Falldarstellung

Anamnese

Ein 41-jähriger Patient litt seit seiner Kindheit an einer interstitiellen Nephritis mit konsekutiver terminaler Niereninsuffizienz, weshalb bereits 3 Nierentransplantationen durchgeführt worden waren. Trotz Immunsuppression mit Azathioprin, Ciclosporin und Prednison kam es wiederholt zu chronischen Abstoßungsreaktionen mit resultierender Notwendigkeit einer Hämodialysebehandlung. Über mehrere Wochen entwickelte der Patient trockenen Husten und ein allgemeines Krankheitsgefühl.

Aufgrund von Hämoptoe, Fieber und Dyspnoe stellte er sich in einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung vor. Der Versuch einer Blutstillung durch bronchoskopisches Einbringen von Eiswasser und Vasokonstriktoren in Intubationsnarkose erbrachte keine Besserung, sodass die Einlage von Tamponaden in die Segmentbronchien des rechten Mittel- und Unterlappens notwendig wurde (Abb. 1). Eine anschließende computertomographische Diagnostik des Thorax zeigte multiple, z. T. konfluierende Lungenrundherde beidseits mit zentralen Kavernen. Unter dem Verdacht auf eine infektiöse Genese wurden zunächst die Immunsuppressiva pausiert und eine kalkulierte antimikrobielle Therapie mit Meropenem, Moxifloxacin und Caspofungin begonnen. Zur Evaluation der Möglichkeit einer radiologisch-interventionellen bzw. operativen Blutstillung erfolgte die Verlegung des endotracheal intubierten und analgosedierten sowie muskelrelaxierten Patienten in das Universitätsklinikum Freiburg.

Abb. 1
figure 1

a Bronchoskopie des distalen Bronchus intermedius mit einliegender Tamponade. b Bronchoskopie des rechten Unterlappens nach vollständiger Entfernung der Tamponaden mit davon arrodierter Schleimhaut. Restkoagel in den Segmentbronchien B7, B8 und B9. B10 ist frei einsehbar

Initiale Verdachtsdiagnose und klinischer Verlauf

Bei Aufnahme auf die Intensivtherapiestation zeigte sich ein hämodynamisch stabiler Patient ohne klinische Zeichen einer aktiven Blutung. Laborchemisch wurde eine normwertige Leukozytenzahl gemessen, jedoch war der Prokalzitonin-Serum-Spiegel mit 13,6 ng/ml erhöht. Das Differenzialblutbild zeigte eine Linksverschiebung ohne Nachweis einer Eosinophilie. In einer erneuten Bronchoskopie erfolgten eine umfangreiche mikrobiologische und histopathologische Probengewinnung sowie die Detamponade der betroffenen Segmentbronchien. Dabei präsentierte sich eine anhaltende Blutung, sodass eine erneute Tamponade und im Verlauf die Transfusion von insgesamt 3 Erythrozytenkonzentraten erforderlich wurden. In der anschließenden computertomographischen Angiographie der pulmonalen Gefäße konnten mehrere Pseudoaneurysmata als mögliche Blutungsquellen identifiziert werden. Zudem wurden progrediente Konsolidierungen, Milchglastrübungen, Rundherde mit positivem „Halo“-Zeichen und Kavernenbildungen detektiert (Abb. 2). Aufgrund des radiologischen Befundes ergab sich der Verdacht auf eine pulmonale Kryptokokkose.

Abb. 2
figure 2

a Koronare Schnittebene eines kontrastmittelverstärkten CT in pulmonalarterieller-arterieller Mischphase: beidseitige Konsolidierungen, Nachweis von Pseudoaneurysmen im rechten Unterlappen und multiplen, z. T. vollständig flüssigkeitsgefüllten Kavernen. Weißer Pfeil Pseudoaneurysma. b Transversale Schnittebene derselben Untersuchung im Lungenfenster: beidseitige z. T. gasgefüllte Kavernen. c Transversale Schnittebene derselben Untersuchung in pulmonalarterieller-arterieller Mischphase: rechts betonte Konsolidierungen und geringe beidseitige Pleuraergüsse, Kavernen mit Gas-Flüssigkeit-Spiegeln. Weißer Pfeil Pseudoaneurysma. d Verlaufskontrolle in Nativtechnik (2 Wochen nach Behandlungsbeginn) in transversaler Schnittebene: regrediente Konsolidierungen und regrediente Flüssigkeitsspiegel der bipulmonalen Kavernen

In einer interdisziplinären Konferenz wurde die Möglichkeit einer radiologisch-interventionellen bzw. operativen Blutstillung diskutiert, aufgrund des disseminierten Befalls hätte jedoch eine schwere, nicht mit dem Leben zu vereinbarende pulmonale Funktionseinschränkung resultiert. Deshalb wurde ein medikamentös konservativer Therapieansatz gewählt.

Die bereits extern begonnene antimikrobielle Therapie wurde gemäß dem für ambulant erworbene Pneumonien zu erwartenden Keimspektrum auf Ampicillin/Sulbactam und wegen der Möglichkeit atypischer Pneumonieerreger zusätzlich auf Clarithromycin umgestellt. Eine bei pulmonaler Kavernenbildung differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogene Tuberkulose wurde bei fehlendem mikroskopischem Nachweis säurefester Stäbchen und negativer PCR-Untersuchung auf Mykobakterien ausgeschlossen. Eine Multiplex-„polymerase chain reaction“(PCR)-Untersuchung auf atypische Pneumonie-Erreger und Viren (inklusive SARS-CoV‑2) erbrachte ein negatives Ergebnis. Unter dem Verdacht auf eine invasive Mykose sowie einer differenzialdiagnostisch in Betracht gezogenen Kryptokokkose wurde die vorbestehende antimykotische Therapie mit Caspofungin kalkuliert auf liposomales Amphotericin B (5 mg/kg KG) und Fluconazol geändert. Zum Ausschluss eines meningealen Befalls bei möglicher Kryptokokkose erfolgte eine diagnostische Liquorpunktion, welche eine normale Liquorzellzahl ohne Erregernachweis erbrachte. Auch im Serum konnte kein Cryptococcus-Antigen nachgewiesen werden. Die histopathologische Untersuchung des tracheobronchialen Biopsiematerials zeigte eine granulierende Entzündungsreaktion mit angrenzender Nekrosezone und myzetale Erregerstrukturen (Abb. 3). Gleichzeitig konnten in der mikrobiologischen Diagnostik sowohl aus dem Biopsiematerial als auch aus der bronchoalveolären Lavage Fadenpilze der Gruppe Mucorales sowie Hefepilze der Art Candida albicans isoliert werden. Die Differenzierung der Gruppe Mucorales bis auf Artebene erfolgte mittels einer Mucorales-spezifischen-PCR, sodass schließlich Rhizopus microsporus nachgewiesen werden konnte. Eine Resistenztestung wurde bei fehlenden validierten Tests nicht durchgeführt. Serologisch wurde ein erhöhtes β‑D-Glucan von 342 pg/ml (Fungitell®-Assay, Fa. Associates of Cape Cod Incorporated, East Falmouth, MA, USA) nachgewiesen. Da weder in der bronchoalveolären Lavage noch im bronchialen Biopsiematerial noch im Serum des Patienten Aspergillus-Antigen (Platelia™ Aspergillus-Antigen, Fa. BioRad, Hercules, CA, USA) nachgewiesen werden konnte, wurde das Vorliegen einer pulmonalen Aspergillose als unwahrscheinlich angesehen.

Abb. 3
figure 3

Lichtmikroskopisches Bild einer tracheobronchialen Biopsie: Degenerativ veränderte Pilzhyphen, teils abgebrochen und in weiten Winkeln – etwa 90 Grad – verzweigt (blaue Pfeile), vereinbar mit Schimmelpilzen der Gruppe Mucorales in einem nekrotischen Hintergrund, Hämatoxylin-Eosin(HE)-Färbung, Vergr. 400:1

Unter einliegenden Tamponaden und antiinfektiver Therapie kam es schließlich zum Sistieren der pulmonalen Hämorrhagie, sodass eine endgültige bronchoskopische Detamponade erfolgen konnte. Die antimikrobielle Therapie mit Ampicillin/Sulbactam und Clarithromycin wurde bei fehlendem bakteriellem Keimnachweis nach 2 Tagen abgesetzt, während die antimykotische Therapie beibehalten wurde. Die respiratorische Insuffizienz besserte sich zunehmend, sodass der Patient nach insgesamt 10-tägigem Intensivaufenthalt auf die Normalstation verlegt werden konnte. In einer Verlaufsbildgebung zeigten sich regrediente Konsolidierungen der pulmonalen Kavernen (Abb. 2c). Die antimykotische Therapie wurde im weiteren Verlauf nach 29 Tagen von liposomalem Amphotericin B auf Isavuconazol umgestellt, da dieses zur oralen Therapie zugelassen ist. Dem Patienten wurde empfohlen, die orale Therapie mit Isavuconazol für mindestens 12 Wochen fortzuführen. Mit Erregernachweis der Fadenpilze der Gruppe Mucorales wurde die Therapie mit Fluconazol bei zu erwartender fehlender Wirksamkeit bereits nach 2 Tagen beendet [2]. Nach Besserung des Allgemeinzustandes konnte der Patient anschließend in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden.

Diskussion

Hintergrund

Mucormykosen werden durch Infektionen mit Schimmelpilzen aus der Gruppe der Mucorales hervorgerufen, welcher u. a. die Gattungen Rhizopus, Mucor und Rhizomucor angehören [1]. Nach der invasiven Aspergillose sind Mucormykosen in Europa die zweithäufigsten Schimmelpilzinfektionen [12]. Die Mortalität ist hoch und liegt bei ca. 50 % [11].

Risikofaktoren

Einem erhöhten Risiko für diese opportunistische Infektion sind in Europa hauptsächlich Patienten, die aufgrund einer hämatologischen Grunderkrankung oder nach solider Organtransplantation immunsupprimiert sind, ausgesetzt. Darüber hinaus zählen ein Diabetes mellitus sowie bei Dialysepatienten die Behandlung mit dem Chelatbildner Deferoxamin bei Eisenüberladung zu den Risikofaktoren [11, 12].

Pathophysiologie und Krankheitssymptome

Die ubiquitär vorkommenden Pilzsporen werden über die Atemwege aufgenommen und führen bei Immunkompromittierten zu einer pulmonalen Mucormykose, während Patienten mit Diabetes mellitus eher eine rhinoorbitale Beteiligung haben [1]. Zuletzt wurden im Rahmen der COVID-19-Pandemie v. a. in Indien mehrfach Fälle einer rhinoorbitozerebralen Mucormykose beschrieben [10]. Als mögliche Ursache für diese Fallzunahme wird neben dem allgemeinen Risikofaktor eines schlecht kontrollierten Diabetes mellitus [4] die häufige Verordnung hochdosierter Glukokortikoide im Rahmen der Therapie einer SARS-CoV-2-Infektion diskutiert [10].

Diagnostik

Durch die European Confederation of Medical Mycology (ECMM) wurde zusammen mit dem Mycoses Study Group Education & Research Consortium (MSG ERC) in Lancet 2019 eine Leitlinie zu Diagnose und Therapie der Mucormykose publiziert [1]. Hier wird bei Verdacht auf eine Mucormykose die Verlegung in ein Zentrum der Maximalversorgung empfohlen, wo die zur Diagnosestellung erforderlichen strukturellen Voraussetzungen, bestehend aus radiologischer, histopathologischer und mikrobiologischer Diagnostik, gegeben sind. Ein histopathologischer und kultureller Nachweis von myzetalen Strukturen gilt als beweisend für die Mucorales, wobei PCR-Untersuchungen wie im vorliegenden Fallbeispiel den Erreger genauer spezifizieren können. Serologische Marker wie β‑D-Glucan eignen sich nicht zum Nachweis einer Mucormykose, da β‑D-Glucan bei Schimmelpilzen der Gruppe Mucorales – anders als beim Hefepilz Candida albicans – keinen Bestandteil der Zellwand darstellt [7]. Der positive Wert für β‑D-Glucan im vorliegenden Behandlungsfall könnte durch die gleichzeitig in der Bronchiallavage nachgewiesenen Hefepilze der Art Candida albicans verursacht worden sein. Als mögliche andere Ursache muss jedoch auch in Erwägung gezogen werden, dass die Verwendung bestimmter Dialysemembranen bei Hämodialysepatienten zu erhöhten β‑D-Glucan-Werten führen kann [6]. Zudem wurden auch nach Substitution von Albumin oder Immunglobulinen falsch-positive β‑D-Glucan-Werte im Fungitell®-Assay beschrieben [3]. Darüber hinaus können glucanhaltige Gaze oder Schwämme, die während chirurgischer Eingriffe verwendet werden, die Testergebnisse verfälschen und erhöhte β‑D-Glucan-Werte verursachen [5].

Mucorales wachsen angioinvasiv, wodurch sich auch das klinische Erscheinungsbild mit Hämoptoe als Leitsymptom erklärt. Die Computertomographie sollte mit Kontrastmittel durchgeführt werden, da hierdurch sowohl die Angioinvasivität als auch mögliche lokale thrombomykotische Okklusionen besser zur Darstellung kommen [8]. Diese sind jedoch kein spezifisches Kriterium für Mucorales-Infektionen, sondern können bei allen angioinvasiv wachsenden Schimmelpilzinfektionen auftreten. Computertomographische Kontrolluntersuchungen können initial trotz antimykotischer Therapie eine Befundprogredienz zeigen, welches jedoch bei gleichzeitiger klinischer Besserung keinen Hinweis für ein Therapieversagen darstellt.

Therapie

Zunächst sollte möglichst die der Immunsuppression zugrunde liegende Ursache behandelt werden. Dies kann zum einen die optimale Therapie der Grunderkrankung bedeuten (z. B. Blutzuckerkontrolle bei Diabetes mellitus) oder aber auch das Absetzen einer immunsuppressiven Therapie (z. B. nach Organtransplantation). Darüber hinaus besteht die Erstlinientherapie aus liposomalem Amphotericin B in einer Dosierung von 5–10 mg/kgKG [1, 13]. Wann immer möglich, sollte auch eine chirurgische Fokussanierung angestrebt werden, was jedoch häufig – wie auch im beschriebenen Fall – aufgrund eines schweren disseminierten Befalls beider Lungen nicht möglich ist. Auch Isavuconazol und Posaconazol aus der Gruppe der Triazole besitzen eine Wirksamkeit gegen Mucorales [9] und sind in den USA als Erstlinientherapie der Mucormykose zugelassen [1]. Die Leitlinien empfehlen eine Therapie über mindestens 12 Wochen, wenn die zugrunde liegende Ursache der Immunsuppression behandelt werden kann. Bleibt die Immunsuppression bestehen, sollte eine lebenslange antimykotische Therapie in Erwägung gezogen werden.

Fazit für die Praxis

Bei Patienten mit Hämoptoe unter Immunsuppression und kavernösen Strukturen im Thorax-CT sollte differenzialdiagnostisch an eine pulmonale Mucormykose gedacht werden und ein direkter Erregernachweis angestrebt werden. Die Therapie der Wahl ist die hochdosierte Gabe von liposomalem Amphotericin B über mehrere Wochen und, wenn möglich, eine komplette chirurgische Fokussanierung.