Tab. 1 Zusammenfassung der notfallmedizinischen Studien 2021/2022 und Bedeutung der Akronyme

Einleitung

Die Notfallmedizin unterliegt wie andere Fachdisziplinen einem stetigen Wandel. In der Notfallmedizin sind Studien häufig nur unter einem verhältnismäßig hohen Aufwand oder mit kleinen Fallzahlen durchzuführen. Hinzu kommt, dass Patient:innen in Notfallsituationen nicht bzw. nur bedingt einwilligungsfähig sind und weder die Zeit für eine umfassende Aufklärung noch für eine angemessene Bedenkzeit besteht. Eine Möglichkeit besteht darin, dass Ärzt:innen die Patient:innen nachträglich über eine Studienteilnahme aufklären, um deren Einwilligung einzuholen. Der Einschluss erfolgt mit der Zustimmung einer ärztlichen Person, welche nicht an der Studie beteiligt ist (Konsilärzt:in) [1]. Trotz dieser erschwerten Umstände sind im vergangenen Jahr zahlreiche interessante Studien aus den unterschiedlichen Teilgebieten der Notfallmedizin erschienen. In diesem Übersichtsartikel werden, aus Sicht der Autoren, besonders relevante Publikationen präsentiert. Jede Studie wird in Form eines „Journal Club“ dargestellt mit einer anschließenden Diskussion, in der die Evidenzlage über die Publikation hinaus dargelegt wird.

Koronarangiographie nach prähospitalem Kreislaufstillstand ohne ST-Strecken-Hebungen – eine randomisierte, kontrollierte Multizenterstudie

Originalpublikation

Desch S, Freund A, Akin I et al (2021) Angiography after out-of-hospital cardiac arrest without ST-segment elevation. N Engl J Med 385:2544–2553. https://doi.org/10.1056/NEJMoa2101909

Hintergrund

Einem prähospitalen Kreislaufstillstand („out-of-hospital cardiac arrest“, OHCA) liegt in bis zu 60 % der Fälle ein akutes Koronarsyndrom (ACS) zugrunde [2]. Es besteht eine hohe Inzidenz einer koronaren Läsion bei Erwachsenen, die nach Wiedererlangen des Spontankreislaufes („return of spontaneous circulation“, ROSC) im EKG signifikante ST-Strecken-Hebungen oder einen Linksschenkelblock zeigen. Aus diesem Grund empfiehlt der Europäische Rat für Wiederbelebung (European Resuscitation Council, ERC) in seiner Leitlinie zur Postreanimationsbehandlung in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) die sofortige Koronarangiographie [3, 4]. Weniger eindeutig sind die Empfehlungen nach ROSC und fehlenden ST-Strecken-Hebungen im EKG. Hier soll die Koronarangiographie erwogen werden, wenn eine koronare Ursache aufgrund des klinischen Zustandes wahrscheinlich ist. Die bisher zu dieser Fragestellung durchgeführten randomisierten kontrollierten klinischen Studien („randomized controlled trial“, RCT) konnten keine Überlegenheit der frühen gegenüber der verzögerten Koronarangiographie nachweisen [5,6,]–[7]. Dieses Ergebnis zeigte sich sowohl in 2 Pilotstudien, in die Erwachsene unabhängig von ihrem initialen EKG eingeschlossen wurden [5, 6], als auch im etwas größeren COACT-Trial [7], in welchen nur Personen mit einem initial defibrillierbaren Rhythmus eingeschlossen wurden.

Studie

Methodik, Ergebnisse

Der im Dezember 2021 publizierte TOMAHAWK-Trial ist eine internationale, unverblindete, multizentrische Studie. Nach prähospital erfolgreicher Reanimation wurden 554 Erwachsene entweder in eine Gruppe mit sofortiger oder eine mit verzögerter bzw. selektiver Koronarangiographie randomisiert [8]. Im Gegensatz zum COACT-Trial wurden auch Erwachsene mit initial nichtdefibrillierbarem Rhythmus eingeschlossen. Relevante Ausschlusskriterien waren ST-Strecken-Hebungen oder ein Linksschenkelblock im EKG, schwere hämodynamische oder Rhythmusinstabilität, laufende oder innerklinische Reanimation, gesicherte oder vermutete Schwangerschaft sowie offensichtliche extrakardiale Ursachen des Kreislaufstillstandes.

Der primäre Endpunkt war die 30-Tages-Mortalität jedweder Ursache. Bei einem Kreislaufstillstand prognostisch relevante Merkmale bei Studieneinschluss waren in beiden Gruppen gleichmäßig verteilt. So lag die Rate an initial defibrillierbaren Rhythmen in der Gruppe zur sofortigen Koronarangiographie bei 52,3 % und bei 58,7 % in der Gruppe zur selektiven Angiographie. Insbesondere waren die Häufigkeiten von beobachteten Ereignissen und Laienreanimation sowie die mediane Reanimationsdauer vergleichbar. Von den 554 initial rekrutierten Erwachsenen wurden 530 (95,7 %) in die Analyse eingeschlossen. Der primäre Endpunkt wurde von 143/265 (54 %) bei sofortiger und 122/265 (46 %) bei selektiver Angiographie erreicht (HR 1,28 [95 % Konfidenzintervall [KI] 1,00–1,63]; p = 0,06) und verfehlte somit knapp die Schwelle der statistischen Signifikanz. Im Bereich der sekundären Endpunkte ergaben sich Hinweise für ein häufigeres Auftreten des kombinierten Endpunktes aus 30-Tages-Mortalität und schwerem neurologischen Defizit (definiert als „cerebral performance category“ [CPC] 3–5) nach sofortiger Angiographie (164/255 (64,3 %) vs. 138/248 (55,6 %); RR 1,16 [95 %-KI 1,00–1,34]). Als nicht für multiples Testen adjustierter sekundärer Endpunkt kann dies jedoch lediglich als hypothesengenerierend betrachtet werden. Die weiteren sekundären Endpunkte, wie z. B. schweres neurologisches Defizit, Länge des Intensivaufenthalts, moderate oder schwere Blutungen sowie Schlaganfall, akute Nierenschädigung und Nierenersatztherapie, zeigten keine Unterschiede. Von den 265 Personen mit verzögerter oder selektiver Angiographie wurden letztlich 165 (62,2 %) nach einer medianen Zeit von 46,9 h (Q1–Q3 26,1–116,6) einer Koronarintervention unterzogen, 46 (17,3 %) davon innerhalb der ersten 24 h. Gründe hierfür waren überwiegend der Nachweis eines oder der Verdacht auf einen ausgedehnten Myokardschaden aufgrund von sich entwickelnden ST-Strecken-Hebungen, kardiogenem Schock, Rhythmusinstabilität oder Troponinanstieg. In 17 Fällen wurde kein plausibler Grund genannt. Im Vergleich hierzu lag die mediane Zeit zwischen Kreislaufstillstand und Koronarangiographie in der Gruppe zur sofortigen Angiographie bei 2,9 h (Q1–Q3 2,2–3,9) und erfolgte bei 253/265 Erwachsenen (95,5 %). Sechs der verbliebenen Personen verstarben noch vor der Intervention, während bei den restlichen Personen die Ursache ungeklärt bleibt. Die primäre Datenanalyse erfolgte als „Intention-to-treat“-Analyse. In der durchgeführten Angiographie zeigte sich bei 94/247 (38,1 %) bei sofortiger und 67/156 (43,0 %) bei verzögerter oder selektiver Strategie eine verursachende Koronarläsion, welche dann mittels perkutaner Koronarintervention (PCI) versorgt wurde. Im Rahmen der Postreanimationsbehandlung erhielten 77,6 % zur sofortigen und 78,6 % zur selektiven Intervention ein zielgerichtetes Temperaturmanagement, welches innerhalb von 153 min (Q1–Q3 67–242) bzw. 119 min (Q1–Q3 30–205) nach Klinikaufnahme eingeleitet worden war.

Kommentar zur Studie

Die vorliegende Arbeit bestätigt die fehlende Überlegenheit der sofortigen Koronarangiographie bei hämodynamisch- und rhythmusstabilen Erwachsenen nach primär erfolgreicher prähospitaler Reanimation ohne ST-Strecken-Hebungen oder Linksschenkelblock im EKG. Es zeigte sich sogar ein Trend hin zu einem schlechteren Ergebnis bei Erwachsenen, bei denen eine sofortige Koronarangiographie durchgeführt wurde. Es mag daher sinnvoll sein, entsprechend der Empfehlung des ERC, Erwachsene nach Kreislaufstillstand gezielt auf die Wahrscheinlichkeit einer koronaren Ursache zu untersuchen und bei fehlender dringlicher Indikation für eine Koronarangiographie zunächst die weitere Intensivtherapie mit kardiopulmonaler Stabilisierung, Temperaturmanagement etc. zu initiieren und die Koronarangiographie ggf. zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen. Nichtsdestotrotz dürfen Erwachsene mit einer entsprechenden Indikation für eine sofortige oder frühe Angiographie nicht übersehen werden, weshalb eine reflektierte Beurteilung und Reevaluierung der Notwendigkeit dieser in jedem Falle erfolgen sollte.

Etomidat vs. Ketamin zur Einleitung der Notfallnarkose – eine randomisierte, kontrollierte klinische Studie

Originalpublikation

Matchett G, Gasanova I, Riccio CA et al (2022) Etomidate versus ketamine for emergency endotracheal intubation: a randomized clinical trial. Intensive Care Med 48:78–91. https://doi.org/10.1007/s00134-021-06577-x

Hintergrund

Die Substanzen Etomidat und Ketamin kommen aufgrund ihrer relativ geringen Auswirkungen auf die hämodynamische Stabilität häufig zur Narkoseeinleitung bei kritisch kranken Erwachsenen zum Einsatz [9,10,11,12]. Welches der beiden Medikamente das günstigste Nebenwirkungsprofil hinsichtlich der Hämodynamik kritisch kranker Patient:innen aufweist, ist nicht abschließend geklärt. Des Weiteren führen die bekannte Hemmung der 11β-Hydroxylase in der Nebenniere und die damit einhergehende Suppression der Hormonproduktion durch Etomidat zu unterschiedlichen Standpunkten betreffend dessen Anwendung bei Patient:innen im Schockzustand. Dies ist aktueller Bestandteil wissenschaftlicher Diskussionen hinsichtlich der Schwere der klinischen Auswirkungen dieser Nebenwirkung [13, 14].

Um Antworten auf diese ungeklärten Fragen geben zu können, verglichen die Autor:innen dieser Studie die Überlebensraten von Erwachsenen 7 Tage nach einer Narkoseeinleitung mit Etomidat oder Ketamin im Rahmen einer kritischen Erkrankung. Dies geschah unter der Annahme, dass die Anwendung von Ketamin mit einer größeren Rate an Überlebenden einhergehen würde. Weitere Endpunkte waren die Überlebensrate nach 28 Tagen, die Dauer der künstlichen Beatmung, die Intensivaufenthaltsdauer, eine Vasopressortherapie, die Sequential-Organ-Failure-Assessment(SOFA)-Scores an den Tagen 1 und 4 und eine neu aufgetretene Nebenniereninsuffizienz. Zudem wurden die Hämodynamik bei Narkoseeinleitung und technische Aspekte der Atemwegssicherung analysiert.

Studie

Methodik

Die Studie war eine prospektive, randomisierte, parallel zugeordnete, offene, monozentrische Studie. Der Studienzeitraum erstreckte sich vom 06.06.2016 bis zum 07.09.2020. Durchgeführt wurde die Studie an einem städtischen, akademischen Level-1-Traumazentrum.

Eingeschlossen wurden Personen über 18 Jahre, an denen eine Notfallintubation durchgeführt werden musste. Ausgeschlossen wurden Personen unter 18 Jahren, Schwangere, Personen, die endotracheal intubiert wurden und dafür keine Narkose erhielten (z. B. Personen mit Kreislaufstillstand) und Wachintubationen. Der Einschluss erfolgte durch ein „Airway-Team“ unmittelbar vor der Narkoseeinleitung, wenn aus klinischer Sicht eine Notfallintubation notwendig erschien.

Als einzige Studienintervention erfolgte die randomisierte Wahl von Etomidat oder Ketamin als Induktionshypnotikum. Sämtliche weiteren therapeutischen Maßnahmen, wie z. B. die Gabe von Opioiden, waren der Präferenz des „Airway-Teams“ überlassen, welches an kein weiteres Protokoll gebunden war. Im Allgemeinen wurden die Notfallnarkosen dem Montpellier-Intubation-Protocol folgend durchgeführt [15, 16].

Ergebnisse

Es konnten 801 kritisch kranke Erwachsene eingeschlossen werden, bei denen eine Notfallnarkose notwendig war. Für die Analyse standen am Ende die Daten von 791 Personen zur Verfügung, 396 in der Etomidat- und 395 in der Ketamingruppe. Es konnte eine signifikant höhere Überlebensrate nach 7 Tagen in der Ketamingruppe gezeigt werden (85,1 %. vs. 77,3 %). Daraus ergibt sich eine „hazard ratio“ für Etomidat von 1,6 (95 %-KI 1,2–2,2). Für das 28-Tages-Überleben konnte kein signifikanter Unterschied gezeigt werden (Etomidatgruppe 64,1 % vs. Ketamingruppe 66,8 %, Unterschied −2,7 % [95 %-KI −9,3 bis 3,9]). Hinsichtlich der Dauer der künstlichen Beatmung, der Intensivaufenthaltsdauer, des Vasopressorbedarfs, der Ausprägung eines Organversagens (SOFA-Score), einer neu diagnostizierten Nebenniereninsuffizienz sowie des Intubationserfolgs und der Komplikationen im Rahmen der Atemwegssicherung fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Eine erfolgreiche Intubation beim ersten Versuch wurde in beiden Gruppen in 91,3 % erzielt. Die während der Narkoseeinleitung erhobenen hämodynamischen Parameter und Interventionen zeigten, dass Erwachsene in der Ketamingruppe signifikant häufiger eine Bolusgabe eines Vasopressors (26,0 % vs. 18,8 %) erhielten und signifikant häufiger einen Kreislaufeinbruch (17,4 % vs. 25,1 %) gemäß Vanderbilt-Definition (systolischer Blutdruck < 65 mm Hg nach Narkoseeinleitung, sofortige Notwendigkeit einer Vasopressortherapie, Tod oder Herzstillstand innerhalb einer Stunde) erlitten [17,18,19].

Kommentar zur Studie

Bemerkenswert ist, dass der signifikante Überlebensvorteil der Ketamingruppe nach 7 Tagen kein signifikantes Niveau in der Überlebensrate nach 28 Tagen erreicht. Die Ursache für dieses Phänomen bleibt offen. Ebenso interessant ist der in dieser Studie aufgetretene hämodynamische Einbruch im Rahmen der Narkoseeinleitung, der in der Ketamingruppe, verglichen mit der Etomidatgruppe, signifikant stärker ausfällt. Vielerorts ist es übliche und in den Leitlinien für prähospitale Notfallnarkose empfohlene Praxis, Etomidat mit Analgetika und Ketamin mit Sedativa zur Narkoseeinleitung zu kombinieren [20]. Ob die Studienergebnisse auf diese Praxis und die damit einhergehenden geänderten Auswirkungen auf die Hämodynamik [21] übertragbar sind, ist unklar.

Ketamin und Esketamin sind in ihren hämodynamischen Auswirkungen weitgehend als gleichwertig beschrieben, ob dies bei kritisch kranken Patient:innen auch der Fall ist, wurde jedoch bislang nicht kontrolliert untersucht [22, 23]. Die Ergebnisse dieser Studie, insbesondere die fehlende Auswirkung auf das Überleben nach 28 Tagen, lassen keine verlässliche Aussage bezüglich des „richtigen“ Medikaments zur Narkoseeinleitung bei kritisch kranken Personen zu.

Prähospitale Transfusion von Blut und Blutersatzprodukten – eine randomisierte kontrollierte Multizenterstudie

Originalpublikation

Crombie N, Doughty HA, Bishop JRB et al (2022) Resuscitation with blood products in patients with trauma-related haemorrhagic shock receiving prehospital care (RePHILL): a multicentre, open-label, randomised, controlled, phase 3 trial. Lancet Haematol 9:E250–E261. https://doi.org/10.1016/S2352-3026(22)00040-0

Hintergrund

Die Exsanguination ist die häufigste Todesursache beim Trauma – und stellt dort zugleich die häufigste vermeidbare Todesursache dar [24]. Blutprodukte zur prähospitalen Transfusion sind im zivilen Rettungsdienst auch im deutschsprachigen Raum zunehmend verfügbar. Dem Konzept liegt die Absicht zugrunde, die in der innerklinischen Versorgung verfügbaren und etablierten Therapieoptionen an die Einsatzstelle zu transferieren, um durch deren möglichst frühzeitige Anwendung einen Überlebensvorteil zu ermöglichen [25, 26]. Die Evidenzlage ist allerdings sehr inkonsistent. So liegen nur wenige Publikationen mit heterogenem Studiendesign, oft geringen Patientenzahlen, erheblichen qualitativen Unterschieden sowie inkongruenten Ergebnissen vor [27].

Studie

Methodik

Die randomisierte kontrollierte RePHILL-Studie [28] untersuchte an 4 Notarztstandorten im Vereinigten Königreich, ob die prähospitale Transfusion von jeweils bis zu 2 Einheiten Erythrozytenkonzentrat (EK) bzw. lyophilisierten Plasmas (LyoPlas) im Vergleich mit bis zu 1 l 0,9 %iger Kochsalzlösung zu einer geringeren Mortalität und/oder einer erhöhten Lactat-Clearance führte. Primäre Zielgröße war ein zusammengesetzter Endpunkt aus Tod in der Akutphase und fehlender Lactat-Clearance (< 20 %/h). Zu den sekundären Zielgrößen zählten die Einzelkomponenten der primären Zielgröße sowie weitere Überlebens- (3 h, 30 Tage), Versorgungs- (prähospitale Zeiten), Patient:innendaten (Vitalparameter, Serumlactat, Hämoglobin (Hb), traumainduzierte Koagulopathie, Organversagen, Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS), transfusionsassoziierte Komplikationen) und Therapiefaktoren (Infusions‑, Transfusionsbedarf). Eingeschlossen wurden Schwerverletzte ab 16 Jahren, welche eine Hypotension (systolischer Blutdruck < 90 mm Hg oder fehlender Radialispuls) mutmaßlich hämorrhagischer Genese erlitten. Die Transfusion bzw. Infusion wurde bis zum Erreichen der Zielklinik oder einer hämodynamischen Stabilisierung durchgeführt. Bei persistierender Hypotension wurde die Volumentherapie entsprechend dem lokalen Standard mit 0,9 %iger Kochsalzlösung weitergeführt; auch die prähospitale Applikation von Tranexamsäure war möglich. Die intrahospitale Therapie erfolgte nach Maßgabe der Weiterbehandelnden und konnte (weitere) Blutprodukte beinhalten.

Die Auswertung der Daten erfolgte entsprechend des Intention-to-treat-Prinzips in einem „Fixed-effects“-Modell. Zudem wurden eine bayesianische Statistik sowie zahlreiche Subgruppen- und Sensitivitätsanalysen durchgeführt.

Ergebnisse

Von 2016 bis 2021 wurden 580 Erwachsene identifiziert und davon 432 in die beiden Studienarme randomisiert. Hiervon waren 209 in der Interventionsgruppe mit prähospitaler Transfusion und 223 in der Kontrollgruppe mit Kochsalzlösung. Aufgrund der COVID-19-Pandemie musste die Studie kurz vor Erreichen der kalkulierten 490 Einschlüsse abgebrochen werden. Sowohl demografische als auch Patient:innen‑, Verletzungs- und Therapiefaktoren waren homogen auf die Studienarme verteilt. Der überwiegende Anteil der Erwachsenen war männlich (82 %) und im Median 38 Jahre alt. Der mediane Injury Severity Score lag bei 36, was einer erheblichen Verletzungsschwere entspricht, mit einer überwiegenden Anzahl an stumpfen Traumen (78 und 80 %, resp.). Herzfrequenz und Blutdruck lagen im Median bei 115 bzw. 109/min und bei 73/47 bzw. 73/46 mm Hg, die Hämodynamik war somit in beiden Studienarmen relevant kompromittiert.

Bis zur Randomisierung erhielten die Personen zur Volumentherapie durchschnittlich 422 bzw. 437 ml 0,9 %ige Kochsalzlösung. Am Einsatzort wurden in der Interventionsgruppe durchschnittlich 1,57 Einheiten (443 ml) EK sowie 1,25 Einheiten (266 ml) LyoPlas transfundiert, die Kontrollgruppe erhielt 2,55 Einheiten (638 ml) 0,9 %ige Kochsalzlösung. Innerhalb der ersten 24 h (prä- und intrahospital) erhielt die Interventionsgruppe im Mittel 6,34 Einheiten EK sowie 5,04 Einheiten LyoPlas. Dies war signifikant mehr als die 4,41 Einheiten EK bzw. 3,37 Einheiten LyoPlas in der Kontrollgruppe.

Der primäre (zusammengesetzte) Endpunkt wurde in der Interventionsgruppe bei 64 % und in der Kontrollgruppe bei 65 % erreicht. Die Mortalität lag bei 43 % respektive 45 %; eine suffiziente Lactat-Clearance blieb bei 50 % bzw. 55 % der Personen aus. Auch weitere sekundäre Zielgrößen unterschieden sich nicht signifikant.

In der Interventionsgruppe betrug der Hämoglobinwert bei Aufnahme mit 13,3 g/dl signifikant höher als in der Kontrollgruppe mit 11,8 g/dl. Nur 9 Personen aus der Kontrollgruppe wiesen bei Eintreffen in der Klinik ein Hb < 8 mg/dl auf.

Ein signifikanter Behandlungseffekt konnte in keiner der Subgruppenanalysen nachgewiesen werden. Unerwünschte Ereignisse im Allgemeinen und transfusionsassoziierte Komplikationen im Speziellen waren in Interventions- und Kontrollgruppe vergleichbar; es traten keine transfusionsassoziierten Todesfälle auf.

Kommentar zur Studie

Die RePHILL-Studie ist die erste große, qualitativ hochwertige prospektive, multizentrische, randomisierte, kontrollierte Phase-3-Studie, die sich diesem relevanten notfallmedizinischen Thema widmet und neben laborchemischen und klinischen Zielgrößen auch die Mortalität während der gesamten Akutphase untersucht [28]. Sie konnte keinen statistisch signifikanten Vorteil einer prähospitalen Bluttransfusion hinsichtlich relevanter Outcome-Parameter wie Mortalität, Morbidität, Versorgungszeiten oder unerwünschten Ereignissen nachweisen. Damit unterscheidet sie sich von retrospektiven Beobachtungsstudien, welche mitunter erhebliche Überlebensvorteile nach bereits prähospital stattgehabter Transfusion angedeutet hatten [29,30,31]. Um die Ergebnisse mit den bisher vorliegenden Studien in einen Kontext setzen zu können, ist zu berücksichtigen, dass die RePHILL-Studie in einer zivilen Umgebung durchgeführt wurde und die Intervention neben der Transfusion von Erythrozyten auch die Applikation von Plasma beinhaltete. Im Unterschied zu zahlreichen Studien im militärischen Setting oder im US-amerikanischen Rettungsdienst (mit jeweils hohen Anteilen penetrierender Traumata) ist das Patientenkollektiv von RePHILL möglicherweise besser mit dem im deutschsprachigen Raum vergleichbar.

Zur prähospitalen Transfusion von Blutplasma wurden 2 randomisierte kontrollierte Studien publiziert: Die PAMPer-Studie zeigte einen signifikanten Überlebensvorteil, insbesondere in Kombination mit EK [32], während die COMBAT-Studie diesen nicht bestätigen konnte [33].

Bei der Fallzahlkalkulation der RePhill-Studie fällt die antizipierte Inzidenz des primären Endpunkts von 10 % in der Interventionsgruppe bzw. 20 % in der Kontrollgruppe auf: Dies entspräche einer relativen Risikoreduktion von 50 %, was bei einer Zielgröße wie der Mortalität (die ohnehin zahlreichen Einflussfaktoren unterliegt) als sehr ambitioniert erscheint [34]. Auch der zusammengesetzte Endpunkt aus einem klinisch relevanten Parameter und einem Surrogatparameter unklarer Signifikanz kann kritisch hinterfragt werden [34].

Ein bedeutsamer Aspekt der Studie ist die Feststellung, dass prähospitale Transfusionen nicht mit einem gehäuften Auftreten von Komplikationen bzw. Transfusionsreaktionen assoziiert waren.

Allerdings muss am Studiendesign kritisch hinterfragt werden, ob die Intervention mit durchschnittlich 1,57 Einheiten EK bzw. 1,25 Einheiten LyoPlas tatsächlich geeignet ist, die Prognose bei diesem schwerstverletzten Patientenkollektiv nennenswert zu beeinflussen. So wurden beispielsweise im überregionalen Traumazentrum dieser Autorengruppe bei 29 prähospitalen Bluttransfusionen im Median 4 (Q1–Q3 2–6) EK transfundiert [bisher unveröffentlichte Daten]. Dieses Prozedere folgt dem Konzept der „haemostatic resuscitation“, welches in der Frühphase des hämorrhagischen Schocks neben der Substitution von Blutprodukten und gerinnungsaktiven Medikamenten eine permissive Hypotension und die frühe „damage control surgery“ anstrebt und mittlerweile als Standard in dieser kritischen Versorgungsphase gilt [35, 36]. Auch der Hb-Wert bei Ankunft in der Notaufnahme von durchschnittlich 13,3 g/dl nach Transfusion bzw. 11,8 g/dl nach 1,4 l Kochsalzlösung stellt trotz des ausgeprägten Schockzustands und des schweren Verletzungsmusters die Indikationsstellung zur prähospitalen Transfusion in der RePHILL-Studie infrage. Auch wenn die Patient:innen bei Aufnahme womöglich noch keinen ausgeglichenen Volumenstatus aufweisen, sind die Hb-Werte in beiden Kohorten höher als die üblicherweise herangezogenen Transfusionstrigger [36].

Andererseits muss aufgrund der sehr hohen Mortalität hinterfragt werden, ob denn bei solch schweren Verletzungsmustern die Intervention überhaupt noch den Verlauf beeinflussen kann. Möglicherweise wurde auf diese Weise ein Patientenkollektiv eingeschlossen, welches von einer Transfusion zu diesem Zeitpunkt noch nicht – oder nicht mehr – im erwarteten Umfang profitierte.

Die prähospitale Versorgungsphase erscheint insbesondere im Kontext der „golden hour of shock“ mit durchschnittlich 90 bzw. 91 min als relativ lange. Im Vergleich hierzu betrug die mittlere Prähospitalzeit für Patienten mit ISS > 16 im Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie im fraglichen Zeitraum zwischen 60 und 64 min, was die Übertragbarkeit auf deutsche Verhältnisse möglicherweise einschränkt [37]. Offensichtlich kam es auch bei der Applikation der Studienmedikation zu Verzögerungen, denn vom Eintreffen am Einsatzort bis zur Transfusion bzw. Infusion verstrichen bei diesen kritisch instabilen Schwerverletzten durchschnittlich 26 bzw. 25 min.

Ob eine „differenziertere“ Indikationsstellung bzw. eine „beherztere“ Intervention (früherer Transfusionsbeginn und größerer Menge an Blutprodukten) möglicherweise besser ein Setting abbilden könnten, in dem die Schwerverletzten tatsächlich von einer prähospitalen Transfusion profitieren, ist spekulativ und nur durch Folgestudien zu beantworten. Von besonderem Interesse dürfte hierbei die Identifikation der Charakteristika sein, die mit der frühen Notwendigkeit einer Massivtransfusion assoziiert sind.

Zielgerichtetes Temperaturmanagement nach außerklinischem Kreislaufstillstand – eine randomisierte, kontrollierte klinische Studie

Originalpublikation

Dankiewicz J, Cronberg T, Lilja G et al (2021) Hypothermia versus Normothermia after Out-of-Hospital Cardiac Arrest. N Engl J Med 384:2283–2294. https://doi.org/10.1056/nejmoa2100591

Hintergrund

Das richtige Temperaturmanagement nach erfolgreicher Reanimation mit erhaltenem Spontankreislauf ist bisher nicht abschließend geklärt und weiterhin Gegenstand des aktuellen wissenschaftlichen Diskurses. Ziel ist die Vermeidung von Fieber und des hypoxisch-ischämischen Hirnschadens [38]. Fieber wurde als Risikofaktor für ein Überleben mit schlechterem neurologischem Outcome identifiziert [39]. Bereits 2002 wurden von Holzer et al. [40] und Bernard et al. [41] eine bessere Überlebensrate bei Erwachsenen nach OHCA mit vermuteter kardialer Ursache und defibrillierbarem Rhythmus gezeigt, wenn diese auf 33 °C gekühlt wurden. Auch für Erwachsene mit nichtdefibrillierbarem Rhythmus konnten Lascarrou et al. [42] diesen Überlebensvorteil zeigen. Alle 3 Studien hatten als Kontrollgruppe die Normothermie mit 37 °C.

Im Gegensatz dazu steht die 2013 publizierte Targeted-Temperature-Management-Studie (TTM-1) von Nielsen et al. [43]. In dieser konnte kein Überlebensvorteil bei Erwachsenen mit 33 °C Körpertemperatur gegenüber jenen mit 36 °C nach ROSC gezeigt werden.

Studie

Methodik

In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob eine Hypothermie nach Reanimation die Überlebensrate 6 Monate nach einem Kreislaufstillstand signifikant verbessert. Hierzu wurde ein multizentrischer RCT durchgeführt.

Insgesamt wurde die Therapie (Hypothermie oder Normothermie) für 40 h nach Randomisierung fortgeführt. Der primäre Endpunkt war Versterben nach 6 Monaten, der wichtigste sekundäre Endpunkt der neurologische Status nach 6 Monaten gemessen, an der modified Rankin Scale (mRS), wobei die Werte von 4 und 5 als schlechtes neurologisches Ergebnis gewertet werden und ein mRS von 6 bedeutet, dass die betroffene Person verstorben ist.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 1861 Personen in die Studie eingeschlossen, wobei 930 in die Hypothermie- und 931 in die Normothermiegruppe randomisiert wurden. Zwischen den beiden Gruppen gab es keine signifikanten Unterschiede bezüglich demografischer Daten. Es wurden 91 und 92 % der Kreislaufstillstände in der Hypo- bzw. Normothermiegruppe bezeugt. Eine Laienreanimation wurde in 82 % bzw. 78 % der Fälle durchgeführt. Ein initial schockbarer Rhythmus fand sich in 72 % resp. 75 %. Ein persistierender ROSC wurde in beiden Gruppen nach 25 min erreicht. Die Zeit vom Kreislaufstillstand bis zur Randomisierung betrug 136 bzw. 133 min. In der Hypothermiegruppe wurde eine Temperatur von 34 °C 3 h nach dem Start der Intervention erreicht, wobei bei 6 % der Patient:innen eine Wiedererwärmung vor Erreichen der 40 h aufgrund von kardiozirkulatorischer Instabilität oder Arrhythmien initiiert wurde. Zur Vermeidung von Fieber mussten 46 % in der Normothermiegruppe aktiv gekühlt werden.

Nach 6 Monaten waren 465 von 925 (50 %) in der Hypothermie- und 446 von 925 (48 %) in der Normothermiegruppe verstorben. Daraus ergibt sich ein RR für die Hypothermie von 1,04 (95 %-KI 0,94–1,14). Dieser Effekt war für alle analysierten Subgruppen gleich, sodass auch für Erwachsene mit schockbarem Erstrhythmus kein signifikanter Überlebensvorteil gezeigt werden konnte (RR 1,0 [95 %-KI 0,87–1,15]).

Die Evaluierung des neurologischen Status nach 6 Monaten erfolgte entweder persönlich (72 %), per Telefon (23 %) oder mit der bevollmächtigten Person (5 %). Nach 6 Monaten hatten jeweils 55 % in beiden Gruppen einen mRS-Wert von 4–6 (RR für Hypothermie 1,0 [95 %-KI 0,92–1,09]). Jeweils weitere 25 % hatten einen mRS-Wert von 0–1 in beiden Gruppen.

Aus den hier dargestellten Ergebnissen schließen die Autor:innen, dass es aktuell keine Evidenz für eine Hypothermie nach außerklinischem Kreislaufstillstand gibt. Ferner geben sie an, dass sich seit den ersten vielversprechenden Ergebnissen 2002 die Behandlungsmöglichkeiten der modernen Intensivmedizin geändert haben und andere Faktoren einen Einfluss auf das Überleben haben können.

Kommentar zur Studie

Die TTM-2-Studie [44] ist eine große, prospektive, multizentrische RCT zum Temperaturmanagement nach OHCA. In der aktuellen ERC-/ESICM-Leitlinie zur Postreanimationsbehandlung wird eine Vermeidung von Fieber für 72 h empfohlen [4]. Auch wenn eine rasche Kühlung nach ROSC bislang keinen statistisch signifikanten Überlebensvorteil gezeigt hat, ist ein Trend zu einem besseren neurologischen Outcome erkennbar [45] und macht aus pathophysiologischen Überlegungen Sinn [4]. Die Dauer bis zum Erreichen der Zieltemperatur seit Kreislaufstillstand beträgt in der vorliegenden Arbeit ca. 7 h, sodass das therapeutische Fenster womöglich bereits verstrichen war [46]. Nach 23 h wurde mit der Erwärmung begonnen. Patient:innen in der TTM-2-Studie wurden im Gegensatz zu anderen Studien nicht erwärmt, wenn die initiale Temperatur unter 36 °C lag [42]. Zusätzlich erhielten in der vorliegenden Arbeit 46 % in der Normothermiegruppe eine externe Kühlung.

Eine rezente Analyse von Böttiger et al. [47] zeigt, dass das Überleben in den Hypothermiestudien durch die Laienreanimation maßgeblich beeinflusst wird, sodass dieser Aspekt sowohl bei der Behandlung als auch bei der Interpretation der Studienergebnisse nicht vernachlässigt werden darf. Eine dementsprechende Subgruppe wurde in der TTM-2-Studie nicht analysiert. In der vorliegenden Arbeit ist die Rate an bezeugten Kreislaufstillständen, Laienreanimation und dem Vorliegen eines initialen schockbaren Rhythmus vergleichsweise hoch. Laut öffentlichem Jahresbericht 2021 [48] des Deutschen Reanimationsregisters wurden lediglich 52,2 % aller Reanimationen bezeugt und nur bei 42,6 % eine Laienreanimation durchgeführt. Ein initial defibrillierbarer Rhythmus fand sich in Deutschland in 21,1 % der Fälle. Durch diesen kritischen Vergleich und die teilweise geringe Anzahl der Rekrutierungen pro Studienzentrum (11/61 Studienzentren mit ≤ 10 Einschlüssen, Median [Q1–Q3] Einschlüsse pro Studienzentrum 24,5 [12,2–43,0]) lässt sich ein Selektionsbias vermuten. Die Frage, welche Personen nach OHCA von einer therapeutischen Hypothermie profitieren, ist nicht abschließend geklärt. Ein rascher Beginn der therapeutischen Hypothermie sowie eine kontinuierliche Beurteilung des neurologischen Status sind bei Personen, die nach einem OHCA das Bewusstsein nicht wiedererlangen, imminent für eine suffiziente Therapie.

Atemwegsmanagement beim pädiatrischen außerklinischen Kreislaufstillstand – eine retrospektive Kohortenstudie

Originalpublikation

Le Bastard Q, Rouzioux J, Montassier E et al (2021) Endotracheal intubation versus supraglottic procedure in paediatric out-of-hospital cardiac arrest: a registry-based study. Resuscitation 168:191–198. https://doi.org/10.1016/j.resuscitation.2021.08.015

Hintergrund

Der außerklinische Kreislaufstillstand bleibt bei Kindern, verglichen mit Erwachsenen, ein seltenes Ereignis. Die Inzidenz beträgt dabei 8 Kinder mit OHCA (pOHCA) pro 100.000 Menschen, im Gegensatz dazu stehen ca. 62 Erwachsene mit OHCA pro 100.000 Menschen [49,50,51,52]. Trotz der fortschreitenden medizinischen Möglichkeiten besteht weiterhin eine geringe Überlebenswahrscheinlichkeit. Dies liegt zum einen daran, dass die Evidenzlage sehr dünn ist. Zum anderen werden Leitlinien und Empfehlungen meist von der Behandlung Erwachsener extrapoliert [53, 54]. Dies erfolgt trotz des Wissens, dass sich die Ätiologie zwischen dem pädiatrischen und erwachsenen OHCA maßgeblich unterscheidet [55]. Während bei Erwachsenen kardiale Ursachen führend sind, ist bei Kindern die Hypoxie das führende Problem. Aus diesem Grund sind das Atemwegsmanagement und die suffiziente Oxygenierung Hauptpfeiler der Behandlung des pOHCA. Die aktuellen ERC-Leitlinien für den pädiatrischen Kreislaufstillstand [54] empfehlen den initialen Einsatz der Beutel-Maske-Ventilation (BMV) mit der Zweihelfermethode. Ein erweitertes Atemwegsmanagement (endotracheale Intubation [ETI], supraglottisches Atemwegsdevice [SGA]) sollte nur bei prolongierter Reanimation oder Reanimation unter Transport erwogen werden, wenn eine geübte Person anwesend ist. Sollte die BMV trotz Ausschöpfung aller Hilfsmittel (optimierte Lagerung, oro- und/oder nasopharyngeale Atemwegshilfen, optimierte Maskengröße) versagen, ist der frühzeitige Einsatz von erweitertem Atemwegsmanagement zu erwägen. In der vorliegenden retrospektiven Kohortenstudie wurde der Einfluss des Atemwegsmanagements unter Reanimation auf das 30-Tages-Überleben bei pOHCA untersucht.

Studie

Methodik

In dieser retrospektiven, multizentrischen Observationsstudie wurden die Daten des französischen OHCA-Registers (French National OHCA Registry, RéAC) im Zeitraum Juli 2011 bis Juli 2018 analysiert. Alle Kinder wurden von einem arztbesetzten Rettungsmittel („mobile intensive care unit“, MICU) behandelt. Die Entscheidung über das Atemwegsmanagement und die Versorgung oblag den Behandelnden. Eingeschlossen wurden alle Personen < 18 Jahre mit OHCA und konsekutiven Reanimationsmaßnahmen mit Beteiligung einer MICU. Es wurde zwischen 2 Gruppen differenziert, jenen mit ETI und jenen mit SGA. In die SGA-Gruppe wurden auch jene Patient:innen eingeschlossen, die während der gesamten Reanimation via BMV beatmet wurden. Der primäre Endpunkt war das 30-Tages-Überleben, unabhängig vom neurologischen Status, ermittelt via CPC. Sekundäre Endpunkte waren Wiedereinsetzen eines Spontankreislaufes (ROSC) sowie ein gutes neurologisches Ergebnis, definiert als CPC 1 oder 2.

Ergebnisse

In dem angegebenen Studienzeitraum wurden 1579 Datensätze analysiert. Die meisten Ereignisse kamen bei Jungen (62,0 %) im häuslichen Umfeld (58,7 %) vor und wurden bezeugt (62,6 %). Das Alter betrug im Median 3 (Q1–Q3 0 bis 13) Jahre. In einem Großteil der Fälle wurde eine Laienreanimation durchgeführt (54,4 %), dabei erfolgte eine Thoraxkompression mit Beatmung in ca. 25 % der Fälle. Der erste beobachtete Rhythmus der MICU war in der Mehrzahl (88,4 %) nicht schockbar.

Der Großteil der Kinder wurde durch das MICU-Team endotracheal intubiert (85,8 %); lediglich 16 Kinder (7,1 %) in der SGA-Gruppe wurden mit einem supraglottischen Atemwegsdevice beatmet.

Die endotracheale Intubation misslang nur in 2,3 % (31 von 1355) der Fälle. In der ETI-Gruppe lag mit 32,5 % vs. 3,6 % eine höhere Rate an Aspirationen vor.

Der primäre Endpunkt, das 30-Tages-Überleben, betrug insgesamt 8,6 %. Kinder in der ETI-Gruppe hatten mit 7,7 % vs. 14,3 % in der unadjustierten, univariaten Analyse eine geringere Überlebenswahrscheinlichkeit. Auch das neurologisch gute Überleben war mit 4,6 % vs. 11,1 % in der ETI-Gruppe geringer im Vergleich mit der SGA-Gruppe. Die Häufigkeit an ROSC war mit 30,5 % vs. 23,2 % signifikant höher in der ETI-Gruppe.

In einer sekundären adjustierten Analyse zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied mehr in der Rate an ROSC zwischen beiden Gruppen. Es bestand weiterhin ein signifikant schlechteres neurologisches Überleben nach 30 Tagen in der ETI-Gruppe (OR 0,32 [95 %-KI 0,19–0,54]).

Kommentar zur Studie

In der vorliegenden Arbeit haben Le Bastard et al.[56] den Einfluss der endotrachealen Intubation auf das Überleben nach außerklinischem Kreislaufstillstand bei Kindern untersucht.

Die Überlebensrate ist in dieser Kohorte mit anderen Studien vergleichbar [57, 58]. Auch wenn die geografischen Gegebenheiten nicht immer auf andere (Groß‑)Städte umgelegt werden können, ist die Versorgung durch ein Notarztsystem im deutschsprachigen Raum ebenfalls Standard. Die hohe Rate endotrachealer Intubationen mit geringer Rate an Fehlintubationen [59] spricht für ein geübtes und erfahrenes Team.

Auch in dieser Arbeit zeigt sich das „No-Airway-Paradoxon“, welches bereits bei Erwachsenen beschrieben ist [60]: Die Bezeichnung „SGA-Gruppe“ kann irreführend sein, da lediglich 7,1 % der Kinder einen SGA erhielten, während bei den Restlichen die konventionelle Beutel-Maske-Beatmung durchgeführt wurde. Mit einer signifikant niedrigeren „Low-flow“-Zeit in der SGA-Gruppe (22 min vs. 40 min) ist auch ein besseres neurologisches Überleben erklärbar. Für die Tatsache, dass bereits eine Oxygenierung mittels BMV ausreichend war und damit vermutlich frühzeitig ein ROSC erzielt wurde, spricht einerseits, dass in der SGA-Gruppe weniger i.v.- und i.o.-Zugänge (14,7 % vs. 59,8 % bzw. 13,4 % vs. 42,6 %) etabliert wurden, wie auch die geringe Rate an Transporten (3,2 % vs. 96,8 %; n = 158) unter Reanimation. Das bei längerer Reanimationsdauer mehr Maßnahmen unternommen werden, ist hinlänglich bekannt. Bei Klinikaufnahme wurden in der ETI-Gruppe 45,7 % (70 von 153) der unter Reanimation transportierten Kinder für tot erklärt. Dies lässt vermuten, dass bei erfolgreicher Intubation und prolongierter Reanimation ungeachtet geringer Chancen ein Transport in die Klinik forciert wurde.

Limitiert ist diese Untersuchung durch ihr retrospektives Studiendesign sowie durch fehlende Daten zu wichtigen Kennzahlen wie z. B. der Dauer bis zur Intubation und der Anzahl der Intubationsversuche; diese wurden im Register nicht erfasst. Ein Erkenntnisgewinn bezüglich der optimalen Atemwegsstrategie bei Kindern mit OHCA kann somit aus dieser Arbeit nicht vollständig abgeleitet werden. Ob eine RCT für diese Fragestellungen sinnvoll und machbar ist, ist fraglich. Eine gut strukturierte prospektive Observationsstudie ist womöglich einerseits leichter durchzuführen und andererseits ethisch eher vertretbar bei diesem speziellen Kollektiv.

Sofortiger Transport, extrakorporale CPR und invasive Diagnostik und Therapie in refraktärem außerklinischem Kreislaufstillstand – eine randomisierte kontrollierte klinische Studie

Originalpublikation

Belohlavek J, Smalcova J, Rob D et al (2022) Effect of intra-arrest transport, extracorporeal cardiopulmonary resuscitation, and immediate invasive assessment and treatment on functional neurologic outcome in refractory out-of-hospital cardiac arrest: a randomized clinical trial. JAMA 327:737–747. https://doi.org/10.1001/jama.2022.1025

Hintergrund

Bei Personen, welche nach einem OHCA einen ROSC mit stabilen Kreislaufverhältnissen hatten, konnte gezeigt werden, dass diese in 50 % der Fälle ein Überleben mit gutem neurologischem Ergebnis hatten [44]. Jedoch ist der refraktäre Kreislaufstillstand mit geringen Überlebensraten assoziiert [61]. Zudem geht auch ein Transport unter Reanimation mit einer verringerten Überlebenswahrscheinlichkeit einher [62, 63]. In den aktuellen ERC-Leitlinien wurde abermals die Möglichkeit der extrakorporalen Reanimation („extracorporeal cardiopulmonary resuscitation“, eCPR) für Personen mit refraktärem Kammerflimmern erwähnt [64]. Auch wenn aktuelle Studien [65, 66] Überlebensvorteile für diese Kohorte gezeigt haben, besteht weiterhin nur eine schwache Empfehlung für den Einsatz der eCPR seitens der ERC-Leitlinien [64].

In dieser RCT wurde ein Behandlungsbündel, bestehend aus frühem Transport unter Reanimation, teilweise prähospitaler Kühlung, eCPR und sofortiger invasiver Diagnostik und Behandlung, mit der Standardbehandlung nach aktuell gültigem Advanced-Life-Support(ALS)-Algorithmus verglichen. Als primärer Endpunkt wurde ein Überleben nach 180 Tagen mit gutem neurologischem Überleben (CPC 1 oder 2) definiert.

Studie

Methodik

Die Studie wurde als monozentrische RCT in Prag, Tschechien, vom 01.03.2013 bis zum 25.10.2020 durchgeführt. Vorab wurden das Studienprotokoll und der statistische Analyseplan publiziert [67]. Eingeschlossen wurden erwachsene Personen zwischen 18 und 65 Jahren mit laufender Reanimation bei bezeugtem OHCA und vermuteter kardialer Ursache. Zusätzlich mussten die Reanimationsmaßnahmen gemäß dem ALS-Algorithmus seit mindestens 5 min ohne ROSC durchgeführt werden. Zum Studieneinschluss wurde der Studienleiter per SMS über einen OHCA informiert. Daraufhin wurde telefonischer Kontakt mit dem vor Ort befindlichen notärztlichen Personal aufgenommen und die reanimationspflichtige Person nach (Nicht‑)Erfüllen der Ein- und Ausschlusskriterien in die Interventionsgruppe (invasive Gruppe) oder Standardgruppe randomisiert.

Erwachsene in der Standardgruppe wurden gemäß dem jeweils gültigen ALS-Algorithmus vor Ort behandelt. Ein mechanisches Reanimationsgerät durfte verwendet werden.

In der Interventionsgruppe wurde ein Paket von weiteren Reanimationsmaßnahmen durchgeführt. Bis 2016 wurde eine nasale Kühlung eingesetzt, danach wurde der Vertrieb des Produktes (RhinoChill®, BeneChill Inc. San Diego, CA, USA) eingestellt. Der sofortige Transport in das Herzkatheterlabor erfolgte unter mechanischer Reanimation. Bei Eintreffen wurden die eCPR-Kriterien evaluiert und bei Erfüllen dieser eine femorofemorale Kanülierung durchgeführt und die extrakorporale Zirkulation gestartet. Nach erfolgreicher Kanülierung und invasiver Diagnostik mit Therapie (koronare, pulmonale oder aortale Angiographie sowie perkutane Koronarintervention) wurde eine antegrade Beinperfusion eingebracht.

Die weitere Behandlung in der Postreanimationsphase wurde in beiden Gruppen gleich durchgeführt. So wurde z. B. ein Temperaturziel von 33 °C festgelegt.

Das Studienprotokoll erlaubte einen Wechsel der Gruppen, wenn es von den Behandelnden für notwendig erachtet wurde. Ein Abbruch der Reanimationsmaßnahmen erfolgte basierend auf den damals gültigen ERC-Leitlinien [68].

Ergebnisse

Die Studie wurde am 25.10.2020 aufgrund einer Empfehlung des Data and Safety Monitoring Board wegen möglicher Benachteiligung und einem damit einhergehenden Schaden in der Kontrollgruppe nach Einschluss von 256 Personen vorzeitig abgebrochen. Von diesen wurden 124 in die Interventionsgruppe und 132 in die Standardgruppe randomisiert. Insgesamt kam es bei 20 Personen zu einem Wechsel der Studiengruppe. Elf wurden in die Interventionsgruppe und 9 in die Standardgruppe gewechselt.

Bei den demografischen und für den Kreislaufstillstand prädiktiven Parametern gab es zwischen den beiden Gruppen keinen Unterschied. Das Alter war im Median 59 und 57 Jahre in der Interventions- bzw. Standardgruppe. Hervorzuheben ist die hohe Rate an Ersthelferreanimationen in beiden Gruppen (99 % vs. 98 %) sowie an telefonisch angeleiteter Reanimation (77 % vs. 81 %).

Im primären Endpunkt zeigte sich in der Intention-to-treat-Analyse keine statistische Signifikanz zwischen den beiden Gruppen. In der Interventions- und Standardgruppe hatten 31,5 % (39 von 124) sowie 22,0 % (29 von 132) der Personen einen guten neurologischen Status am Tag 180 (OR 1,63 [95 %-KI 0,93–2,85]).

Bei den sekundären Endpunkten zeigte sich eine statistische Signifikanz bei Überleben mit gutem neurologischem Status am Tag 30. Hier hatten 30,6 % (38 von 124) in der Interventionsgruppe und 18,2 % (24 von 132) in der Standardgruppe eine CPC von 1 oder 2 (OR 1,99 [95 %-KI 1,11–3,57]).

Eine verlängerte Reanimationsdauer in der Interventionsgruppe (58 vs. 46 min) erklären die Autoren mit dem Bemühen, die Personen unter allen Umständen in das Herzkatheterlabor für die erweiterten Maßnahmen zu transportieren. In der Interventionsgruppe konnte im Median nach 61 min eine eCPR etabliert werden. Hierbei kam es nur in 11 % (4 von 36) zu fatalen Blutungen.

Insgesamt wurden 24 Personen (davon 21 aus der Interventionsgruppe) als Potenzial-Organspender evaluiert, nachdem alle Maßnahmen ausgeschöpft waren und keine realistische Chance auf Überleben bestand. Von diesen wurden 14 (58,3 %) von einem Transplantationszentrum akzeptiert.

In einer zusätzlichen Analyse unter Berücksichtigung des Gruppenwechsels zeigte sich ein gutes neurologisches Überleben in 40 % (4 von 10) der Betroffenen, die von der Standardgruppe in die Interventionsgruppe wechselten. Im Gegensatz dazu überlebte keine Person, welche von der Interventions- in die Standardgruppe wechselte. Insgesamt wurde bei 92 Personen eine eCPR etabliert. Davon hatten 22 % (20 von 92) ein gutes neurologisches Überleben am Tag 180.

Kommentar zur Studie

Die vorliegende Arbeit demonstriert, leider etwas gemindert durch den vorzeitigen Abbruch, die Effektivität einer frühzeitigen invasiven Strategie mittels raschem Transport, evtl. eCPR und sofortiger invasiver Diagnostik und Therapie bei Erwachsenen mit bezeugtem OHCA. Bedingt durch eine zu geringe Fallzahl konnte keine statistische Signifikanz erreicht werden, wobei zu diskutieren ist, ob es zwingend einen p-Wert < 0,05 benötigt, um ein Verfahren als überlegen zu betrachten. Auf der anderen Seite sind sicherlich auch statistisch signifikante Ergebnisse nicht immer von klinischer Relevanz. In dieser Intention-to-treat-Analyse wechselten insgesamt 11 Personen von der Standard- in die Interventionsgruppe, wovon 4 eine eCPR erhielten und mit gutem neurologischem Ergebnis überlebten. Diese positiven Studienergebnisse lassen sich sicherlich nicht auf jedes Rettungsdienstsystem übertragen. Einerseits wird Prag von einem singulären Rettungsdienst versorgt, zusätzlich wurde die Studie an einem spezialisierten Studienzentrum durchgeführt. Im Vergleich mit einer anderen RCT [69] wurde in der vorliegenden Arbeit nicht der initiale Rhythmus in den Einschlusskriterien aufgenommen. So wurden hier auch Personen mit nichtdefibrillierbarem Rhythmus eingeschlossen. Hervorzuheben ist die hohe Rate an Laienreanimation in Prag, welche auch bereits in der EuReCa-2-Studie mit > 80 % sehr hoch war [70]. Der ideale Zeitpunkt für die Initiierung einer eCPR ist aktuell noch nicht abschließend geklärt. Die hohe Rate (ca. 35 %) an gutem neurologischem Outcome in der invasiven Kohorte trotz >45 min Reanimationsdauer in dieser Studie lässt vermuten, dass eine „verzögerte“ invasive Strategie einen Benefit haben kann, wenn trotz suffizienter Advanced-Life-Support-Maßnahmen kein ROSC erzielt werden kann.

Überleben nach prähospitalem traumatischem Kreislaufstillstand in den Niederlanden – eine retrospektive Kohortenstudie

Originalpublikation

Houwen T, Popal Z, de Bruijn MAN et al (2021) Outcomes after Prehospital Traumatic Cardiac Arrest in the Netherlands: a Retrospective Cohort Study. Injury 52:1117–1122. https://doi.org/10.1016/j.injury.2021.02.088

Hintergrund

„Don’t pump an empty heart“ ist einer der Leitsätze des ERC zum traumatischen Kreislaufstillstand („traumatic cardiac arrest“, TCA). Aktuelle Arbeiten zeigen, dass 6,3–11,5 % der Personen mit prähospitalem TCA bis zur Krankenhausentlassung überleben. Aus diesen Kollektiven erlitt der Großteil ein stumpfes Trauma. Zugrunde liegende Ursache kann die Dekompensation eines hypovolämischen, hypoxischen und/oder obstruktiven Schocks sein. Mehr noch als beim Kreislaufstillstand aufgrund einer internistischen Ursache ist es beim Trauma essenziell, reversible Ursachen sofort zu behandeln, wobei Thoraxkompressionen hier initial wahrscheinlich eine nachgeordnete Rolle spielen. Reversible Ursachen für einen TCA können Hypoxie, Hypovolämie aufgrund massiven Blutverlustes oder obstruktiver Schock durch Perikardtamponade oder Spannungspneumothorax sein. In der vorliegenden retrospektiven Studie wird das Überleben bis Krankenhausentlassung bei Personen mit TCA untersucht, die von einem Team, von insgesamt 4 niederländischen Rettungshubschraubern (RTH), behandelt wurden.

Studie

Methodik

In diese retrospektive Kohortenstudie wurden Erwachsene mit einem TCA im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2018 eingeschlossen. Ein TCA wurde definiert als ein Trauma mit agonaler Atmung oder ohne Spontanatmung sowie dem Fehlen eines zentralen Pulses.

Personen wurden vor Ort für tot erklärt, wenn nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen (z. B. Enthauptung, penetrierende kardiale Verletzung, Austreten von Hirnmasse etc.) vorlagen oder bei Ankunft des Rettungsdienstes oder RTH keine Lebenszeichen seit über 15 min bestanden. Eine Notfallthorakotomie wurde entsprechend der damals gültigen ERC-Leitlinie [71] durchgeführt.

Ergebnisse

Im Studienzeitraum konnten 915 Menschen mit bestätigtem TCA behandelt und in diese Studie eingeschlossen werden. Das mediane Alter betrug 47 Jahre und 76 % waren männlich. Verkehrsunfälle zählten mit 52,0 % zu den häufigsten Ursachen eines TCA, gefolgt von penetrierenden Verletzungen in 16,5 % der Fälle. Fast alle Personen (96,2 %) hatten einen initial nicht schockbaren Rhythmus.

Insgesamt wurden 83,9 % der Betroffenen endotracheal intubiert, bei 2,7 % war ein chirurgischer Atemweg notwendig. Eine Finger-Thorakostomie wurde häufiger durchgeführt als eine Nadeldekompression (47,2 % vs. 11,5 %). Bei 63 (6,9 %) Personen wurde eine prähospitale Notfallthorakotomie durchgeführt, eine penetrierende Verletzung lag in der Mehrheit (55,0 % bzw. 63,9 %) dieser Fälle vor. Zusätzlich zu diesen Interventionen wurden in 10,5 % der Fälle Erythrozytenkonzentrate verabreicht. In der Evaluation zwischen penetrierendem und stumpfem Trauma fällt auf, dass bei penetrierenden Traumen sowohl Thorakotomie (1,0 % vs. 36,4 %) als auch Transfusion (9,2 % vs. 16,8 %) signifikant häufiger durchgeführt wurden. Im Studienzeitraum wurden 328 Personen in eine Klinik transportiert, davon konnte bei 261 bereits am Einsatzort ein ROSC erreicht werden. In der vorliegenden Kohorte überlebten 36 (3,9 %) Personen bis zur Krankenhausentlassung. Von diesen hatten 17 (47,2 %) ein gutes, 10 (27,8 %) ein moderates und 7 (19,4 %) ein schlechtes neurologisches Ergebnis. Zwei Personen mit prähospitaler Thorakotomie aufgrund einer Perikardtamponade überlebten mit guter Neurologie. Im Gegensatz dazu überlebte keine Person nach Thorakotomie bei stumpfen Traumata. Im Vergleich zwischen Überlebenden und Verstorbenen ist ein längerer Intensivaufenthalt erkennbar. Menschen, die lebend aus dem Krankenhaus entlassen wurden, hatten einen medianen Intensivaufenthalt von 9,5 Tagen (Q1–Q3 2 bis 23 Tage). Im Gegenzug verstarben die Personen bereits nach 2 Tagen (Q1–Q3 2 bis 4 Tage) auf der Intensivstation. Jüngeres Alter sowie ein defibrillierbarer initialer Rhythmus waren in dieser Kohorte mit einer höheren Rate an Überleben assoziiert. Keinen Effekt auf das Überleben hatten das Geschlecht, die prähospitale endotracheale Intubation sowie die Transfusion von Blutprodukten. Auch die Zeit bis zum Eintreffen der RTH-Besatzung war nicht mit einem besseren Überleben assoziiert, wobei keine Person überlebte, wenn der RTH nach mehr als 25 min eingetroffen war. Traumatische Gehirnverletzung („traumatic brain injury“, TBI) mit Apnoe und daraus resultierender Hypoxie war die häufigste Todesursache in mehr als der Hälfte der Fälle. In Tab. 2 sind die vermuteten Ursachen, aufgrund derer bei den 36 Überlebenden ein Kreislaufstillstand eintrat, nach ihren Häufigkeiten dargestellt.

Tab. 2 Vermutete Ursachen für den prähospitalen Kreislaufstillstand in 36 Überlebenden

Kommentar zur Studie

Im beobachteten Zeitraum überlebten lediglich 3,9 % aller Personen, dies ist, verglichen mit anderen Arbeiten aus Nordamerika [72] oder Großbritannien [73], wesentlich geringer. Dies kann an der Einsatzhäufigkeit und damit verbundenen Routine liegen und der höheren Zahl an penetrierenden Traumen in den respektiven Ländern. Die Arbeit von Evans berichtet eine Rate von 32,7 % an penetrierenden Traumen [72]. Die vorliegenden Raten an moderatem und schlechtem neurologischem Überleben sind kongruent mit jenen einer 2012 veröffentlichten Metaanalyse [74]. Die hier dargestellte Rate von gutem neurologischem Überleben wird von einer rezenten Metaanalyse untermauert [75]. Im Gesamtkollektiv von 51.722 Personen zeigt sich in 43,5 % ein Überleben mit gutem neurologischem Ergebnis. Ein nichtsignifikanter Trend ist in dieser Metaanalyse erkennbar, wenn ärztliches Personal an der prähospitalen Behandlung beteiligt war (57,0 % vs. 38,0 %, statistisch nicht signifikant). Menschen mit defibrillierbarem Rhythmus überlebten in der vorliegenden Arbeit in 13,3 % der Fälle. Diese Signifikanz wird von der Arbeit von Vianen et al. [75] bestätigt. Dort ist das Vorliegen eines nichtdefibrillierbaren Rhythmus mit einer erhöhten Mortalität assoziiert (Risk Ratio 1,12; 95 %-KI [1,03–1,21]).

Die Therapie des prähospitalen TCA bleibt eine Herausforderung, und die vorliegenden Daten sollen dem behandelnden Team nochmals vor Augen führen, dass es sich hierbei nicht per se um eine aussichtslose Situation handelt. Mit zeitgerechten Interventionen und damit verbundenem ROSC am Unfallort haben diese Personen eine höhere Chance auf Überleben. Im Vergleich zu dem universellen ALS-Algorithmus spielt die Gabe von Adrenalin beim TCA nur eine untergeordnete Rolle. Einige Analysen deuten darauf hin, dass Adrenalin beim TCA sogar mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sein könnte [76]. Die richtige Behandlungsstrategie korreliert mit dem Unfallmechanismus. Der hohe Anteil an hypoxischen Ereignissen in der vorliegenden Studie betont den hohen Stellenwert wirkungsvoller Atemwegssicherungs- und Oxygenierungsstrategien. Personen im hämorrhagischen Schock profitieren am ehesten von einem raschen Transport unter Voranmeldung (Stichwort: „Code Red“) in einen Schockraum [77, 78], um den Kreislaufstillstand zu vermeiden. Tritt der Kreislaufstillstand durch Verbluten ein, sieht die ERC-Leitlinie bei unzureichender Blutungskontrolle den proximalen Aortenverschluss durch Resuscitative Endovascular Balloon Occlusion of the Aorta (REBOA oder offen nach Notfallthorakotomie) vor. Empfohlen ist auch die Gabe von Blutprodukten im Sinne eines Massivtransfusionsprotokolls [64]. Im Falle einer Perikardtamponade oder eines Spannungspneumothorax kann durch Entlastung ggf. zügig wieder ROSC erreicht werden [79, 80]. Aktuelle Bemühungen zur Verbesserung der prähospitalen Traumaversorgung zielen darauf ab, diese Maßnahmen bereits am Unfallort verfügbar zu machen, und bieten möglicherweise das Potenzial zur weiteren Verbesserung der Behandlungsergebnisse [25].

Um eine bestmögliche Versorgung dieses seltenen Kollektivs zu gewährleisten, sollte in jedem Rettungsdienstbereich evaluiert werden, welche Mechanismen beim TCA führend sind. Dadurch können anhand aktueller wissenschaftlicher Evidenz geeignete Behandlungsstrategien und Versorgungsabläufe entwickelt werden [81].