Zusammenfassung
Die sorgfältige Durchführung der Leichenschau und das korrekte Ausfüllen der Todesbescheinigung sind ärztliche Aufgaben mit weitreichender Wirkung. Die aus den Bescheinigungen gewonnenen Daten bilden die Grundlage für die amtliche Todesursachenstatistik und wissenschaftliche Untersuchungen, dienen aber auch der Aufdeckung strafbarer Handlungen und der Überwachung medizinischer Einrichtungen. Seit vielen Jahren ist die unzureichende Qualität von Leichenschau und Todesbescheinigungen ein Thema in Fachpublikationen.
Den Gesundheitsämtern kommt die verantwortungsvolle Aufgabe zu, die eingehenden Todesbescheinigungen zu prüfen. Hier findet die einzige Qualitätskontrolle statt und ggf. müssen leichenschauende Ärzte gebeten werden, ihre Eintragungen nachzubessern. Dadurch wird auch die Qualität der Todesursachenstatistik verbessert und ein Beitrag zur Rechtspflege geleistet. Die Ämter können aus den Bescheinigungen für ihre eigene Routinearbeit wichtige Informationen zur Überwachung von Betäubungsmittelverkehr und medizinischen Einrichtungen sowie zur Einhaltung von Meldepflichten bei meldepflichtigen Erkrankungen gewinnen. Ebenso stehen ihnen Daten für die Untersuchung ausgewählter wissenschaftlicher Fragestellungen zur Verfügung.
Der hohe Informationsgehalt von Todesbescheinigungen ist allgemein zu wenig bekannt und sollte von den Gesundheitsämtern flächendeckend und gezielt genutzt werden. Eine ausreichende personelle Besetzung mit fachlich qualifiziertem Personal ist notwendig, auch um weiterhin die wichtige Qualitätskontrolle der Todesbescheinigungen zu sichern.
Abstract
The thorough external examination of a corpse and the correct completion of the death certificate are medical duties with far-reaching consequences. Data obtained from the death certificates are the basis for mortality statistics and for scientific research. They can be helpful in uncovering criminal offences or for the surveillance of medical facilities. For many years the deficiencies of external post-mortem examinations and death certificates have been discussed in professional journals.
The important task of analysing all death certificates is performed by the local health authorities. This is the only opportunity for quality control and, if necessary, the doctors who issued the death certificate must be asked for corrections. This also improves the quality of the mortality statistics and contributes to the administration of justice.
Additionally, important information for routine duties of the public health authorities can be obtained from the death certificates concerning the monitoring of narcotics, the supervision of medical facilities and the adherence to notification requirements for infectious diseases. Furthermore, death certificates contain relevant data for selected medical research projects.
The high information content of death certificates is widely unknown and should be used by the health authorities comprehensively and systematically. Enough qualified staff needs to be allocated to further secure the important task of quality control of death certificates.
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S. Gleich, S. Viehöver, A. Teipel, S. Drubba, V. Turlik und B. Hirl geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Gleich, S., Viehöver, S., Teipel, A. et al. Todesbescheinigungen – eine unterschätzte Informationsquelle für Statistik, Rechtspflege, öffentliche Gesundheit und Wissenschaft. Bundesgesundheitsbl 62, 1415–1421 (2019). https://doi.org/10.1007/s00103-019-03042-5
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00103-019-03042-5
Schlüsselwörter
- Todesbescheinigung
- Öffentlicher Gesundheitsdienst
- Rechtspflege
- Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs
- Versorgungsforschung