Zusammenfassung
Hintergrund
Tief greifende Veränderungen im Gesundheitswesen haben für junge Angestellte in der stationären Patientenversorgung zu einem stark verdichteten Arbeitsalltag geführt. Vorarbeiten legen eine Gesundheitsgefährdung durch diese Arbeitsbedingungen nahe.
Ziel der Arbeit
Diese Studie hatte zum Ziel, mit einer interprofessionellen Erhebung aktuelle Belastungsfaktoren, deren Konsequenzen und subjektive Verbesserungsbedarfe zu untersuchen.
Methoden
Im September 2017 wurde eine anonymisierte Querschnittserhebung unter Ärzten und professionell Pflegenden bis ≤35 Jahre und mit maximal 6 Jahren Berufserfahrung in der stationären Patientenversorgung durchgeführt. Der Feldzugang erfolgte über sieben teilnehmende Fachgesellschaften und Berufsverbände. Der elektronische Fragebogen enthielt überwiegend validierte Erhebungsinstrumente. Durch Regressionsmodelle wurden mögliche Störfaktoren in die Datenanalyse einbezogen.
Ergebnisse
In die endgültige Analyse gingen 1060 komplette Fälle ein. Die Teilnahmequote lag bei 13 %. Es wurden u. a. zeitliche und psychosoziale Belastungsfaktoren mit überwiegend erheblicher Ausprägung festgestellt. Diese Belastungsfaktoren sind mit einem reduzierten Gesundheitszustand und erhöhtem Burn-out-Risiko sowie einer subjektiv schlechteren Versorgungsqualität assoziiert. Junge Ärzte wünschen sich weniger Dokumentation und eine Reduktion der Arbeitsverdichtung; junge Pflegende erwarten eine leistungsgerechte Bezahlung und festgelegte Personalschlüssel.
Diskussion
Aktuelle Arbeitsbedingungen stellen eine Gesundheitsgefährdung junger Angestellter in der stationären Patientenversorgung dar. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Leistungserbringern nachhaltig ein gesundes und effektives Arbeiten ermöglichen.
Abstract
Background
Profound transformations in the German healthcare system lead to intense working conditions for young employees in inpatient care. Published data suggest associated health risks.
Objectives
This investigation aims to assess current stress factors, their consequences, and subjective measures for improvement.
Methods
During September 2017, a cross-sectional survey was conducted among physicians and nurses ≤35 years of age and with work experience in inpatient care not exceeding six years. Field access was gained via seven scientific and professional societies. The electronic questionnaire consisted of mainly validated instruments. Regression models included confounders into the final data analysis.
Results
Included in the final data analysis were 1060 complete cases. The overall response rate was 13%. Different stress factors (e.g. time-related or psychosocial) were found at high levels. These stress factors were connected to reduced health and higher risk of burnout. Furthermore, they were associated with inferior perceived quality of care. Young physicians claimed less documentation requirements and less intense working conditions. Young nurses demanded fair salary and an appropriate nurse-patient allocation.
Conclusion
Today’s working conditions in inpatient care are a threat to the health status of young employees. General conditions, which ensure a sustainable healthy and effective working environment, need to be ensured.
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Einleitung
Der medizinisch-wissenschaftliche Fortschritt sowie der demografische Wandel haben die Bezahlbarkeit von solidarisch finanzierten und hoch entwickelten Gesundheitswesen zu einer großen gesellschaftlichen Herausforderung gemacht. In Deutschland hat diese Entwicklung zu einer Ökonomisierung geführt, welche als entscheidende und viel diskutierte Größe neben die primäre Patientenorientierung in das System getreten ist [1, 2].
Von jungen Angestellten – primär Ärzten und professionell Pflegenden, aber auch anderen Berufsgruppen – in deutschen Krankenhäusern werden diese Entwicklungen vor allem in Form einer hohen Arbeitsverdichtung erlebt [3,4,5]. Unterschiedliche Erhebungen aus jüngerer Zeit legen eine gesundheitliche Gefährdung durch diese Arbeitsbedingungen für Ärzte [6,7,8,9,10,11,12,13] und Pflegende [14, 15] nahe.
Die Verantwortung für die Gesundheit von Arbeitnehmern wird neben ihnen selbst, den Arbeitgebern und der Politik in relevantem Umfang von den Unfallversicherungen getragen. Im Sozialgesetzbuch (SGB) VII definiert der Gesetzgeber deren Aufgabe als, „mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten“ [16]. Hierzu gehören explizit auch psychische Gesundheitsgefahren [17].
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) versichert über 8,4 Mio. Arbeitnehmer im Gesundheitswesen. Ihrem gesetzlichen Auftrag folgend, Gesundheitsgefährdungen aktiv zu erfassen, hat die BGW die Schirmherrschaft dieser interdisziplinären und interprofessionellen Erhebung unter jungen Angestellten in der stationären Patientenversorgung übernommen, die zur Klärung folgender Fragen beitragen soll:
- 1.
Welchen Belastungen mit welcher Ausprägung sind junge Angestellte aktuell ausgesetzt?
- 2.
Welchen Einfluss nehmen diese Belastungsfaktoren auf ihren Gesundheitszustand und auf die von ihnen erbrachte Patientenversorgung?
- 3.
Welche Verbesserungsbedarfe sehen junge Angestellte als besonders wirkungsvoll?
Methoden
Im September 2017 wurde im Auftrag der BGW bei jungen Angestellten eine bundesweite randomisierte Datenerhebung durchgeführt, mit deren unabhängiger Planung und Durchführung das Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf betraut wurde. Der Feldzugang für diese anonyme Querschnittserhebung erfolgte anhand der Mitgliederdatenbanken der beteiligten Berufsverbände bzw. Fachgesellschaften. Kooperationspartner dieses Projektes waren sieben medizinische Verbände bzw. Gesellschaften sowie ein Berufsverband der Pflege (Marburger Bund, Hartmannbund, Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, Berufsverband Deutscher Internisten, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin sowie der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe).
Da es sich bei dieser Untersuchung um eine anonyme Befragung handelte, war keine Beratung durch eine Ethikkommission bzw. deren Votum notwendig.
Bei der Studienpopulation handelte es sich um junge Ärzte und junge Beschäftigte aus der Pflege (≤35 Jahre), die im Krankenhaus arbeiteten und maximal 6 Jahre Berufserfahrung hatten. Vor Erhebungsbeginn wurde über die Gesellschaften/Verbände ein Flyer an die Mitglieder versandt. Auf der Startseite der Onlinebefragung wurden wesentliche Informationen zur Studie aufgeführt. Insbesondere wurden das Studienziel, die Freiwilligkeit einer Teilnahme, die Wahrung der Anonymität, die Konformität mit Bestimmungen des Bundesdatenschutzes, die Ausfüllzeit des Fragebogens und die Einwilligung zur Teilnahme durch Ausfüllen des Fragebogens beschrieben. Die Onlinebefragung wurde mit der Befragungssoftware EFS Survey von Questback/Unipark durchgeführt (Sicherheitsanforderungen nach ISO 27001 auf Basis des IT-Grundschutzes). Der Fragebogen wurde im Vorfeld in einem Pretest von 40 Teilnehmern getestet. Als Incentives wurden Tickets für den Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit und den Deutschen Pflegetag verlost. Insgesamt erhielten 10.162 Mitglieder (6362 Ärzte, 3800 Beschäftigte aus der Pflege) via E‑Mail eine Einladung zu der Onlinebefragung. Zwei und vier Wochen nach der Einladung erfolgte für alle Eingeladenen per E‑Mail eine Erinnerung zur Studienteilnahme. Um ein ausgewogenes Verhältnis von Pflegenden und Ärzten zu erreichen, wurde im Vorfeld geplant, genauso viele Ärzte einzuladen, wie die Gesamtanzahl der Pflegenden des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) ergab, die laut Mitgliederdatenbank die Einschlusskriterien ≤35 Jahre und stationäre Versorgung erfüllten (ein 1:1-Verhältnis von Ärzten zu Pflegenden in der Stichprobe wurde angestrebt). Für die Pflege erfolgte demnach eine Vollerhebung. Um die Gefahr eines Selektionsbias gering zu halten und eine gleiche Anzahl von Ärzten als Zielpopulation auszuwählen, erfolgte für die Ärzte unter Berücksichtigung der Gesamtanzahl der Mitglieder pro Gesellschaft bzw. Verband eine proportional geschichtete Randomisierung. Die Randomisierung wurde im Studienzentrum anhand von laufenden Nummern über die Randomisierungsfunktion in SPSS durchgeführt. Die Nummern wurden dann an die Geschäftsstellen der beteiligten Fachgesellschaften/Berufsverbände weitergegeben, welche wiederum die ausgewählten Mitglieder zur Teilnahme einluden. Irrtümlicherweise wurden bei einer medizinischen Fachgesellschaft alle Mitglieder eingeladen, die die Einschlusskriterien erfüllten. Dies führte neben einer unterschiedlichen Responserate beider Berufsgruppen zusätzlich zu einem unausgewogenen Verhältnis zuungunsten der Pflege. Auf eine nachfolgende Reduzierung der Anzahl der teilnehmenden Ärzte wurde aus statistischen Gründen verzichtet.
Psychosoziale Faktoren wurden anhand der Kurzversion des branchenunabhängigen Effort-Reward-Imbalance-(ERI-)Fragebogens erhoben [18, 19]. Das Arbeitsstressmodell basiert auf der Annahme, dass Beschäftigte für ihre Leistung (Effort) gesellschaftlich definierte Belohnungen (Reward) erhalten. Anhand der Skala Leistung sowie der Skala Belohnung (Subskalen: Anerkennung, Gehalt/Karrieremobilität, Arbeitsplatzsicherheit) werden die Leistungen und die Belohnungen ins Verhältnis zueinander gesetzt. Eine Effort-Reward-Imbalance wurde für einen ERI-Ratio über 1 definiert. Ein Überengagement (Overcommitment) wurde für den Wertebereich des obersten Terzils der Verteilung definiert. Als weitere psychosoziale Einflussgröße wurden Häufigkeiten des Erlebens von verbalen bzw. körperlichen Aggressionen durch Patienten in den Fragebogen aufgenommen (1 × im Jahr, 4 × im Jahr, 1 × wöchentlich, täglich).
Um die Qualität der interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen ärztlichem und pflegerischem Personal zu erheben, sind Skalen eines standardisierten Fragebogens zur Arbeitssituation von Ärzten bzw. professionell Pflegenden zum Einsatz gekommen [20].
Der subjektive Gesundheitszustand und das Burn-out-Risiko wurden als Gesundheitsoutcomes anhand des standardisierten Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ-Fragebogen) erhoben [21]. Zur Messung der subjektiven Versorgungsqualität wurde auf die von Loerbroks et al. [22] validierte deutschsprachige Version des Originalinstruments für Ärzte zurückgegriffen [23]. Die entsprechende Skala für professionell Pflegende wurde aus der originalen Skala für Ärzte abgeleitet. Dabei wurden zwei von sechs Items entsprechend angepasst. Beide Skalen wiesen gute interne Konsistenzen auf (Cronbachs Alpha: 0,80 (Ärzte) bzw. 0,77 (Pflege)).
Zur Ermittlung der Verbesserungsbedarfe wurden in der Befragung 29 verschiedene Themen präsentiert, die sieben verschiedenen Feldern zugeordnet waren (Zeit, Familie und Beruf, Zusammenarbeit, Belohnungen, Führung, Arbeitsorganisation/Mittel, Strukturelles). Beim Rating der verschiedenen Items ging es darum, den auf den Arbeitsplatz bezogenen aktuellen subjektiven Bedarf der Studienteilnehmer zu erfassen.
Bivariate Analysen wurden anhand des Chi2-Tests, des t‑Tests, des Mann-Whitney-U-Tests und der einfaktoriellen Varianzanalyse durchgeführt. Um Verzerrungen durch Confounding gering zu halten, wurden multivariate Verfahren angewandt. Für die Outcomes subjektiver Gesundheitszustand und Burn-out-Risiko wurden multivariate lineare Regressionen gerechnet. Adjustiervariablen waren Alter, Geschlecht und Berufsgruppe. Als mögliche Einflussfaktoren wurden folgende Variablen in das Modell miteingeschlossen: ERI, Overcommitment, interprofessionelle Zusammenarbeit, verbale/körperliche Aggressionen, Einnahme von Medikamenten aufgrund von Arbeitsstress, Beschäftigungsverhältnis (befristet/unbefristet), Wochenarbeitszeit sowie weitere arbeitsbezogene Merkmale wie Nachtschichten und Wochenendarbeit. Anhand der Stepwise-Backwards-Methode nach Hosmer und Lemeshow wurden Variablen mit einem p-Wert von >0,1 schrittweise aus dem Modell eliminiert [24].
Für das Outcome subjektive Versorgungsqualität wurde aufgrund fehlender Normalverteilung multivariate logistische Regression gerechnet. Die Dichotomisierung der Variable erfolgte nach Loerbroks et al. anhand des 3. Terzils [22]. Anhand des Stepwise-Backwards-Verfahrens erfolgte hier ebenfalls die Variablenreduktion im Modell [24].
Bei allen Analysen wurde eine mögliche Interaktion von ERI und Overcommitment überprüft.
Fehlende Werte: In einer Sensitivitätsanalyse mit imputierten fehlenden Werten wurden die finalen Modelle überprüft. Da sich hinsichtlich der Assoziationsmaße dieselben Tendenzen zeigten, werden im Folgenden die Ergebnisse ohne multiple Imputationen präsentiert.
Alle Auswertungen erfolgten mit der Statistiksoftware SPSS 23.0.
Ergebnisse
Insgesamt nahmen 1337 Beschäftigte an der Onlinebefragung teil (dies entspricht allen Teilnehmern, die den Fragebogen beendet hatten). Die Responserate lag bei 13 % (Ärzte: 18,5 %, Pflegende: 7,5 %). Nach Anwendung der Einschlusskriterien verblieben 1060 Fälle für die Auswertung (Ärzte: 80,7 %, Pflegende: 19,3 %). Einen Überblick zu den Basisdaten dieser Erhebung gibt Tab. 1.
Belastungsfaktoren und der Gesundheitszustand
Die tatsächliche Wochenarbeitszeit war unter Ärzten weitaus höher als unter den professionell Pflegenden (>48 h/Woche: 71 % vs. 10 %, p < 0,001). Bei den Wochenenddiensten zeigten sich für die Beschäftigten der Pflege dagegen höhere Anteile als bei Ärzten (>2 Wochenenddienste/Monat: 21 % vs. 13 %, p < 0,01; Tab. 2). Das Erleben verbaler und körperlicher Aggressionen durch Patienten trat insgesamt sehr häufig auf. Im Vergleich der Berufsgruppen zeigte sich, dass professionell Pflegende weitaus öfter körperliche bzw. verbale Aggressionen erlebten als das ärztliche Personal (74 % vs. 34 %, p < 0,001 bzw. 84 % vs. 70 %, p < 0,001). Pflegende bewerteten die interprofessionelle Zusammenarbeit häufiger gering als Ärzte (24 % vs. 9 %, p < 0,001). Professionell Pflegende wiesen auch eine höhere Prävalenz von Gratifikationskrisen auf (ERI-Ratio >1: 97 % vs. 78 %, p < 0,001, bzw. ERI-Ratio Mittelwert: 1,6 vs. 1,3, p < 0,001). Für die Neigung zum Überengagement ergaben sich keine relevanten Unterschiede zwischen den Gruppen bei insgesamt hohen Werten (Ärzte vs. professionell Pflegende: 64 % vs. 63 %). Seitens der Pflegenden hatten 15 % jemals Medikamente wegen Arbeitsstress eingenommen, bei den Ärzten lag dieser Anteil bei 22 % (p = 0,046). Hinsichtlich einer geringen subjektiven Versorgungsqualität wurde unter den Pflegenden ein größerer Anteil beobachtet als bei den Ärzten (59 % v. 31 %, p < 0,001). In Bezug auf den subjektiven Gesundheitszustand wurde für professionell Pflegende ein ungünstigerer Mittelwert beobachtet als für Ärzte (56,2 Punkte vs. 63,6 Punkte, p < 0,001). Für das Burn-out-Risiko zeigte sich kein wesentlicher Unterschied des Mittelwertes im Vergleich zu Ärzten (57,1 Punkte vs. 56,0 Punkte).
Einflussfaktoren auf den Gesundheitszustand und Burn-out-Risiko
In der multivariaten linearen Regression wurden verschiedene Faktoren gleichzeitig auf ihren Einfluss auf den subjektiven Gesundheitszustand und das Burn-out-Risiko untersucht (Tab. 3). Als Faktoren mit statistisch signifikant positivem bzw. protektivem Einfluss ergaben sich die drei Dimensionen der ERI-Reward-Skala: Anerkennung: Beta = 1,2, 95 %-KI: 0,38–1,95 (Gesundheitszustand)/Beta = −1,5, 95 %-KI: −2,22–−0,80 (Burn-out-Risiko), Karrieremobilität: Beta = 0,7, 95 %-KI: 0,10–1,39/Beta = −0,8, 95 %-KI: −1,34–−0,19 und Arbeitsplatzsicherheit: Beta = 1,0, 95 %-KI: 0,13–1,83 (nur Gesundheitszustand). Eine bessere Zusammenarbeit zwischen beiden Berufsgruppen hatte ebenfalls einen positiven Effekt auf den Gesundheitszustand (Beta = 1,6, 95 %-KI: 0,73–2,44) und das Burn-out-Risiko (Beta = −1,2, 95 %-KI: −1,97–−0,44). Faktoren mit statistisch signifikant negativem Einfluss auf den subjektiven Gesundheitszustand waren Wochenenddienste (Beta = −4,2, 95 %-KI: −6,70–−1,70), Overcommitment (Beta = −1,5, 95 %-KI: −1,85–−1,23) und die Einnahme von Medikamenten (Beta = −5, 95 %-KI: −7,23–−2,79). Für Burn-out-Risiko waren Faktoren mit negativem bzw. verstärkendem Einfluss die Leistung (Effort; Beta = 0,8, 95 %-KI: 0,22–1,35), die tatsächliche Arbeitszeit (Beta = 2,6, 95 %-KI: 0,71–4,56), körperliche Aggressionen (Beta = 2,1, 95 %-KI: 0,33–3,81), Overcommitment (Beta = 2,0, 95 %-KI: 1,77–2,33) sowie die Einnahme von Medikamenten (Beta = 3,9, 95 %-KI: 1,90–5,88). Wurden die Effort- und Reward-Skalen in das ERI-Ratio transformiert, ergaben sich ebenfalls ungünstige Effekte in Bezug auf den Gesundheitszustand (Beta = −5,6, 95 %-KI: −8,09–−3,05) und das Burn-out-Risiko (Beta = 8,8, 95 %-KI: 6,57–11,12; Daten nicht in der Tabelle abgebildet).
Einflussfaktoren auf die subjektive Versorgungsqualität
Hinsichtlich der subjektiven Versorgungsqualität hatten Personen mit hohem ERI-Ratio (3. Terzil) ein 3‑fach erhöhtes Odds Ratio (OR: 3,0, 95 %-KI: 2,00–4,62; Tab. 4) und Personen aus der mittleren Gruppe (2. Terzil) ein 1,9-fach erhöhtes Odds Ratio (OR: 1,9, 95 %-KI: 1,28–2,85), eine geringe Versorgungsqualität zu empfinden wie Personen aus der niedrigsten Gruppe (1. Terzil). Für Beschäftigte mit niedriger Zusammenarbeit zeigte sich ein 2,6-fach erhöhtes OR (OR: 2,6, 95 %-KI: 1,52–4,32) und für diejenigen aus der mittleren Gruppe ein 1,8-fach erhöhtes Odds Ratio (OR: 1,8, 95 %-KI: 1,22–2,54) im Vergleich zur Referenzgruppe. Für häufiges Erleben von verbalen Aggressionen zeigte sich ein erhöhtes Odds Ratio von 1,5 (95 %-KI: 1,00–2,14), eine geringe Versorgungsqualität zu empfinden. Für Personen, die auf einer Normalstation arbeiteten, wurde ein 1,7-fach erhöhtes Odds Ratio (OR: 1,7, 95 %-KI: 1,25–2,41) beobachtet, eine geringe Versorgungsqualität zu erleben.
Verbesserungsbedarfe
In Tab. 5 sind von 29 Themen die fünf häufigsten Verbesserungsbedarfe mit hohem bzw. sehr hohem Bedarf aufgeführt. Für Ärzte zeigte sich auf den Plätzen 1 bis 3 ein Verbesserungspotenzial hinsichtlich des Dokumentationsaufwandes, der Weiterbildungsmöglichkeiten und der Arbeitsverdichtung. Für die Pflege ging es primär um leistungsgerechte Bezahlung, einen gesetzlich festgelegten Personalschlüssel sowie um die Arbeitsverdichtung. Für beide Berufsgruppen wurde hinsichtlich der fünf relevantesten Verbesserungsbedarfe eine Schnittmenge bezüglich des Dokumentationsaufwandes, der Arbeitsverdichtung sowie des Personalschlüssels beobachtet.
Diskussion
In dieser interdisziplinären und interprofessionellen Erhebung wurden Bestehen, Ausprägung und Einfluss aktueller Belastungsfaktoren bei jungen Ärzten und professionell Pflegenden in der stationären Patientenversorgung untersucht. Als Hauptbefund wurde eine Gesundheitsgefährdung unter den aktuellen Arbeitsbedingungen festgestellt.
Aktuelle Belastungen im Arbeitsumfeld junger Angestellter
Zeitliche Belastungsfaktoren waren vor allem unter Ärzten stark ausgeprägt und bestätigen das Ergebnis anderer aktueller Erhebungen. Im Marburger Bund Monitor 2017 wurde beispielsweise eine durchschnittliche Arbeitszeit von 51 h pro Woche für Ärzte ermittelt [4].
Verbale und körperliche Aggressionen, die von Patienten ausgehen, waren nach den Ergebnissen dieser Erhebung sehr häufig. Insgesamt wurden solche Aggressionen inklusive des Ungleichgewichts zuseiten professionell Pflegender in aktuellen Studien in ähnlich hohem Ausmaß beschrieben [3, 25,26,27,28,29]. Die hohen Prävalenzen von Aggressionen könnten anteilig auch durch eine zunehmende Sensibilisierung mit dem Thema erklärt werden. Welchen Anteil die aktuelle Versorgungssituation mit wenig Zeit und häufig zersplitterter und diskontinuierlicher Versorgung daran hat, müssen zukünftige Untersuchungen klären.
Im Vergleich mit COPSOQ-Referenzdaten (Beschäftigte aus Krankenhäusern bis 34 Jahre, gemittelt über den Zeitraum 2011 bis 2016, persönliche Mitteilung durch Dr. Matthias Nübling, Mitglied des Lenkungsausschusses COPSOQ International Network) ergaben sich für unser Studienkollektiv ungünstigere Ausprägungen in Bezug auf den subjektiven Gesundheitszustand (Ärzte/Pflegende, aktuelle Studie vs. Referenzdaten: 64/56 vs. 80/73) und das Burn-out-Risiko (56/57 vs. 54/53). Der Ausschluss der 35-Jährigen in unserer Studie ergab dieselben Mittelwerte, eventuell könnte der Vergleich aber auch durch unterschiedliche Erhebungsverfahren oder Selektionsbias verzerrt sein. Der Präsident des Weltärztebundes warnte kürzlich eindringlich vor der hohen Burn-out-Prävalenz. Fast die Hälfte der zehn Millionen weltweit arbeitenden Ärzte würden Symptome von Burn-out zeigen [30]. In einer aktuellen US-amerikanischen Untersuchung gaben 45 % der jungen Ärzte Symptome von Burn-out an [31]. Für Pflegende variierte die Burn-out-Rate nach den 2012 veröffentlichten Befunden einer großen internationalen Studie mit über 60.000 untersuchten Pflegekräften in Europa und den USA zwischen 10 % in den Niederlanden bis zu 78 % in Griechenland [32]. Die Ausprägung psychosozialer Arbeitsbelastung und einer erhöhten Neigung zum Überengagement war unter den Teilnehmern dieser Befragung im Vergleich zu inter-/nationalen Untersuchungen sehr hoch (ERI-Ratio Mittelwert \(\overline{\text{X}}\): 1,6 bei Pflegenden und \(\overline{\text{X}}\): 1,3 bei Ärzten dieser Untersuchung; im Vergleich dazu beispielswiese ERI-Ratio bei französischen bzw. deutschen Pflegenden 0,7 (ORSOSA-Studie mit 2194 Pflegenden in Frankreich [33]) bzw. 0,6 (NEXT-Studie mit 1054 Pflegenden in Deutschland [34]); ERI-Ratio in einer populationsbasierten deutschen Stichprobe unter 1342 Personen 0,6 [35]; für eine Übersicht unterschiedlicher nationaler/internationaler Vergleichswerte siehe [36]). Ähnlich ausgeprägt war die ERI-Ratio bei aktuellen Erhebungen unter jungen Ärzten unterschiedlicher Fachbereiche in Deutschland mit 1,4–1,9 [6,7,8,9] und bei Ärzten in Griechenland mit 1,6 [37].
Zuletzt berichtete ein relevanter Anteil der jungen Angestellten von der Einnahme von Medikamenten aufgrund von Arbeitsstress. Die bedenkliche Einnahme von Substanzen/Suchtmitteln mit entspannender Wirkung unter Ärzten ist nicht selten. In einer kürzlich veröffentlichten Studie wurde beispielsweise von knapp einem Viertel der befragten deutschen Ärzte aus der stationären Patientenversorgung ein bedenklicher Alkoholkonsum berichtet [38].
Konsequenzen für den Gesundheitszustand junger Angestellter und die Patientenversorgung
Die drei Dimensionen der Belohnungsskala des Modells beruflicher Gratifikationskrisen wiesen in dieser Untersuchung einen positiven bzw. protektiven Einfluss auf den Gesundheitszustand und das Burn-out-Risiko auf. Andersherum war eine hohe Ausprägung psychosozialer Arbeitsbelastung (als Ausdruck eines hohen ERI-Ratio) mit einem negativen Einfluss auf die vorgenannten Gesundheitsqualitäten verbunden. Diese Assoziation wurde auch aus Voruntersuchungen berichtet, in denen vor allem eine hohe Prävalenz psychischer Erkrankungen wie Depressionen und Burn-out in Verbindung mit hoher psychosozialer Arbeitsbelastung beschrieben wurde [39,40,41]. Auch eine erhöhte Personalfluktuation am Arbeitsplatz wurde in Verbindung mit hoher psychosozialer Arbeitsbelastung berichtet [42, 43]. Ein anderer protektiver Faktor war eine gute Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegenden. Internationale Studien konnten dazu passend zeigen, dass eine geringe interprofessionelle Zusammenarbeit eng mit geringer Arbeitszufriedenheit, Berufsaufgabe und Burn-out assoziiert war [44,45,46]. Eine hohe Neigung zum Überengagement hat das Potenzial, Gratifikationskrisen zu verstärken, und war ein unabhängiger Risikofaktor für einen reduzierten Gesundheitszustand und hohes Burn-out-Risiko. Das Gleiche galt für die Faktoren Wochenenddienste (reduzierter Gesundheitszustand), Arbeitszeit (mehr Burn-out-Risiko), körperliche Aggressionen (mehr Burn-out-Risiko) und die Einnahme von Medikamenten (reduzierter Gesundheitszustand und mehr Burn-out-Risiko). Zusammenfassend zeigen die oben genannten Ergebnisse dieser Untersuchung eine erhebliche Gesundheitsgefährdung unter aktuellen Arbeitsbedingungen.
Eine Assoziation mit einer als schlechter empfundenen Versorgungsqualität wurde in dieser Erhebung für hohe psychosoziale Arbeitsbelastung, schlechte Zusammenarbeit, häufige verbale Aggressionen von Patientenseite und das Arbeiten auf Normalstation nachgewiesen. Insbesondere die Assoziation von psychosozialer Arbeitsbelastung mit reduzierter subjektiver Versorgungsqualität wurde für Ärzte und Pflegende bereits in einer Vielzahl von Studien beschrieben [7, 14, 23, 32, 47,48,49,50,51]. Das Arbeiten auf Normalstation ist im Vergleich zum Arbeiten im Operationssaal in der Regel durch deutlich weniger Planbarkeit, weniger Personal, viele zeitgleich zu erledigende Aufgaben und eine insgesamt höhere Arbeitsverdichtung charakterisiert, sodass eine hier als geringer empfundene Versorgungsqualität schlüssig erscheint.
Subjektive Verbesserungsbedarfe junger Angestellter
Die Forderungen beider Berufsgruppen einschließlich ihrer unterschiedlichen Schwerpunkte sind aus der aktuellen politischen Diskussion weitestgehend bekannt. Während Pflegende an erster Stelle eine leistungsgerechte Bezahlung und festgelegte Personalschlüssel fordern, sind jungen Ärzten eine Reduktion der Dokumentationspflichten und Arbeitsverdichtung sowie eine strukturierte Weiterbildung wichtig.
Limitationen
Als Limitationen dieser Studie sind eine geringe Teilnahmequote, Disbalancen in der Stichprobe (Verteilung von Ärzten zu Pflegenden 4:1) und die Möglichkeit eines Selektionsbias zugunsten einer Teilnahme von unzufriedenen jungen Angestellten zu nennen. Ein Selektionsbias ist auch durch die eingeschlossenen Berufsverbände bzw. Fachgesellschaften möglich, die jeweils bei Pflegenden und Ärzten nur einen Teil der Arbeitnehmer mit ggf. besonderen Eigenschaften repräsentieren. Zudem ermöglicht die Querschnittsuntersuchung keine Rückschlüsse auf kausale Ursachen-Wirkungs-Beziehungen. Bezüglich der subjektiven Verbesserungsbedarfe ist einschränkend festzustellen, dass die Zustimmung zwischen den einzelnen Optionen zum Teil nur gering differiert. Um den Fragebogen schlank zu halten, sind Einzelskalen aus einem validierten Instrument selektiert worden (COPSOQ-Fragebogen). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass hierdurch die Validität dieser Einzelskalen eingeschränkt wurde.
Fazit
In Zeiten eines zunehmend unter Druck stehenden Arbeitens in der stationären Patientenversorgung und eines bestehenden Mangels an geeigneten Fachkräften zeigt diese Untersuchung aktuelle Belastungsfaktoren und assoziierte Beanspruchungen auf. Weiterhin werden die subjektiven Verbesserungsbedarfe junger Angestellter ermittelt. Kernbefund dieser Erhebung ist eine erhebliche Gesundheitsgefährdung junger Angestellter in der stationären Patientenversorgung, die im Zusammenhang mit derzeitigen ungünstigen Arbeitsbedingungen steht (siehe auch Infobox 1 für eine Zusammenfassung der zentralen Aussagen dieser Untersuchung). Aktuelle Rahmenbedingungen, die es den eigentlichen Leistungserbringern im Gesundheitssystem erschweren, gesund eine hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten, sollten dringlich angepasst werden. Dazu sind, neben den Betroffenen selbst, alle Parteien aufgerufen, die solche Rahmenbedingungen mitbestimmen – die Arbeitgeber, (Unfall‑)Versicherungen und der Gesetzgeber.
Infobox 1 Zentrale Aussagen dieser Untersuchung
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Das Arbeitsleben junger Ärzte und professionell Pflegender in der stationären Patientenversorgung ist durch erhebliche, wie z. B. zeitliche und psychosoziale Arbeitsbelastungen geprägt.
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Diese Belastungsfaktoren sind sowohl mit einem reduzierten Gesundheitszustand und Burn-out wie auch mit dem Empfinden einer geringen subjektiven Versorgungsqualität assoziiert.
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Anpassungen der Rahmenbedingungen sind gefordert, um den Leistungserbringern im Gesundheitswesen ein gesundes und effektives Arbeiten zu ermöglichen.
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Hierbei sind jungen Ärzten eine Reduktion von Dokumentationspflichten und Arbeitsverdichtung sowie eine strukturierte Weiterbildung wichtig. Junge Pflegende fordern primär eine leistungsgerechte Bezahlung und festgelegte Personalschlüssel.
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Interessenkonflikt
M. Raspe, P. Koch, M. Zilezinski, K. Schulte, D. Bitzinger, U. Gaiser, A. Hammerschmidt, J. Puppe, F. Tress und T. Uden geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. A. Nienhaus und R. Köhnlein erhielten von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) Gelder zur Durchführung dieses Forschungsprojekts. Die BGW hatte keinen Einfluss auf das Studiendesign und den Inhalt der Publikation.
Dieser Beitrag beinhaltet keine klinischen Studien an Menschen oder Tieren.
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Die Autoren M. Raspe und P. Koch teilen sich die Erstautorenschaft.
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Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit überwiegend die gewohnte männliche Sprachform verwendet. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.
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Raspe, M., Koch, P., Zilezinski, M. et al. Arbeitsbedingungen und Gesundheitszustand junger Ärzte und professionell Pflegender in deutschen Krankenhäusern. Bundesgesundheitsbl 63, 113–121 (2020). https://doi.org/10.1007/s00103-019-03057-y
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00103-019-03057-y