Zusammenfassung
Pflegebedürftigen sowie deren Angehörigen soll es künftig möglich werden, die Qualität von Pflegeangeboten realistisch einzuschätzen und miteinander zu vergleichen. Der Gesetzgeber hat hierfür festgelegt, dass das aktuelle Verfahren der Qualitätsmessung und -darstellung weiterentwickelt wird. Während hinsichtlich der Qualitätsmessung an publizierte Arbeiten angeschlossen werden kann, ist der Wissensbestand zu Formaten der Qualitätsdarstellung, die für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen geeignet sind, bisher erheblich lückenhaft.
Aktuelle Erkenntnisse über Informationsbedarfe von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen bei der Suche nach einer Pflegeeinrichtung bietet das Kooperationsprojekt „Weiterentwicklung der Qualitätsberichterstattung in der Langzeitpflege“ von der Charité, dem AOK-Bundesverband (BV) und dem Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP). Pflegepersonalbezogene Aspekte haben demnach eine besonders hohe Relevanz: z. B. ein respektvolles Verhalten des Personals, gut ausgebildete Pflegekräfte, eine ausreichende Pflegepersonaldichte, ein seltener Personalwechsel innerhalb der Pflegeeinrichtung und eine sorgfältig durchgeführte, an individuelle Bedürfnisse angepasste Pflege. Die Relevanz dieser Kriterien wird sowohl von Pflegebedürftigen als auch von Angehörigen mit am höchsten eingeschätzt.
Diese Ergebnisse deuten auf die Notwendigkeit hin, künftig umfassende und detaillierte Informationen zur Personalausstattung der Pflegeeinrichtungen verfügbar zu machen: etwa zum Personalschlüssel und zu Qualifikationen. Darüber hinaus sind dringend umfassende Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Informationsformate beschaffen sein müssen, damit sie den Bedürfnissen von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen entsprechen und bestmöglich rezipiert bzw. verarbeitet werden können.
Abstract
Persons in need of care and their family members should be able to realistically assess and compare the quality of care services. Recent legislation therefore states that the current procedure to assess and present care quality has to be developed further. While quality measurements can be informed by the literature, knowledge on suitable formats for presenting quality information that is suitable for care-receiving persons and their families is highly fragmentary.
The “Development of quality reporting in long-term care” project, a cooperation between the Charité, the federal association of the AOK (AOK-Bundesverband), and the Center for Quality in Care (ZQP), provides the current findings on the information requirements of persons in need of care and their family members when choosing a care facility. Aspects related to nursing staff have a particularly high relevance, e. g. respectful behavior of the personnel, well-trained caregivers, sufficient staff density, seldom changes in the personnel of the institution, and thoroughly conducted care that is adjusted to individual needs. These criteria have been given the highest relevance by persons in need of care as well as their family members.
The findings hint at the necessity to provide comprehensive and detailed information about the staffing of care facilities in the future: for example, on the staff ratio and qualifications. Apart from that, comprehensive knowledge on formats to present information is urgently needed – taking into account the needs of care-dependent persons and their families and how information can be optimally processed.
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Einleitung
Die Frage nach der individuell passenden pflegerischen Versorgung, und damit auch der Qualität von professionellen Pflegeangeboten, ist für immer mehr Menschen in Deutschland von erheblicher Bedeutung. Ende 2017 waren in der Bundesrepublik knapp 3,5 Mio. Personen pflegebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB XI). Etwa 830.000 davon lebten in stationären Einrichtungen [1]. In den nächsten Jahren wird der Anteil Pflegebedürftiger an der Gesamtbevölkerung aufgrund des demografischen Wandels voraussichtlich weiter deutlich wachsen. Nach Vorausberechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung werden 2045 bereits etwa 4,5 Mio. Menschen in Deutschland pflegebedürftig sein [2].
Damit pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige informiert entscheiden können, welche Versorgungsangebote ihren Bedürfnissen am besten entsprechen, benötigen sie eine geeignete Entscheidungsgrundlage. Dazu gehören fundierte, relevante, leicht zugängliche und verständliche Informationen zu den professionellen Pflegeangeboten und deren Qualität. Wie wichtig diese Informationen für die Bürgerinnen und Bürger sind, unterstreicht eine aktuelle repräsentative Bevölkerungsbefragung des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP). Darin gaben nahezu alle Befragten (96,2 %) an, dass es ihnen wichtig oder sehr wichtig sei, im Bedarfsfall verlässliche Informationen über die Qualität von professionellen Pflegeangeboten zu bekommen. Zugleich hatten 70,5 % den Eindruck, dass sich die Qualität der Pflege in Deutschland von Einrichtung zu Einrichtung stark unterscheidet. Diese Einschätzung wurde auch von 74,6 % der Befragten mit eigener Pflegeerfahrung geteilt. Dabei wurde die aktuelle Form der Qualitätsberichterstattung („Pflegenoten“) nur bedingt als relevante Informationsquelle genannt. 40,7 % der Befragten mit Pflegeerfahrung hatten von den Pflegenoten noch nicht gehört. In der Gesamtgruppe waren es mehr als die Hälfte der Befragten (51,2 %). Von denjenigen, denen die Pflegenoten etwas sagten (46,1 %), war weniger als ein Viertel (22,0 %) der Meinung, dass die Noten verlässliche Informationen über die Pflegequalität bieten würden [3]. Dies legt nahe, dass in vielen Fällen Verunsicherung über die Qualität und die Qualitätsinformationen der Pflegeangebote besteht.
Informationen über Pflegeangebote sind besonders für pflegebedürftige Menschen als primäre Nutzerinnen und Nutzer und für deren Angehörige relevant. Letztere sind häufig erheblich in die Unterstützung Pflegebedürftiger und mithin in die Entscheidung über professionelle Pflegeangebote involviert [4]. Allein etwa vier bis fünf Millionen informell Pflegende sind deutschlandweit an der häuslichen Versorgung beteiligt [5].
Um pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen bessere Informationen über die Qualität der Pflegeangebote als bisher zur Verfügung zu stellen, hat der Gesetzgeber mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) 2015 unter anderem festgelegt, dass zum einen das derzeitige Verfahren zur Qualitätsbewertung weiterentwickelt werden muss, zum anderen sieht das Gesetz vor, die Qualitätsdarstellung zu reformieren. Diese muss zukünftig „verlässlich“, „übersichtlich“ und „vergleichbar“ sein [6]. Pflegebedürftigen und deren Angehörigen soll es möglich werden, die Qualität von Pflegeangeboten anhand einer neuen Darstellungssystematik realistisch einzuschätzen und Alternativen miteinander zu vergleichen.
Entsprechend hat der Qualitätsausschuss PflegeFootnote 1 2017 einen Auftrag zur wissenschaftsbasierten Weiterentwicklung bzw. Konzeption eines solchen Verfahrens für die stationäre Pflege an die Universität Bielefeld und das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua-Institut) vergeben. Die Ergebnisse des Projekts „Entwicklung der Instrumente und Verfahren für Qualitätsprüfungen nach §§ 114 ff. SGB XI und die Qualitätsdarstellung nach § 115 Abs. 1a SGB XI in der stationären Pflege“ sind gegenwärtig noch nicht veröffentlicht. Die Umsetzung des neuen Verfahrens zur Qualitätsbewertung und -darstellung in der stationären Pflege ist nach derzeitigem Stand für das Jahr 2019 terminiert [7].
Trotz der oben genannten Aufgabenstellung des Qualitätsausschusses und des Gutachtens scheint in der fachlichen Debatte bisweilen vor allem das Verfahren zur Qualitätsmessung und -bewertung im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Jedoch ist die Frage nach einer geeigneten Qualitätsdarstellung ebenso bedeutsam. Fundierte Erkenntnisse über Informationsbedarfe von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen bei der Auswahl von stationären Pflegeangeboten sollten für die Konstruktion einer verbraucherorientierten Qualitätsdarstellung grundlegend sein. Allerdings wurden deren Informationsbedarfe bisher nicht gut untersucht [8, 9]. Zwar liegen Einschätzungen zur Entscheidungsrelevanz von Einrichtungsmerkmalen für diverse Studienteilnehmende vor, jedoch wurde hierzu entweder die Allgemeinbevölkerung befragt – also nicht gezielt solche Personen, die von Pflegebedürftigkeit betroffen sind [10, 11] – oder es wurden nichtrepräsentative Stichproben von Angehörigen herangezogen [12]. Die genuine Perspektive Pflegebedürftiger und deren Angehöriger wurde bisher nur unzureichend berücksichtigt [10]. Umfassende empirische Daten aus Befragungen von Pflegebedürftigen waren im deutschsprachigen Raum bisher nicht veröffentlicht.
Ohne eine stringent verbraucherorientierte, bedarfs- und verständnisgerechte Vermittlung der Pflegequalität droht das zukünftige Verfahren den angestrebten Transparenzanspruch bzw. -zugewinn zu verfehlen. Um ein wirksames Vermittlungsinstrument realisieren zu können, ist daher auch gesichertes Wissen über die Informationsbedürfnisse, das Informationssuchverhalten und die Informationswahrnehmung der Nutzerinnen und Nutzer nötig.
Dieser Beitrag stellt daher im Folgenden Erkenntnisse zu der Frage dar, welche Informationsinhalte und welche Informationszugangswege für Pflegebedürftige und Angehörige bei der Auswahl einer stationären Pflegeeinrichtung relevant sind. Zudem werden Anhaltspunkte für die Entwicklung von zielgruppengerechten Informationsformaten gegeben.
Ziel und Vorgehen
Im Folgenden werden Ergebnisse eines aktuellen Kooperationsprojekts des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité – Universitätsmedizin Berlin (Charité), des AOK-Bundesverbands (AOK-BV) und des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) vorgestellt. Ziel der repräsentativen Untersuchung war es, die Informationsbedürfnisse, Suchstrategien und Informationsquellen von pflegebedürftigen AOK-Versicherten und ihren Angehörigen im Hinblick auf die Auswahl einer stationären Pflegeeinrichtung zu ermitteln.
Für die Untersuchung mit dem Titel „Weiterentwicklung der Qualitätsberichterstattung in der Langzeitpflege“ wurden 20.608 pflegebedürftige Versicherte angeschrieben, die zu Hause oder in einer stationären Einrichtung lebten. 5021 Personen nahmen an der Befragung teil. Jede bzw. jeder siebte befragte Pflegebedürftige (15,3 %) füllte den Fragebogen selbstständig aus. Mehr als die Hälfte der zurückgesendeten Fragebögen (52,2 %) wurde gemeinsam von der pflegebedürftigen Person und einem Angehörigem beantwortet, knapp ein Drittel (31,7 %) ausschließlich von Angehörigen. Hierdurch war es möglich, die Angaben von Angehörigen mit denen der Pflegebedürftigen zu vergleichen. Dies ist insbesondere von Interesse, da in der Forschung teilweise betont wurde, dass Pflegebedürftige und Angehörige unterschiedliche Einschätzungen zur Relevanz von konkreten Qualitätskriterien hätten [13]. Zugleich ermöglicht der Datensatz einen Abgleich der prospektiv als relevant eingeschätzten Kriterien von ambulant Versorgten mit den retrospektiven Angaben stationär versorgter Pflegebedürftiger zu deren tatsächlichen Auswahlkriterien.
Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden zur Wichtigkeit von vorgegebenen Kriterien bei der Auswahl einer stationären Pflegeeinrichtung befragt. Auf Grundlage der bisherigen Forschungserkenntnisse und eines Pretests vor Durchführung der Hauptstudie wurden folgende Qualitätsbereiche für die Auswahl einer stationären Einrichtung festgelegt: (1) Lage und Erreichbarkeit der Einrichtung, (2) Wohnen und Ausstattung, (3) Kosten, (4) Essen und Trinken, (5) Pflege, (6) medizinische Versorgung, (7) Freizeitaktivitäten, (8) Wäsche und Reinigung, (9) Lebensführung und Privatsphäre, (10) soziale Kontakte. Diese zehn Qualitätsbereiche wurden im Fragebogen durch 79 konkrete Einzelqualitätskriterien erfasst [8, 9]. Die Ergebnisse des Kooperationsprojekts lagen Anfang 2017 vor.
Ergebnisse
Welche Informationen sind für die Zielgruppen relevant?
Im Hinblick auf die Rangfolge der für die Auswahl einer Pflegeeinrichtung entscheidenden Qualitätsbereiche zeigten sich beim Vergleich der Antworten von Pflegebedürftigen und Angehörigen nur wenige Unterschiede. Von beiden Gruppen wurde der Qualitätsbereich „Pflege“ am höchsten bewertet, danach folgte die Information über Kosten („finanzielle Aspekte“) und die medizinische Versorgung. Statistisch signifikante (p < 0,05) Unterschiede zwischen Pflegebedürftigen und Angehörigen in der Einschätzung zeigten sich zum Beispiel bei der Lage und Erreichbarkeit der Einrichtung: Mehr als ein Viertel (25,8 %) der Angehörigen benannte diesen Bereich als relevant, von den Pflegebedürftigen waren es nur rund 17 %. Des Weiteren wurden Informationen zum Bereich „Wohnen und Ausstattung“ von den Pflegebedürftigen (16,7 %) etwas häufiger als entscheidend bei der Auswahl einer Pflegeeinrichtung eingeschätzt als von den Angehörigen (13,5 %). Einen ebenfalls signifikant höheren Stellenwert als für die Angehörigen (3,2 %) nahmen Freizeitaktivitäten für die Pflegebedürftigen ein (7,9 %); insgesamt wurde dieser Qualitätsbereich jedoch in beiden Befragungsgruppen als am wenigsten relevant angesehen (Abb. 1). Auch bei der Bewertung der 79 Einzelqualitätskriterien zeigte sich, dass solche, die dem Bereich „Pflege“ zuzuordnen sind, für die Befragten von besonderer Bedeutung sind: Von den sieben wichtigsten Einzelkriterien stammen sechs aus diesem Bereich. Insgesamt weist der Qualitätsbereich „Pflege“ über alle Kriterien hinweg hohe Relevanzwerte auf, das heißt, viele Kriterien werden als „etwas wichtig“, „sehr wichtig“ oder „entscheidend“ eingestuft (Abb. 2). Die höchste Bewertung erzielte das Kriterium, „dass sich das Pflegepersonal respektvoll verhält“. Ebenfalls hoch bewertet („sehr wichtig“) wurden die Kriterien „gut ausgebildetes Pflegepersonal“, „ein fester Ansprechpartner vor Ort“ und „dass genügend Pflegepersonal angestellt ist“, „Pflege in Muttersprache“, ein „seltener Wechsel des Pflegepersonals“, „dass sich viel Zeit für die Pflege genommen wird“, „eine sorgfältig durchgeführte Pflege“ sowie „eine an die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen angepasste Pflege“ und „dass sich Zeit für persönliche Zuwendung und Gespräche genommen wird“.
Wie und wo werden Informationen zu Pflegeangeboten gesucht?
Um die Qualitätsdarstellung von Pflegeangeboten zielgruppenspezifisch ausrichten zu können, ist es bedeutsam zu wissen, wer die Pflegeangebote auswählt und wie dessen Informationssuchverhalten ist. Bei nahezu der Hälfte der Befragten, die bereits in einer stationären Einrichtung lebten (48,1 %), hatten Angehörige diese ausgewählt. Auch ein gutes Drittel (32,9 %) der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, die zum Befragungszeitpunkt zu Hause versorgt wurden, gab an, dass sie Angehörige das Pflegeheim für sie aussuchen lassen würden; die Hälfte (49,4 %) wollte, dass die Auswahl gemeinsam mit Angehörigen oder Freunden stattfindet. Lediglich 15,5 % gaben an, die Auswahl im Bedarfsfall selbst vornehmen zu wollen (Abb. 3).
Die große Mehrheit der befragten Pflegebedürftigen (67,9 %) und deren Angehörigen (77,1 %) gaben an, mittels persönlicher Besichtigung vor Ort eine Pflegeeinrichtung auswählen zu wollen bzw. ausgewählt zu haben. Auch Empfehlungen von Freunden, Bekannten oder Nachbarn wurden von beiden Befragtengruppen als wichtige Informationsquellen bei der Suche nach einer Pflegeeinrichtung eingeschätzt (Pflegebedürftige 46,6 %, Angehörige 57,1 %). Angehörige gaben häufiger als Pflegebedürftige an, Bewertungen der Pflegeheime zu lesen (24,7 %) und das Internet für die Suche nach einer Pflegeeinrichtung zu nutzen (22,6 %; Abb. 4).
Im Vergleich der Angaben von ambulant und stationär Versorgten fallen deutliche Unterschiede zwischen den prospektiv als relevant eingeschätzten Informationsquellen und den tatsächlich genutzten Quellen auf: Während über vier Fünftel (80,9 %) der ambulant Versorgten den Vorsatz äußerten, bei der Pflegeheimauswahl eine Pflegeeinrichtung vor Ort besuchen zu wollen, gaben lediglich 56,8 % der stationär versorgten Pflegebedürftigen an, im Rahmen der Suche nach einer geeigneten Pflegeeinrichtung tatsächlich im Vorfeld eine Besichtigung durchgeführt zu haben.
Ähnlich deutlich stellen sich die Unterschiede hinsichtlich anderer als wichtig angegebener Informationsquellen dar: Während prospektiv knapp 58,6 % der ambulant versorgten Pflegebedürftigen die Empfehlungen durch Freunde, Bekannte und Familienmitglieder als relevante Informationsquelle einschätzten, haben nur zwei Fünftel (40,9 %) diese Quelle tatsächlich genutzt. Empfehlungen von Ärztinnen und Ärzten würde jede bzw. jeder Dritte nutzen (34,7 %), tatsächlich genutzt wurde diese Informationsquelle von rund jeder bzw. jedem zehnten Pflegebedürftigen (11,2 %) in der stationären Versorgung bei der Auswahl der Pflegeeinrichtung. Etwa ein Drittel der ambulant versorgten Pflegebedürftigen (31,4 %) würde Bewertungen der Pflegeheime lesen und 21,2 % von ihnen das Internet nutzen. Von den stationär Versorgten hatte aber nur jede bzw. jeder Fünfzehnte (7,4 %) bei der Auswahl einer Einrichtung Bewertungen der Pflegeheime gelesen und nur jede bzw. jeder Zehnte (10,1 %) das Internet genutzt (Abb. 5).
Diskussion
In dem Kooperationsprojekt „Weiterentwicklung der Qualitätsberichterstattung in der Langzeitpflege“ von der Charité, dem AOK-BV und dem ZQP wurden für die größte Gruppe der in Deutschland gesetzlich Pflegeversicherten repräsentative Daten zu den Informationsbedürfnissen, den Suchstrategien und den Informationsquellen als Beitrag zu einer nutzerorientierten Weiterentwicklung der Qualitätsberichterstattung in Deutschland erhoben.
In dieser Befragung zeigt sich die besonders hohe Relevanz personalbezogener Aspekte für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bei der Auswahl einer stationären Pflegeeinrichtung. Zu diesen Kriterien gehören vor allem ein respektvolles Verhalten des Personals, gut ausgebildete Pflegekräfte, eine ausreichende Pflegepersonaldichte und ein seltener Personalwechsel innerhalb der Pflegeeinrichtung. Sehr hoch bewertet wird zudem eine sorgfältig durchgeführte, an individuelle Bedürfnisse angepasste Pflege, für die ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Die Relevanz der Kriterien wird sowohl von ambulant und stationär versorgten Pflegebedürftigen als auch von Angehörigen mit am höchsten eingeschätzt. Hierbei sind insgesamt betrachtet eher geringe Unterschiede bei den Informationsbedürfnissen von Pflegebedürftigen und Angehörigen für die Auswahl einer Pflegeeinrichtung feststellbar. Die in der Forschung bisher teilweise betonten Unterschiede bei der Einschätzung zur Relevanz von konkreten Qualitätskriterien durch Pflegebedürftige und Angehörige [13] bestätigten sich in vorliegender Untersuchung damit nur für ausgewählte Bereiche. So nehmen Informationen über Lage und Erreichbarkeit der Einrichtungen für Angehörige und für stationär versorgte Pflegebedürftige einen deutlich höheren Stellenwert ein als für die Pflegebedürftigen, die ambulant versorgt werden. Ambulant Versorgten sind Informationen über Kosten der Einrichtungen besonders wichtig. Hierdurch deutet sich die Notwendigkeit an, künftig umfassende und detaillierte Informationen zur Personalausstattung der Pflegeeinrichtungen verfügbar zu machen: etwa zum Personalschlüssel, zu Qualifikationen, zum Personalwechsel und zum Einsatz von Zeitarbeitskräften. Des Weiteren sollten Kosten der Pflegeangebote und Möglichkeiten der Finanzierung transparent aufgeschlüsselt werden – dies ist insbesondere ambulant versorgten Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen wichtig. Für beide Gruppen ebenfalls hoch relevant sind Informationen zur medizinischen Versorgung, zur ärztlichen Bereitschaft vor Ort und zur Kooperation mit Fachärzten.
Der persönliche Eindruck vor Ort stellte für die meisten Befragten die relevanteste Entscheidungsgrundlage bei der Suche nach einer geeigneten Pflegeeinrichtung dar – sowohl von ambulant und stationär versorgten Pflegedürftigen als auch von Angehörigen. Daneben wurde auch die direkte Empfehlung durch Familie, Freunde sowie Bekannte, aber auch durch Ärztinnen und Ärzte und Beratungsstellen als wichtige Informationsquelle von den Befragten genannt. Die starke Bedeutung der Vor-Ort-Besichtigung als Informationsquelle bei der Suche nach einer Pflegeeinrichtung deutet darauf hin, dass die zukünftige Pflegequalitätsberichterstattung gerade auch diesen Zugangsweg durch zielgruppenspezifische Informationsformate unterstützen sollte.
Die Suche und Bewertung einer geeigneten Einrichtung durch Pflegebedürftige selbst ist meist nur sehr eingeschränkt möglich. Bei der Wahlentscheidung spielen daher Angehörige oder andere Vertreterinnen und Vertreter der Pflegebedürftigen eine große Rolle [4, 11]. Dies bestätigte sich auch im Rahmen der Kooperationsstudie von Charité, AOK-BV und ZQP. Angehörige sind damit eine Hauptzielgruppe für die Informationen über die Pflegeangebote bzw. das künftige Verfahren der Qualitätsdarstellung. Deren Bedürfnisse sollten daher umfassend berücksichtigt werden. Die vorliegenden Studienergebnisse weisen darauf hin, dass Angehörige über internetbasierte Informationsangebote besser erreicht werden können als Pflegebedürftige. Mit Blick auf die Weiterentwicklung der Qualitätsberichterstattung erscheint es umso wichtiger, komplementär zu den Eindrücken aus persönlichen Vor-Ort-Besuchen in Einrichtungen sowie Einschätzungen aus dem privaten Netzwerk eine vertrauenswürdige und verständliche Darstellung zu etablieren und in der breiten Öffentlichkeit positiv zu besetzen. Diese Darstellung muss hierbei auch die Helfernetzwerke adressieren und diesen bekannt sein, um deren Empfehlungen durch objektive Informationen stützen zu können.
Für eine verbraucherorientierte Qualitätsdarstellung der Pflegeangebote ist neben dem Wissen über inhaltliche Informationsbedürfnisse sowie über die präferierten Informationswege der Zielgruppen damit auch die Aufbereitung der Informationen hoch relevant [4]. Andernfalls besteht die Gefahr, zwar relevante Informationen anzubieten, aber in einer Form, die nicht genutzt oder verstanden wird. Entsprechende Befürchtungen sind dabei ernst zu nehmen, da die Kompetenz, mit Gesundheitsinformationen umzugehen, bei den Zielgruppen Pflegebedürftige sowie Angehörige im Allgemeinen eher niedrig sein könnte [14, 15].
Zur Kompetenz, speziell pflegebezogene Informationen rezipieren zu können, sind derzeit keine wissenschaftlichen Erkenntnisse veröffentlicht. Auch liegen bisher – neben einigen wenigen Anhaltspunkten zur inhaltlichen und formalen Gestaltung sowie zur Kontextualisierung von Informationen – keine systematisch erhobenen und gesicherten Erkenntnisse vor, wie Informationsformate beschaffen sein müssen, damit sie den Bedürfnissen von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen bestmöglich entsprechen, um die Informationen verarbeiten zu können [16,17,18,19]. Zukünftig bedarf es daher auch weiterer Forschung zur Schaffung dieser relevanten Grundlagenkenntnisse für eine wissenschaftsbasierte Konstruktion von Formaten für das Darstellungsinstrumentarium im Rahmen einer neuen Pflegeberichterstattung. Hierbei sollte sich auch an Vorwissen aus Bereichen wie der Gesundheitskompetenzforschung, Kommunikationswissenschaft, Psychologie oder Pädagogik orientiert werden. Zudem sollten unter anderem auch umfangreiche und den Entwicklungsprozess begleitende Nutzertestungen in den relevanten Zielgruppen vorgesehen werden, um die Vermittlungsformate an die Wahrnehmung und Rezeption der Zielgruppen optimal adaptieren zu können.
Fazit
Während bei der Weiterentwicklung des Systems der Qualitätsbewertung an publizierte Arbeiten angeschlossen werden kann [20,21,22], stellt sich der Wissensbestand zu Fragen einer für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen relevanten und übersichtlichen Qualitätsdarstellung bisher erheblich lückenhaft dar. Der vorliegende Beitrag fügt dem Diskurs aktuelle Erkenntnisse aus der Kooperationsstudie „Weiterentwicklung der Qualitätsberichterstattung in der Langzeitpflege“ von Charité, AOK-BV und ZQP hinzu. Diese zeigen u. a., dass pflegepersonalbezogene Aspekte eine besonders hohe Relevanz für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bei der Auswahl einer stationären Pflegeeinrichtung haben. Entsprechend benötigen sie hierüber aussagekräftige Informationen. Dies sollte künftig bei der offiziellen Darstellung der Qualität von Pflegeangeboten berücksichtigt werden. So sollten etwa Daten zur qualitativen und quantitativen Personalausstattung – über die derzeitige Praxis der freiwilligen Transparenz hinaus – obligatorisch veröffentlicht werden. Die Aussagekraft dieser Informationen könnte in Zukunft verbessert werden, wenn Richt- und Vergleichswerte für eine gute Personalausstattung vorliegen. Hierzu könnte das vom Gesetzgeber beauftragte Projekt „Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben“ (gem. § 113c Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI) wichtige Grundlagen bieten. Die Ergebnisse werden bis zum 30.06.2020 erwartet.
Dringender Erkenntnisbedarf besteht noch bei der Frage, in welcher Darstellungsform und mit welchen Formaten die Qualitätsinformationen am besten an die Zielgruppen vermittelt werden können. Auch dieser Aspekt sollte bei der Weiterentwicklung der Qualitätsberichterstattung zu Pflegeangeboten beachtet werden.
Hintergrund zur Studie „Weiterentwicklung der Qualitätsberichterstattung in der Langzeitpflege“: Der Gesamtbericht zur Kooperationsstudie von Charité, AOK-BV und ZQP ist unter www.zqp.de abrufbar.
Change history
08 April 2019
<Emphasis Type="Bold">Erratum zu:</Emphasis>
<Emphasis Type="Bold">Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2019</Emphasis>
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Es soll hervorgehoben werden, dass die Publikation auf Grundlage des folgenden Forschungsberichts erstellt worden ist:
Sonntag P‑T, Baer N‑R, Schenk L (2017). Weiterentwicklung
Notes
Gremium der Selbstverwaltung gem. § 113b SGB XI.
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D. Sulmann, S. Eggert, A. Kuhlmey und R. Suhr geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Studie wurde mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission der Charité Universitätsmedizin Berlin (Prüfnummer: EA1/287/16), im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung), durchgeführt.
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Sulmann, D., Eggert, S., Kuhlmey, A. et al. Qualitätsberichterstattung zur stationären Pflege – Informationsbedürfnisse, Suchstrategien und Informationsquellen von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. Bundesgesundheitsbl 62, 311–319 (2019). https://doi.org/10.1007/s00103-019-02885-2
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