Zusammenfassung
Hintergrund
Kontaminanten in Lebensmitteln können ein ernst zu nehmendes gesundheitliches Risiko darstellen. Für eine angemessene Risikokommunikation muss auch die subjektive Risikowahrnehmung der Öffentlichkeit Berücksichtigung finden. Das weite Themenspektrum und die häufig nicht konsequent vollzogene begriffliche Trennung zu Rückständen und Zusatzstoffen erfordern dabei eine umfangreiche Verdeutlichung gegenüber Verbrauchern. In einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung wurde eine laiengerechte Sprache mit einer klaren Begriffsabgrenzung kombiniert, um die Risikoeinschätzung der Bevölkerung zu erfassen.
Ziel der Arbeit
Ziel war es, die Bekanntheit von Kontaminanten und deren wahrgenommene Gesundheitsrisiken zu bestimmen. Ermittelt wurden zudem der Informationsstand und -bedarf der Bevölkerung, die Grundeinstellungen in Bezug auf Kontaminanten, die Ansichten zu verantwortlichen Akteuren sowie die Einhaltung konkreter Schutzmaßnahmen, wie etwa die Vermeidung bestimmter Lebensmittel, um Gesundheitsrisiken durch Kontaminanten zu reduzieren.
Methoden
Eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe von 1001 Personen wurde mittels computergestützter telefonischer Interviews zum Thema „Kontaminanten in Lebensmitteln“ befragt.
Ergebnisse
Die Mehrheit der Befragten stuft Kontaminanten als ein hohes Gesundheitsrisiko ein, obwohl nur eine Minderheit spontan Kontaminanten im Sinne der wissenschaftlich-rechtlichen Definition als Beispiele für unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln aufführt. Quecksilber und Dioxin sind die bekanntesten Kontaminanten. Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind der Bevölkerung nahezu unbekannt.
Diskussion
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen einen themenspezifischen Handlungsbedarf auf und bieten Anknüpfungspunkte für eine zielgruppengerechte Risikokommunikation.
Abstract
Background
Food contaminants can pose a serious health threat. In order to carry out adequate risk communication measures, the subjective risk perception of the public must be taken into account. In this context, the breadth of the topic and insufficient terminological delimitations from residues and food additives make an elaborate explanation of the topic to consumers indispensable. A representative population survey used language adequate for lay people and a clear definition of contaminants to measure risk perceptions with regard to food contaminants among the general public.
Objectives
The study aimed to assess public awareness of contaminants and the perceived health risks associated with them. In addition, people’s current knowledge and need for additional information, their attitudes towards contaminants, views on stakeholder accountability, as well as compliance with precautionary measures, such as avoiding certain foods to reduce health risks originating from contaminants, were assessed.
Materials and methods
A representative sample of 1001 respondents was surveyed about food contaminants via computer-assisted telephone interviewing.
Results
The majority of respondents rated contaminants as a serious health threat, though few of them spontaneously mentioned examples of undesirable substances in foods that fit the scientific or legal definition of contaminants. Mercury and dioxin were the most well-known contaminants. Only a minority of respondents was familiar with pyrrolizidine alkaloids.
Conclusions
The present findings highlight areas that require additional attention and provide implications for risk communication geared to specific target groups.
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Einleitung
Im wissenschaftlich-rechtlichen Sinne versteht man unter Kontaminanten Stoffe, die unbeabsichtigt in Lebens- und Futtermittel gelangen, etwa aufgrund technologisch unvermeidbarer Prozessbedingungen, während des Transportvorgangs oder aufgrund von Migration durch Verpackungen [1, 2]. Auch anthropogene oder natürliche Einflüsse auf die Umwelt können das Auftreten von Kontaminanten in Lebens- und Futtermitteln begünstigen. In den vergangenen Jahren stieg in den meisten Ländern der Europäischen Union die Besorgnis der Bevölkerung über die Belastung von Lebensmitteln mit Kontaminanten wie Quecksilber oder Dioxin deutlich an [3]. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass Lebensmittel heute sicherer sind, als sie es je waren, nimmt ein Großteil der Bevölkerung eher eine Abnahme der Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln wahr [4, 5]. Mögliche Ursachen für diese Diskrepanz sind zum Teil einseitige Darstellungen durch Selektionsroutinen der Medien, aber auch eine zunehmende Sensibilität der Bevölkerung für gesundheitliche Risiken [6]. Die intuitiven Risikoeinschätzungen der Bevölkerung basieren zudem häufig auf anderen Prinzipien und Kriterien als die Risikobewertungen von Experten [7, 8], sodass gesundheitliche Risiken oftmals über- oder unterschätzt werden [9]. Risiken, die sich beispielsweise nicht durch das eigene Verhalten beeinflussen lassen, werden in der intuitiven Risikoeinschätzung von Laien schwerwiegender bewertet als solche, denen man selbst entgegenwirken kann [7, 10, 11]. Folglich werden chemische Kontaminationen oftmals als besonders bedrohlich empfunden, da sie aus Sicht der Bevölkerung weniger der eigenen Kontrolle unterliegen und grundsätzlich als ein aufgezwungenes Gesundheitsrisiko angesehen werden [12].
Viele Fragen im Hinblick auf die Wahrnehmung von Gesundheitsrisiken durch Kontaminanten sind aus unterschiedlichen Gründen jedoch noch ungeklärt. So gibt es derzeit nur eine vergleichsweise geringe Anzahl wissenschaftlicher Studien zur öffentlichen Risikowahrnehmung gegenüber Kontaminanten in Lebensmitteln, die zudem teils geringe Stichprobengrößen aufweisen, aufgrund qualitativer Forschungsansätze [12] oder einer thematischen Zuspitzung auf einzelne Kontaminanten [13,14,15]. Hinzu kommt ein in zweifacher Hinsicht bedeutsames Definitionsproblem: nämlich einerseits die Verwendung unterschiedlicher Definitionen von Kontaminanten im Rahmen wissenschaftlicher Studien (so gelten in einigen Studien z. B. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und Antibiotika als Kontaminanten [16]) und andererseits Definitionsbarrieren zwischen Laien und Experten [17]. Bei Befragungsstudien und der partizipativen Risikokommunikation stellt die sprachliche Aufbereitung von Themen, die durch Fachterminologie geprägt sind, eine besondere Herausforderung dar. Durch die Verwendung unverständlicher und uneinheitlicher Terminologie werden Laien von vornherein von einer inhaltlichen Diskussion ausgeschlossen [10].
Die Thematiken „Ernährung und Lebensmittel“ zeichnen sich außerdem durch eine Vielzahl gesundheitsrelevanter Aspekte aus, die sich nicht auf den Bereich Kontaminanten beziehen [3]. Lebensmittelzusatzstoffe [12, 18, 19], der Zucker- und Salzgehalt von Lebensmitteln [20], Pestizidrückstände [3] sowie die kalorische Beschaffenheit von Speisen sind möglicherweise im Bewusstsein der Bevölkerung stärker verankert als eine Belastung von Lebensmitteln mit Kontaminanten. Wesentliche Ziele der vorliegenden Repräsentativbefragung waren es, herauszufinden, inwieweit die Bevölkerung bei lebensmittelbedingten Gesundheitsrisiken spontan an Kontaminanten denkt und ob maßgebliche Vorsichtsmaßnahmen wie die Faustregel „vergolden statt verkohlen“ zur Reduzierung des Acrylamidgehalts beim Erhitzen von stärkehaltigen Lebensmitteln weiten Teilen der Bevölkerung bekannt sind. Zudem sollen die Ergebnisse einen Überblick darüber verschaffen, welche Kontaminanten der Bevölkerung geläufig sind, welchen Lebensmitteln eine hohe Belastung mit Kontaminanten nachgesagt wird und welche individuellen Maßnahmen zur Risikominimierung ergriffen werden. Allgemein bestand die Zielsetzung der Befragung darin, aktuelle Daten zur Risikowahrnehmung gegenüber Lebensmittelkontaminanten zu erheben und mögliche Anknüpfungspunkte und Handlungsbedarf für eine zielgruppengerechte Risikokommunikation zu identifizieren.
Methoden
Stichprobe
Hierfür wurde eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe von 1001 Personen mittels computergestützter telefonischer Interviews (CATI-Methode) befragt [21]. Die Probanden wurden zufällig aus der Grundgesamtheit der in Privathaushalten lebenden, deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren ausgewähltFootnote 1. Die Auswahl der Befragungsperson in Haushalten mit mehreren Personen erfolgte ebenfalls per Zufallsverfahren. Dabei wurde die Person, die zuletzt Geburtstag hatte, als das zu befragende Haushaltsmitglied festgelegt (sog. Last-Birthday-Methode [22]). Da ein wachsender Anteil der Bevölkerung nur noch mobil erreichbar ist [23], wurden in der Stichprobenziehung neben Festnetznummern auch Mobilfunknummern mit einem Anteil von 20 % berücksichtigt. Die Interviews hatten eine durchschnittliche Dauer von 18 min und wurden zwischen dem 17. und 26. November 2016 durchgeführt.
Verwendete Terminologie und Begriffserläuterung
Da die unter Experten gängige Terminologie für Kontaminanten in Lebensmitteln aus Sicht der Autoren als nicht laientauglich und folglich als ungeeignet für eine Bevölkerungsbefragung angesehen wird, wurde dieser Ausdruck in den Interviews durchgängig durch den Ausdruck „unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln“ ersetzt. Um eine inhaltliche Übereinstimmung der Begriffe zu gewährleisten, verlas der Interviewer im Anschluss an die Einstiegsfragen (s. Abschn. „Einleitung Fragebogen“) die folgende Begriffserläuterung: „Unter unerwünschten Stoffen verstehen wir in dieser Befragung entsprechend der wissenschaftlichen Definition Stoffe, die durch Umwelteinflüsse oder Verarbeitungsprozesse bei der Herstellung und Zubereitung unbeabsichtigt in Lebensmittel gelangen. Zu diesen unerwünschten Stoffen zählen beispielsweise Schwermetalle wie Blei, Cadmium oder Quecksilber bzw. Stoffe wie Dioxin oder Acrylamid. Nicht gemeint sind Stoffe, die Lebensmitteln mit Absicht zugefügt werden, wie z. B. Konservierungsstoffe oder Rückstände von Stoffen, die absichtlich bei der Produktion von Lebensmitteln eingesetzt werden, wie Pflanzenschutzmittelwirkstoffe.“
Einleitung Fragebogen (vor Begriffserläuterung)
Die einleitende Frage richtete sich an die generelle Kenntnis von unerwünschten Stoffen in Lebensmitteln („Haben Sie schon einmal davon gehört, dass Lebensmittel unerwünschte Stoffe enthalten können oder haben Sie davon noch nicht gehört?“). Probanden, die angaben, bereits von unerwünschten Stoffen gehört zu haben, wurden zudem gebeten, konkrete Beispiele zu benennen („Können Sie mir ein oder mehrere Beispiele für unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln nennen?“). Diese beiden Fragen wurden der oben beschriebenen Begriffserläuterung mit der Absicht vorangestellt, spontane Nennungen von Substanzen oder Substanzgruppen zu erfassen, die die Probanden als Kontaminanten ansehen, ungeachtet der Tatsache, ob es sich dabei um Kontaminanten im wissenschaftlich-rechtlichen Sinne [1] handelt. Diese Art der Fragestellung ermöglichte es, den Anteil der Probanden zu bestimmen, der beim Thema unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln spontan und ohne Hilfestellung seitens des Interviewers an Kontaminanten gemäß der genannten Definition dachte. Ergebnisse vorangegangener Studien deuten darauf hin, dass andere Themenfelder im Bereich Ernährung und Lebensmittel, wie beispielsweise Lebensmittelzusatzstoffe, stärker im Bewusstsein der Bevölkerung verankert sein könnten [12, 18]. Dies scheint im Wesentlichen der stärkeren gesellschaftlichen und medialen Auseinandersetzung mit diesen Themen geschuldet zu sein.
Auf die Einstiegsfragen folgte die Begriffserläuterung mit dem Ziel, einen gemeinsamen Diskussionskontext für die weitere Befragung zu schaffen, auf den sich alle nachfolgenden Fragen bezogen. Durch diese explizite Abgrenzung des Begriffs „unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln“ verengte sich der Interpretationsrahmen auf die Definition von Kontaminanten im naturwissenschaftlich-rechtlichen Sinne [2].
Fragebogen Hauptteil (nach Begriffserläuterung)
Im Hauptteil der Befragung wurden die Probanden zu einer Reihe von Themen im Zusammenhang mit unerwünschten Stoffen in Lebensmitteln befragt. Tab. 1 zeigt eine Übersicht der verwendeten Fragen mit den jeweiligen Antwortkategorien. Die Fragen richteten sich auf die allgemeine Risikoeinschätzung der Befragten und die erwartete Entwicklung der Belastung von Lebensmitteln mit unerwünschten Stoffen (Fragen 1.1 und 1.2), den Informationsstand und die generelle Einstellung zu unerwünschten Stoffen (Fragen 2.1 und 2.2), die Vermeidung und Bewertung einzelner Lebensmittel (Hühnereier, Pistazien, Kräutertee, Honig, Reis und Reisprodukte, Milch, Äpfel, Kartoffelchips, Röstkaffee, Thunfisch, Grillfleisch) und Kontaminanten (Dioxin in Eiern oder Milch, Arsen in Reis und Reisprodukten, Acrylamid in Pommes frites oder getoastetem Brot, Benzpyren in Grillfleisch, Quecksilber in Fisch, Pyrrolizidinalkaloide in Tee und Honig; s. Frage 3.1–3.6), den Informationsbedarf der Befragten und die hauptverantwortlichen Akteure im Hinblick auf die Vermeidung gesundheitlicher Risiken durch unerwünschte Stoffe (Fragen 4.1 und 4.2).
Demografische und individualisierende Informationen
Um Gruppenunterschiede anhand von demografischen Charakteristiken zu berücksichtigen, wurden zudem Informationen zu Alter, Geschlecht, Bildung, Haushaltsgröße, Migrationshintergrund (d. h. Proband selbst oder mindestens ein Elternteil außerhalb Deutschlands geboren), Berufsgruppe und Erwerbstätigkeit der Bevölkerungsstichprobe erhoben. Darüber hinaus wurden die Probanden zu ihrem Einkaufsverhalten („Kaufen Sie regelmäßig Bio-Lebensmittel ein?“), ihrer Ernährungsweise („Ernähren Sie sich vegetarisch oder vegan?“) und ihrem allgemeinen Risikoverhalten („Sind Sie im Allgemeinen ein risikobereiter Mensch oder versuchen Sie, Risiken zu vermeiden?“) befragt.
Ergebnisse
Spontane Nennungen vor der Begriffserläuterung
Die Daten wurden mit der Statistiksoftware SPSS (Version 21) ausgewertet. Für die kategorischen Variablen wurden statistische Unterschiede anhand von χ2-Tests ermittelt, als Signifikanzniveau diente dabei ein p -Wert von 0,05 (vgl. Tab. 2, 3 und 4).
Rund 92 % der 1001 Befragten geben an, bereits von unerwünschten Stoffen in Lebensmitteln gehört zu haben. Erwartungsgemäß zeigt die offene Nachfrage, dass die Bevölkerung beim Thema unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln spontan und vor der Begriffserläuterung durch den Interviewer eher selten an Kontaminanten im wissenschaftlich-rechtlichen Sinne [2] denkt. Lediglich 9 % der Befragten nennen mindestens einen Stoff, der laut Definition eine Kontaminante ist. Soziodemografische Unterteilungen hinsichtlich der Häufigkeit, mit der Kontaminanten spontan als Beispiele angeführt werden, sind in Tab. 2 dargestellt. Die häufigsten Nennungen konform der Definition von Kontaminanten entfallen auf die Kategorien Metalle/Schwermetalle und Mineralöl (jeweils 2,3 % der Befragten, die angeben, bereits von unerwünschten Stoffen in Lebensmitteln gehört zu haben) sowie Mikroplastik (1,9 %) und Weichmacher (1,6 %).
Über die Hälfte der Befragten beziehen sich hingegen auf Stoffe, die nicht als Kontaminanten gelten. Gut 30 % der Befragten führen Lebensmittelzusatzstoffe als Beispiele für unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln an, allen voran Geschmacksverstärker (12,4 %) sowie Konservierungs- und Farbstoffe (9 % und 8,8 %). Zucker (6,8 %) und Rückstände von Pestiziden (8,0 %) sowie Arzneimittel wie Antibiotika (5,5 %) werden ebenfalls häufig als unerwünschte Stoffe genannt.
Risikoeinschätzung und Entwicklungstendenz (nach Begriffserläuterung)
Knapp 60 % der Befragten sehen in unerwünschten Stoffen gemäß der wissenschaftlich-rechtlichen Definition ein (sehr) hohes gesundheitliches Risiko; etwa ein Drittel schätzt das gesundheitliche Risiko als mäßig ein. Eine Minderheit von 7 % der Befragten bewertet die gesundheitlichen Risiken von unerwünschten Stoffen in Lebensmitteln als gering oder vernachlässigbar.
Die generelle Entwicklung der Belastung von Lebensmitteln mit unerwünschten Stoffen schätzt die Mehrheit der Befragten als eher zunehmend ein (58 %). Knapp ein Drittel gibt an, dass die Belastung eher gleich bleibt, während 9 % der Auffassung sind, dass sie eher abnimmt. Im Vergleich zum Stichprobendurchschnitt schätzt ein statistisch signifikant größerer Anteil der Personen mit Migrationshintergrund (n = 188) die Belastung mit unerwünschten Stoffen als zunehmend ein (70 %). Arbeiter bewerten die Belastung überdurchschnittlich häufig als eher abnehmend (27 %, statistisch signifikant).
Informiertheit und Einstellung
Knapp die Hälfte (48 %) der Befragten gibt an, sich mittelmäßig über unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln informiert zu fühlen, während je etwa ein Viertel der Befragten sich entweder (sehr) gut oder (sehr) schlecht informiert fühlen.
Jüngere Personen fühlen sich im Allgemeinen statistisch signifikant schlechter informiert als ältere: Bei den 14- bis 29-Jährigen gaben rund 41 % an, (sehr) schlecht über unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln informiert zu sein, im Vergleich zu 15 % bei den über 60-Jährigen.
Die Bestimmung der Grundhaltung gegenüber unerwünschten Stoffen anhand der Einteilung in „aktive Vermeidung“, „informierte Nichtbeachtung“ und „generelle Themenferne“ (vgl. Tab. 1) zeigt, dass knapp die Hälfte der Befragten (49 %) bewusst Lebensmittel meidet, denen eine hohe Belastung mit unerwünschten Stoffen nachgesagt wird. Knapp ein Drittel der Befragten (31 %) gibt an, über die Problematik informiert zu sein, aber sich dadurch nicht in ihrem Einkaufs- und Zubereitungsverhalten beeinflussen zu lassen. Etwas weniger als ein Fünftel der Befragten (18 %) machen sich in ihrem Alltag keine Gedanken über unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln.
Insbesondere Ältere, Frauen, Personen, die Risiken generell eher vermeiden, Personen aus den alten Bundesländern und solche, die sich vegetarisch oder vegan ernähren und regelmäßig Bio-Lebensmittel einkaufen, zeichnen sich durch eine signifikant stärkere Vermeidung belasteter Lebensmittel oder geringere Themenferne aus (s. Tab. 3).
Die Einstellungstendenz der Befragten spiegelt sich ebenfalls in statistisch signifikanten Unterschieden bei der subjektiven Informiertheit wider. Während „Themenferne“ und „informierte Nichtbeachtung“ sich in niedrigen Anteilen von Personen mit einem guten oder sehr guten Wissensstand niederschlägt (14,5 % und 16,3 %), schätzen rund 34 % der „aktiven Vermeider“ ihren Wissensstand als gut oder sehr gut ein.
Vermeidung und Bewertung einzelner Lebensmittel und Kontaminanten
Personen, deren Grundhaltung in „aktiver Vermeidung“ besteht, führen in der offenen Nachfrage überwiegend Fleisch und Fleischprodukte (27 %) – einschließlich Wurst und Geflügel – als Beispiele für Lebensmittel an, die sie wegen ihrer (mutmaßlichen) Belastung mit unerwünschten Stoffen meiden. Abb. 1 zeigt eine grafische Übersicht der häufigsten Nennungen. Diese Untergruppe meidet laut eigenen Angaben zudem häufig Fertigprodukte (15 %) und Lebensmittel, die aus anderen Ländern importiert wurden bzw. nicht aus regionalem Anbau stammen (11 %).
Von den 11 Lebensmittelkategorien, die hinsichtlich ihres Gesundheitsrisikos durch unerwünschte Stoffe bewertet werden, schätzen die Befragten Kartoffelchips (45 % hohes oder sehr hohes Risiko), Grillfleisch (44 % hohes oder sehr hohes Risiko) und Thunfisch (40 % hohes oder sehr hohes Risiko) am riskantesten ein (s. Abb. 2). Hinsichtlich der Einschätzung des gesundheitlichen Risikos von unerwünschten Stoffen in Grillfleisch unterscheiden Frauen und Männer sich signifikant. Die Hälfte der Frauen sieht in Grillfleisch ein hohes oder sehr hohes Risiko durch unerwünschte Stoffe im Vergleich zu 37 % der Männer. Fast ein Viertel der befragten Männer (23 %) sieht in Grillfleisch nur ein geringes oder gar kein Risiko, von den weiblichen Befragten teilen lediglich 14 % diese Einschätzung.
Quecksilber in Fisch sowie Dioxin in Eiern oder Milch sind mit 78 und 70 % die bekanntesten Kontaminanten in Lebensmitteln. Pyrrolizidinalkaloide (PA) in Tee oder Honig (13 %) und Benzpyren in Grillfleisch (18 %) sind hingegen nur einer Minderheit der Befragten bekannt. Die Bekanntheitswerte der 6 Kontaminanten sind zusammen mit dem Gesundheitsrisiko, das in der Wahrnehmung der Befragten von ihnen ausgeht und der Kontrollierbarkeit des Risikos in Tab. 4 dargestellt. Die Tabelle zeigt, dass Quecksilber in Fisch nicht nur das bekannteste, sondern auch das Thema mit dem höchsten vermuteten Gesundheitsrisiko ist (71 % hohes oder sehr hohes Risiko). Ein systematischer, statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Bekanntheitsgrad von Kontaminanten und der Schwere des vermuteten Gesundheitsrisikos wird nicht deutlich. Die beiden Kontaminanten, die sich nach Ansicht der Befragten am ehesten durch das eigene Verhalten kontrollieren lassen, sind Benzpyren in Grillfleisch (72 %) und Acrylamid in Pommes frites oder getoastetem Brot (69 %). Die offene Nachfrage zeigt, dass die Befragten bei möglichen Kontrollmaßnahmen primär an Verzicht oder eine Reduktion des Konsums denken. Im Fall von Benzpyren und Acrylamid ist aber auch die Art der Zubereitung (z. B. „Fett nicht in die Glut tropfen lassen“ oder „Toastbrot nicht zu dunkel werden lassen“) von mindestens einem Drittel der Befragten als mögliche Kontrollmaßnahme aufgeführt.
Verantwortung und Informationsbedarf
Rund ein Viertel der Befragten sieht die Lebensmittelindustrie und den Lebensmittelhandel in der Hauptverantwortung, einem gesundheitlichen Risiko durch unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln entgegenzuwirken. Ein Fünftel benennt Verbraucherverbände als den hauptverantwortlichen Akteur, gefolgt vom Staat und anderen öffentlichen Institutionen mit 14 %.
Durchweg hoch ist der Informationsbedarf der Befragten im Hinblick auf (1) mögliche Schutzmaßnahmen vor unerwünschten Stoffen in Lebensmitteln, (2) die rechtliche Regulation von unerwünschten Stoffen und (3) betroffene Produkte und Produktgruppen. Zwischen 72 und 76 % der Befragten geben an, es (sehr) wichtig zu finden, mehr über diese drei Aspekte von unerwünschten Stoffen in Lebensmitteln zu erfahren.
Signifikante Korrelationen zwischen dem Wissensstand der Befragten und der Wichtigkeit zusätzlicher Informationen zu den drei Aspekten von unerwünschten Stoffen zeigen, dass Personen mit höherem Wissensstand dem Erwerb weiterer Informationen eine größere Bedeutung beimessen als Personen mit niedrigerem Wissensstand (r = 0,11 für Informationen zu Schutzmaßnahmen, r = 0,15 für Informationen zur rechtlichen Regulierung, r = 0,08 für Informationen zu betroffenen Produkten; p < 0,05).
Diskussion
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die Bevölkerung beim Thema unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln spontan eher selten an Kontaminanten im wissenschaftlich-rechtlichen Sinne [1, 2] denkt. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen internationaler Studien [12, 18] sind Verbraucher eher besorgt über gesundheitliche Risiken im Zusammenhang mit Lebensmittelzusatzstoffen und Fleischprodukten. Zur Erfassung der Einstellungen und Verhaltensweisen im Hinblick auf Kontaminanten ist daher eine deutliche begriffliche Trennung zu Rückständen und Zusatzstoffen und eine laiengerechte sprachliche Aufbereitung wie in der vorliegenden Befragung zu berücksichtigen.
Mit jeweils 2,3 % der Nennungen waren Metalle/Schwermetalle und Mineralöl die am häufigsten spontan aufgeführten Beispiele für Kontaminanten gemäß der im Rahmen der Befragung verwendeten Begriffsabgrenzung. Angesichts der Häufigkeit, mit der Lebensmittelwarnungen zu Mykotoxinen (Schimmelpilzgiften) vom Europäischen Schnellwarnsystem RASFF herausgegeben werden – im Jahr 2015 waren es 475 Meldungen [24] – überrascht die geringe ungestützte Bekanntheit dieser Thematik in der Bevölkerung. Lediglich 3 der 1001 Befragten führen spontan Schimmelpilzgifte als Beispiele für unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln auf, obwohl das vergleichsweise häufige Auftreten dieser Form der Kontamination eher eine größere Bekanntheit vermuten lässt (beispielsweise durch direkte Betroffenheit oder aufgrund einer medialen Auseinandersetzung mit der Thematik [25]).
Knapp 60 % der Befragten schätzen Kontaminanten in Lebensmitteln gemäß der verwendeten Begriffserläuterung als ein erhebliches Gesundheitsrisiko ein. Ähnlich wie in Befragungen zu anderen Themen aus dem Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, insbesondere im Hinblick auf die Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln [4], zeigt sich, dass die Bevölkerung die Belastung von Lebensmitteln mit unerwünschten Stoffen als ein tendenziell zunehmendes Risiko wahrnimmt. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der von der Europäischen Kommission durchgeführten Eurobarometerbefragung, die eine tendenziell zunehmende Besorgnis über Stoffe wie Quecksilber und Dioxin in Lebensmitteln in den meisten Ländern der Europäischen Union konstatierte [3].
Etwa die Hälfte der Befragten gibt an, sehr bewusst mit belasteten Lebensmitteln umzugehen und Lebensmittel zu meiden, denen eine hohe Belastung mit unerwünschten Stoffen nachgesagt wird. Für die andere Hälfte der Befragten spielt das Thema im Alltag dahingegen keine Rolle oder sind Informationen zu unerwünschten Stoffen nicht ausschlaggebend für Kaufentscheidungen oder Zubereitungsweisen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieser Aufteilung sozial erwünschte Antwortmuster zugrunde liegen können, sodass die aktive Vermeidung belasteter Lebensmittel im Alltag möglicherweise seltener praktiziert wird als berichtet. Ein ähnliches Antwortmuster konnte auch schon bei zwei Befragungen zu Rückständen von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln beobachtet werden [4, 26].
Fleisch und Fleischprodukte wurden in der offenen Nachfrage am häufigsten als Beispiele für gemiedene Lebensmittel angeführt, in Übereinstimmung mit den Ergebnissen einer qualitativen Studie in verschiedenen europäischen Ländern und Brasilien, laut derer die Bevölkerung vor allem bei Fleisch und Fleischprodukten ein hohes Gesundheitsrisiko durch Lebensmittelkontaminationen vermutet [12]. Dass die Befragten vermutlich auch Rückstände von Arzneimittel oder Hormonpräparate als Kontaminanten deuten, ist bei der Interpretation dieser Ergebnisse zu bedenken.
Kontaminanten mit einem hohen Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung sind Quecksilber in Fisch (78 %) und Dioxin in Eiern oder Milch (70 %). Von Pyrrolizidinalkaloiden (PA) in Honig oder Tee haben dahingegen nur 13 % der Befragten gehört und lediglich 36 % derer, die von PA gehört haben, stufen diesen Stoff als ein bedeutsames gesundheitliches Risiko ein. Am Beispiel von PA wird deutlich, dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit möglichen Gesundheitsrisiken von Kontaminanten in Lebensmitteln [27,28,29] nicht zwingend mit deren jeweiliger Bekanntheit in der Bevölkerung einhergeht. Die in der Risikowahrnehmungsforschung bekannte Kombination von weitreichender Unbekanntheit und niedriger Risikoeinschätzung bei der Bevölkerung [7] zeigt, dass insbesondere bei dieser Thematik ein deutlicher Handlungsbedarf besteht.
Aus Sicht der Befragten obliegt die Verantwortung zur Vermeidung gesundheitlicher Risiken durch Kontaminanten in erster Linie der Lebensmittelindustrie und dem Lebensmittelhandel. Im Hinblick auf einige Kontaminanten, wie beispielsweise Acrylamid und Benzpyren, können Verbraucher aber auch durch die Art der Zubereitung der Entstehung dieser gesundheitsschädlichen Stoffe entgegenwirken [14, 30, 31]. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die verbraucherseitige Kontrollierbarkeit der Gesundheitsrisiken von Acrylamid und Benzpyren in der Tat höher eingeschätzt wird als die der übrigen Kontaminanten. Hiermit liefern die Befragungsergebnisse eine sinnvolle Ergänzung zu früheren Studien, die sich hauptsächlich auf die Besorgnis über derartige Stoffe richteten, ungeachtet bedeutsamer Kontextfaktoren wie deren Bekanntheit und wahrgenommene Kontrollierbarkeit [19]. Bei möglichen Kontrollmaßnahmen denkt die Mehrheit der Befragten in erster Linie an einen Verzicht auf betroffene Lebensmittel oder eine Reduktion des Konsums. Im Hinblick auf Benzpyren und Acrylamid nannte aber mindestens ein Drittel der Befragten Kontrollmaßnahmen, die sich auf die Art der Zubereitung bezogen (z. B. „Fett nicht in die Glut tropfen lassen“ oder „Toastbrot nicht zu dunkel werden lassen“).
Die Untersuchung hat insgesamt gezeigt, dass die Bevölkerung Kontaminanten zwar als ein hohes Gesundheitsrisiko einstuft, sie aber selten spontan als Beispiele für unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln anführt. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Kontaminanten hinsichtlich der Bekanntheit in der Bevölkerung. Besonders Pyrrolizidinalkaloide (PA) in Tee oder Honig als vergleichsweise junges Verbraucherschutzthema sind der Bevölkerung weitestgehend unbekannt. Zugleich hat die Studie auch erkennen lassen, dass Personen mit einem niedrigeren Wissensstand zu unerwünschten Stoffen weniger Interesse an Sachinformationen zu diesem Thema bekunden als Personen mit einem höheren WissensstandFootnote 2.
Vor dem eingangs formulierten Hintergrund der Zielsetzung der Studie, aktuelle Daten zur Wahrnehmung von Kontaminanten in der Lebensmittelkette zu erheben, um aus diesen mögliche Anknüpfungspunkte und Handlungsbedarf für eine zielgruppengerechte Risikokommunikation abzuleiten, erwächst aus diesen Ergebnissen eine Herausforderung in doppelter Hinsicht. Wie bereits in anderen Studien hat sich auch hier eine Definitionsbarriere zwischen Laien und Experten gezeigt, da es in der Bevölkerung keine homogene Wahrnehmung von Kontaminanten gibt, sondern diese zum Teil höchst unterschiedlich wahrgenommen werden sowohl im Hinblick auf ihr Risikopotenzial wie auch hinsichtlich ihrer Kontrollierbarkeit durch die Verbraucher. Hier gilt es künftig, ein kohärentes Verständnis von Lebensmittelkontaminanten in der Laienöffentlichkeit zu schaffen, bei gleichzeitiger Berücksichtigung und Vermittlung des Umstands, dass sich diese hinsichtlich möglicher individueller Maßnahmen zur Risikominimierung unterscheiden. Des Weiteren müssen vor allem weniger gut informierte Personengruppen zunächst im Sinne eines „awareness-raising“ erreicht werden. Einen möglichen Anknüpfungspunkt bieten dabei beispielsweise Multiplikatoren im Gesundheitssektor, die in ihrem Berufsalltag persönlichen Umgang mit verschiedensten Bevölkerungsgruppen pflegen und somit Informationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen können. Generell kann eine verstärkte Zusammenarbeit mit Multiplikatoren aus verschiedenen gesellschaftlichen Feldern dazu beitragen, die Reichweite risikorelevanter Informationen zu erhöhen.
Notes
Nach Standards des Arbeitskreises Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. (ADM).
Der festgestellte positive Zusammenhang zwischen Informationsstand und Informationsinteresse kann auch (zum Teil) ein Artefakt der Interviewsituation sein. Aus dem Bestreben heraus, in sich schlüssige und konsistente Antworten zu geben, wird das eigene Informationsinteresse möglicherweise aus dem Wissensstand abgeleitet, gemäß der Logik, dass Informiertheit eine generelle Affinität mit der Thematik impliziert.
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Danksagung
Wir danken Judith Probstmeyer und Jürgen Thier-Kundke für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Beitrags.
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Interessenkonflikt
S. Koch, M. Lohmann, A. Epp und G.-F. Böl geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Es wurden keine Untersuchungen an Patienten oder Tieren durchgeführt. Die Befragungsdaten wurden anonym und unter Einhaltung ethischer Richtlinien erhoben.
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Koch, S., Lohmann, M., Epp, A. et al. Risikowahrnehmung von Kontaminanten in Lebensmitteln. Bundesgesundheitsbl 60, 774–782 (2017). https://doi.org/10.1007/s00103-017-2557-2
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