Liebe Leserin, lieber Leser,

nosokomialen Infektionen und Antibiotika-resistenten Erregern wird im Vergleich zu allen anderen Infektionskrankheiten seitens des European Center for Disease Control and Prevention (ECDC) in Europa das höchste Bedrohungspotenzial zuerkannt [1]. Auch die EU-Kommission „Health and Consumer Protection Directorate-General“ misst den Strategien zur Verbesserung des Patientenschutzes durch Prävention und Kontrolle nosokomialer Infektionen höchste Bedeutung für die öffentliche Gesundheit bei [2]. Neben der Anerkennung der politischen Priorität wird es hierbei für notwendig angesehen, klare Regeln und Richtlinien zur Prävention und Kontrolle nosokomialer Infektionen in den einzelnen europäischen Staaten verfügbar zu machen. Eine der zentralen Strategien ist neben klaren Verantwortlichkeiten innerhalb der Krankenhausorganisation die Einrichtung einer interdisziplinären Krankenhaushygienekommission sowie die Einrichtung eines Teams von Fachpersonal für die Infektionsprävention und -kontrolle.

In Deutschland war bereits mit der Herausgabe der ersten Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention 1976 die Einrichtung einer Hygienekommission, die Bestellung eines Krankenhaushygienikers, hygienebeauftragter Ärzte sowie von Hygienefachkräften begründet und etabliert worden, wofür klare Aufgabenprofile und in Abhängigkeit von der Bettengröße Bezugszahlen für die Bemessung des erforderlichen Fachpersonals genannt wurden [3]. Deutschland war in Europa somit eines der ersten Länder, das klare Anforderungen an ein Hygienemanagement eingeführt hatte.

Diese Struktur hat sich insbesondere dort, wo sie über einschlägige Verordnungen der Länder in die Praxis umgesetzt wurde, bewährt und ist einer der Grundpfeiler für die Sicherstellung einer modernen Krankenhaushygiene. Nicht allein die Erstellung und Bekanntmachung von evidenzbasierten Richtlinien für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention gewährt eine dem Patientenschutz dienende und lebendige Krankenhaushygiene, sondern die Verfügbarkeit von Fachpersonal, welches die komplexen Entwicklungen auf dem Gebiet der Infektionsprävention und -kontrolle wie in einem Brennglas sammelt, fortlaufend verfolgt und das Wissen sowie die neuen Richtlinien für ihre jeweiligen zu betreuenden Einrichtungen verfügbar macht, hierzu berät und das Personal im Krankenhaus kontinuierlich fortbildet.

Die zunehmenden infektiologischen Probleme und die daraus resultierenden erweiterten krankenhaushygienischen Anforderungen der letzten Jahre haben gezeigt, wie notwendig es ist, die spezifischen organisatorischen und inhaltlichen Anforderungen an die Tätigkeit des Hygienefachpersonals diesen sich verändernden Erfordernissen anzupassen. Mit der jetzt neu erschienenen Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention zu den personellen und organisatorischen Voraussetzungen zur Prävention und Kontrolle nosokomialer Infektionen wurde dem Rechnung getragen, und auch aktuelle und voraussichtliche zukünftige Entwicklungen wurden mit berücksichtigt.

Insbesondere soll diese Empfehlung die Länder anregen, die dringend benötigten Krankenhaushygiene-Verordnungen entweder neu zu erstellen oder bestehende Verordnungen anzupassen. An dieser Stelle muss nochmals mit großer Sorge darauf hingewiesen werden, dass bis heute nur wenige Bundesländer Krankenhaushygiene-Verordnungen erlassen haben, die die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung einer effizienten Krankenhaushygiene sicherstellen. Die einzelnen Bundesländer sind hier in der Pflicht und müssen sich ihrer Verantwortung für den Infektionsschutz, insbesondere in medizinischen Einrichtungen bewusst sein.

Die Empfehlungen sollen aber auch die Notwendigkeit einer deutlich verbesserten Aus- und Weiterbildung von Krankenhaushygienikern, hygienebeauftragten Ärzten und Hygienefachpflegepersonal unterstreichen. Insbesondere im ärztlichen Bereich besteht dringender Bedarf zur Anpassung der bisherigen Weiterbildungsanforderungen, um die in dieser Empfehlung genannten Aufgaben verantwortungsgerecht bewältigen zu können.

Moderne Krankenhaushygiene verlangt spezifische Kenntnisse, nicht nur auf dem Gebiet der Surveillance, sondern auch umfassende Kenntnisse der Pathogenese infektiöser Erkrankungen, aber auch der Ökologie der unterschiedlichen Infektionserreger und der technischen Systeme zum Beispiel zur Desinfektion und Sterilisation, aber auch in der spezifischen krankenhaushygienischen Labordiagnostik. Sie erfordert auch Kenntnisse der allgemein anerkannten Regeln der Technik auf diesen Gebieten sowie der hierfür notwendigen gesetzlichen Grundlagen, ebenso wie Kenntnisse in den Grundzügen der Risikokommunikation und der Wissensvermittlung.

Keine der klassischen Facharztweiterbildungen deckt diese Inhalte zu 100% ab, wobei derzeit die größte Schnittmenge mit den Facharztausbildungen in erster Linie zum Arzt für Hygiene und Umweltmedizin beziehungsweise nachfolgend zum Arzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie besteht. Aus diesem Grunde sind die Fachgesellschaften aufgefordert, über die Bundesärztekammer die entsprechenden Weiterbildungsinhalte anzupassen und festzuschreiben.

Derzeit kann der Bedarf an Krankenhaushygienikern nicht annähernd gedeckt werden. Dies ist nicht allein den wenigen Instituten für Hygiene oder Mikrobiologie an deutschen Universitäten zur Last zu legen. Die Zahl der Ausbildungsstellen ist viel zu gering, zumal ein weiterer Rückgang von Instituten für Hygiene und Mikrobiologie an den Universitäten diese Situation kontinuierlich verschärft. Dieser Entwicklung muss grundlegend gegengesteuert werden, wie dies auch bereits auf dem deutschen Ärztetag 2008 in einer Resolution gefordert wurde [4]. Der Versuch privater Großlaboratorien, der defizitären krankenhaushygienischen Versorgung durch zunehmende Einstellungen von Krankenhaushygienikern zu begegnen, trägt nicht zu einer Verbesserung dieser Situation bei, da dadurch die wenigen modern ausgebildeten Krankenhaushygieniker abwandern und damit für die dringend erforderliche qualifizierte Ausbildung an entsprechenden Einrichtungen nicht mehr zur Verfügung stehen. Dringend notwendig ist es daher – entsprechend den Forderungen des deutschen Ärztetages – wieder Lehrstühle für Hygiene/Krankenhaushygiene an allen deutschen Universitäten einzurichten. Damit wird dieses wichtige Fach zusätzlich in der Lehre und Forschung zum Nutzen des Patientenschutzes und der Öffentlichen Gesundheit verankert.

Die Fachgesellschaften haben zwar schon begonnen, Ausbildungscurricula zu entwickeln, diese bleiben jedoch nur Stückwerk, solange nicht seitens der Politik sowie der Kostenträger sichergestellt wird, dass die erforderliche Zahl von Weiterbildungsstellen wie auch Planstellen vorhanden ist. Die Realisierung dieser Erfordernisse wird die große Herausforderung der nächsten Jahre sein; umso mehr, als immer neue Erregereigenschaften und Therapieresistenzen Infektionskrankheiten zur Bedrohung der Zukunft werden lassen

Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention hat mit der jetzigen Empfehlung zu den Ausbildungsinhalten die Grundlagen festgeschrieben. Nunmehr sind Öffentlicher Gesundheitsdienst, die Kostenträger und die Länder gefordert, das für den öffentlichen Gesundheitsschutz Notwendige zu tun und für die Sicherstellung einer angemessenen personellen Infrastruktur in der Krankenhaushygiene zum Schutz der Patienten zu sorgen.

Ihre

Martin Exner

Heinz-Michael Just