Nachdem nationale und internationale Ansätze der Reformbemühungen in der zahnmedizinischen Ausbildung bereits im Bundesgesundheitsblatt (vgl. Kahl-Nieke und Vonneilich, 2018 [1]) publiziert wurden, beinhaltet das aktuelle Themenheft ein Update der nationalen Weiter- und Neuentwicklungen. Die Aufforderung, die fachliche Weiterentwicklung der Zahnmedizin für eine nachhaltig älter werdende Gesellschaft mit komplexen medizinischen Bedarfen in einer modernen, präventionsorientierten, interdisziplinären Lehre zu integrieren und mit modernen didaktischen Methoden zu vermitteln, wurde ernst genommen und innerhalb der letzten Jahre standortspezifisch auch bereits umgesetzt.

Inhaltlich hat sich auch der Medizinische Fakultätentag in seinem Positionspapier „Das Zahnmedizinstudium der Zukunft“ intensiv mit der curricularen Entwicklung in der Zahnmedizin befasst. Aus dem Fazit dieses Papiers sei Folgendes zitiert: „… 2. Ideal erscheint daher ein longitudinales Curriculum der oralen Medizin mit Zahnmedizin-zentriertem Kern- und Vertiefungsbereich, welches durch interdisziplinäre Module mit der Medizin gemeinsame Lehrinhalte und -formate ermöglicht. 3. Eine Schärfung des Z‑Curriculums mit deutlich früherem Patientenkontakt. 4. Die Sicherung und Stärkung der praktischen Ausbildung an Patientinnen und Patienten. 5. Die Etablierung eines longitudinalen ‚Science Track‘“.

Übergeordnet stellt die im Oktober 2021 in Kraft getretene neue Approbationsordnung für Zahnärzte und Zahnärztinnen (ZApprO) den formaljuristischen Rahmen dar. Das Themenheft zeigt, dass der aktuelle Reformkurs auf Basis der Approbationsordnung 2021, einschließlich der Möglichkeit nach § 82, Modellstudiengänge in der Zahnmedizin umzusetzen, eine Chance für die deutschen Fakultäten ist: Studierende lernen bereits im frühen Studium die zahnmedizinische Versorgungsrealität kennen und erwerben die notwendigen beruflichen Kompetenzen kontinuierlich unter Berücksichtigung aller klinischen und wissenschaftlichen Parameter bis zum dritten Staatsexamen.

Neben der neuen Approbationsordnung Zahnmedizin bildet der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Zahnmedizin (NKLZ) die zentrale inhaltliche Grundlage für das Zahnmedizincurriculum. Der Zusammenhang der im Lernzielkatalog Zahnmedizin festgelegten Lehr- und Lerninhalte für die allgemeine Zahnarztreife mit dem formaljuristischen Rahmen der neuen Approbationsordnung Zahnmedizin wird im vorliegenden Heft ebenfalls thematisiert.

Neben der neuen Approbationsordnung Zahnmedizin und dem NKLZ sind Modellstudiengänge in der Medizin seit vielen Jahren ein etablierter Weg, um neue Entwicklungen zu erproben, zu evaluieren und ggf. zu validieren. Daher wird im Rahmen dieses Themenheftes auch aus dem integrierten Modellstudiengang Zahnmedizin, der als bundesweit erster Modellstudiengang im Wintersemester 2019/2020 in Hamburg gestartet ist, berichtet.

Das hier vorgelegte Heft behandelt die Thematik mit insgesamt 11 Beiträgen. Im einführenden Beitrag von Reißmann et al. werden Mundgesundheit und Mundgesundheitskompetenz als wesentliche Elemente von Gesundheit und des Wohlbefindens diskutiert. Die empirische Grundlage dafür stellen Daten der Ersterhebung der Hamburg City Health Study (HCHS) dar. Innerhalb dieser bevölkerungsbasierten Gesundheitsstudie werden auch differenzierte Daten zur Mundgesundheit erhoben. In Sinne der Ausgangshypothese zeigen die Analysen, dass höhere Mundgesundheitskompetenz mit besserer Mundgesundheit assoziiert ist. Daraus ergeben sich Hinweise auf die Bedeutung von Mundgesundheitskompetenz und -verhalten als wichtige Zielgrößen der zahnmedizinischen Ausbildung.

Rupf et al. sehen in einer in das Studium der Zahnmedizin einführenden Veranstaltung „Berufsfelderkundung“ ein wichtiges Element einer neuen zahnärztlichen Approbationsordnung. Sie berichten über Erfahrungen, die sie an der Universität des Saarlandes mit ihrem Konzept in einer Erprobungsphase sammeln konnten. Die Studierenden erfahren grundlegende Einblicke in ihren künftigen Beruf und bewerten das innovative Studienangebot als sehr positiv.

Söhnel et al. setzen sich mit der Weiterentwicklung des NKLZ als Basis für die Ausgestaltung der neuen Approbationsordnung auseinander. Der NKLZ dient als Grundlage für die curriculare Gestaltung des Studiums. Prüfungen und Unterrichtsmaterialien sollen eine umfassende Ausbildung sichern. Diese soll neben fachlichem Wissen auch klinische Fähigkeiten und Fertigkeiten, professionelles Verhalten und kommunikative Kompetenzen einschließen. Derzeit wird der NKLZ zur Version 2.0 in einem mehrstufigen Prozess weiterentwickelt.

Die nachfolgenden 4 Beiträge beziehen sich auf „iMED DENT“, den ersten Modellstudiengang Zahnmedizin in Deutschland. Guse et al. beschreiben zunächst die Eckpunkte des Studiengangs, der nach einer mehrjährigen Entwicklung im Oktober 2019 startete. Es handelt sich um ein integrierendes, interdisziplinäres Curriculum mit theoretischen und zahnmedizinischen Inhalten und klarem Wissenschaftsbezug. Kernelemente von iMED DENT sind die Studiengangziele sowie die modulare Studienstruktur.

Bender et al. zeigen danach auf, wie sich die im erfolgreichen Hamburger Reformstudiengang der Humanmedizin iMED entwickelten Lehrkonzepte wie integrierte Lehre, früher Patient:innenkontakt und früher Wissenschaftsbezug ohne größere Probleme auf iMED DENT übertragen lassen. Innerhalb des ersten Studienabschnittes „Normalfunktion“ liegt ein besonderes Augenmerk auf der Integration der naturwissenschaftlichen und medizinischen Grundlagen in die Zahnmedizin. Die ersten Evaluationsergebnisse deuten darauf hin, dass die Präsentation naturwissenschaftlicher Grundlagen im Kontext von zahnmedizinischer Relevanz von den Studierenden des Modellstudienganges deutlich positiver bewertet wird als die analogen Lehrangebote von Studierenden des Regelstudienganges.

Lemke et al. fokussieren den zweiten Studienabschnitt des Reformstudienganges iMED DENT „Vom Symptom zur Erkrankung“. Dieser stellt das Bindeglied zwischen der „Normalfunktion“ im ersten Studienjahr und dem letzten klinischen Ausbildungsabschnitt „Therapie“ dar. Der modulare Aufbau des Modellstudiengangs ermöglicht es, Themen repetitiv aufzugreifen, zu vertiefen und zahnärztliche Fertigkeiten in der präklinisch praktischen Ausbildung als Vorbereitung auf die Behandlung von Patient:innen zu festigen.

Heydecke und Mirzakhanian setzen sich mit dem Erwerb klinischer Kompetenzen im Modellstudiengang iMED DENT auseinander und beziehen sich dabei auf das Konzept der Entrustable Professional Activities“ (EPA). Diese werden definiert als klinische Tätigkeiten, die zum Zeitpunkt der Durchführung dem Kenntnisstand der Studierenden entsprechen und in einem Katalog an „Anvertraubaren professionellen Tätigkeiten“ zusammengestellt sind.

Grote et al. berichten über ein Pilotprojekt „Praktikum der Berufsfelderkundung“ am Standort Kiel. Das Konzept sieht ein 2‑wöchiges Praktikum in niedergelassenen Zahnarztpraxen vor. Mit dem Ziel der Förderung ärztlicher Gesprächskompetenz wird die Zeit der Praxiserfahrung mit einem longitudinalen Kommunikationscurriculum verbunden. Die Autor:innen berichten von einer erfolgreichen Umsetzung der Projektziele.

Jablonski-Momeni und Korbmacher-Steiner berichten über Ergebnisse einer Fragebogenstudie zur Kompetenz von Studierenden bei der Erfassung und im Management von kariösen Läsionen als Voraussetzung für eine präventionsorientierte Zahnmedizin. Die Ergebnisse der Studie zeigen u. a. eine deutliche Unterschätzung der Kariesausdehnung. Dies muss, nach Einschätzung der Autorinnen, künftig bei der Vermittlung von Lehrinhalten stärker berücksichtigt werden.

Uzun et al. vergleichen in einer explorativen Untersuchung die Studienergebnisse zum „Kurs der Technischen Propädeutik“, der gemäß der vorherigen (mehr als 60 Jahre alten) zahnärztlichen Approbationsordnung (ZÄPrO) gestaltet wurde, mit dem gemäß der neuen Approbationsordnung aus dem Jahre 2021 (ZApprO) gestalteten Kurs „Zahnmedizinische Propädeutik mit Schwerpunkt Dentale Technologie“. Insgesamt zeigen sich vergleichbare Ergebnisse im theoretischen und praktischen Wissen, bei der Evaluation durch die Lernenden sowie bei der speziellen Evaluation der Lernbedingungen aus Sicht der Lernenden und Lehrenden.

Im abschließenden Beitrag diskutieren Krohn et al. den Stellenwert von Leitlinien in der Zahnheilkunde. Sie beschreiben die besondere Rolle der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) für die Publikation von Leitlinien und die Koordination der Leitlinienerstellung. Welche Bedeutung Leitlinien in der Zahnheilkunde inzwischen zukommt, zeigt sich darin, dass zum aktuellen Zeitpunkt 44 zahnmedizinische Leitlinien verfügbar sind, die zum größten Teil mit der höchsten Entwicklungsstufe S3 bewertet sind. Deren konsequente Nutzung könnte erheblich zur weiteren Steigerung von Behandlungsqualität und Ökonomie in der Zahnheilkunde beitragen. Die zahnmedizinische Ausbildung können sie u. a. unterstützen, indem sie Studierenden wissenschaftlich abgesicherte Handlungsstrategien bieten.

Die Ausbildung in der Zahnmedizin befindet sich zurzeit in reger Veränderung. Wir Koordinator:innen des Themenheftes hoffen, dass es gelungen ist, durch die Auswahl der Beiträge diese spannende Entwicklung widerzuspiegeln. Wir danken allen beteiligten Autor:innen für die gute Zusammenarbeit und wünschen Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, eine anregende Lektüre!