit KV-Daten – höchstens angenähert einen repräsentativen Anspruch erheben (begrenzte Fallzahl, regionale Rekrutierung). Zudem ist es möglich, dass Ärzt*innen mit Interesse an der untersuchten Thematik sich stärker an der Studie beteiligt haben.

Auch ist darauf hinzuweisen, dass es sich um Standpunkte und Meinungen der befragten Hausärzt*innen mit Blick auf die Sicherstellung der allgemeinärztlichen Versorgung handelt. Die Autoren erachten die vorliegende Arbeit als Ergänzung von Studien, die sich etwa mit Karriereverläufen bzw. -brüchen angehender Mediziner*innen in Studium und Weiterbildung befasst haben. Hier sind ausschließlich bereits in der Versorgung tätige Ärzt*innen befragt worden, was eine spezielle Sicht mit Blick auf die untersuchte Thematik bedeutet.

Aufgrund der Notwendigkeit, eine kompakte Befragung zu erstellen, mussten bei der Ausgestaltung des Instruments Prioritäten gesetzt werden. Eine (verstärkte) Erhebung von Fragen zur persönlichen Motivation für die eigene Berufs‑/Fachwahl oder zu den Vorzügen der hausärztlichen Tätigkeit wäre von Interesse gewesen, konnte aber nicht realisiert werden. Ähnliches gilt für die Erhebung individueller Maßnahmen, wie einzelne Hausärzt*innen einen Beitrag zur Verbesserung der Attraktivität der Hausarztmedizin leisten könnten. Dies wären Themen, die eine Folgestudie verstärkt in den Blick nehmen könnte.

Schlussfolgerungen

Hausärzt*innen sehen großen Handlungsbedarf, um einen zu starken Schwund allgemeinärztlicher Versorger*innen abzuwenden. Dies geht einher mit einer von vielen Befragten beobachteten Verschärfung der Versorgungslage vor Ort. Dieser Problematik zugrunde liegt aus Sicht der Befragten ein umfassendes Attraktivitätsproblem, das zu einem zu geringen Zufluss nachrückender Ärzt*innen in die Hausarztmedizin führt. Als wirksamen Ansatz zur Stärkung der Primärversorgung regen die in die Studie einbezogenen Hausärzt*innen v. a. die Schaffung eines Primärarztsystems bzw. eine Aufwertung der Rolle hausärztlicher Versorger*innen an. Zudem wird eine stärkere Förderung von Interesse und Berührungspunkten in Bezug auf die Hausarztmedizin in Aus- und Weiterbildung für sinnvoll erachtet, darüber hinaus eine Restrukturierung von Curricula und Zulassungskriterien zum Medizinstudium sowie eine Reform und Stärkung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung. Nicht zuletzt wird eine stärkere Überführung der klassischen Hausarztmedizin in multiprofessionelle Zentren als wertvoller Beitrag angesehen.

Fazit

Die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung konfrontiert die handelnde Gesundheitspolitik mit komplexen Herausforderungen. Viele Allgemeinmediziner*innen blicken sorgenvoll in die Zukunft, wenn es um die langfristige Gewährleistung der hausärztlichen Versorgung geht. Trotz partieller Fortschritte wird großer Handlungsbedarf für die nächsten Jahre ausgemacht. Hausärzt*innen benennen 3 Bereiche, über die die Attraktivität der Hausarztmedizin für ärztlichen Nachwuchs spürbar erhöht werden kann: 1) Stellung der hausärztlichen Versorgung im Gesundheitswesen, 2) Voraussetzungen in Aus- und Weiterbildung, 3) Arbeitsbedingungen. Entsprechend plädieren die Befragten v. a. für die Einrichtung eines Primärarztsystems, die Förderung von Interesse und Berührungspunkten im Studium (longitudinale Begleitprogramme) sowie den Ausbau multiprofessioneller ambulanter Versorgungszentren.