Hintergrund

Vergiftungen stellen seit jeher eine gesundheitliche Bedrohung für den Menschen dar. Ihre Folgen reichen von leichten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bis hin zu schweren Krankheitsverläufen oder sogar Todesfällen. Als Vergiftungen bezeichnet man im Allgemeinen „Erkrankungen, die durch die Einwirkung von chemischen Stoffen oder Produkten auf den Organismus ausgelöst und durch deren chemische und physikalische Eigenschaften bestimmt werden“ [1]. Dazu gehören zum Beispiel chemische Stoffe und Produkte, die üblicherweise im Haushalt verwendet werden (z. B. Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetika), aber auch Schädlingsbekämpfungsmittel, Pflanzenschutzmittel, Holzschutzmittel, beruflich verwendete Chemikalien, gesundheitsschädigende chemische Stoffe sowie giftige Pflanzen, Pilze und Tiere [1].

Um das Risiko einer Vergiftung einschätzen zu können, ist es hilfreich, die genaue Anzahl von Erkrankungen und Todesfällen zu kennen, die ursächlich auf die Wirkung toxischer Substanzen zurückzuführen sind. Dafür gibt es in Deutschland bisher jedoch noch keine einheitliche Datengrundlage, weshalb derzeit ein nationales Monitoring von Vergiftungen mit harmonisierten Daten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und der Giftinformationszentren (GIZ) etabliert werden soll [2]. Einen ersten Hinweis liefert die Todesursachenstatistik, die für das Jahr 2016 insgesamt 3501 Todesfälle (ICD 10 T36–T65, T96–T97)Footnote 1 verzeichnet [3]. Davon gingen 1107 auf unbeabsichtigte Vergiftungen durch Unfälle (ICD 10 V01–X59) zurück. Die häufigsten Vergiftungsursachen waren dabei Arzneimittel und Drogen (643 Sterbefälle), Alkohol (186) und Kohlenmonoxid (112; [4]). Aber auch wenn Vergiftungen nicht tödlich enden, können sie zum Teil zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Ebenfalls im Jahr 2016 gab es laut Diagnosestatistik der Krankenhäuser 30.622 Behandlungen aufgrund von Vergiftungsfällen (ICD 10 T36–T65, T96–T97) und zusätzlich noch 418.788 Fälle von psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (ICD F10–F19; [5]).

Doch wie kann man sich wirksam vor Vergiftungen schützen und was tut man im Falle einer Vergiftung? Im Rahmen der Risikokommunikation werden diese Fragen unter anderem durch die Informationsangebote verschiedener Institutionen beantwortet. Zum einen übernehmen das in Deutschland die GIZ, von denen es mittlerweile acht eigenständig arbeitende Zentren gibt. Sie beraten telefonisch über den sogenannten Giftnotruf zu Anfragen von Betroffenen, Angehörigen oder medizinischem Fachpersonal. Daneben geben sie Broschüren und weitere Informationen über Vergiftungen heraus [6]. Zusätzlich stellt auch das BfR verschiedene Kommunikationsmaßnahmen bereit, beispielsweise eine Verbraucherinformationsbroschüre [7] und eine App zum Risiko von Vergiftungsunfällen bei Kindern [8]. Letztere dient als Informationsnachschlagewerk und kann die Nutzerinnen und Nutzer im Notfall direkt mit dem für das jeweilige Bundesland zuständigen GIZ verbinden. Wie bekannt diese Informationsangebote in der Bevölkerung sind und inwieweit sie auch genutzt werden, ist allerdings bislang unklar.

Ein wichtiger Faktor, der erklärt, ob und inwieweit sich Menschen überhaupt mit Informationen über Risiken und Präventionsmöglichkeiten beschäftigen, ist die Risikowahrnehmung. Sie beschreibt, wie Personen die Wahrscheinlichkeit von negativen Auswirkungen wie Verletzungen, Erkrankungen und Tod subjektiv einschätzen. Für die Risikokommunikation ist die Risikowahrnehmung vor allem deshalb bedeutsam, da sie zeigt, über welche Risiken sich Menschen Gedanken machen und wie sie mit ihnen umgehen. Dabei spielen sowohl emotionale Faktoren wie die Beunruhigung über Risiken als auch kognitive Aspekte eine Rolle, die beschreiben, wie hoch das Wissen über spezielle Risiken ist [9]. Zur Risikowahrnehmung gegenüber toxischen Substanzen im deutschsprachigen Raum gibt es bereits einzelne Studien, die sich mit Arzneimitteln [10], Alkohol- und Drogenkonsum [11] sowie Reinigungsmitteln [12, 13] beschäftigen. Auch der Verbrauchermonitor des BfR berichtet regelmäßig über den Stand der öffentlichen Risikowahrnehmung gegenüber einzelnen Substanzen, zum Beispiel von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, Kohlenmonoxid und Schimmelpilzgiften [14]. Zu vielen Vergiftungsrisiken fehlen jedoch aktuelle Daten. Zudem besteht noch Forschungsbedarf bei der Frage, wie sich Menschen über Vergiftungsrisiken informieren.

Ziel ist es daher, die Risikowahrnehmung gegenüber Vergiftungen in Deutschland genauer zu erforschen. Dabei sollen sowohl die Bekanntheit und Beurteilung der Risiken von verschiedenen toxischen Substanzen als auch das Wissen über und die Nutzung von Informationsquellen zu Vergiftungen erfasst werden. Als spezielles Schwerpunktthema für die Untersuchung wurde das Risiko einer Vergiftung durch Kohlenmonoxid (CO) gewählt. Mit insgesamt 640 registrierten Sterbefällen im Jahr 2016 sind CO-Vergiftungen gleich nach Arzneimitteln und Drogen die Vergiftungsart mit den meisten Todesfällen. Obwohl etwa drei Viertel der Sterbefälle durch Suizid zustande kamen, gingen immer noch 112 Fälle auf unbeabsichtigte Vergiftungsunfälle zurück [4]. Außerdem wurden im Jahr 2016 insgesamt 3576 Personen aufgrund einer Kohlenmonoxidvergiftung stationär aufgenommen [5].

Kohlenmonoxid ist ein farb- und geruchloses Gas, das als gefährliches Atemgift zum Erstickungstod führen kann. CO bindet sich mit ca. 250-fach stärkerer Affinität an das Sauerstofftransportmolekül Hämoglobin im Blut und blockiert somit den Transport von Sauerstoff im Körper. Kohlenmonoxid ist schwer wahrnehmbar, zumal die ersten Symptome wie Übelkeit, Schwindel oder Kopfschmerzen eher unspezifisch sind. Erst später kommen Herzrasen, Bewusstseinsstörungen und Gliederschlaffheit hinzu, was besonders gefährlich ist, da es die Betroffenen daran hindert, den Raum zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen [15].

Toxikologisch bedeutsame Konzentrationen von Kohlenmonoxid treten in der Regel bei der unvollständigen Verbrennung kohlenstoffhaltiger Stoffe auf, insbesondere bei unzureichender Sauerstoffzufuhr. Ein Risiko stellen daher unter anderem defekte Heizungen, Öfen, Kamine und gasbetriebene Durchlauferhitzer dar. Auch fälschlicherweise im Innenraum betriebene Grills, Generatoren, Motoren oder Heizpilze können zu Kohlenmonoxidvergiftungen führen [15]. Ebenso kann es bei der Lagerung von Holzpellets für Holzpelletheizungen zu Vergiftungen kommen, wenn diese in schlecht belüfteten Räumen aus dem Harz der Holzfasern gebildetes Kohlenmonoxid ausgasen [16]. In jüngster Zeit traten zudem Fälle von CO-Vergiftungen in Shishabars auf [17]. Vergiftungen mit Autoabgasen haben hingegen seit dem Einsatz von Katalysatoren stark abgenommen [18].

Verschiedene internationale Studien zur Risikowahrnehmung von Kohlenmonoxid deuten darauf hin, dass noch Aufklärungsbedarf zu den Ursachen und Präventionsmöglichkeiten von CO-Vergiftungen besteht. In den USA zeigte eine repräsentative Bevölkerungsbefragung des Center for Disease Control and Prevention (CDC), dass die Mehrheit der Befragten glaubte, man könne Generatoren gefahrlos in der Garage betreiben, solange eine Tür geöffnet ist. Außerdem besaßen nur 42 % der Befragten einen Kohlenmonoxidmelder [19], der als Präventionsmaßnahme vor CO-Vergiftungen schützen kann. So ergab eine Medieninhaltsanalyse der Berichterstattung über CO-Vergiftungen in den USA, dass 24 % der Betroffenen in den Medienberichten ihr Überleben explizit auf die Warnung durch einen CO-Melder zurückführten [20]. Weiterhin zeigten Studien, dass Kohlenmonoxidmelder dabei helfen, eine hohe CO-Konzentration schneller zu erkennen. Allerdings führte das häufig noch nicht dazu, dass die Personen auch schneller reagierten und sich in Sicherheit brachten [21]. Ein möglicher Grund dafür ist, dass sie durch die geruchs- und farblose Substanz nichts Ungewöhnliches feststellen konnten und daher von Fehlalarmen ausgingen.

In Deutschland ist das Thema Kohlenmonoxid laut einer aktuellen repräsentativen Befragung im Rahmen des BfR-Verbrauchermonitors [14] den meisten Menschen bereits bekannt (79 %) und insgesamt 37 % sind über Kohlenmonoxid sehr oder eher beunruhigt. Allerdings gibt es bisher kaum Daten zum Wissensstand über Kohlenmonoxid und zu den Präventionsmöglichkeiten bei CO-Vergiftungen.

Methode

Um die Risikowahrnehmung von Vergiftungen zu ermitteln, wurden vom 19.02.2019 bis zum 08.03.2019 insgesamt 1012 deutschsprachige, in Deutschland lebende Personen ab 14 Jahren telefonisch befragt. Die Stichprobe wurde nach dem Design des Arbeitskreises Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute (ADM) gebildet und die Befragten zu 70 % über das Festnetz und zu 30 % über Mobilfunk erreicht. Um die Repräsentativität für die Grundgesamtheit der deutschsprachigen Bevölkerung zu gewährleisten, wurden die Daten im Anschluss nach Alter, Geschlecht, Schulbildung, Bundesland, Ortsgröße sowie Haushaltsgröße gewichtet. Dies war nötig, da in der Stichprobe vor allem jüngere Personen zwischen 14 und 29 Jahren sowie Personen mit Hauptschulabschluss unterrepräsentiert waren (Tab. 1).

Tab. 1 Soziodemografische Struktur der Bevölkerungsstichprobe (n = 1012). Angaben in %

Der Fragebogen enthielt 17 überwiegend geschlossene Fragen und dauerte im Durchschnitt etwa 16 min. Thematisch erfasste er im ersten Teil die ungestützte und gestützte Bekanntheit von Vergiftungsfällen im Zusammenhang mit verschiedenen Stoffen, Lebensmitteln oder Produkten. Es folgte die Einschätzung des Risikos einer unbeabsichtigten Vergiftung mit diesen Stoffen, Lebensmitteln oder Produkten. Anschließend wurden die aktive Informationssuche, die genutzten Informationsquellen und die Bekanntheit und Nutzung spezifischer Informationsangebote zu Vergiftungsrisiken erfragt. Der zweite Teil bestand aus vertiefenden Fragen zum Thema Kohlenmonoxid. Diese beantworteten nur die 832 Personen, die zuvor angegeben hatten, dass sie schon einmal von Vergiftungsfällen im Zusammenhang mit Kohlenmonoxid gehört haben. Gefragt wurde in diesem Teil nach dem Wissen zu den Eigenschaften von Kohlenmonoxid, den Vergiftungsursachen sowie den Präventions- und Schutzmöglichkeiten. Zum Schluss beantworteten alle Befragten die Fragen zur Soziodemografie sowie zum Besitz von Geräten, die mit einem erhöhten Risiko einer möglichen CO-Vergiftung einhergehen können.

Die Ergebnisse der Befragung unterliegen einigen Limitationen. Zum einen wurden die Bekanntheit von Vergiftungsfällen sowie das Wissen zu den Ursachen und Erkennungsmerkmalen von Kohlenmonoxid gestützt abgefragt. Hier muss die Möglichkeit einer sogenannten Jasagetendenz beachtet werden, bei der die Befragten grundsätzlich bei allen ihnen präsentierten Aussagen angeben, dass sie richtig seien. Um den Effekt zu mindern, wurden bei den Wissensfragen daher auch Falschaussagen eingebunden, die dazu führen sollten, dass sich die Befragten bei jeder Aussage Gedanken machen, ob diese ihrer Meinung nach richtig oder falsch ist. Schlussendlich hat auch nur eine Person alle Wissensaussagen zum Thema Kohlenmonoxid mit „Ja“ (= Aussage ist richtig) beantwortet. Zudem wurden sowohl zur Bekanntheit von Vergiftungsfällen als auch zum Wissen über Kohlenmonoxid jeweils zunächst offene Fragen gestellt, um zu erfassen, an was sich die Personen auch ohne entsprechende Hilfestellungen erinnern. Bei der Identifikation der Risikogruppen ist einschränkend zu berücksichtigen, dass nur nach Gerätebesitz gefragt wurde und nicht danach, ob man diese Geräte ordnungsgemäß verwendet (z. B. ob man selbst mit dem Holzkohlegrill in Innenräumen grillt). Hier könnten zukünftige Studien noch differenzierter nach Einsatzpraktiken fragen, um risikoreiches Verhalten zu ermitteln.

Weiterhin sind bei Aussagen über einzelne Untergruppen die geringeren Fallzahlen zu beachten, was sich auf den Stichprobenfehler auswirkt. Für die Gesamtstichprobe (n = 1012) liegen die Schwankungsbreiten zwischen ±1,4 und ±3 Prozentpunkten. Je kleiner die Teilstichproben sind, desto größer sind die maximalen Schwankungsbreiten. Sie liegen bei Teilgruppen von ca. 800 Personen beispielsweise zwischen ±1,5 und ±3,5 Prozentpunkten und bei Gruppen um die 200 Personen zwischen ±3 und ±6,9 Prozentpunkten.

Ergebnisse

Risikowahrnehmung von Vergiftungen

Auf die offene Frage, welche Vergiftungsrisiken ihnen spontan einfallen, nannten die Befragten am häufigsten Lebensmittelvergiftungen im Allgemeinen (27 %). An zweiter Stelle folgten Wasch- und Reinigungsmittel (19 %) und den dritten Platz teilten sich (a) Rauchvergiftungen/Abgase/sonstige Gase, (b) Arzneimittel und (c) Alkohol (jeweils 11 %). 23 % der Befragten kamen spontan keine Vergiftungsrisiken in den Sinn. Im Anschluss wurde konkret die gestützte Bekanntheit von Vergiftungsfällen im Zusammenhang mit verschiedenen speziellen Stoffen, Lebensmitteln und Produkten abgefragt. Alkohol‑, Kohlenmonoxid- und Pilzvergiftungen waren dabei jeweils mehr als drei Vierteln der Befragten bekannt und erreichten damit die höchsten Bekanntheitswerte (Abb. 1). Weniger als ein Drittel der Befragten hatte jedoch von Vergiftungsfällen im Zusammenhang mit Lampenölen, Flüssigkeiten in E‑Zigaretten oder Nahrungsergänzungsmitteln gehört. Das Risiko einer unbeabsichtigten Vergiftung wurde für Drogen am höchsten eingeschätzt (45 % bewerteten das Risiko als eher hoch oder sehr hoch), dicht gefolgt von Alkohol (42 %) und Kohlenmonoxid (41 %). Damit schätzten die Befragten auch die Risiken am höchsten ein, bei denen es 2016 die meisten Todesfälle durch unbeabsichtigte Vergiftungen gab [4].

Abb. 1
figure 1

Bekanntheit und Einschätzung von Vergiftungsrisiken, Angaben in Prozent (n = 1012)

Informationssuche und Informationsquellen

Die Vergiftungsrisiken, zu denen die meisten Befragten schon einmal aktiv nach Informationen gesucht haben, sind Kohlenmonoxid (28 %), Pilze (25 %) sowie verdorbene und verschimmelte Lebensmittel (22 %). Am wenigsten aktive Informationssuche wurde hingegen in Bezug auf Flüssigkeiten in E‑Zigaretten (5 %), Knopfzellenbatterien (5 %) oder Lampenöle (4 %) betrieben. Die Hauptinformationsquellen waren Medien (62 %) sowie Familie, Freunde und Bekannte (54 %; Abb. 2). Der Giftnotruf der GIZ war 43 % der Befragten bekannt und 6 % haben ihn auch schon einmal genutzt. Weitere Informationsmaterialien der GIZ kannten 17 % der Befragten und 5 % haben sie bereits genutzt. Weniger bekannt waren die Vergiftungsbroschüre sowie die Vergiftungs-App des BfR. Diese kannten jeweils nur 6 % der Befragten und nur 2 % haben diese schon einmal genutzt.

Abb. 2
figure 2

Informationsquellen über Vergiftungsrisiken, Angaben in Prozent (n = 1012)

Risikowahrnehmung von Kohlenmonoxid

82 % aller Befragten haben schon einmal von Vergiftungsfällen im Zusammenhang mit Kohlenmonoxid gehört. Damit ist das Thema der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung bekannt. Ungestützt nannten jedoch nur 3 % der Befragten Kohlenmonoxid spontan als Vergiftungsrisiko. 41 % schätzten das Risiko einer unbeabsichtigten Vergiftung mit Kohlenmonoxid als eher hoch oder sehr hoch ein. Im Vergleich mit anderen Lebensmitteln, Stoffen oder Produkten wurde nur das Risiko von Alkohol und anderen Drogen höher bewertet. Dies zeigt, dass ein großer Teil der Bevölkerung bereits für mögliche Risiken von Kohlenmonoxid sensibilisiert ist. Trotz dieser Sensibilisierung besitzen jedoch nur 15 % der Befragten einen CO-Melder, wohingegen Rauchmelder deutlich verbreiteter sind (90 %). Das liegt auch daran, dass mittlerweile in allen Bundesländern eine gesetzliche Pflicht zur Installation eines Rauchmelders für private Räume besteht [22].

Wissen über Kohlenmonoxid

Bei den Personen, die schon einmal von Vergiftungsfällen mit Kohlenmonoxid gehört haben (n = 832), ist das Wissen über die Ursachen und Erkennungsmerkmale von CO-Vergiftungen bereits relativ hoch. Von den insgesamt 16 Wissensitems, die im Zusammenhang mit Kohlenmonoxid abgefragt wurden, konnten die Befragten im Durchschnitt zwölf korrekt beantworten. So wussten 95 %, dass Kohlenmonoxid ein Gas ist. Außerdem war fast allen Befragten bekannt, dass Brände in Gebäuden, ein defekter oder verstopfter Ofen bzw. Kaminabzug, ein laufender Automotor in der Garage, defekte mit Gas betriebene Geräte sowie Grillen mit dem Holzkohlegrill in Innenräumen zu CO-Vergiftungen führen können. Weniger bekannt waren hingegen die Risiken durch das Rauchen von Shishas in geschlossenen Räumen und die Lagerung von Holzpellets. Einige Befragte sahen auch ein Risiko in Situationen, bei denen aus wissenschaftlicher Sicht keine CO-Vergiftungen zu erwarten sind, wie z. B. bei einer defekten Fernwärmeheizungsanlage, beim Grillen mit dem Elektrogrill oder beim Grillen mit dem Holzkohlegrill im Freien (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Wissen über Kohlenmonoxidvergiftungsursachen, alle Angaben in Prozent (n = 832), a aus wissenschaftlicher Sicht besteht das Risiko einer CO-Vergiftung, b aus wissenschaftlicher Sicht ist keine CO-Vergiftung zu erwarten

Fast alle Befragten wussten, dass man eine erhöhte Konzentration an Kohlenmonoxid in der Luft im Falle einer defekten Gasheizung am Alarmsignal des Kohlenmonoxidmelders sowie an gesundheitlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl oder Übelkeit erkennt. Allerdings glaubten auch jeweils mehr als ein Drittel, man könne Kohlenmonoxid am Geruch, an grauschwarzem Rauch oder am Alarmsignal des Rauchmelders erkennen (Abb. 4). Hier besteht also noch Aufklärungsbedarf, damit sich Personen nicht in trügerischer Sicherheit wiegen, nur weil sie nichts Verdächtiges sehen, riechen oder hören können.

Abb. 4
figure 4

Wissen über Eigenschaften von Kohlenmonoxid, alle Angaben in Prozent (n = 832), a Erkennungsmerkmale, b keine Erkennungsmerkmale

Auch Präventions- und Schutzmaßnahmen sind in den Köpfen der Befragten bislang noch wenig präsent: Bei der offenen Frage zu Möglichkeiten, sich vor CO-Vergiftungen zu schützen, nannten nur 9 % die Installation eines Kohlenmonoxidmelders und nur 8 % die regelmäßige Überprüfung von Heizungen, Öfen oder Kaminen durch Schornsteinfeger. Am häufigsten wurde die Gewährleistung von Frischluftzufuhr als Schutzmaßnahme genannt (29 %). 13 % der Befragten konnten hingegen gar keine Schutzmaßnahmen benennen.

Risikowahrnehmung und Wissen über Kohlenmonoxid bei Risikogruppen

Als Risikogruppen wurden diejenigen Personen definiert, die Geräte besitzen, welche bei Defekt oder unsachgemäßer Handhabung Auslöser für eine erhöhte Kohlenmonoxidkonzentration in der Luft sein können und somit das Risiko für Vergiftungen deutlich erhöhen. Insgesamt besaßen 74 % der Befragten mindestens eines dieser „Risikogeräte“. Am häufigsten waren die Befragten im Besitz eines Holzkohlegrills (48 %, Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Besitz von Risikogeräten und Kohlenmonoxidmeldern, alle Angaben in Prozent, a Besitz von Risikogeräten, b Besitz von Kohlenmonoxidmeldern aufgeteilt nach Personen, die ein Risikogerät besitzen

Die Bekanntheit von CO-Vergiftungsfällen war unter Personen, die ein Risikogerät besitzen (n = 748), signifikant höher (86 %) als bei Personen ohne Risikogerät (n = 264; 73 %; Χ2 = 25,375; df = 3; p < 0,001; Cramer’s V = 0,158). Die Risikowahrnehmung und das Wissen zu Kohlenmonoxid unterschieden sich hingegen zwischen diesen beiden Gruppen nicht.Footnote 2 Obwohl signifikant mehr Besitzerinnen und Besitzer eines Risikogeräts einen CO-Melder installiert hatten (17 %) als Personen ohne Risikogerät (9 %; Χ2 = 13,333; df = 3; p = 0,004; Cramer’s V = 0,115), ist der Anteil immer noch relativ gering. Am höchsten ist der Anteil mit 24 % bei Personen, die im Besitz von Kamin‑, Heiz- oder Kachelöfen sind (n = 322; Abb. 5).

In der Regel waren den Besitzerinnen und Besitzern von Risikogeräten die konkreten Risiken im Zusammenhang mit ihren eigenen Geräten bekannt. Wenn sie überhaupt schon einmal von CO-Vergiftungsfällen gehört hatten, dann wussten 97 % der Befragten mit Holzkohlegrill (n = 438) auch, dass beim Grillen mit Holzkohlegrills in Innenräumen CO-Vergiftungen auftreten können. 100 % der Befragten mit Kamin‑, Heiz- oder Kachelöfen (n = 288) war das Risiko eines defekten oder verstopften Abzugs bekannt und 87 % der Befragten mit gasbetriebenen Geräten (n = 320) wussten, dass deren Defekt zu CO-Vergiftungen führen kann. Bei den Shishabesitzerinnen und -besitzern (n = 74) kannten jedoch nur 68 % das Risiko von Shisharauchen in geschlossenen Räumen und nur 38 % der Befragten mit Holzpelletheizung (n = 24) wussten, dass es bei der Lagerung von Holzpellets zu CO-Vergiftungen kommen kann. Obwohl man bei den letztgenannten Ergebnissen die niedrigen Fallzahlen bei der Interpretation der Daten beachten sollte, liefern sie dennoch Hinweise darauf, dass in dem Bereich noch Wissensdefizite bestehen.

Um diese Risikogruppen konkret zu erreichen, lohnt sich ein Blick auf den Gerätebesitz in verschiedenen Bevölkerungsschichten. Während 26 % der 14- bis 29-Jährigen (n = 216) angaben, eine Shisha oder Wasserpfeife zu besitzenFootnote 3, lag der Anteil bei den 30- bis 44-Jährigen (n = 220) nur noch bei 9 %. In den noch höheren Altersstufen (n = 571) hatten nur 3 % der Befragten eine Shisha in ihrem Besitz. Der Unterschied zwischen den Altersgruppen ist signifikant (X2 = 158,819; df = 12; p < 0,001; Cramer’s V = 0,229). Gerade für die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen sind soziale Medien mit 46 % nach Familien, Freunden und Bekannten (64 %) und Medien (60 %) die drittwichtigste Informationsquelle für Vergiftungsrisiken, sodass man sie darüber gut informieren könnte. Außerdem war der Anteil der Shishabesitzerinnen und -besitzer in Städten ab 500.000 Einwohner (n = 364) am höchsten (14 %) und lag in Ortschaften unter 500.000 Einwohnern (n = 647) nur bei 6 % (X2 = 24,512; df = 3; p < 0,001; Cramer’s V = 0,156). Genau umgekehrt verhält es sich mit Personen, die eine Holzpelletheizung besitzen. Deren Anteil ist in Ortschaften bis 20.000 Einwohnern (n = 132) am höchsten (8 %) und liegt bei Ortschaften über 20.000 Einwohnern (n = 880) nur bei 3 % (X2 = 10,344; df = 3; p = 0,016; Cramer’s V = 0,101).

Diskussion

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass den meisten Menschen die Risiken von Drogen, Alkohol oder Kohlenmonoxid bereits bewusst sind. Andere Risiken, die gerade Kindern gefährlich werden könnten, wie Knopfzellenbatterien, Lampenöle oder Flüssigkeiten in E‑Zigaretten sind jedoch bisher noch wenig bekannt. Hier können zukünftige Risikokommunikationsmaßnahmen ansetzen, um eine höhere Aufmerksamkeit für diese Risiken zu erzielen. Dabei muss allerdings sichergestellt werden, dass die Informationsmaterialien die Zielgruppe auch erreichen. Bisherige Broschüren oder Apps der GIZ und des BfR sind noch recht unbekannt. Ziel sollte es daher sein, deren Verbreitung zu steigern, beispielsweise über Multiplikatoren wie Ärztinnen und Ärzte.

Für das Risiko einer Kohlenmonoxidvergiftung sind hingegen viele Menschen bereits sensibilisiert. Auch das Wissen über spezielle Situationen, in denen CO-Vergiftungen auftreten können, war bereits recht hoch. Ausbaufähig ist jedoch das Wissen über konkrete Schutzmaßnahmen und Präventionsmöglichkeiten. Daher sollten Risikokommunikationsmaßnahmen im Bereich Kohlenmonoxid einen besonderen Schwerpunkt auf die Stärkung der Selbstprävention legen. Nur ein geringer Anteil der Bevölkerung hat beispielsweise bereits einen Kohlenmonoxidmelder installiert, auch weil es dafür in Deutschland noch keine gesetzlichen Regelungen gibt. CO-Melder sind häufig nur im Baumarkt erhältlich und nicht im Supermarkt nebenan, was die Hürde, sich einen solchen Melder zuzulegen, weiter erhöht. Hinzu kommt, dass die Betroffenen auch wissen müssen, wie sie im Falle eines Alarms adäquat reagieren können. Da einige Personen immer noch glauben, man könne Kohlenmonoxid an Rauchbildung oder am Geruch erkennen, besteht hier weiterer Aufklärungsbedarf, um Sorglosigkeit zu verhindern. Auch Checklisten mit konkreten Handlungsaufforderungen, wie sie zum Beispiel das CDC in den USA anbietet [24], könnten dabei nützlich sein. Bisher gibt es in Deutschland jedoch kaum Kommunikationsformate, die speziell über CO-Risiken informieren. Im Gegensatz dazu haben andere europäische Länder wie Irland, Großbritannien oder Polen bereits landesweite Öffentlichkeitskampagnen zu diesem Thema ins Leben gerufen. Zum Einsatz kamen dabei unter anderem Onlinekommunikationsmaßnahmen, Social-Media-Aktivitäten und Identifikationsfiguren, die das Risikobewusstsein schärfen sollen [25].

Da die Befragung gezeigt hat, dass insbesondere Personen, die eine Shisha oder eine Holzpelletheizung besitzen, noch zu wenig über die Risiken ihrer Geräte wissen, stellen sie eine wichtige Zielgruppe für die Risikokommunikation dar. Shishas haben vor allem jüngere Menschen in ihrem Besitz, die sich vermehrt in den sozialen Medien über Vergiftungsrisiken informieren. Kanäle wie Twitter, Facebook oder Instagram können daher gut zur Verbreitung von Risikoinformationen genutzt werden. Dabei sollte auch dem verbreiteten Irrglauben begegnet werden, dass Shisharauchen weniger gefährlich sei als das Rauchen von Zigaretten [26]. Solche Risikoinformationen sollten bestenfalls schon in der Schule vermittelt werden, da viele bereits im Jugendalter aufgrund von sozialem Druck und Neugier anfangen, Shishas zu rauchen [27]. Besitzerinnen und Besitzer von Holzpelletheizungen könnten hingegen eher über regionale oder lokale Informationsangebote in ländlichen Räumen erreicht werden, zum Beispiel mit Veranstaltungen, Infoständen, Plakaten oder Artikeln in Lokalzeitungen. Außerdem könnte beim Verkauf von Shishas und Holzpellets explizit und prominent auf der Verpackung auf die Gefahren einer Kohlenmonoxidvergiftung hingewiesen werden.

Bei der Gestaltung von Risikokommunikationsmaßnahmen darf jedoch der relativ hohe Anteil an Suiziden mit Kohlenmonoxid nicht außer Acht gelassen werden. Insbesondere sollten Kommunikationsmaßnahmen, wenn sie auf die schwere Erkennbarkeit hoher CO-Konzentrationen hinweisen, vermeiden, dass Rezipienten eine CO-Intoxikation als eine schmerzfreie, schnelle oder sichere Art zu sterben interpretieren. Dies könnte dazu führen, dass suizidgefährdete Personen durch Risikoinformationen erst auf die Idee kommen, sich auf diese Weise das Leben zu nehmen [25]. Stattdessen sollte betont werden, dass eine CO-Vergiftung nicht zwangsläufig zum Tod führen muss, qualvoll sein und Spätfolgen haben kann. So liegt beispielsweise die Latenz einer toxischen Enzephalopathie bei 2 bis 40 Tagen. Sie kommt bei 10–20 % der Betroffenen vor und äußert sich wesentlich durch Angst- und Bewegungsstörungen (Parkinsonismus; [28]). Daher sollten CO-spezifische Risikoinformationen auf diese äußerst schmerzhaften Symptome sowie mögliche neuropsychiatrische Spätfolgen hinweisen.