Einleitung

Muttermilch ist die natürliche und beste Ernährung in den ersten Lebensmonaten. Sie ist im Evolutionsprozess über einen langen Zeitraum optimiert worden und künstlicher Säuglingsmilch in vielen Bereichen überlegen. Dies wissenschaftlich im Detail zu belegen – von der molekularen Ebene bis zur Epidemiologie – ist weithin Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung. In den letzten Jahren sind hierbei wichtige neue Erkenntnisse generiert worden (siehe Beitrag von Rouw et al. in diesem Heft). Neben der Zusammensetzung der Humanmilch spielen weitere Aspekte wie die Hygiene (Muttermilch ist jederzeit und mit optimaler Temperatur verfügbar) und die Bindung von Mutter und Kind (siehe Beitrag von Krol und Grossmann in diesem Heft) eine wichtige Rolle bei der Empfehlung, Kinder in den ersten Monaten ausschließlich zu stillen.

Es kann allerdings auch Risiken geben, die im Extremfall zu der Empfehlung führen können, abzustillen. Diese Risiken gehen zum einen von der Mutter aus (Medikamente, Genussmittel, biologische Risiken durch Viren und Bakterien). Andererseits ist das die gesamte Bevölkerung betreffende Risiko durch Umweltkontaminanten und Rückstände zu diskutieren. Dieser Artikel gibt einen aktuellen Überblick über relevante Aspekte des Themas Risiken des Stillens.

Medikamente

Es kommt häufig vor, dass eine stillende Mutter bei einer Arzneimittelverordnung verunsichert ist und daher das Medikament nicht einnimmt oder ungerechtfertigt abstillt [1]. In der Regel finden sich aber für die meisten Erkrankungen stillkompatible Medikamente und eine Stillpause ist nur selten erforderlich. Obwohl eine Vielzahl von Medikamenten über die Muttermilch zum gestillten Kind gelangen kann, liegt der Konzentrationsbereich dieser Wirkstoffe im Körper des Säuglings meistens weit unter einer therapeutischen Konzentration.

Generell sollten bei stillenden Müttern Medikamente bevorzugt werden, die gut für die Stillzeit untersucht sind. Da Stillende aus ethischen Gründen von den meisten randomisierten Studien ausgeschlossen werden und viele Arzneimittel für die Stillzeit nicht zugelassen sind, liegen allerdings oft keine ausreichenden Daten für eine differenzierte Risikobewertung vor. Das Arzneimittelverzeichnis „Rote Liste“ und die Fachinformation liefern bei der Auswahl eines stillkompatiblen Arzneimittels in der Regel nur unzureichende Informationen. Einschlägige Fachliteratur kann jedoch Fehlentscheidungen wie unnötiges Abstillen vermeiden [2,3,4]. Zusätzlich bieten die Internetseiten des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie [5] und LactMed [6] fundierte Informationen. Wird eine Dauermedikation bereits in der Schwangerschaft angesetzt, sollte die Stillverträglichkeit möglichst bei der Auswahl des Medikaments mitberücksichtigt werden. Genauso sollte bei einer Neueinstellung in der Stillzeit bedacht werden, dass die Mutter eventuell wieder schwanger werden könnte und der Wirkstoff auch für eine Schwangerschaft geeignet ist.

Pharmakokinetik

Arzneimittel mit einer kurzen Halbwertzeit und ohne aktive Metaboliten sollten in der Stillzeit bevorzugt werden. Medikamente mit einer hohen Eiweißbindung (z. B. >85 %) und einem hohen Molekulargewicht (>200 g/mol) gehen in einem geringeren Anteil in die Muttermilch über, lipophile Substanzen finden sich hingegen bevorzugt in der Milch. Die Menge, die ein Kind über die Muttermilch erhalten kann, hängt jedoch nicht nur vom Übergang in die Muttermilch ab. So werden zum Beispiel nicht alle Stoffe im kindlichen Darm resorbiert. Dies gilt vor allem für Wirkstoffe, die der Mutter wegen einer geringen oralen Bioverfügbarkeit injiziert werden müssen.

Der Milch-Plasma-Quotient eines Medikaments gibt die Konzentration des Stoffes in der Muttermilch im Verhältnis zur mütterlichen Plasmakonzentration an. Niedrige Werte (<1) sprechen gegen eine Anreicherung in der Milch, wobei man daraus nicht auf eine prinzipielle Sicherheit für den gestillten Säugling schließen kann. Aussagekräftiger ist die relative Dosis eines Arzneimittels. Diese gibt an, wie hoch der Anteil an der gewichtsbezogenen Tagesdosis der Mutter ist, den ein vollgestillter Säugling pro kg seines Körpergewichts in 24 h mit der Milch erhält [4]. Bei einem Wirkstoff mit einer relativen Dosis von maximal 3 % ist bei einer kurzfristigen Anwendung in der Regel keine Stillpause nötig. Arzneimittel, die in der Pädiatrie Säuglingen direkt verordnet werden und dort im Allgemeinen gut verträglich sind, gelten meist auch als stillverträglich.

Risiko durch Arzneimittel in der Muttermilch

Bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme kann es zu einer Anreicherung der Substanz beim Kind und damit einhergehend zu Symptomen kommen. Frühgeborene und Neugeborene sind besonders gefährdet, da renale und hepatische Elimination bei ihnen noch eingeschränkt sind. Zusätzlich kann es aufgrund der noch durchlässigeren Darmwand und längeren Verweildauer im Magen-Darm-Trakt bei Neugeborenen zu einer höheren Aufnahme eines Medikamentes kommen. Aus diesem Grund sollte eine Dauermedikation in der Stillzeit prinzipiell kritisch hinterfragt werden und auf Symptome beim Kind geachtet werden. Falls bei einem gestillten Kind anders nicht erklärbare Symptome nach mütterlicher Medikamenteneinnahme auftreten, sollte die Kinderärztin oder der Kinderarzt einbezogen und ein embryonaltoxikologisches Zentrum kontaktiert werden. Dies gilt besonders bei Anzeichen von Schläfrigkeit, Trinkschwäche oder Unruhe. Entsprechende Symptome in den ersten Lebenstagen sind bei Dauertherapie der Mutter eher noch Folge des Übergangs über die Plazenta. Daher lässt der Medikamentenspiegel beim gestillten Kind frühestens ein bis zwei Wochen nach der Geburt Rückschlüsse auf den systemisch verfügbaren Milchtransfer zu. Bei Substanzen, die auf das Zentralnervensystem (ZNS) wirken, sollte besonders kritisch geprüft werden, ob das Kind weiter gestillt werden darf. Dies gilt insbesondere, da diese Substanzen oft längerfristig eingenommen werden und die Blut-Hirn-Schranke des Kindes noch nicht voll entwickelt ist. Zudem wurden bei gestillten Säuglingen, deren Mütter mit ZNS-aktiven Substanzen behandelt wurden, Effekte beobachtet (s. unten Analgetika bzw. Antiepileptika und Psychopharmaka).

Beeinflussung der Milchmenge durch Medikamente

Medikamente können die Milchproduktion beeinflussen [4]. Dopaminagonisten (z. B. Bromocriptin und Cabergolin) senken den Prolaktinspiegel und können dadurch die Milchproduktion reduzieren. Dieser Effekt ist auch für andere Arzneistoffe wie Diuretika und Estrogene beschrieben. Andere Medikamente, v. a. Dopaminantagonisten, erhöhen den Prolaktinspiegel und können so die Milchproduktion anregen. Zu diesen Arzneimitteln gehören zum Beispiel Neuroleptika, Domperidon, Metoclopramid und α‑Methyldopa.

Langzeiteffekte von Medikamenten in der Stillzeit

Kontrollierte Langzeituntersuchungen zur späteren Entwicklung von Kindern, die Medikamente über die Muttermilch erhalten haben, liegen kaum vor. Bisher gibt es jedoch keinen ernsthaften Verdacht auf gravierende bleibende Schädigungen, die ausschließlich über den Muttermilchtransfer von Medikamenten verursacht wurden [4]. Dies gilt selbst für die in der Schwangerschaft eindeutig toxische Valproinsäure [7].

Analgetika

Bei leichten bis mäßigen Schmerzen sind Ibuprofen und Paracetamol Mittel der Wahl in der Stillzeit. Andere nicht steroidale Antirheumatika sind schlechter für die Stillzeit untersucht, Einzelgaben erfordern aber ebenfalls keine Einschränkung des Stillens. Da Opiate atemdepressiv wirken, sollten Opioidanalgetika in der Stillzeit nur kurzfristig angewendet werden. Bei Kindern mit Apnoeneigung ist besondere Vorsicht geboten. Ein Fallbericht beschreibt ein unter mütterlicher Einnahme von 60 mg Codein voll gestilltes Kind, dass zunehmend Trinkschwierigkeiten hatte, dann lethargisch wurde und am 13. Lebenstag verstarb [8]. Sowohl die stillende Mutter als auch das Kind hatten aufgrund eines genetischen Polymorphismus Codein „ultraschnell“ zu Morphin metabolisiert. Dieser Fall verdeutlicht anschaulich, wie wichtig es ist – besonders bei Kindern, deren Mütter ZNS-aktive Medikamente einnehmen –, auf mögliche Symptome zu achten. Einzeldosen von Codein für 1–2 Tage sind kein Grund für eine Stillpause.

Antibiotika

Bei den meisten Antibiotika erhält ein gestilltes Kind weniger als 1 % der therapeutischen Dosis. Theoretisch werden verschiedene Risiken für den Säugling diskutiert. Die kindliche Darmflora könnte verändert werden und es dadurch zu dünnerer Stuhlkonsistenz kommen. Auch bakteriologische Untersuchungen beim Kind könnten beeinflusst werden. Außerdem könnte es durch die Exposition zu einer Sensibilisierung und Entwicklung resistenter Keime beim Kind kommen. Bisher gibt es jedoch keine Belege für klinisch relevante oder sogar therapiebedürftige Nebenwirkungen, sodass ein Abstillen in der Regel nicht nötig ist [4].

Antiepileptika und Psychopharmaka

Lethargie, Unruhe oder Trinkschwierigkeiten sind möglich, insbesondere bei höheren Dosen und Kombinationstherapien mit mehreren ZNS-wirksamen Medikamenten. Bei Monotherapie mit für die Stillzeit erprobten Wirkstoffen spricht meistens nichts gegen volles Stillen eines gesunden, reifen Säuglings. Ist die Konstellation komplexer, muss individuell entschieden werden, ob zur Verminderung der Exposition gegebenenfalls zugefüttert oder sogar abgestillt werden sollte [4]. Insbesondere ist eine Therapie mit Barbituraten, Benzodiazepinen, Clonazepam, Doxepin, Ethosuximid, Fluoxetin oder Lamotrigin während der Stillzeit im Einzelfall kritisch zu bewerten. Bei diesen Substanzen sind entweder Symptome nach Exposition über die Muttermilch beobachtet worden oder ein hoher Transfer auf das gestillte Kind ist bekannt. Prinzipiell gilt, dass eine stabil eingestellte Patientin nicht unkritisch umgestellt werden sollte, insbesondere da die psychische Gesundheit der Mutter auch für die frühe Mutter-Kind-Beziehung wichtig ist.

Kontrastmittel und Radionuklide

Jod reichert sich massiv in der Muttermilch an. Daher sollte bei Dosierungen oberhalb einer Jodsupplementierung die Indikation kritisch geprüft werden und gegebenenfalls eine Stillpause diskutiert werden. Eine therapeutische Anwendung von jodhaltigen Radionukliden erfordert meistens ein Abstillen. Auch andere therapeutische oder diagnostische Radionuklidanwendungen sollten möglichst bis zum Abschluss der Stillperiode verschoben oder es sollte eine individuell festgelegte Stillpause eingehalten werden. Andere Kontrastmittel, insbesondere gadoliniumhaltige, sind zwar formal unzureichend untersucht, bei einer Einmalgabe erscheint aber ein Weiterstillen akzeptabel [4]. Dasselbe gilt auch für jodhaltige Kontrastmittel zur Darstellung der ableitenden Harnwege, falls diese zwingend angewendet werden müssen.

Narkotika

Obwohl die Evidenz lediglich auf kleinen Beobachtungsstudien, biologischer Plausibilität und Expertenmeinungen beruht, ist bei Verwendung von Anästhetika im normalen Dosisbereich nicht mit Symptomen beim gestillten Kind zu rechnen [9]. Sobald die Mutter wach und orientiert ist, kann sie uneingeschränkt stillen.

Zytostatika

Es gibt kaum Publikationen, die sich mit der Stillverträglichkeit von Zytostatika beschäftigen. Da es sich in der Regel um eine nebenwirkungsreiche Kombinationstherapie über einen längeren Zeitraum handelt, sollte jedoch in der Regel abgestillt werden. In einer Studie mit 38 Frauen, die in der Schwangerschaft ihre Chemotherapie beendet hatten und stillen wollten, gelang dies nur bei 21 Müttern (55 %). Bei den anderen Stillenden war die Milchmenge nicht ausreichend. Die Kinder entwickelten sich altersentsprechend [10].

Fazit

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich bei indizierter Arzneimitteltherapie für die meisten Erkrankungen Mittel finden lassen, die keine Stillpause erfordern. Bei einer Langzeitbehandlung, insbesondere wenn es sich um eine Kombinationstherapie handelt, muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Mutter vorübergehend oder komplett abstillen sollte. Dies gilt insbesondere bei ZNS-aktiven Substanzen und wenn der Säugling unreif oder jünger als 2 Monate ist. Prinzipiell gilt, dass die betreuende Hebamme sowie der Kinderarzt oder die Kinderärztin über die Arzneimitteleinnahme der stillenden Mutter informiert sein sollten und auf Symptome beim gestillten Kind geachtet werden muss.

Genussmittel

Im Folgenden wird die Einschätzung der Risiken bei mütterlichem Rauchen von Zigaretten, Verzehr koffeinhaltiger Getränke und Alkoholkonsum im Zusammenhang mit dem Stillen vorgestellt. Auf illegale Drogen wird in diesem Artikel nicht eingegangen. Es ist jedoch wissenschaftlicher Konsens, dass Stillen bei illegalem Drogenkonsum nicht zu empfehlen ist.

Rauchen

Dass aktives Rauchen den Schwangerschaftsverlauf und die Entwicklung des Kindes negativ beeinflusst, ist hinreichend bekannt. Auch nichterfolgender Stillbeginn und kurze Stillzeiten sind stark mit dem Rauchen assoziiert. Bei Abstinenz in der Schwangerschaft beginnen mehr als die Hälfte der Raucherinnen bis zum neunten Monat nach der Entbindung wieder mit dem Rauchen [11]. Insgesamt wird geschätzt, dass etwa jede 3. bis 4. stillende Mutter raucht [4]. Dabei nehmen Säuglinge die Inhaltsstoffe des Zigarettenrauchs nicht nur über die Lunge auf, sondern auch über die Muttermilch. Es ist bekannt, dass viele Substanzen der Zigarette in die Milch übertreten können [12]. In welchem Ausmaß die Gesundheit des Kindes von diesen Substanzen in der Milch beeinflusst wird, hängt dabei nicht nur von deren Transfer und Konzentration ab, sondern auch davon, ob bzw. in welcher Menge die Substanzen im kindlichen Darm aufgenommen werden. Dabei liegen für eine Vielzahl der ca. 5300 Substanzen, die im komplexen Gemisch des Tabakrauchs enthalten sind, kaum Daten vor. Eine der wenigen gut untersuchten Substanzen ist Nikotin [12]. Es ist bekannt, dass sich Nikotin in der Muttermilch anreichert. So ist die Nikotinkonzentration in der Milch dreimal höher im Vergleich zum mütterlichen Plasma (Muttermilch Mittelwert 55 µg/l vs. Plasma Mittelwert 18 µg/l; [13]), dabei hängt die Höhe der Nikotinkonzentrationen in der Muttermilch aber auch von der Länge der Rauchpause vor dem Stillen ab [14]. Nikotin wird über den Verdauungstrakt des Kindes aufgenommen und durch die Leber zu Cotinin metabolisiert [12]. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Nikotin den mütterlichen Prolaktinspiegel erniedrigt, was als Ursache für die verminderte Milchproduktion bei Raucherinnen vermutet wird [12]. Weiterhin ist der Fettgehalt der Muttermilch von Raucherinnen geringer. Als ein möglicher Grund wird die verminderte Aktivität der Lipoproteinlipase durch den mit Rauchen einhergehenden verringerten Prolaktinspiegel diskutiert [12]. Der geringere Fettgehalt der Muttermilch wird weiterführend als mögliche Ursache für die verminderte Gewichtszunahme gestillter Kinder von Raucherinnen beschrieben [12]. Zudem wurden geringere Konzentrationen von Omega-3-Fettsäuren in der Muttermilch von Raucherinnen beobachtet [12]. Beschriebene erniedrigte Jodkonzentrationen in der Muttermilch von Raucherinnen werden wegen der damit einhergehenden eingeschränkten Bildung von Schilddrüsenhormonen beim Kind als Ursache für verminderte kognitive Leistungen diskutiert [12].

Die Nationale Stillkommission sieht es als ideal an, während der Monate des Stillens nicht zu rauchen. In Abwägung der bekannten gesundheitlich positiven Effekte des Stillens gegenüber den (dosisabhängig) negativen Effekten des Rauchens empfiehlt die Kommission rauchenden Frauen zu stillen, aber so wenig wie möglich zu rauchen, und weist darauf hin, dass sehr starkes Rauchen mit der Stillfähigkeit und dem Gedeihen des Kindes schlecht vereinbar ist. Zudem sollten Rauchpausen vor dem Stillen bestehen und es sollte nie in der Nähe des Kindes geraucht werden [15].

Koffein

Es ist bekannt, dass etwa 1 % der mütterlichen Koffeinaufnahme in den Blutkreislauf des Säuglings gelangt [16]. Innerhalb einer Stunde nach mütterlicher Aufnahme erreicht die Koffeinkonzentration in der Muttermilch das Maximum [16]. Daher wird empfohlen, Kaffee direkt nach dem Stillen zu konsumieren, damit möglichst viel Koffein vom mütterlichen Organismus vor dem nächsten Stillen abgebaut und die Exposition für den Säugling minimiert wird. Denn insbesondere in den ersten Lebensmonaten ist die Metabolisierung durch die physiologische Unreife des Cytochrom-P450-Systems in der Leber eingeschränkt, die Folge ist eine verlängerte Eliminationshalbwertzeit beim Neugeborenen (bis über 90 h) und die Akkumulation im kindlichen Organismus. Daher können insbesondere junge Säuglinge mit Übererregbarkeit und Unruhe auf höheren Koffeinkonsum der Mutter reagieren [4]. Erst ab einem Alter von etwa 6 Monaten kann Koffein über die Leber adäquat verstoffwechselt werden [17]. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht aktuell für die Stillzeit eine Dosis von 200 mg Koffein pro Tag (in etwa 2 Tassen Kaffee) als unbedenklich an [18].

Alkoholkonsum

Die nachteiligen Wirkungen des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft sind gut untersucht und allseits bekannt. Hingegen liegt eine deutlich schlechtere Datenlage zur Bedeutung des Alkoholkonsums während der Stillzeit vor [19]. Um die Relevanz des Alkoholkonsums der Mutter für das gestillte Kind einschätzen zu können, sind die Prävalenz während der Stillzeit, der Einfluss auf das Stillen sowie die Pharmakokinetik des Ethanols in der stillenden Mutter und dem gestillten Kind und die damit verbundenen Effekte auf das gestillte Kind bedeutsam.

Internationale Studien zur Prävalenz des Konsums von Alkohol während der Stillzeit berichten über Häufigkeiten zwischen 36 % und 83 %; die Untersuchungen zeigen zudem, dass die meisten stillenden Frauen nur gelegentlich und nur geringe Mengen Alkohol konsumieren [19]. Insgesamt stehen für Deutschland nur wenige Daten zur Prävalenz des Alkoholkonsums während der Stillzeit zur Verfügung. Die Bayerische Stillstudie (2005–2006) zeigte, dass insgesamt der Anteil der Frauen, die während der Stillzeit Alkohol konsumieren, mit dem Kindesalter ansteigt (1.–3. Lebensmonat ca. 30 % bis 7.–9. Lebensmonat 75 %; [11]).

Da Ethanol vom mütterlichen Blut passiv in die Muttermilch diffundiert, sind nach Konsum von Alkohol im mütterlichen Plasma und in der Muttermilch vergleichbare Ethanolkonzentrationen zu erwarten – sowohl im Anstieg während der Resorption als auch beim anschließenden Abfall. Die höchsten Konzentrationen sind 30–60 min nach dem Konsum zu erwarten. Wird das Kind in diesem Zeitraum gestillt (ungünstigster Fall), erreicht es trotzdem nur eine körpergewichtsbezogene Dosis von ca. 1 % der mütterlichen Dosis, Gleiches gilt für die Ethanolspitzenspiegel im Blut. Dies ist das Ergebnis der physiologisch basierten Modellierung mit einem Multikompartimentmodell (Abb. 1; [20]). Trotz der insbesondere in den ersten 2 Lebensmonaten eingeschränkten Aktivität des wichtigsten alkoholabbauenden Enzyms Alkoholdehydrogenase [21] und der damit einhergehenden verminderten Eliminationsrate kann das Risiko für das Kind bei gelegentlichem niedrigen bis moderaten Alkoholkonsum der Mutter somit als gering eingeschätzt werden [4, 19, 20].

Abb. 1
figure 1

Multikompartimentmodell der stillenden Frau und ihres Säuglings als Basis für die physiologisch basierte Modellierung des Transfers von Fremdstoffen (zum Beispiel Ethanol) über die Muttermilch. (Modifiziert nach Schwegler et al. [20])

Dennoch sind durchaus relevante Wirkungen auf den Stillprozess zu berücksichtigen. So führt der Konsum von Alkohol zu einer verminderten Milchbildung und entsprechend vermindertem Trinken beim Kind (ca. 20 % innerhalb von 4 h nach mütterlichem Alkoholkonsum). Ursächlich wurde hier die Wirkung des Alkohols auf die Ausschüttung der beiden mütterlichen Hormone Oxytocin und Prolaktin, die die Milchbildung und -ausschüttung kontrollieren, beschrieben. Zudem gibt es Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und verkürzter Gesamtstilldauer [19]. Auch Beeinträchtigungen des Säuglingsschlafes werden diskutiert [20].

Insgesamt ist die Studienlage jedoch noch unzureichend, um die akuten und längerfristigen Auswirkungen des Alkoholkonsums auf die Entwicklung des gestillten Kindes abschließend beurteilen zu können [19, 20]. Nach Auffassung der Nationalen Stillkommission ist es für die Gesundheit von Mutter und Kind am sichersten, in der Stillzeit auf den Konsum von alkoholischen Getränken zu verzichten. Sofern in der Stillzeit doch ausnahmsweise ein Glas Wein, Sekt oder Ähnliches getrunken wird, sollte das Kind direkt zuvor gestillt werden, sodass der Abstand zur nächsten Stillmahlzeit ausreichend lang ist [20].

Umweltkontaminanten und Rückstände

Persistente Umweltkontaminanten mit hoher Lipophilität: Dioxine und Co.

Zu dieser Verbindungsgruppe gehören polychlorierte Dibenzodioxine (PCDDs) und Dibenzofurane (PCDFs) – allgemein auch als „Dioxine“ bezeichnet – sowie eine Anzahl weiterer Verbindungsgruppen wie die polychlorierten Biphenyle (PCBs; Abb. 2). Die Verbindungen wurden teils für verschiedenste Anwendungen industriell hergestellt, teils entstehen sie – wie die Dioxine – unerwünscht bei bestimmten thermischen Prozessen [22].

Abb. 2
figure 2

Problematische Substanzen in der Humanmilch: PCDD, PCDF, PCB, PFOA, PFOS

Ihnen gemeinsam ist eine hohe chemische Stabilität und eine äußerst geringe enzymatische Abbaubarkeit, die zusammen mit ihrer hohen Lipophilität zu einer ubiquitären Akkumulation in der Nahrungskette und einer passiven Ablagerung der Verbindungen in den Fettkompartimenten des Körpers führt. Diese Eigenschaften führen zu Halbwertszeiten im Bereich von mehreren Jahren und damit – bei konstanter Zufuhr – zu einer Akkumulation, die über das Leben anhält. Die Problematik in Bezug auf das Stillen liegt grundsätzlich darin, dass die Mutter während einer mehrmonatigen ausschließlichen Stillzeit einen relevanten Teil ihres Körperfetts (überschlägig 9 kg bei 6 Monaten ausschließlichem Stillen und Abstillen mit einem Jahr) mit den entsprechenden Gehalten an das Kind weitergibt, das auf diese Weise in dieser Zeit eine deutlich höhere tägliche Aufnahme erfährt als die Mutter über ihre tägliche Nahrungsaufnahme. Für eine mögliche negative gesundheitliche Wirkung beim Kind ist jedoch die im Körper erreichte Konzentration der Verbindungen relevant [23, 24]. Hier ist das Verhältnis von kindlichen zu mütterlichen Werten weniger dramatisch, da das Kind während der Stillzeit deutlich an Gewicht zunimmt und damit ein Verdünnungseffekt eintritt, zudem ist davon unabhängig die Halbwertszeit von Dioxinen bei Kindern deutlich kürzer als bei Erwachsenen. Dennoch werden beim Kind nach ca. 4 Monaten ausschließlichen Stillens die mütterlichen Konzentrationen erreicht und übersteigen diese in Abhängigkeit von der weiteren Gesamtstillzeit. Dies ist in Abb. 3 dargestellt, für das Verhältnis der Dioxinwerte im Blut (Kind/Mutter) für 11 Monate alte Kinder, deren Müttern zum gleichen Zeitpunkt Blut abgenommen wurde [25]. Zu dem steiler werdenden Anstieg trägt bei, dass die Mütter während der Stillzeit mehr oder weniger stark mit ihren eigenen Gehalten abfallen. Mit dem Abstillen kommt es beim Kind aufgrund der deutlich niedrigeren Exposition bei der Nahrungsaufnahme und bei weiterhin starkem Körperwachstum zu einem deutlichen Abfall der Gehalte im Körperfett, sodass sich die Körperlast (Body Burden) von lange gestillten und nichtgestillten Kindern im Verlauf von Jahren zunehmend angleicht [26].

Abb. 3
figure 3

Verhältnis der Dioxinwerte im Blut von Säuglingen im Alter von 11 Monaten zu den zum gleichen Zeitpunkt ermittelten mütterlichen Werten (PCDD/PCDF als internationale Toxizitätsäquivalente pro g Blutfett), in Abhängigkeit von der äquivalenten ausschließlichen Stillzeit (80 lange gestillte und 5 nur kurz gestillte Kinder, aus Abraham [25]). Die Abbildung zeigt die Exponentialfunktion, die sich aus der linearen Regression mit den logarithmierten Werten ergibt (Bestimmtheitsmaß 81,5 %)

Die vergleichsweise hohe Exposition gestillter Kinder in einer Periode von möglicherweise erhöhter Empfindlichkeit hat insbesondere in den 1990er-Jahren zu Diskussionen um die Unbedenklichkeit des Stillens und zur Verunsicherung von Eltern geführt, nachdem viele Verbindungen durch den Fortschritt der analytischen Technik in der Humanmilch nachweisbar wurden. Bei der gesundheitlichen Bewertung ist der Nachweis als solcher jedoch nicht an sich schon gesundheitlich bedenklich, auch wenn die Kontamination grundsätzlich unerwünscht ist und für Mütter die Vorstellung belastend sein kann, ihre Milch enthalte „Schadstoffe“. Zahlreiche Studien haben sich seitdem mit der Frage beschäftigt, ob sich gesundheitliche Effekte durch diese Kontaminanten insbesondere bei vergleichsweise hoch exponierten Kindern nachweisen lassen. Diese Untersuchungen haben insgesamt kein konsistentes Bild ergeben, dass bei höher belasteten Kindern bestimmte gesundheitliche Effekte auftreten. Angesichts dessen lauteten die Empfehlungen bereits in den 1990er-Jahren, Kinder aufgrund der klar belegten Vorteile für Mutter und Kind auf jeden Fall zu stillen [27]. Seit dieser Zeit sind die Gehalte dieser Kontaminanten – bedingt durch zahlreiche Managementmaßnahmen – deutlich abgesunken. In Abb. 4 sind exemplarisch die gemessenen Dioxingehalte für Niedersachsen dargestellt; dort wurden vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) seit dem Ende der 1980er-Jahre kontinuierlich Frauenmilchproben untersucht. Seit den ersten Messungen (Median 28,6 pg PCDD/PCDF pro g Milchfett, gerechnet als Toxizitätsäquivalent mit WHO-Toxizitätsäquivalenzfaktoren [TEF] von 2005) haben sich die Werte bis zum Jahr 2016 (Median 2,9 pg PCDD/PCDF pro g Milchfett) um den Faktor 10 reduziert [28]. In Bayern wurde 2016 bei der Messung von 100 Frauenmilchproben ein Mittelwert von 3,04 pg PCDD/PCDF pro g Milchfett ermittelt, ebenfalls gerechnet als Toxizitätsäquivalent mit WHO-TEF 2005 (persönliche Mitteilung Prof. Hermann Fromme, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit). Angesichts dieses Erfolges sind gegenwärtig Bedenken hinsichtlich einer langen Stilldauer für diese Verbindungsgruppe wissenschaftlich nicht zu begründen. Eine Analyse von Dioxinen und verwandten Verbindungen in der Muttermilch zum Zwecke der Entscheidung, ob länger gestillt werden kann, ist nicht sinnvoll, da keine kritischen Werte mehr zu erwarten sind.

Abb. 4
figure 4

Zeitlicher Trend der Gehalte an Dioxinen in Frauenmilch aus Niedersachsen seit Ende der 1980er-Jahre in pg pro g Milchfett (Median PCDD/PCDF-Toxizitätsäquivalente, gerechnet mit WHO-TEF 2005, dioxinähnliche PCBs sind hier nicht berücksichtigt; jährliche Probenzahl zwischen n = 18 und n = 170). (Abbildung modifiziert nach [28], mit freundl. Genehmigung von Dr. Elke Bruns-Weller, Lebensmittel- und Veterinärinstitut Oldenburg des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit [LAVES])

Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS)

Weitere Umweltkontaminanten mit Relevanz sind die Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) als eine Gruppe von Industriechemikalien, die für die Herstellung von Oberflächenbeschichtungen mit wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften verwendet werden und die sich daher in einer Vielzahl von Gebrauchsgegenständen finden. Überwiegend liegen in diesen Produkten PFAS in Polymeren fest gebunden vor. Entsprechend war zunächst davon ausgegangen worden, dass es nur zu einer geringen allgemeinen Exposition gegenüber PFAS kommen kann. In den vergangenen Jahrzehnten haben diese Substanzen jedoch zu einer globalen Umweltkontamination geführt, die durch ihre enorme Persistenz und ihre hohe Mobilität bedingt ist. Dies ist in der Chemie der starken kovalenten Kohlenstoff-Fluor-Bindung und der im Vergleich zur ersten Gruppe (Dioxine und Co.) vergleichsweise hohen Wasserlöslichkeit begründet. Die öffentliche Aufmerksamkeit ist in Deutschland v. a. in Regionen erhöht, in denen es zum Beispiel durch die Ausbringung von Klärschlämmen bzw. Rückständen aus der Papierindustrie auf Ackerflächen zu erhöhten PFAS-Gehalten insbesondere im Trinkwasser gekommen ist [22].

Leitsubstanzen sind die C8-Verbindungen Perfluoroktansäure (PFOA) und Perfluoroktansulfonsäure (PFOS; Abb. 2). Die Halbwertszeiten im Blut, wo die Verbindungen unspezifisch an Serumproteine binden, liegen im Bereich von zwei bis sechs Jahren. Beide Verbindungen gehen in die Muttermilch über. Insbesondere PFOA zeigt dabei trotz unterschiedlicher physikochemischer Eigenschaft ein ähnliches Akkumulationsverhalten wie die erstgenannte Kontaminantengruppe (Dioxine und Co.). So wiesen bei einer Untersuchung in Bayern 2007/2009 gestillte Kinder (n = 27) im Alter von 6 und 19 Monaten durchschnittliche Plasmakonzentrationen von 8,7 µg/l bzw. 5,7 µg/l auf, im Vergleich zu einem durchschnittlichen mütterlichen Wert bei der Geburt von 2,4 µg/l. Bei PFOS ist die Akkumulation im Kind offenbar deutlich geringer. Die in der Studie gemessenen kindlichen Werte betrugen 3,6 µg/l bzw. 2,4 µg/l, im Vergleich zu einem mütterlichen Wert von 3,5 µg/l [29, 30]. Die kinetische Modellierung zeigt auch für PFOA nach dem Maximum am Ende der Stillzeit einen Rückgang der Gehalte innerhalb weniger Jahre [30]. Tatsächlich konnte in einer anderen Untersuchung mit Kindern im Alter von 6–10 Jahren kein signifikanter Einfluss der Stilldauer auf die PFOA- und PFOS-Gehalte mehr nachgewiesen werden [31].

Die gesundheitliche Bewertung von PFAS ist in der wissenschaftlichen Diskussion. Nachdem gesundheitsbezogene Richtwerte zunächst aus tierexperimentellen Untersuchungen abgeleitet wurden, setzt sich gegenwärtig zunehmend die Erkenntnis durch, dass die Ergebnisse epidemiologischer Studien basierend auf großen Kohorten, die über das Trinkwasser gegenüber PFAS exponiert waren, für die Ableitung genutzt werden können. Bei diesen Untersuchungen zeigt sich der Mensch besonders empfindlich, mit dosisabhängigen Effekten bei der Fertilität, den Geburtsgewichten, dem Fettstoffwechsel, den Schilddrüsenhormonen, dem Immunsystem und der hormonellen Entwicklung. Auch die Human-Biomonitoring(HBM)-Kommission hat diese Ergebnisse genutzt und 2016 Beurteilungswerte (HBM-I-Werte) im Blutplasma von 2 µg/l und 5 µg/l für PFOA bzw. PFOS abgeleitet [32]. Die aktualisierte gesundheitliche Bewertung der europäischen Bewertungsbehörde EFSA wird für den Sommer 2018 erwartet.

Der von der HBM-Kommission abgeleitete HBM-I-Wert für PFOA wird gegenwärtig vermutlich von einem nicht unwesentlichen Teil lange gestillter Kinder für eine gewisse Zeit moderat überschritten. Zu bedenken ist jedoch, dass sich die beobachteten Effekte überwiegend auf eine Langzeitexposition beziehen. HBM-II-Werte, oberhalb derer eine als relevant anzusehende gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist, wurden bisher nicht abgeleitet. Ein umfassendes Bild der Belastungssituation und des Zeittrends ist aufgrund der begrenzten Datenlage derzeit nicht verfügbar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Gehalte in den letzten Jahren gesunken sind [33] und weiter sinken werden. Denn wegen ihrer persistenten und reproduktionstoxischen Eigenschaften wurde PFOS im Jahr 2009 in den Annex B der Stockholmer Konvention über persistente organische Kontaminanten (POP-Konvention) aufgenommen. Seitdem ist die Verwendung von PFOS und ihren Derivaten beschränkt. PFOA sowie die perfluorierten Säuren mit einer Kohlenstoffkettenlänge von C9 bis C14 wurden in die europäische Kandidatenliste der besonders besorgniserregenden Stoffe (SVHC) aufgenommen. In der Europäischen Union ist die Verwendung von PFOA in Textilien und Imprägniersprays ab 2020 verboten [34]. Aufgrund dieser Beschränkungen ist die Industrie gezwungen, auf alternative Verbindungen – insbesondere kürzerkettige Derivate – auszuweichen. Im Vergleich zu PFOA und PFOS sind diese weniger gut charakterisiert, aber nach den bisher vorliegenden Ergebnissen weniger toxisch und sie haben kürzere Halbwertszeiten.

Rückstände

Als Rückstände werden messbare Gehalte von Substanzen in Lebensmitteln bezeichnet, die während der Produktion von Lebensmitteln bewusst eingesetzt werden, beispielsweise Pestizide und Tierarzneimittel in der Landwirtschaft. Erstmals war bereits in den 1950er-Jahren nach breiter Anwendung des Insektizids Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) entdeckt worden, dass es zu einer Akkumulation der Substanz und ihres Metaboliten Dichlordiphenyldichlorethen (p,p′-DDE) in der Nahrungskette und der Milch kommt. Mit weiteren Erkenntnissen über die Problematik wurde die Anwendung ab den 1970er-Jahren weltweit zunehmend verboten, jedoch waren die Gehalte auch in Ländern mit lange zurückliegendem Anwendungsverbot noch über sehr viele Jahre in Humanmilch nachweisbar [35].

Gegenwärtig gibt es in Deutschland keine Erkenntnisse, dass es durch die derzeit zugelassenen Pestizidanwendungen zu gesundheitlich bedenklichen Gehalten in der Humanmilch kommt. Das gilt auch für Glyphosat: Hier wurden 2015 Gehalte in 16 Humanmilchproben in die öffentliche Diskussion gebracht, die unter Verwendung einer ungeeigneten Methode gemessen wurden. Selbst wenn die veröffentlichten Werte als valide betrachtet würden, würde dies für Neugeborene eine tägliche Glyphosataufnahme bedeuten, die um den Faktor von mehr als 4000 niedriger läge als der in der EU abgeleitete gesundheitsbezogene Richtwert [36]. Eine neu entwickelte Methode zur Bestimmung von Glyphosat in Muttermilch zeigte in keiner der 114 untersuchten Proben aus Deutschland Gehalte oberhalb der Bestimmungsgrenze von 1 ng/ml [37].

Grundsätzlich ist an dieser Stelle bezüglich in Humanmilch gemessener Gehalte von Fremdstoffen festzustellen, dass durch den enormen Fortschritt der analytischen Methodik in den letzten 30 Jahren heute fast jede Substanz bei entsprechendem Aufwand auch in Muttermilch nachzuweisen ist. Der alleinige Nachweis kann aber kein ausreichender Grund zur Besorgnis sein; entscheidend ist in jedem Fall die Höhe der Gehalte, die gesundheitlich zu bewerten sind [36].

Biologische Risiken

Mit Muttermilch können Infektionserreger übertragen werden, die zu inapparenten oder milden, aber auch zu tödlich verlaufenden Erkrankungen beim Kind führen können. Auf die wichtigsten Erreger soll im Folgenden eingegangen werden.

Human Immunodeficiency Virus (HIV)

Schätzungsweise 10 % der gestillten Kinder von unbehandelten HIV-positiven Mütter infizieren sich im Laufe des ersten Lebensjahres über die Muttermilch. In Ländern mit ausreichendem Hygienestandard stellt deshalb eine mütterliche HIV-Infektion eine der wenigen medizinischen Indikationen zum Abstillen dar. In Gesellschaften mit schlechtem Hygienestandard überwiegen die Vorteile des Stillens derart, dass die Weltgesundheitsorganisation in diesen Regionen dennoch auch bei HIV-positiven Müttern für das Stillen plädiert [38]. Bei hoher Therapie-Compliance mit Einsatz von nukleosidischen mit nichtnukleosidischen Reversetranskriptaseinhibitoren und Proteaseinhibitoren ist es in vielen Fällen möglich, die Viruslast in mütterlichen Körperflüssigkeiten auf Werte unterhalb der Nachweisbarkeitsgrenze zu senken; es besteht jedoch ein Restrisiko, dass es dennoch zu einer HIV-Übertragung kommt [39].

Hepatitis B und C

Die Übertragung einer Hepatitis-B-Infektion kann vor, während oder nach der Geburt erfolgen, wobei vor allem mütterliches Blut, aber auch Muttermilch als Vermittler auftreten kann. Durch passive und aktive Immunisierung des Neugeborenen in den ersten zwölf Lebensstunden lässt sich das Risiko einer laktogenen Infektion so stark verringern, dass nach durchgeführter Simultanimpfung Stillen erlaubt ist [40, 41]. Die aktive Immunisierung bedarf entsprechender Auffrischimpfungen.

Die Lipidkapsel des Hepatitis-C-Virus wird durch lipasegenerierte freie Fettsäuren in der Muttermilch zerstört [42]. Eine Zusammenfassung von 14 Kohortenstudien ergab keinen Anhalt einer Übertragung des Hepatitis-C-Virus durch Muttermilch [43]. Eine mütterliche Hepatitis-C-Infektion wird deshalb nicht als Kontraindikation für das Stillen angesehen [41, 44], sofern es nicht durch Wunden zu einer Blutbeimengung in der Milch kommt.

Zytomegalievirus (CMV)

Das Zytomegalievirus (CMV) gehört vermutlich zu den häufigsten über die Muttermilch übertragenen Viren. Bei vielen CMV-positiven laktierenden Müttern kommt es 2–3 Wochen nach der Geburt zu einer über längere Zeit persistierenden Ausscheidung von CMV in die Muttermilch. Da das Kind gleichzeitig über maternale Leihantikörper verfügt, verläuft die Infektion beim Kind in der Regel ohne Symptome und hat auch keine langfristigen gesundheitlichen Folgen. Eine Ausnahme bilden sehr unreife Frühgeborene, die mit wenig oder gar keinem Nestschutz zur Welt kommen. Bei diesen Kindern kann eine laktogene CMV-Infektion unter dem Bild einer generalisierten Infektion mit erhöhten Transaminasen, Cholestase, Blutbildveränderungen (Thrombopenie), Pneumonitis und Myokarditis verlaufen [45, 46]. Das akute Krankheitsbild ist zumeist milde, die Diagnose ist über eine positive CMV-PCR im Urin einfach zu stellen. Mit Ganciclovir bzw. der oralen Vorstufe Valganciclovir steht eine effektive virustatische Therapie zur Verfügung. Spätschäden der CMV-Infektion (Innenohrschwerhörigkeit, Intelligenzminderungen) sind beschrieben [47]. Durch Pasteurisierung der Muttermilch lässt sich CMV zuverlässig abtöten, allerdings verlieren dadurch auch protektive Eiweißstoffe der Muttermilch ihre Wirkung. Wird die Pasteurisierung nach einer gewissen Zeit beendet und das Kind direkt gestillt, erfolgt u. U. die Infektion zu einem Zeitpunkt, an dem keinerlei protektive mütterliche Antikörper mehr im Kind zirkulieren. Die Wahrscheinlichkeit einer laktogenen CMV-Infektion sehr kleiner Frühgeborener wird durch Gabe eines polyvalenten Immunglobulins deutlich reduziert [48], es gibt aber bisher keine Studien, die den Stellenwert einer solchen Behandlung zum Zeitpunkt der Beendigung des Pasteurisierens CMV-haltiger Muttermilch prospektiv untersucht hätten.

B-Streptokokken

Streptokokken der Gruppe B (GBS) gehören zur natürlichen rektovaginalen Flora von rund 10 % aller Schwangeren. Geraten die B‑Streptokokken vor oder während der Geburt in das Fruchtwasser und darüber in die Lungen des Kindes, kann eine angeborene Pneumonie resultieren (sog. Early-onset-Infektion), die unbehandelt u. U. tödlich endet. Die Häufigkeit dieser Early-onset-Infektion lässt sich durch Penicillingaben an die Mutter mindestens vier Stunden vor der Geburt deutlich senken. Durch diese Medikation ändert sich aber nichts an der Besiedlung der Mutter mit GBS. Bei rund 1 % aller GBS-positiven laktierenden Mütter lassen sich die Bakterien in der Milch nachweisen. Sie können nach der Geburt über die Muttermilch oder andere Wege in den Darm des Kindes gelangen, den sie ähnlich wie den Darm der Mutter kolonisieren. In seltenen Fällen kommt es innerhalb der ersten drei Lebensmonate zu einer GBS-Sepsis des Kindes, die in der Hälfte der Fälle mit einer Hirnhautentzündung einhergeht und zum Tod oder schweren neurologischen Folgeschäden führen kann (sog. Late-onset-Infektion). In 59 Fällen ist die Muttermilch als Übertragungsweg einer Late-onset-GBS-Infektion gesichert, in mehr als der Hälfte waren Frühgeborene betroffen [49]. In einem Viertel der Fälle kam es nach der erfolgreichen Behandlung einer Late-onset-GBS-Infektion zu einer erneuten GBS-Infektion. Ob nach einer laktogenen GBS-Infektion eines Frühgeborenen zur Vermeidung einer Zweiterkrankung abgestillt oder Muttermilch nur noch pasteurisiert verfüttert werden sollte, kann nur individuell entschieden werden.

Säuglingsmilchnahrung: keine risikofreie Alternative

Wenn Stillen nicht möglich ist oder nicht gewünscht wird, ist Säuglingsmilchnahrung die einzige alternative Ernährung in den ersten Lebensmonaten. In hoch entwickelten Ländern stellt sie grundsätzlich eine risikoarme Ernährung dar, die nicht zu individuell erkennbaren Defiziten im Vergleich zu gestillten Kindern führt. Voraussetzung dabei ist, dass bei der Zubereitung und der Lagerung keine Fehler gemacht werden (sauberes Wasser, korrekt verwendete Mengen, richtige Temperaturen beim Anrühren und Trinken).

In Bezug auf den möglichen Gehalt von Kontaminanten und Rückständen sind bei Säuglingsmilchnahrung jedoch ebenfalls Risiken möglich. So wurde die Welt im Jahr 2008 aufgeschreckt, nachdem entdeckt wurde, dass in China Melamin (Abb. 5) in krimineller Absicht in Milchpulver eingemischt worden war, um über die Erhöhung des Stickstoffanteils einen höheren Proteingehalt vorzutäuschen. Nach offiziellen Angaben erkrankten 294.000 Kinder an Nierensteinen, sechs Kinder starben [50].

Abb. 5
figure 5

Problematische Substanzen in Säuglingsmilchnahrung: Glycidol und 3‑MCPD, die mit Fettsäuren verestert vorliegen, und Melamin

Seit 2007/2009 ist der hohe Gehalt an Fettsäurestern von Monochlorpropandiol (MCPD) bzw. Glycidol (Abb. 5) bekannt, der beim Raffinationsprozess von pflanzlichen Fetten und Ölen entsteht. Ausschließlich mit Säuglingsmilchnahrung ernährte Kinder sind aufgrund ihres hohen körpergewichtsbezogenen Fettbedarfs bei der Exposition besonders betroffen und überschreiten gegenwärtig gesundheitsbezogene Richtwerte. Auf Herstellerseite wird an der Senkung der Gehalte gearbeitet [51]. Weitere Beispiele für deutlich höhere Expositionen von nichtgestillten im Vergleich zu gestillten Kindern sind Aluminium [52, 53] und anorganisches Arsen [54]; beide Kontaminanten werden gegenwärtig in Bezug auf die allgemeine Exposition der Bevölkerung als kritisch angesehen [55, 56].

Risiken können auch durch die Kontamination mit Bakterien entstehen – selbst in Europa: So wurden seit August 2017 bei Säuglingen Ausbrüche von Salmonella Agona zunächst in Frankreich, später auch in anderen Ländern beobachtet, die schließlich auf den Verzehr von Säuglingsmilchnahrung eines französischen Herstellers zurückgeführt werden konnten [57].

Fazit

Die Risiken in Verbindung mit dem Konsum von Muttermilch bei ausschließlich gestillten Säuglingen sind in der Regel als gering einzuschätzen und stellen somit keinen Grund für längere Stillpausen oder ein Abstillen dar. Die positiven Effekte des Stillens für Kind (und Mutter) sind klar belegt. In Einzelfällen ist dennoch zum Beispiel aufgrund der notwendigen Einnahme bestimmter Medikamente oder aufgrund einer vorliegenden Infektionserkrankung ein Abstillen im Interesse der Gesundheit des Kindes zu empfehlen.