Hintergrund

Mit SARS-CoV‑2 gelangte ein Coronavirus in Umlauf, für welches die Menschen aufgrund seiner Neuartigkeit nicht über spezifische Abwehrmechanismen des Immunsystems verfügten. COVID-19 manifestierte sich im Dezember 2019 als Häufung schwerer Lungenentzündungen zunächst in Wuhan, China [1]. Am 12.03.2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den COVID-19-Ausbruch zur Pandemie [2].

Bei einer weltweiten Gesamtbevölkerung von rund 7,7 Mrd. Menschen im März 2020 [3] wurden seit Pandemiebeginn bis zum 14.02.2021 auf dem WHO-Dashboard insgesamt 108.153.741 bestätigte Fälle und 2.381.295 resultierende Sterbefälle aufgeführt [4]. Dem Robert Koch-Institut (RKI) waren auf der Grundlage der bestehenden gesetzlichen Meldepflichten gemäß §§ 6 (ärztliche Meldepflicht) und 7 (Labormeldepflicht) des 2020 angepassten Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in diesem Zeitraum bundesweit insgesamt 2.334.561 bestätigte Fälle und 64.960 Verstorbene gemeldet worden.

Die Pandemie verlief in Deutschland in einer kleineren ersten Welle mit einem zahlenmäßigen Maximum der Neuinfektionen um den 15.03.2020 und einer deutlich größeren zweiten Welle mit einem Maximum an Neuinfektionen um den 20.12.2020 [5]. Laut dem DIVI-Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin waren in genanntem Zeitraum 71.724 COVID-19-Erkrankte intensivmedizinisch behandelt worden.

Schwere Verläufe und Sterbefälle zeigten sich anhand der Meldedaten überwiegend bei hochbetagten Menschen. In der wissenschaftlichen Begründung der Ständigen Impfkommission (STIKO) zur COVID-19-Impfempfehlung wird das hohe Alter als der wesentliche Risikofaktor für einen tödlichen Verlauf dieser Infektionskrankheit genannt [6]. Sehr rasch gelang es der Wissenschaft, Impfstoffe mit unterschiedlichen und teils auch neuartigen Wirkmechanismen zu entwickeln. Die ersten bedingten Zulassungen für Impfstoffe erfolgten in der Europäischen Union zwischen dem 21.12.2020 und dem 29.01.2021 [7,8,9].

Die saisonale Influenza verursacht jährlich weltweit zwischen 3 und 5 Mio. Krankheits- und schätzungsweise 290.000–650.000 Todesfälle [10]. Eine 2018 publizierte Metaanalyse kommt zu dem Ergebnis, dass sich jährlich circa 10 % der ungeimpften Erwachsenen mit Influenza infizieren [11]. Die saisonale Influenza mit wechselnden zirkulierenden Varianten erfordert eine jährliche Anpassung der Vakzine. Die Saison 2019/2020 war in Deutschland durch eine parallele dominante Zirkulation von A(H1N1)pdm09- und A(H3N2)-Influenzaviren gekennzeichnet, die durch eine geringgradige Zirkulation von Influenza-B-Viren der Viktoria-Linie begleitet wurde [12]. Gemäß aktueller Fassung des IfSG sind nach § 7 Abs. 1 der direkte Nachweis von Influenzaviren, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, sowie nach § 6 Abs. 1 der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an zoonotischer Influenza namentlich meldepflichtig.

Vor dem Ausrufen der Pandemie durch die WHO [2] entstand die Idee zur Durchführung dieser Studie. Es sollen die Sterbefälle an zwei respiratorisch übertragbaren Infektionskrankheiten (pandemische COVID-19- und saisonale Influenzasterbefälle) mittels der im Gesundheitsamt eingehenden Todesbescheinigungen vergleichend ausgewertet werden.

Methode

Es erfolgte eine fortlaufende Sichtung aller für den Sterbezeitraum vom 01.03.–31.12.2020 (Kalenderwoche (KW) 10–KW 53) beim Gesundheitsreferat der Landeshauptstadt München (GSR) eingegangenen Todesbescheinigungen (TB). Da alle TB gemäß Art. 3a Bestattungsgesetz (BestG) bei den für den Sterbeort örtlich zuständigen Gesundheitsämtern archiviert werden, konnte eine vollständige Untersuchung aller Sterbefälle im Stadtgebiet München erfolgen. Diese Fälle umfassen sowohl die Verstorbenen mit Hauptwohnsitz München als auch die mit einem auswärtigen Hauptwohnsitz. Die vorab definierten Einschlusskriterien für die Fallrekrutierung war die Angabe von „COVID-19 …, SARS-CoV-2 …“, „Corona …“, „Influenza (A/B)“ in den Rubriken „Todesursache/Klinischer Befund“ bzw. „weitere bestehende Grunderkrankungen“ der TB.

Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen wurden über die in der TB angegebene Münchner Adresse identifiziert. Eine Einstufung als COVID-19- bzw. Influenzafall erfolgte ausschließlich anhand der von den leichenschauenden Ärzten (LS) gemachten Angaben. Alle Daten wurden direkt aus den TB erhoben. Die zu den COVID-19- und Influenzainfektionen erhobenen Daten basieren auf den im Referat auf der Grundlage der §§ 6,7 IfSG vorliegenden Meldedaten. Es erfolgten eine standardisierte Eingabe in Microsoft Excel (Microsoft Office 2011, Microsoft Corporation, Redmond, WA, USA) und eine anonymisierte Auswertung auf aggregierter Ebene mit dem Statistikprogramm SPSS (IBM, Armonk, NY, USA) (Version 26.0). Es wurde rein deskriptiv ausgewertet: Kontinuierliche Variablen wurden jeweils mit Mittelwert, Median, Minimum, Maximum und Spannweite angegeben, kategoriale Variablen in Anzahl und Prozent. Um eine grundsätzliche Vergleichbarkeit der beiden Kollektive zu gewährleisten, werden trotz geringer Zahl der Influenzasterbefälle alle erhobenen Daten in absoluten und relativen Zahlen angegeben.

Es wurde kein Ethikkommissionsantrag gestellt, da die Auswertung der Daten durch die Gesundheitsämter zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nach Art. 3a BestG zulässig ist.

Ergebnisse

Meldedaten COVID-19- und Influenzainfektionen

Im Untersuchungszeitraum 01.03.2020 bis 31.12.2020 (KW 10–KW 53) wurden dem GSR insgesamt 44.719 SARS-CoV-2- und 2003 Influenzainfektionen gemeldet. An SARS-CoV-2-Infektionen wurden im Zeitraum vom 01.03.–30.04.2020 (KW 10–KW 18) 5739 Fälle, vom 01.05.–30.09.2020 (KW 19–KW 40) 5843 Fälle und vom 01.10.–31.12.2020 (KW 41–53) 33.137 Fälle gemeldet – entsprechend der 1. Pandemiewelle, Sommerplateau und 2. Welle. An Influenzainfektionen wurden im Zeitraum von KW 10–KW 18 1991 Fälle, von KW 19–KW 40 4 Fälle und von KW 41–53 8 Fälle gemeldet.

Kollektive Sterbefälle

Im Untersuchungszeitraum verstarben im Stadtgebiet München insgesamt 12.441 Personen, davon 2014 Personen (16,2 %) an einer Pneumonie. Bei diesen Sterbefällen waren von den leichenschauenden Ärzten (LS) bei 888 Fällen (44,1 %) keine Krankheitserreger und bei 34 Fällen (1,7 %) ein bakterieller Erreger angegeben worden. Bei 1029 Fällen (51,1 %) war von den LS eine gesicherte COVID-19-Erkrankung, bei 68 Fällen (3,4 %) der V. a. eine COVID-19-Erkrankung, bei 7 Verstorbenen (0,3 %) eine respiratorische Synzytialvirus(RSV)-Infektion und bei 22 Verstorbenen (1,1 %) eine Influenzainfektion vermerkt worden. Bei den Influenzatodesfällen wurde vom LS in 14 Fällen eine Influenza A, in 4 Fällen eine Influenza B und in 4 Fällen kein Erreger genannt. Bei keinem Sterbefall war auf der Todesbescheinigung eine SARS-CoV-2-Influenza-Koinfektion vermerkt.

Zeitlicher Verlauf der COVID-19- und influenzaassoziierten Sterbefälle

Der zeitliche Verlauf der gesicherten COVID-19- und influenzaassoziierten Sterbefälle kann Abb. 1 entnommen werden. In der ersten Pandemiewelle kam es in der 15. KW mit 58 Sterbefällen zu einem ersten, in der zweiten Welle in der 52. KW mit 132 Sterbefällen zu einem zweiten, deutlich ausgeprägteren Maximum. Die in der 53. KW auf den ersten Blick rückläufige Zahl von 73 Sterbefällen hängt damit zusammen, dass methodisch bedingt nur die Fälle der restlichen 4 Wochentage von 2020 berücksichtigt sind. Influenzasterbefälle traten ausschließlich zwischen KW 10 und KW 17 mit der höchsten Zahl an 6 Sterbefällen in KW 12 auf.

Abb. 1
figure 1

Zeitlicher Verlauf der COVID-19- und Influenzasterbefälle in München im Untersuchungszeitraum Kalenderwoche (KW) 10 bis KW 53 2020. (Eigene Abbildung)

Demografische Daten und Sterbeorte

Der Anteil der Männer an den 1029 gesicherten COVID-19-Sterbefällen lag bei 51,6 % (Tab. 1). Das durchschnittliche Sterbealter lag bei 81,7 Jahren (Median 83, Minimum 17, Maximum 105). Das Geschlechterverhältnis der 22 Influenzasterbefälle war ausgeglichen. Das durchschnittliche Sterbealter lag hier bei 84,5 Jahren (Median 81,6, Minimum 50, Maximum 101).

Tab. 1 Demografische Daten und Sterbeorte

Der zeitliche Verlauf der COVID-19-Sterbefälle in den verschiedenen Altersgruppen kann Abb. 2 entnommen werden. In beiden Pandemiewellen verstarben weit überwiegend die ab 80-Jährigen, gefolgt von den 60- bis 79-Jährigen. In München gab es keine Sterbefälle unter 15 Jahren. Der Vergleich mit den Influenzasterbefällen zeigt, dass bei beiden Infektionskrankheiten am häufigsten die Hochbetagten verstarben.

Abb. 2
figure 2

Altersverteilung der COVID-19-Sterbefälle in München im Untersuchungszeitraum Kalenderwoche (KW) 10 bis KW 53 2020. (Eigene Abbildung)

Über 80 % der Verstorbenen beider Kollektive hatten ihren Hauptwohnsitz im Stadtgebiet München, 40 % aller in München verstorbenen COVID-19- und ein Drittel der Influenzasterbefälle waren Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen. Häufigster Sterbeort beider Kollektive war die Klinik: bei nahezu allen Influenzasterbefällen und gut 70 % der COVID-19-Sterbefälle. War der Sterbeort ein Krankenhaus, dann trat der Tod in gut einem Viertel der Fälle beider Kollektive auf einer Intensivstation ein. Zweithäufigster Sterbeort der Münchner Sterbefälle waren hiesige Pflegeeinrichtungen – bei einem Viertel der COVID-19- und einem Zehntel der Influenzasterbefälle.

Ausgewählte Parameter der ausgefüllten Todesbescheinigungen

951 Verstorbene (92,4 %) der gesicherten COVID-19-Sterbefälle waren vom LS als infektiös gekennzeichnet worden, jedoch nur 5 der Influenzasterbefälle (22,7 %; Tab. 2). Bei 324 Verstorbenen (31,5 %) des ersten, jedoch bei nur 3 Fällen des zweiten Kollektivs (13,6 %) wurde der Name der Infektionskrankheit im Klartext des nichtvertraulichen Teils der Todesbescheinigung genannt.

Tab. 2 Ausgewählte Parameter der ausgefüllten Todesbescheinigungen

In beiden Kollektiven wurde am häufigsten eine natürliche Todesart (961 Fälle, 93,4 % versus 21, 95,5 %), am zweithäufigsten eine ungeklärte Todesart (52 Fälle, 5,1 % versus 1 Fall, 4,5 %) attestiert. Eine nichtnatürliche Todesart wurde ausschließlich bei den COVID-19-Sterbefällen (16 Fälle, 1,6 %) attestiert. Bei diesen Fällen waren von den LS als Begleitumstände innerhalb eines Monats vor dem Versterben durchgeführte ärztliche Eingriffe bzw. Stürze mit Komplikationen dokumentiert worden. Die Durchführung einer Obduktion wurde vom LS bei 110 COVID-19-Sterbefällen (10,7 %) und 1 Influenzasterbefall angestrebt. Tatsächlich obduziert wurden 43 (4,2 %) der COVID-19-Sterbefälle, davon 16 (1,6 %) gerichtlich nach Anordnung durch die Staatsanwaltschaft München I, jedoch nur 1 Influenzasterbefall.

Todesursachen

Als todesursächlich – Tod an COVID-19 – bewerteten die LS die Erkrankung bei 926 Fällen (90 %), als nicht todesursächlich bei 103 (10 %). Bei den Influenzasterbefällen wurde die Infektion in 21 Fällen (95,5 %) als todesursächlich gewertet, bei 1 Fall nicht (Tab. 2).

Am häufigsten verstarben die COVID-19-Erkrankten in 679 Fällen (66,0 %) mit einem Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) bzw. einer respiratorischen Insuffizienz, in 146 Fällen (14,2 %) an Multiorganversagen und in 60 Fällen (5,8 %) an einer Sepsis (Tab. 3). Eine ähnliche Häufigkeitsverteilung zeigte sich bei den 22 Influenzasterbefällen: 13 Fälle verstarben an ARDS/respiratorischer Insuffizienz, 7 Fälle an Multiorganversagen und ein Fall an einer Sepsis.

Tab. 3 In den Todesbescheinigungen angegebene Todesursachen (1a–c)

Bei 97 der gesicherten COVID-19-Fälle (9,4 %) und bei einem Influenzasterbefall wurden vom LS Krankheiten des Kreislaufsystems als todesursächlich bewertet, hierbei wurde am häufigsten eine Herzinsuffizienz genannt (50 Fälle, 4,9 % versus ein Fall). Bei 2 SARS-CoV-2-Infizierten (0,2 %) war das zugrunde liegende Tumorleiden todesursächlich, bei 3 (0,7 %) ein Suizid. Letztere Fälle befanden sich aufgrund einer psychiatrischen Vorerkrankung in einschlägiger fachärztlicher Behandlung.

Dokumentierte Vorerkrankungen

In den TB der 1029 gesicherten COVID-19-Sterbefälle waren durchschnittlich 1,7 Vorerkrankungen angegeben worden (Median 2, Minimum 0, Maximum 6), in denen der Influenzasterbefälle 1,5 (Median 2, Minimum 0, Maximum 3; Tab. 4). Bei den COVID-19-Sterbefällen waren am häufigsten Krankheiten des Kreislaufsystems dokumentiert (528 Fälle, 51,3 %), gefolgt von Krankheiten des Nervensystems (342 Fälle, 33,2 %), Stoffwechselkrankheiten (176 Fälle, 17,1 %) und bösartigen Neubildungen (142 Fälle, 13,8 %). Auch bei den Influenzasterbefällen waren Krankheiten des Kreislaufsystems am häufigsten erfasst (11 Fälle, 50 %), gefolgt von Krankheiten des Nervensystems (5 Fälle, 22,7 %) und bösartigen Neubildungen (3 Fälle, 13,6 %).

Tab. 4 In den Todesbescheinigungen dokumentierte Vorerkrankungen

Diskussion

Fall- und Sterbezahlen, zeitlicher Verlauf

Dem RKI wurden im Untersuchungszeitraum für Deutschland 1.742.661, für Bayern 328.640 und für München 44.730 Infektionen mit SARS-CoV‑2 gemeldet. In diesem Zeitraum verstarben bundesweit 33.624, in Bayern 6765 und 554 Personen mit Hauptwohnsitz München an bzw. mit COVID-19 [5, 13]. In diesem Zeitraum wurden für Deutschland 172.209, für Bayern 48.443 und für München 2003 Influenzainfektionen gemeldet [14, 15]. Die Pandemie und die damit verbundenen Public-Health-Maßnahmen/Non-pharmaceutical Interventions (NPI) wie AHA‑L (Abstands- und Hygieneregeln, (Alltags‑)Maske und Lüften) wirkten sich nicht nur auf das Auftreten an SARS-CoV-2-Infektionen, sondern auch auf das Auftreten anderer Infektionskrankheiten aus.

In einer aktuellen Studie des RKI wurde für festgelegte Zeiträume vor und während der COVID-19-Pandemie die relative Veränderung der Fallzahlen von 32 bundesweit meldepflichtigen Infektionskrankheiten berechnet. Diese waren im Vergleich zu den modellbasierten erwarteten Fallzahlen im selben Zeitraum der Vorjahre um insgesamt 35 % rückläufig. Der stärkste Rückgang zeigte sich für respiratorisch übertragbare Krankheiten, für die saisonale Influenza betrug er −54,4 % [16]. Nach Definition der Arbeitsgemeinschaft Influenza war die Grippewelle der Saison 2019/2020 in der 12. KW 2020 beendet [17].

Analog hierzu war es in München in KW 10–KW 12 zu 22 influenzaassoziierten Sterbefällen gekommen, in der zweiten Pandemiewelle zu keinem einzigen. Durch den Beginn der Studie ab 01.03.2020 wurden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht alle Influenzatodesfälle der Grippewelle 2019/2020 in München erfasst, weil die Datenerhebung erst gegen deren Ende begann. Für die COVID-19-Sterbefälle zeigte sich bundesweit ein ähnlicher Verlauf wie in München.

Risikofaktoren für einen schweren Verlauf, dokumentierte Grunderkrankungen

COVID-19. Als Risikofaktoren für einen schweren Verlauf sind neben hohem Alter [6] beschrieben: männliches Geschlecht [18], hohes Alter, Adipositas [19, 20], Rauchen [21] und bestimmte Vorerkrankungen. Dazu zählen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie arterielle Hypertonie, koronare Herzerkrankung (KHK), zerebrale und peripherere arterielle Verschlusskrankheit, chronische Lungenerkrankungen wie COPD, chronische Nieren- und Lebererkrankungen, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus, Krebserkrankungen sowie eine Alkoholkrankheit [22,23,24,25]. Im Vergleich mit der zitierten Literatur zeigen die hier erhobenen Daten eine gute Übereinstimmung: Das durchschnittliche Sterbealter lag bei 81,7 Jahren, nur knapp 5 % waren jünger als 60 Jahre, über 95 % hingegen älter. Im untersuchten Kollektiv fanden sich alle oben genannten Vorerkrankungen wieder, am häufigsten davon waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei mehr als der Hälfte der Verstorbenen, gefolgt von Krankheiten des Nervensystems bei einem Drittel und Stoffwechselkrankheiten bei knapp einem Fünftel.

Influenza. Auch bei dieser Infektionskrankheit scheinen Männer ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf zu haben [26], bei den in Deutschland übermittelten Fällen betrug der Anteil der verstorbenen Männer 52 % [27]. Ein höheres Alter erhöht das Risiko ebenfalls: In Deutschland war in der Altersgruppe der über 79-Jährigen nicht nur der Anteil der hospitalisierten Fälle an den übermittelten Fällen, sondern auch der mit einem tödlichen Verlauf mit knapp 5 % am höchsten [27]. An weiteren Faktoren für einen schweren Verlauf werden beschrieben: Übergewicht, Immunsuppression, u. a. nach Transplantationen, Erkrankungen wie Lungenemphysem, chronische Bronchitis, Asthma, Herzinsuffizienz, chronische Leber- und Nierenerkrankungen, rheumatologische Erkrankungen, bösartige Neubildungen und Nikotinabusus [28,29,30,31]. Eine Influenza-B-Infektion scheint mit einer höheren Mortalität als eine Influenza-A-Infektion assoziiert zu sein [32]. Im Vergleich mit der zitierten Literatur war bei dem sehr kleinen Kollektiv der Influenzasterbefälle das Geschlechterverhältnis ausgeglichen. Weitere erhobene Daten korrespondierten gut mit verfügbaren Publikationen: Das erhobene durchschnittliche Sterbealter lag bei 84,5 Jahren, nur 2 der 22 Fälle waren jünger als 60 Jahre. Von oben aufgeführten risikoerhöhenden Grunderkrankungen waren am häufigsten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krankheiten des Nervensystems sowie bösartige Neubildungen vertreten. Eine Influenza-B-Infektion war nur bei 4 Verstorbenen dokumentiert worden. Bei den untersuchten Sterbefällen fand sich kein Fall einer Koinfektion mit SARS-CoV‑2 bzw. Influenza. Koinfektionen mit beiden Viren scheinen für die betroffenen Patienten keinen Risikofaktor für einen schweren Verlauf darzustellen [33].

Todesursachen

COVID-19. Laut Einschätzung der LS war die COVID-19-Erkrankung bei 90 % der Fälle unmittelbar todesursächlich – „Tod an COVID-19“. Als die 3 häufigsten Todesursachen wurden ein ARDS/eine respiratorische Insuffizienz, Multiorganversagen und Sepsis genannt. Diese Zahlen stimmen gut mit einer auf einer Aachener Intensivstation durchgeführten Studie überein. Als todesursächliche Komplikationen traten auch bei den dort behandelten Patienten am häufigsten ARDS/respiratorische Insuffizienz, Multiorganversagen und Sepsis auf [23]. Bei 10 % der Verstorbenen in der vorliegenden Untersuchung war COVID-19 als Begleiterkrankung, also Tod „mit“ COVID-19, genannt worden. Vom LS waren in diesen Fällen meist Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems genannt, wobei es sich möglicherweise um „Routinediagnosen“ ohne genaue Prüfung gehandelt haben könnte. Eine solche Bewertung ist nach Einschätzung der Autoren jedoch kritisch zu sehen und hätte nur durch eine Obduktion abschließend geklärt werden können. Ein Myokardinfarkt (eine arterielle Thrombose) kann pathophysiologisch auf dem Boden einer vorbestehenden KHK entstehen, er kann sich jedoch auch aufgrund einer COVID-19-assoziierten Gerinnungsstörung manifestieren [34, 35]. Bei 2 Fällen waren bösartige Neubildungen, bei 3 Fällen ein Suizid und in einem Fall ein Unfall todesursächlich, nicht jedoch die SARS-CoV-2-Infektion.

Influenza. Laut Einschätzung der LS war die Influenzainfektion bei 21 der 22 Fälle unmittelbar todesursächlich. Die in diesem sehr kleinen Kollektiv erhobene Rate liegt damit deutlich höher als die der für die Influenzasaison 2018/2019 bundesweit gemeldeten Sterbefälle. Die Influenzaerkrankung war infolge der von den Gesundheitsämtern in Deutschland übermittelten Daten bei 61 % der infizierten Verstorbenen als unmittelbar todesursächlich bewertet worden [27]. Gründe für diese Abweichung können die sehr kleinen Fallzahlen des untersuchten Kollektivs sein, auch lagen hier nur die TB, jedoch keine Patientenunterlagen für eine differenziertere Beurteilung vor. Alle Verstorbenen waren an einer influenzaassoziierten Pneumonie erkrankt, als häufigste Todesursachen wurde bei 3 Fällen ein ARDS/eine respiratorische Insuffizienz, bei 7 Fällen ein Multiorganversagen und bei 1 Fall eine Sepsis genannt. Bei den Hochbetagten (mehr als 80 Jahre) werden im aktuellen Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland als häufigste Komplikationen eine Pneumonie mit 9,8 %, ARDS mit 2,7 % und Beatmung bei 1,1 % genannt [27].

Sterbeorte

COVID-19. Der Anteil Verstorbener an hospitalisierten COVID-19-Patienten mit schwerer akuter Atemwegserkrankung wurde in einer deutschen Sentinel-Erhebung mit 21 % angegeben, der Anteil beatmeter COVID-19-Intensivpatienten mit 36 % [36]. Eine weitere deutsche Studie stellte fest, dass 22 % der COVID-19-Patienten verstarben und die Letalität beatmungspflichtiger Patienten bei 53 % lag [22]. Die Autoren einer internationalen Übersichtsarbeit schätzten den Anteil der Verstorbenen an den intensivmedizinisch behandelten Erkrankten auf 34 % [37]. Nach den Daten dieser Untersuchung verstarben gut 70 % der gesicherten COVID-19-Sterbefälle in einer Münchner Klinik, davon nahezu 40 % auf einer Intensivstation. Damit wurde bei an COVID-19 Verstorbenen erwartungsgemäß ein deutlich höherer Anteil des Sterbeortes Klinik als in bisherigen Sterbeortuntersuchungen erhoben: Eine populationsbezogene deutsche Studie aus dem Jahr 2011 stellte fest, dass 51,2 % der Sterbefälle im Krankenhaus verstorben waren [38], ähnliche Zahlen werden aus Kanada und dem Vereinigten Königreich genannt [39, 40].

Influenza. Mit 20 von 22 verstarben fast alle Influenzasterbefälle in einer Klinik, davon ein Drittel auf einer Intensivstation. Die Autoren fanden zur Fragestellung, an welchen Sterbeorten Influenzaerkrankte versterben, keine Literaturstellen.

Todesarten

Eine natürliche Todesart wurde bei rund 94 % der gesicherten COVID-19-Fälle, eine ungeklärte bei 5 % und eine nichtnatürliche bei 1 % bescheinigt. Bei den Influenzasterbefällen zeigte sich bei den attestierten Todesarten eine ähnliche Häufigkeitsverteilung. Eine ungeklärte bzw. nichtnatürliche Todesart war von den LS dann attestiert worden, wenn es in zeitlichem Zusammenhang zum Versterben zu Stürzen bzw. medizinischen Interventionen gekommen war. Diese Zahlen unterscheiden sich von denen einer 2019 publizierten Münchner Studie, damals waren bei allen in München Verstorbenen in 84 % der Fälle eine natürliche und in 16 % eine ungeklärte bzw. nichtnatürliche Todesart bescheinigt worden [41]. Das spricht dafür, dass in nahezu allen Fällen der vorliegenden Untersuchung die Infektionskrankheit vom LS als todesursächlich bewertet wurde und damit die Voraussetzungen für die Attestierung einer natürlichen Todesart gegeben sind.

Obduktionen

Zur Feststellung der tatsächlichen Todesursache sind Obduktionen unverzichtbar. Erst durch sie und die nachfolgende histopathologische Aufarbeitung entnommener Gewebeproben konnten grundlegende Erkenntnisse für den klinischen Verlauf der COVID-19-Erkrankung gewonnen werden [34, 35, 42,43,44]. Das ärztliche Interesse, Obduktionen bei COVID-19-assoziierten Sterbefällen zu veranlassen, wurde in der Literatur als gering beschrieben [45]. Bei den gesicherten COVID-19-Fällen wurde in München vom LS bei 18 % der Verstorbenen eine Obduktion angestrebt und bei 11 % der Verstorbenen auch durchgeführt. Das erscheint bei einer neuen Infektionskrankheit nicht viel, ist aber immer noch höher als der durchschnittliche bundesweite Wert für Obduktionen von 5 % aller Verstorbenen mit weiter rückläufiger Tendenz [46].

Ein 50-jähriger Influenzasterbefall, bei dem vom LS eine Obduktion angestrebt wurde, wurde klinisch-pathologisch obduziert.

Kennzeichnung als infektiöse Leiche

An COVID-19 Verstorbene gelten gemäß den Vorgaben des RKI als „kontagiöse“ Leichen [47]. Damit adäquate Schutzmaßnahmen im Umgang mit dem Leichnam ergriffen werden können, ist dieser vom LS beim Ausfüllen der Todesbescheinigung als infektiös zu kennzeichnen. Das erfolgte jedoch nur bei 92 % der Verstorbenen, somit bestand bei den nicht gekennzeichneten Leichen ein potenzielles Infektionsrisiko für Dritte, da dann die Notwendigkeit, eine ausreichende Schutzkleidung zu tragen, nicht zu erkennen ist. Dieses ist jedoch wichtig: Eine Untersuchung aus dem Frankfurter Institut für Rechtsmedizin zeigte, dass die Infektiosität eines an COVID-19 Verstorbenen auch nach einem postmortalen Intervall von 17 Tagen nachgewiesen werden kann [48].

Bei den Influenzasterbefällen waren 22 % der Verstorbenen als infektiös gekennzeichnet worden, auch wenn dies nicht den offiziellen Empfehlungen des RKI entspricht [49]. In diesen Fällen mussten also vom Bestatter kosten- und zeitaufwendige Schutzmaßnahmen ergriffen werden, die eigentlich nicht erforderlich gewesen wären.

Diese uneinheitliche Vorgehensweise der LS zeigt eine fachliche Unsicherheit, wann ein Verstorbener als infektiös zu kennzeichnen ist. Da der Terminus „infektiöse Leiche“ jedoch derzeit nicht konkret definiert ist, hatte das GSR zur fachlichen Unterstützung der LS in Abstimmung mit dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und dem Institut für Rechtsmedizin der Universität München ein Merkblatt mit entsprechenden Hinweisen erarbeitet, welches online abgerufen werden kann [50].

Bei einem Drittel der als infektiös gekennzeichneten COVID-19-Verstorbenen hatte der LS neben dem gesetzten Kreuz „Infektionsgefahr“ auf dem nichtvertraulichen Teil der Todesbescheinigung den Erreger klar benannt – und das, obwohl alle Münchner Ärzte im April 2020 durch die Gesundheitsbehörde zum korrekten Ausfüllen einer Todesbescheinigung informiert und darauf hingewiesen worden waren, dass es aufgrund der über den Tod hinaus bestehenden ärztlichen Schweigepflicht grundsätzlich nicht zulässig ist, im nichtvertraulichen Teil der Todesbescheinigung Krankheitserreger bzw. die zum Tod führenden Diagnosen zu benennen. Offensichtlich besteht zu diesem Punkt noch immer kein Problembewusstsein der LS: Auch 3 der 5 Ärzte, die einen Influenzasterbefall als infektiös deklariert hatten, benannten den Erreger eindeutig. Eine Münchner Untersuchung aus dem Jahr 2019 kam zu dem Ergebnis, dass in 90 % der Kennzeichnungen als „infektiöse Leiche“ der Erreger auf dem nichtvertraulichen Teil der Todesbescheinigung dokumentiert wurde, was als Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht geahndet werden könnte [51].

Limitationen

Es handelt sich um eine Untersuchung, bei der alle in München Verstorbenen unabhängig von ihrem Wohnort erfasst wurden. Als Datenquelle standen nur die Angaben der LS in den TB zur Verfügung. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Eintragungen teilweise unvollständig sind, sodass sich falsch zu niedrige Zahlen, beispielsweise bei der Anzahl der angegebenen Begleiterkrankungen, ergeben. Patientenunterlagen standen für die Auswertung nicht zur Verfügung, sodass keine weiteren Informationen zum Krankheitsverlauf und zur Diagnostik vorlagen. Somit konnte auch keine Einzelfallprüfung hinsichtlich der Todesursächlichkeit einer COVID-19- bzw. Influenzaerkrankung erfolgen. Die Gruppe der Influenzasterbefälle ist im Vergleich zu der der COVID-19-Sterbefälle sehr klein, weshalb hier die deskriptiven Auswertungen sehr vorsichtig interpretiert werden müssen. Ebenso wenig ist die tatsächliche Anzahl aller Erkrankten im Untersuchungszeitraum bekannt, somit fehlt der Nenner. Deshalb konnten weitere Parameter wie Prävalenzen und die Letalität nicht berechnet sowie Risikofaktoren nicht statistisch analysiert werden.

Fazit und Ausblick

In vorliegender Untersuchung wurden erstmals mit COVID-19 und saisonaler Influenza assoziierte Sterbefälle vergleichend gegenübergestellt. Es zeigte sich eine gute Übereinstimmung beider Kollektive in den untersuchten Parametern: So verstarben überwiegend Hochbetagte und viele Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen. Die in der Literatur für beide Infektionskrankheiten beschriebenen Risikofaktoren für einen schweren Verlauf wurden auch in dieser Studie gefunden. Im Studienzeitraum gab es übereinstimmend zu den bundesweiten Meldezahlen deutlich weniger Erkrankungen an saisonaler Influenza, in der zweiten COVID-19-Pandemiewelle traten in München keine Influenzasterbefälle auf. Bei den LS bestand, auch bei der neuen Krankheit COVID-19, ein eher geringes Interesse an der Durchführung von Obduktionen. Ebenso zeigten sich fachliche Unsicherheiten der LS bei der Einstufung der Verstorbenen als infektiös, was jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Bestattungsmodalitäten hat.

Diese Studie zeigt, dass TB eine wichtige Informationsquelle für den Öffentlichen Gesundheitsdienst darstellen. So können sie einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Einschätzung des Verlaufes meldepflichtiger Erkrankungen leisten. Hier werden Daten aus dem Großstadtbereich dargestellt, interessant wären auch Untersuchungen aus dem ländlichen Bereich. Ebenso könnte eine systematische Auswertung von TB bislang offene Fragen aus der Versorgungsforschung und Gesundheitsberichterstattung beispielsweise zur Verteilung von Sterbeorten (und damit einem indirekten Zusammenhang mit sozialer Lage) sowie zur Verteilung von Grunderkrankungen beantworten.