Einführung

In Mitteleuropa verbringt der Mensch einen Großteil seiner Lebenszeit in Innenräumen wie Privatwohnungen, Büros, Bildungsstätten und sonstigen öffentlichen Gebäuden. Hier ist er einer Vielzahl gasförmiger und partikelgebundener Stoffe ausgesetzt, die auch gesundheitliche Wirkungen entfalten können [1]. Teile der innenraumbezogenen Schadstoffbelastungen sind durch das individuelle Verhalten beeinflussbar, andere Anteile weniger, wenn sie beispielsweise durch die Baulichkeit der Räume bzw. des Gebäudes festgelegt sind. Die Ursachen von Schadstoffbelastungen sind vielfältig; so kann es sich zum einen um Stoffe und Stoffgemische handeln, die aus bestimmten Produkten oder Prozessen ausgasen, andererseits kann es sich um ein komplexes Problem wie einen Schimmelbefall handeln, bei dem neben der Schadstoffemission und biologischen Gefährdung auch die Schädigung des Baukörpers eine Rolle spielt.

Für die Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit ist nicht nur das Vorkommen schädlicher Stoffe im Innenraum relevant, sondern auch über welche Pfade diese Stoffe in den Körper gelangen. Im Körper werden Stoffe metabolisiert, ggf. deponiert oder auch wieder ausgeschieden und können lokale wie auch systemische Effekte entfalten [2].

Die Qualität der Innenraumluft stellt für alle Menschen ein hohes Schutzgut dar, und es besteht daher laufend Bedarf an aktuellen Informationen zur Innenraumluftqualität bzw. an Handlungsempfehlungen, wie man als Einzelner eine Verbesserung der Innenraumluftqualität erreichen kann. Diese Arbeit wirft einen Blick auf ausgewählte Handlungsfelder, die derzeit in der Öffentlichkeit, in Fachgremien und in der Wissenschaft diskutiert werden.

Lüftung

Schadstoffe in der Innenraumluft können ihren Ursprung sowohl im Inneren des Gebäudes als auch in der Außenluft haben. Eine der wirksamsten Maßnahmen, um Schadstoffquellen innerhalb des Gebäudes in ihrer Auswirkung zu begrenzen, ist das regelmäßige und richtige Lüften. Lüften reduziert die Konzentrationen sowohl des vom Menschen ausgeatmeten Kohlendioxids (CO2) als auch der Gase und Partikel, die von Innenraumquellen emittiert werden.

Obwohl die Notwendigkeit regelmäßigen Lüftens schon seit Langem bekannt ist [3], liefern Messungen in dicht belegten Räumen an Bildungseinrichtungen wie Schulen vielerorts nach wie vor hohe CO2-Konzentrationen. Bei steigendem CO2 leidet unter anderem die geistige Konzentrationsfähigkeit [4]. In dicht belegten Räumen ist eine Fensterlüftung nicht ausreichend, um hygienisch einwandfreie Innenraumluft herzustellen [5]. Daher wird empfohlen, insbesondere bei Schulneubauten und Renovierungen, von vorn herein eine Grundlüftung über eine mechanische Lüftungseinrichtung vorzusehen und zusätzlich in Pausen über die Fenster zu lüften (Infobox 1). Eine Kombination von mechanischer und manueller Lüftung trifft auf höhere Akzeptanz bei den Nutzern im Vergleich zur rein mechanischen Lüftung.

In der kühlen Jahreszeit steht die reine Fensterlüftung im Zielkonflikt mit energiesparendem Heizen und Behaglichkeit. Aufgrund zunehmender Wärmedämmung ist in Wohnräumen ohne mechanische Lüftung oft zu beobachten, dass bei geschlossenen Fenstern und Türen nur noch unzureichender Luftaustausch mit der Umgebung stattfindet [6]. Auch aus diesem Grund wird bei Neubauten von Bildungseinrichtungen eine mechanische Lüftungseinrichtung, bevorzugt mit Wärmerückgewinnung, empfohlen [5]. Untersuchungen zu Luftwechselraten in Wohnräumen wurden in verschiedenen Ländern durchgeführt. Bei schwedischen Messungen lagen die durchschnittlichen Luftwechselraten im Fall mechanischer Belüftung im Bereich 0,60–0,68 h−1 und bei manueller Belüftung im Bereich 0,38 h−1 [7]. Eine französische Studie lieferte bei 450 untersuchten Wohnungen einen Median von 0,44 h−1 [8]. Eine deutsche Studie kommt für Schulen und Wohnräume auf einen Mittelwert von 0,39 h−1 [9]. Nach wie vor wird über die Frage diskutiert, wie viel Frischluft einem Raum nutzungsabhängig zugeführt werden sollte. Als hygienisch notwendiges Minimum, insbesondere in Schul- und Arbeitsräumen, gilt nach wie vor ein von Fanger vorgeschlagener Wert von 10 l pro sec und Person [10].

Radon

Radon ist ein radioaktives Edelgas, welches durch den radioaktiven Zerfall uranhaltiger Gesteine entsteht und auf natürliche Weise aus dem Erdboden tritt. Eine erhöhte Radonkonzentration stellt ein epidemiologisch nachgewiesenes, signifikantes Lungenkrebsrisiko dar [11]. Für Nieraucher ist Radon die wichtigste Ursache für Lungenkrebs. Die gesundheitliche Gefährdung geht nicht in erster Linie vom Radon selbst, sondern von seinen kurzlebigen, ebenfalls radioaktiven Zerfallsprodukten aus. Laut den Messungen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) ist die Gefährdung durch Radon räumlich ungleich verteilt, mit Schwerpunkten in bestimmten Mittel- und Hochgebirgsregionen [12]. In Gebieten mit erhöhter natürlicher Radonbelastung können vor allem Bewohner von Gebäuden mit schlechter Abdichtung zum Erdreich betroffen sein. Bei Neubauten können Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor Radon mit relativ geringem Aufwand durchgeführt werden. Auch für bestehende Gebäude stehen verschiedene Reduktionsmaßnahmen zur Verfügung.

Voraussichtlich im Jahr 2018 wird für die Radonkonzentration in Innenräumen ein Referenzwert von 300 Bq/m3 als Jahresmittelwert in Kraft treten, als Umsetzung der EU-Richtlinie 2013/59/Euratom [13]. Vor dem Hintergrund des kanzerogenen Potenzials von Radon empfiehlt jedoch die Weltgesundheitsorganisation (WHO; [11]), in Innenräumen eine mittlere Radonkonzentration von 100 Bq/m3 nicht zu überschreiten. Auch der Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR) empfiehlt, diesen Wert von 100 Bq/m3 als Beurteilungskriterium zur Reduzierung der durch Radon hervorgerufenen Lungenkrebsfälle einzuhalten. Das auf 100 Bq/m3 bezogene Lungenkrebsrisiko ist bei Nichtrauchern bei lebenslanger Exposition mit einem zusätzlichen Lungenkrebsrisiko in Höhe von 1:1700 (6 • 10−4) verknüpft und liegt damit deutlich oberhalb der vom AIR angestrebten Zielgröße von 10−6. Nach Auffassung des AIR sind für gentoxische Kanzerogene ohne Wirkungsschwellenwerte im Hinblick auf das Minimierungsgebot expositionsmindernde Maßnahmen zur Risikominderung geboten [14]. Eine Konzentration, die einem theoretischen Krebsrisiko von 10−6 entspricht und die nach dem Bewertungsschema des AIR einen risikobezogenen Leitwert darstellt, wird als Zielwert von Interventionsmaßnahmen benannt. Nach Auffassung des AIR würde die Einhaltung eines Wertes von 100 Bq/m3 im Vergleich zu dem in der EU-Richtlinie genannten Referenzwert von 300 Bq/m3 einen erheblichen Nutzen für die Vermeidung von radonassoziierten Lungenkrebsfällen in der deutschen Bevölkerung haben.

Zur Erfassung der tatsächlichen Gefährdung plant das BfS in den kommenden Jahren eine flächendeckende Erfassung der Exposition durch Radon in Deutschland.

Organische Substanzen

Flüchtige organische Verbindungen (VOC)

Organische Verbindungen sind in der Raumluft allgegenwärtig. Das Spektrum besteht aus Tausenden von Einzelsubstanzen, welche in stark unterschiedlichen Konzentrationen angetroffen werden und auch unterschiedliche gesundheitliche Wirkungen entfalten können [15]. Potenzielle Emissionsquellen sind Bauprodukte, Mobiliar und Einrichtungsgegenstände, aber auch Mikroorganismen und der Mensch selbst, als Folge seiner Körperausdünstungen und des Umgangs mit Reinigungs- und Pflegeprodukten.

Aus anwendungstechnischen Gründen teilt man die organischen Verbindungen gemäß ihrer Flüchtigkeit in die Unterklassen der sehr flüchtigen (VVOC – „very volatile organic compounds“), flüchtigen (VOC – „volatile organic compounds“) und schwerflüchtigen organischen Verbindungen (SVOC – „semi volatile organic compounds“) ein [16, 17]. Für jede dieser Klassen gibt es eigene Varianten der Präanalytik, Probenaufbereitung und chemischen Analyse. Eine vollständige Analyse der organischen Phase in der Raumluft ist in der Regel sehr aufwendig.

Die Summenkonzentration aller VOC wird als TVOC („total volatile organic compounds“) bezeichnet [16]. Für die Bestimmung des TVOC-Wertes gibt es verschiedene Messmethoden, international etabliert ist das Verfahren mittels Thermodesorptions-Gaschromatographie/Massenspektrometrie (TD-GC/MS) gemäß ISO 16000-6 [18]. Des Weiteren teilt man manche VOC gemäß ihrer Herkunft ein: Flüchtige organische Verbindungen biogenen Ursprungs werden z. B. als MVOC („microbial volatile organic compounds“) bezeichnet.

Formaldehyd

Formaldehyd kommt wegen seiner krebserzeugenden Wirkung eine besondere Bedeutung für die Gesundheitsvorsorge zu. Zu den möglichen Formaldehydquellen im Innenraum zählen Holzwerkstoffe, Fußbodenbeläge, Dämmmaterialien, Farben, aber auch Verbrennungsprozesse [19]. Im Rahmen einer Neubewertung der gesundheitlichen Wirkungen dieses Stoffes hat der AIR einen Richtwert I von 0,1 mg/m3 Formaldehyd in Innenraumluft festgelegt [20]. Repräsentative Messungen im Rahmen der deutschen Umweltstudie zur Gesundheit GerES IV (früher: Kinder-Umwelt-Survey) ergaben 2003–2006 in Kinderzimmern Konzentrationswerte bis zu 0,05 mg/m3 (95. Perzentil) und somit etwa nur noch halb so hohe Konzentrationen wie in der früheren Studie GerES I (1985/86; [21]). In keinem der 586 in GerES IV untersuchten Haushalte wurde der Richtwert I überschritten. Anlassbezogene Messungen der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsergebnisse (AGÖF) ergaben hingegen, dass der Richtwert I bei etwa 4 % von über 2000 untersuchten deutschen Haushalten überschritten wurde [22]. Allerdings wurden diese Messungen überwiegend aufgrund von Geruchsbelästigungen durchgeführt. Da Aldehyde bereits in geringen Konzentrationen geruchlich wahrgenommen werden, kann ggf. ein hoher Anteil der Überschreitungen in dieser Gruppe durch den Anlassbezug erklärt werden. Die Vermeidung von Formaldehydemissionen zählt nach wie vor zu den Aufgaben der Gesundheitsvorsorge im Innenraum.

Bauproduktemissionen

Die Regulierung von VOC-Emissionen aus Bauprodukten hat einen hohen Stellenwert in der menschlichen Gesundheitsvorsorge erlangt. Der Grund liegt darin, dass einmal im Gebäude eingebaute Produkte über längere Zeit VOCs emittieren können und damit langfristig zur Belastung der Innenraumluft beitragen. Aus dem Vorsorgeprinzip ist es daher geboten, emissionsarme Bauprodukte zu verbauen. Das bekannteste Umweltzeichen in Deutschland ist der sogenannte Blaue Engel, mit dem besonders emissionsarme Produkte deklariert werden können.

Um eine einheitliche gesundheitliche Bewertung von Bauprodukten in Deutschland bereitzustellen, hat der Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB) Prüfkriterien erarbeitet und daraus ein Bewertungsschema für VOC-Emissionen aus innenraumrelevanten Bauprodukten entwickelt [23, 24]. Das Bewertungsschema des AgBB setzt gesundheitsbezogene Qualitätsmaßstäbe für Bauprodukte im Innenraum, unterstützt die Entwicklung besonders emissionsarmer Produkte und war bislang in Deutschland verbindlich für bestimmte Produktgruppen, insbesondere Bodenbeläge (u. a. elastische Bodenbeläge, Holzfußböden), Fußbodenlacke und Klebstoffe sowie Wandbeläge. Das AgBB-Schema kombiniert Kriterien für die Gesamtemission eines Bauprodukts (TVOC) mit Kriterien für eine Vielzahl an gesundheitlich relevanten Einzelsubstanzen. Der Vergleichsmaßstab für jede Substanz ist ihr NIK-Wert (niedrigste interessierende Konzentration; LCI – „lowest concentration of interest“), der durch Auswertung toxikologischer Studien abgeleitet wird [25]. Seit dem Jahr 2000 wird das Schema kontinuierlich weiterentwickelt. Andere Schemata zur Bewertung von Bauprodukten sind auch aus anderen Ländern, z. B. Frankreich und Belgien, bekannt. Europaweit gibt es bislang jedoch keine entsprechende Regelung. Derzeit wird diskutiert, inwiefern die nationalen Ansätze harmonisierbar und mit der europäischen Bauproduktenverordnung vereinbar sind [26].

Durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Jahr 2014 zur Beseitigung von Handelsbarrieren wurde inzwischen die Verbindlichkeit der deutschen Regelung teilweise außer Kraft gesetzt, ohne dass eine einheitliche Bewertungsmöglichkeit in Europa vorläge [27]. Die EU-Kommission weist darauf hin, dass an einem geplanten Bewertungskonzept für VOCs aus Bauprodukten gearbeitet wird, welches auch eine Kennzeichnung von Produkten beinhalten würde. Ob das deutsche Schutzniveau dabei berücksichtigt wird, ist derzeit offen.

PCB

Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind eine Stoffgruppe, die aufgrund ihrer Langlebigkeit nach wie vor eine Rolle für die Innenraumluft spielen kann. PCB sind reproduktionstoxisch, neuro-, immun- und lebertoxisch [28], werden überwiegend über fettreiche tierische Nahrung aufgenommen und wurden bis in die 1980er-Jahre in Fugenmassen und Farbanstrichen verwendet [29]. In der Raumluft überwiegen hierbei die leichter flüchtigen, niedrig chlorierten PCB. Die Gefahr einer Freisetzung besteht bei unsachgemäßen Sanierungsarbeiten von Gebäuden aus den 1960er- bis 1980er-Jahren, insbesondere wenn existierende PCB-haltige Fugenmassen nicht entfernt werden, sondern durch neue äußere Dämmschichten die Ausdünstungen vermehrt in Innenräume gelangen können.

Die Bewertung der niedrig chlorierten PCB-Gemische in der Innenraumluft erfolgt auf Grundlage der technischen Regeln der PCB-Richtlinie der Arbeitsgemeinschaft der für das Bau‑, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder (ARGEBAU; [30]). Raumluftkonzentrationen unter 300 ng PCB/m3 werden als langfristig tolerierbar angesehen. Dieser Vorsorgewert gilt gleichzeitig als Sanierungszielwert. Der Gefahrenwert, dessen Überschreitung unverzügliche Maßnahmen erfordert, beträgt 3000 ng/m3. Eine Ergänzung der PCB-Richtlinie berücksichtigt mittlerweile auch dioxinähnliche PCB [28].

Konservierungsmittel: Isothiazolinone

Wandfarben gehören zu den Bauprodukten, aus denen unmittelbar nach Renovierungsarbeiten die im Produkt gelösten Stoffe in größeren Mengen ausdünsten können [31]. Es kann als Erfolg gewertet werden, dass die meisten auf dem Markt erhältlichen Farbanstriche nicht mehr wie früher auf Lösungsmittelbasis formuliert sind, sondern auf Wasserbasis. Um Schimmelbefall wasserlöslicher Farben in den Gebinden zu verhindern, werden Konservierungsmittel eingesetzt. Eine hierbei häufig verwendete Stoffgruppe sind die Isothiazolinone. Es ist bekannt, dass der direkte Hautkontakt mit Isothiazolinonen Allergien auslösen kann [32]. Derzeit wird debattiert, ob eine Sensibilisierung auch allein über den Luftpfad möglich ist [33]. Zu den Risikogruppen der Kontaktallergien gehören häufig exponierte Personen wie Maler, Friseure und Heimwerker [32]. Die Sensibilisierung der Allgemeinbevölkerung erfolgt primär über Kosmetika, denen bis vor Kurzem noch bis zu 100 ppm Methylisothiazolinon (MIT) erlaubt waren.

Luftgetragene Partikel und Hausstaub

Organische Substanzen mit niedrigem Siedepunkt akkumulieren sich vermehrt im luftgetragenen Feinstaub bzw. im Hausstaub. Die im Innenraum angetroffenen Fein- und Hausstäube sind im Allgemeinen ein Gemisch zahlloser Substanzen organischer oder anorganischer Art.

SVOC und Hausstaub

Mitte der 1990er-Jahre und verbunden mit Rezepturänderungen in Bauprodukten und Konsumgütern begann man sich in der Innenraumforschung auch auf andere Matrices, z. B. Hausstaub, zu konzentrieren. Ein Schwerpunkt der Untersuchungen im Hausstaub bilden häufig die darin akkumulierten schwerflüchtigen organischen Verbindungen (SVOC), wie z. B. Pentachlorphenol, Phthalate und Phthalatsubstitute [34, 35]. Mit der Zeit setzte sich die Erkenntnis durch, dass chemische Substanzen in Abhängigkeit von ihren physikalischen Eigenschaften auch mit den Materialien des Innenraums wechselwirken und reagieren können [36, 37]. Damit konnte sich die Charakterisierung von Partikeln und Hausstaub als wichtiger Zweig der Innenraumanalytik etablieren.

Feinstaub im Innenraum

Häufig erreichen das Umweltbundesamt Fragen nach Grenzwerten zu Staub und Feinstaub in Innenräumen. Die Auskunft lautet, dass für Innenräume (d. h. Privatwohnungen, Bildungsstätten, Büros) in Deutschland, ebenso wie es keine gesetzlichen Vorgaben für Innenraumschadstoffe gibt, auch keine gesetzlichen Feinstaubgrenzwerte existieren.

Es gibt verbindliche Grenzwerte für die Außenluft (Feinstaub PM10: Jahresmittelwert nicht über 40 µg/m3, nicht mehr als 35 Tagesmittelwerte über 50 µg/m3; Feinstaub PM2.5: Jahresmittelwert 25 µg/m3), welche die EU zum Schutz der Gesundheit der allgemeinen Bevölkerung festgelegt hat [38]. Empfehlungen der WHO für die Außenluft, die das gesundheitliche Risiko minimieren sollen, liegen niedriger (PM10: Jahresmittelwert 20 µg/m3, Tagesmittelwert 50 µg/m3, PM2.5: Jahresmittelwert 10 µg/m3, Tagesmittelwert 25 µg/m3; [39]). Der AIR empfiehlt, in Wohnräumen bei Abwesenheit von Verbrennungsprozessen wie dem Rauchen als Beurteilungsgröße für PM2.5 einen Tagesmittelwert von 25 μg/m3 heranzuziehen [40].

Hohe Feinstaubbelastungen im Innenraum können z. B. beim Rauchen auftreten, bei offenen Feuerquellen oder auch bei staubfreisetzenden Handwerksarbeiten. Für die Bewertung einer konkreten Gefährdungssituation ist neben der Partikelmassenkonzentration die Art des Feinstaubs relevant. Es gibt bestimmte Staubtypen, von denen ein erhöhtes Risiko ausgeht, beispielsweise die bekannten Asbestfasern, metallhaltige Stäube und Verbrennungspartikel (Ruß). Eine relativ neuartige Klasse von Partikeln sind Nanopartikel, wie sie in bestimmten industriellen Prozessen freigesetzt werden, z. B. Carbon Nanotubes. Industriell hergestellte Nanopartikel haben neuartige und teilweise unbekannte physikalische, chemische und biochemische Eigenschaften, die sie von anderen Umweltpartikeln abheben [41]. Untersuchungen zur spezifischen Wirkung einzelner Partikeltypen und ihrer Relevanz für die breite Bevölkerung sind Gegenstand der aktuellen Forschung [42].

Zu den zeitweilig in Mode gekommenen Partikelquellen gehören dekorativ wirkende Ethanolöfen. Es hat sich herausgestellt, dass diese Geräte hohe Konzentrationen ultrafeiner Partikel und auch Kohlenmonoxid in den Innenraum emittieren, weshalb ihre Verwendung nicht empfohlen werden kann [43]. Auch elektronische Zigaretten sind nicht frei von partikulären und gasförmigen Emissionen, sodass die Innenraumhygienekommission des Umweltbundesamtes vorsorglich vor den potenziellen Gefahren des „Passivdampfens“ gewarnt hat.

Asbest – ein (neues) altes Problem

Die gesundheitliche Gefährdung durch eine Exposition mit Asbestfasern, zumeist beruflich bedingt, ist seit Langem bekannt. Bei den Berufsexponierten werden nach der Latenzzeit von ca. 38 Jahren von Asbest verursachte Mesotheliome, Lungenkrebs und Asbestose beobachtet, die durch die nadelartige Struktur der Fasern ausgelöst werden [44]. Aufgrund ihrer robusten physikalischen Eigenschaften bleiben Asbestfasern lebenslang im Körper erhalten [45]. Vielfach als scheinbar bereits abgehandelte „Altlast“ betrachtet, tritt die Asbestproblematik in jüngerer Zeit bei Gebäuderenovierungen wieder zutage. Im Fokus stehen bislang weitgehend unbekannte Verwendungsformen von Asbest, insbesondere Spachtelmassen, Kleber, Dichtungsmassen, Putze und Anstrichstoffe, die teilweise bis ca. 1995 in Verwendung waren. Der nationale Asbest-Dialog ist ein 2017 vonseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eingerichtetes Dialogforum, in welchem unter Mitwirkung aller betroffenen gesellschaftlichen Gruppen (Wohneigentümer, Baudienstleister, Arbeitgeberverbände, Unfallversicherungsträger, Planer, Sachverständige) nach pragmatischen Lösungen gesucht wird, mit diesem Problem umzugehen [46]. Zum einen wird im Asbest-Dialog nach Möglichkeiten gesucht, bei zu renovierenden Gebäuden den Umfang der verbauten asbesthaltigen Materialien zu bestimmen. Zum anderen wird untersucht, bei welchen Arten der handwerklichen Bearbeitung nennenswerte Konzentrationen der Fasern freigesetzt werden.

Mikrobielle Innenraumbelastungen (Schimmel)

Schimmel wird von der Bevölkerung als eine der bedeutendsten Innenraumbelastungen wahrgenommen. Bei Schimmel ist neben der gesundheitlichen Gefährdung vor allem die Schädigung der Bausubstanz bzw. der Wohnungseinrichtung augenfällig.

Das Umweltbundesamt hat seine bisherigen Schimmelpilzleitfäden aktualisiert und in einem neuen „Leitfaden zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden“ zusammengefasst ([47]; Infobox 2). Der Leitfaden richtet sich an Sachverständigenbüros, Handwerksunternehmen, mikrobiologische Labore und alle diejenigen, die Schimmel erkennen, bewerten und Sanierungskonzepte erarbeiten sollen. Der Entwurf des Leitfadens stand mehrere Monate zur öffentlichen Diskussion; die finale Version ist Ende 2017 erschienen.

Ursachen für Schimmelbefall

Schimmel entsteht dort, wo Feuchtigkeit in die Bausubstanz eindringt oder die im Innenraum produzierte feuchte Luft nicht ausreichend durch Lüftung abgeleitet wird, sondern an kühlen Oberflächen kondensiert. Im Rahmen des Kinder-Umwelt-Surveys 2003–2006 wurde in 15 % der untersuchten Haushalte sichtbarer Schimmelbefall nachgewiesen [48]. Signifikanten Einfluss auf das Auftreten von Schimmelbefall hatten u. a. das Alter sowie die Art des Hauses. So waren ältere Häuser und Wohnungen in großen Wohnkomplexen häufiger von Schimmel betroffen [49].

Durch die laufende energetische Sanierung von Gebäuden ergeben sich neue Aspekte hinsichtlich Schimmelbefall. Bei einer fachgerecht ausgeführten außenseitigen Wärmedämmung wird das Risiko von Schimmelwachstum durch die damit verbundenen höheren Temperaturen an der Innenseite der Außenwände und Reduktion von Wärmebrücken verringert. Bei nichtsachgerechten energetischen Sanierungen kann hingegen Schimmelbefall befördert werden. Problematisch ist insbesondere der Einbau dicht schließender Fenster, wenn Wände und andere kritische Bauteile (z. B. Fensterlaibungen) nicht gleichzeitig wärmegedämmt werden und die Außenwände in der Wohnung kalt bleiben. Dann kann es bei unzureichender Lüftung zu erhöhter Luftfeuchte im Innenraum kommen, die an den kalten Wänden letztlich zu Schimmelbefall führen kann. Entsprechend kann durch fachgerechte Innendämmung Schimmelbefall vermieden werden; unsachgemäße Innendämmmaßnahmen können dagegen zu starkem Schimmelbefall führen [47].

Gesundheitliche Wirkungen bei Schimmelbefall

Die möglichen gesundheitlichen Wirkungen bei Schimmelbefall sind divers und oft nicht leicht einer eindeutigen Ursache zuzuordnen. Bevölkerungsbezogene Studien haben gezeigt, dass Menschen, die Feuchte/Schimmel in Innenräumen ausgesetzt sind, einem erhöhten Risiko einiger Atemwegserkrankungen unterliegen [49]. Dazu zählen insbesondere Atemwegsinfektionen, die Entwicklung und die Verschlimmerung von Asthma sowie Symptome wie Husten, keuchende Atemgeräusche und Atemnot. Bei Kindern, die in Wohnräumen mit sichtbarem Schimmelbefall/Feuchte aufwachsen, deuten die Studienergebnisse auf eine insgesamt nachteilige gesundheitliche Entwicklung hin. Nach aktueller Studienlage besteht ein ausreichend belegter kausaler Zusammenhang zwischen einer Verschlimmerung der Asthmasymptome bei asthmatischen Kindern und einer Schimmelexposition [50]. Über die genannten Krankheitsbilder hinaus wurden auch unspezifische Symptome wie Reizungen der oberen Atemwege und Augen sowie Befindlichkeitsstörungen wie Kopfschmerzen und Benommenheit mit Schimmelbefall in Verbindung gebracht.

Bei Schimmelbefall treten nicht nur Schimmelpilze und Bakterien, sondern auch Bioaerosole mit einer Vielzahl biogener Partikel und Stoffe in der Innenraumluft auf, die zu den gesundheitlichen Beschwerden bei Schimmelbefall beitragen können. Neben Schimmelpilzen stehen im Innenraumbereich seit einigen Jahren auch zunehmend Bakterien der Klasse Actinobacteria als Auslöser gesundheitlicher Beschwerden im Fokus [51].

Zu den biogenen Noxen lassen sich Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte von Bakterien und Schimmelpilzen wie Endotoxine, 1,3-ß-D-Glucane, MVOC und Mykotoxine zählen. Außerdem wird vermutet, dass bestimmte Zellwandbestandteile von Schimmelpilzen (z. B. ß‑Glucane, Phospholipomannane) vom angeborenen Immunsystem als PAMP (Pathogen Associated Molecular Patterns) erkannt werden und Immunantworten auslösen, die zu reizenden oder entzündlichen Reaktionen führen können [52]. Derartige Reaktionen zählen zu den unspezifischen Krankheitssymptomen bei Schimmelbefall. Bei Schimmelbefall treten gleichzeitig oft andere mit Feuchtigkeit assoziierte Organismen wie Hausstaubmilben auf, die ihrerseits allergische Reaktionen auslösen können.

Beurteilung

Eine quantitative gesundheitliche Risikobewertung einzelner Komponenten der Bioaerosole bei Schimmelbefall hat sich bislang als unmöglich erwiesen. In den bevölkerungsbezogenen Studien konnten keine Dosis-Wirkungs-Beziehungen zwischen gesundheitlichen Symptomen und gemessenen Komponenten des Bioaerosols (z. B. Schimmelpilze, Bakterien, Gesamtsporenzahl, Mykotoxine, MVOC) bei Schimmelbefall nachgewiesen werden. Daher gibt es keine gesundheitlich begründeten Richtwerte für biogene Noxen im Innenraum. Die Mischung einzelner Komponenten des Bioaerosols kann sowohl zu synergistischen als auch antagonistischen Effekten führen [51]. Aus diesem Grund ist eine Messung einzelner Komponenten im Hinblick auf eine gesundheitliche Wirkung bei der Bewertung eines Schimmelbefalls nicht zielführend.

Messungen in betroffenen Räumen sollten daher ausschließlich erfolgen, um das Vorliegen und ggf. das Ausmaß eines Schimmelbefalls im Innenraum zu ermitteln. Zur Messstrategie und zu den Analyseverfahren liegen inzwischen internationale Standards vor [53]. Zur mikroskopischen Analyse wird vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) derzeit eine Richtlinie (VDI 4300-13) erarbeitet.

Zur Beurteilung des gesundheitsschädlichen Potenzials von Bioaerosolen im Innenraum müssen in Zukunft integrative Messverfahren entwickelt und erprobt werden. Zum Nachweis der reizenden, toxischen und/oder immunomodulatorischen Eigenschaften von Bioaerosolen oder des Hausstaubs bieten sich effektbasierte Testverfahren [54] an, mit denen die synergistische Wirkung aller vorhandenen biogenen Noxen auf Zellkulturen nachgewiesen werden kann. Solche Verfahren wurden in der Pilotphase zur Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit, GerES (2014–2017) zum ersten Mal erprobt.

Momentan kann für betroffene Bewohner nur eine dispositionsbasierte Risikobewertung anhand der ärztlichen Bewertung der gesundheitlichen Anfälligkeit gegenüber Wirkungen von Schimmel erfolgen. Hierbei müssen insbesondere folgende Risikogruppen beachtet werden: Patienten mit Immunsuppression, Patienten mit Mukoviszidose (zystischer Fibrose), Patienten mit Asthma sowie Patienten mit Grunderkrankungen im Bereich der Schleimhäute der Augen und Atemwege. Der Leitfaden der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) mit dem Titel „Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen“ [51] beschreibt detailliert den heutigen Wissensstand zu den mit Schimmel assoziierten Krankheitsbildern und erstmals ein auf den Patienten bezogenes diagnostisches Prozedere.

Richt- und Referenzwerte für chemische Noxen

Mit zunehmender Erkenntnis der Bedeutung des Innenraumes für die menschliche Gesundheit wurden seit Mitte der 1970er-Jahre von nationalen und internationalen Gesundheitsorganisationen Maßnahmen zur Verbesserung der Raumluftqualität vorgeschlagen. Diese Maßnahmen lassen sich grob in drei Kategorien aufteilen:

  1. a)

    Empfehlungen zum Lüftungsverhalten (vgl. Abschnitt „Lüftung“),

  2. b)

    Begrenzung der Emission schädlicher Stoffe aus bestimmten Produkten bzw. Produktgruppen (vgl. Abschnitt „Organische Substanzen“),

  3. c)

    Ableitung von Vergleichswerten (Referenzwerte, Leitwerte, Richtwerte, Grenzwerte) für den Innenraum.

Die im dritten Punkt genannten Vergleichswerte sollen einen objektiven Bewertungsmaßstab bereitstellen, nach dem die gesundheitliche Gefährdung für den Aufenthalt in einem bestimmten Innenraum konkretisiert werden kann. Die vorhandenen Konzepte sind in Tab. 1 umschrieben.

Tab. 1 Bewertungskonzepte für die Konzentration von Schadstoffen in der Innenraumluft, modifiziert nach Sagunski et al. [55]. Die rechtliche Bedeutung der Werte in der Tabelle nimmt nach unten zu

Die statistisch abgeleiteten Referenzwerte für Stoffkonzentrationen in der Luft, aber z. B. auch im Hausstaub, beruhen in der Regel auf einer großen Anzahl real getätigter Messungen. Ihre Ableitung setzt idealerweise zwei Dinge voraus: a) eine nach Zufallsgesichtspunkten erhobene und repräsentative Stichprobe mit einer ausreichenden Anzahl von Daten und b) Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion dieser Stichprobe. Da die Konzentrationen von Stoffen in der Umwelt häufig logarithmisch normalverteilt sind, ergeben sich verschiedene Möglichkeiten zur Definition sinnvoller Referenzwerte. In der Praxis benennt man meist höhere Perzentile der in der Umwelt bestimmten statistischen Verteilungen einer Stoffkonzentration oder eines Parameters, da diese über die beschreibende Statistik direkt zugänglich sind. Referenzwerte können z. B. aus repräsentativen Bevölkerungsstudien wie der Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit (GerES) ermittelt werden [21, 56]. Aus einem großen Stichprobenumfang anlassbezogener Luftmessungen wurden hingegen die Orientierungswerte der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF) bestimmt [22]. Diese sind brauchbar, wenn keinerlei andere Vergleichsmaßstäbe vorliegen.

Das zentrale Gremium für die Bewertung von Innenraumluftschadstoffen in Deutschland ist der Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR; vormals Ad-hoc-Arbeitsgruppe). Der AIR geht auf ein Mandat der Gesundheitsministerkonferenz zurück und besteht aus Fachleuten des Bundes und der Länder. Zusätzliche Experten wirken in der Arbeit des Ausschusses mit. Der AIR hat seit 1996 auf Grundlage eines grundlegenden Ableitungsschemas [57, 58] eine große Zahl an Richtwerten für innenraumrelevante Substanzen festgelegt. Nach dem Konzept des AIR werden Richtwert I (RW I) und Richtwert II (RW II) abgeleitet. Diese unterscheiden sich konventionsgemäß durch einen Faktor 10, sofern kein LOAEC („lowest observed adverse effect level“) für die Ableitung von RW I zur Verfügung steht. RW I ist ein Vorsorgewert und beschreibt die Konzentration eines Stoffes in der Innenraumluft, bei der bei einer Einzelstoffbetrachtung nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch dann keine gesundheitliche Beeinträchtigung zu erwarten ist, wenn ein Mensch diesem Stoff lebenslang ausgesetzt ist. RW II ist ein wirkungsbezogener Beurteilungswert und stellt die Konzentration eines Stoffes dar, bei deren Erreichen bzw. Überschreiten unverzüglich zu handeln ist. Bis auf wenige Ausnahmen, wie z. B. NO2, sind die Richtwerte für die kontinuierliche Exposition empfindlicher Personengruppen ausgelegt. Jeder nach dem Basisschema abgeleitete Richtwert wird vom AIR in einer Publikation begründet und erläutert.

Humanbiomonitoring und Umgebungsmonitoring

Die obige Behandlung gesundheitsrelevanter Expositionen ging immer von Stoffkonzentrationen in der Raumluft oder anderen Medien (z. B. Hausstaub) aus. Es ist bekannt, dass Umweltschadstoffe nur selten eine lokale und direkt sichtbare Wirkung entfalten. Dies gilt vor allem für die Dauerexposition gegenüber relativ niedrigen, in der Regel nichttoxischen Dosen an Umweltschadstoffen. Das Humanbiomonitoring (HBM) eröffnet die Möglichkeit, die direkte Schadstoffbelastung des Körpers zu bestimmen. Im HBM wird die Belastung mit einem Schadstoff mittels spezifischer Biomarker bestimmt, häufig sind das ein oder mehrere Metaboliten oder auch die Muttersubstanz. Wenn entsprechende Daten zum Metabolismus vorliegen, kann aus der körperlichen Belastung die aufgenommene Schadstoffdosis errechnet werden. Persistente und akkumulierende Stoffe wie Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) und die polychlorierten Biphenyle (PCB) reichern sich im Körper an.

HBM-Untersuchungen sind integraler Bestandteil der deutschen Umweltstudie zur Gesundheit GerES (früher: Umwelt-Survey), um bevölkerungsrepräsentativ die innere Belastung der in Deutschland lebenden Menschen zu bestimmen [59,60,61,62]. GerES ist eine Befragungs- und Untersuchungsstudie. Sie dient der Abschätzung der Belastung durch Chemikalien über alle Expositionspfade, der Identifikation von Belastungsquellen und besonders hoch belasteten Teilpopulationen sowie der Erkundung der räumlichen und zeitlichen Verbreitung. Untersucht werden neu in die Aufmerksamkeit gerückte Stoffe, die toxikologisch oder für die Exposition der Allgemeinbevölkerung relevant sind bzw. Stoffe mit hoher Marktbedeutung [63, 64]. GerES kombiniert die Untersuchung der inneren Belastung mittels HBM mit einem Umgebungsmonitoring, welches die Schadstoffbelastung in Trinkwasser, Hausstaub und Innenraumluft quantifiziert. HBM und Methoden zur Bestimmung von chemischen Substanzen in Gasphase, Partikelphase und Hausstaub können daher komplementäre Informationen zur Bewertung der Innenraumluftqualität liefern.

Grundsätzlich kann das HBM zur Analyse der Belastungen in einer Anzahl verschiedener Matrices verwendet werden. Häufig verwendete Matrices sind Urin, Blut, Plasma oder Serum, für welche standardisierte und validierte HBM-Methoden vorhanden sind. Anlassbezogen werden aber auch andere Matrices untersucht, etwa Atemgas, Haare oder Muttermilch. Die Atemgasanalyse dient im Wesentlichen der Erkennung bestimmter Erkrankungen. Muttermilch dient als Matrix bei Studien zur Belastung von Säuglingen. Blut, Blutplasma und Blutserum werden als zuverlässige Indikatoren angesehen, da praktisch alle aufgenommenen Substanzen über den Blutkreislauf transportiert werden. Ein Nachteil von Blutanalysen ist, dass die Probenahme invasiv erfolgt und medizinisches Fachpersonal erfordert. Zudem ist die Menge an verfügbarem Blut begrenzt und die mit der Blutabnahme verfolgten Ziele müssen hohe Anforderungen einer Ethikkommission erfüllen. Urinproben werden hingegen nicht invasiv gewonnen und sind in der Regel in größeren Volumina verfügbar. Urin eignet sich insbesondere für den Nachweis der Metabolite nicht persistenter Stoffe. Durch die Eindeutigkeit von Markern können Belastungen im Urin einem Stoff zugeordnet und so Fehleinschätzungen durch mögliche Kontamination mit der Muttersubstanz vermieden werden. Da die ausgeschiedene Urinmenge stark von der Flüssigkeitsaufnahme abhängt, werden die gemessenen Konzentrationen eines Stoffes für bestimmte Auswertungen auf den Kreatininwert bezogen.

In Deutschland wurde 1996 die Kombination von Innenraummonitoring und Humanbiomonitoring zur Erarbeitung der Richtlinie für die Bewertung und Sanierung pentachlorphenol-(PCP-)belasteter Baustoffe und Bauteile in Gebäuden (sog. PCP-Richtlinie) herangezogen. Referenzwerte für PCP in Blut und Urin wurden von der Kommission für Humanbiomonitoring 1997 abgeleitet [65, 66].

Zusammenhangsanalysen zwischen Anreicherungen von Stoffen im Hausstaub und der körperlichen Belastung begannen mit GerES I [67]. Ziel derartiger Untersuchungen ist es, den möglichen Beitrag der häuslichen Umgebung zur direkten körperlichen Belastung zu bestimmen. In etwa seit dem Jahr 2000 werden routinemäßig Phthalate im Urin untersucht [68]. Mit dieser Methode wurde in GerES auch die Assoziation zwischen Urin- und Hausstaubkonzentrationen für Di-2-ethylhexylphthalat (DEHP) untersucht. Anders als bei dem Biozid Pentachlorphenol (PCP) konnten für DEHP in GerES jedoch keine signifikanten Korrelationen beobachtet werden [59].

Weichmacher (Phthalate und Phthalatersatzstoffe) und Flammschutzmittel (Phosphorsäureester und polybromierte Biphenylester) sind wichtige Untersuchungsgegenstände in HBM-Studien geworden [69,70,71]. Mittels HBM kann man nicht nur die gleichzeitige Abnahme der Konzentration und Exposition bereits regulierter oder freiwillig reduziert verwendeter oder gar aus dem Markt genommener Schadstoffe erkennen, sondern wie bei neuen Substanzen oder Ersatzstoffen auch die Zunahme der körperlichen Belastung. Dies wurde beispielsweise für verschiedene Urinmetaboliten des im Jahr 2002 eingeführten DEHP-Ersatzstoffes Hexamoll® DINCH (1,2-Cyclohexandicarbonsäurediisononylester) gezeigt [72]. HBM ist zentraler Bestandteil von Studien wie GerES, der Umweltprobenbank [60] und der US-amerikanischen Gesundheits- und Verzehrstudie NHANES [73]. Um die Datenlage zum HBM in Europa zu harmonisieren, zusammenzuführen, die gesundheitlichen Folgen der Schadstoffbelastung besser zu verstehen und HBM als Instrument der Chemikalienpolitik dauerhaft zu etablieren, fördert die EU-Kommission das European Joint Programme HBM4EU [74, 75], das vom Umweltbundesamt geleitet wird.

Fazit

Der Innenraum hat eine zentrale Bedeutung für die mögliche Exposition des Menschen gegenüber Schadstoffen aus technischen und konsumbezogenen Produkten sowie aus der weiteren Umwelt. Sowohl die zeitliche als auch stoffbezogene Exposition sind nur teilweise durch eigenes Handeln beeinflussbar. Für die Reduzierung von Schadstoffen in der Atemluft ist die richtige Lüftung von großer Bedeutung. Für verschiedene Nutzungsbedingungen, wie z. B. die stark durch CO2 belasteten Bildungseinrichtungen, stehen abgestufte Lüftungskonzepte bereit, mit denen hygienisch einwandfreie Luftbedingungen erreicht werden können [5]. Radon gehört zu den Schadstoffen, denen angesichts ihrer kanzerogenen Wirkung und ihres räumlich ungleich verteilten Vorkommens derzeit nur unzureichend Beachtung geschenkt wird. Eine erhöhte Gefährdung liegt in sogenannten Radongebieten vor und/oder bei der Aufkonzentrierung in Räumen mit zu geringem Luftwechsel nach energetischen Sanierungen.

Organische Stoffe sind im Innenraum in einer breiten Vielfalt anzutreffen. Normalerweise treten nur die wenigsten Stoffe in Konzentrationen auf, bei denen Gesundheitseffekte zu erwarten sind. Der informierte Verbraucher hat jedoch Möglichkeiten, sich vor unnötigen Belastungen zu schützen. In Deutschland hat der Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB) ein Bewertungssystem geschaffen, welches Bauprodukte auszeichnet, die nur begrenzt organische Stoffe (VOC) emittieren. Derzeit läuft ein Prozess zur Einrichtung einer europäischen Regelung mit ungewissem Ergebnis.

Schimmel ist den meisten Menschen als mögliche Gefährdung in Gebäuden bekannt. Bevölkerungsbezogene Studien bestätigen ein erhöhtes Risiko, bei Schimmelbefall in den Wohnräumen an den Atemwegen zu erkranken. Schimmelwachstum im Innenraum ist als Gesundheitsrisiko zu betrachten, selbst wenn derzeit kein gesicherter Zusammenhang zwischen dem Vorkommen einzelner Schimmelpilzarten oder bestimmten biogenen Noxen und Gesundheitsbeschwerden hergestellt werden kann. Für die fachgerechte Erfassung von Schimmelbefall und die nachhaltige Sanierung zeigt der im Jahr 2017 neu erschienene Schimmelleitfaden des Umweltbundesamtes zahlreiche Optionen auf [47].

Bei den partikelförmigen Belastungen treten neben altbekannten Quellen wie dem Tabakrauch und dem Feinstaub aus der Außenluft auch immer wieder neue, unerwartete Quellen auf den Plan. Hier seien beispielsweise dekorative Ethanolöfen genannt, die große Mengen ultrafeiner Partikel ungeschützt in die Raumluft emittieren. Asbestfasern sind nach wie vor ein Problem in bis in die 1990er-Jahre verbauten Bauprodukten, das derzeit vermehrt durch die Sanierung älterer Gebäude zutage tritt. Mit dem Schutz vor entsprechenden Faserfreisetzungen im Hand- und Heimwerkerbereich befasst sich der nationale Asbest-Dialog.

Um auch in Ermangelung von Grenzwerten einen Bewertungsmaßstab für Innenraumluftsubstanzen bereitzustellen, hat der Ausschuss für Innenraumrichtwerte seit 1996 eine große Zahl an Richtwerten für innenraumrelevante Stoffe festgelegt. Die toxikologisch begründeten Richtwerte sind von verfügbaren Dosis-Wirkungs-Beziehungen der jeweiligen Stoffe abgeleitet und werden z. B. eingesetzt, um die gesundheitliche Gefährdung in einer konkreten Innenraumsituation zu beschreiben und die Notwendigkeit von Sanierungen zu begründen.

Humanbiomonitoring (HBM) eröffnet die Möglichkeit, eine innere Schadstoffbelastung im Körper zu bestimmen. Hierbei können eine Vielzahl von Biomarkern in menschlichen Körperflüssigkeiten und -geweben bestimmt werden. Neben der Bestimmung einer repräsentativen Schadstoffbelastung in der Bevölkerung kann HBM wichtige Dienste bei der Ermittlung der Verbreitung neu auf dem Markt erschienener Chemikalien leisten. HBM und die Methoden zur Bestimmung chemischer Substanzen in Gas‑, Partikelphase und Hausstaub werden heute als einander ergänzende Ansätze zur Expositionsabschätzung in Innenräumen angesehen.

Tab. 2 fasst summarisch die derzeit relevantesten Stoffe und Stoffgruppen mit Bedeutung für die Schadstoffbelastung im Innenraum zusammen.

Tab. 2 Wichtige Stoffe und Stoffgruppen mit Bedeutung für die Schadstoffbelastung im Innenraum, in Anlehnung an BMLFUW [76]

Die Ermittlung, Bewertung und Beseitigung von Schadstoffen in Innenräumen stellt sich nach wie vor als dynamisches Handlungsfeld dar, welches durch die Einführung neuer Stoffe und Stoffklassen in Zusammenwirkung mit den tendenziell geringer werdenden Luftwechseln in Gebäuden bedeutsamer und komplexer und damit in ihrer Auswirkung auf die menschliche Gesundheit weniger vorhersehbar geworden ist.

Infobox 1

Jeder Mensch atmet Kohlendioxid aus. Daher ist der Kohlendioxidgehalt ein guter Gradmesser für die Qualität der Innenraumluft. Die im November 2017 erschienene Broschüre „Anforderungen an Lüftungskonzeptionen in Gebäuden, Teil I: Bildungseinrichtungen“ [5] zeigt Wege zur wirksamen Raumlüftung in dicht belegten Räumen und Gebäuden, allen voran Bildungseinrichtungen, auf. Die Autoren der Broschüre appellieren daran, dass zur Erlangung hygienisch einwandfreier Innenraumluft bei Neubauten und Renovierungen an Bildungseinrichtungen von vorn herein eine mechanische Grundlüftung vorgesehen wird. Download: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/anforderungen-an-lueftungskonzeptionen-in-gebaeuden.

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Infobox 2

Schimmel stellt nach wie vor eines der häufigsten Probleme in Innenräumen dar. Der im Dezember 2017 neu erschienene Schimmelleitfaden des Umweltbundesamtes hält die wesentlichen Informationen zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden bereit [47]. Er dient sowohl den bei der Erfassung und Beseitigung von Schimmelschäden beteiligten Fachkreisen als auch den von Schimmelbefall betroffenen Raumnutzern als Wissensquelle. Download: https://www.umweltbundesamt.de/schimmelleitfaden.

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