In der vorliegenden Ausgabe von Die Anaesthesiologie fassen Andres und Schäfer [1] den aktuellen Sachstand zum „Thema Fast-track-Konzepte in der operativen Medizin“ zusammen. Anhand einer Datenbank-Literaturrecherche unter zusätzlicher Berücksichtigung der aktuellen Leitlinien blicken die Autoren von den ersten systematischen Behandlungsprotokollen bei ausgewählten Eingriffen in der Abdominalchirurgie („Fast-track-Konzept“ der Arbeitsgruppe von Kehlet [4]) über die Weiterentwicklung in Gestalt der „Enhanced-Recovery-After-Surgery(ERAS)“-Konzepte (maßgeblich mitgestaltet von Feron und Ljungqvist) zurück [3, 6]. Die Autoren bewerten kritisch den aktuellen Stand in der Konzeption und praktischen Umsetzung dieser Behandlungsprotokolle. Zudem stellen sich naturgemäß dann auch die Fragen: Wie sieht die Zukunft aus? Wie können wir in einer immer älter werdenden Gesellschaft bei begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen die Behandlungsergebnisse optimieren?

Die konsequente Anwendung der Protokolle mit evidenzbasierten Methoden ist für den Erfolg essenziell

Die Autoren stellen in ihrer systematischen Übersicht die Grundelemente des ERAS-Konzepts in chronologischer Reihenfolge innerhalb des Diagnostik- und Behandlungsprozesses dar und betonen die Bedeutung der präoperativen Evaluation und Risikostratifikation. Die präoperative Optimierung ist – und dies erscheint unabdingbar – unter aktiver Einbeziehung der Patienten essenziell. Dies betrifft nicht nur die Erkennung und möglichst effektive Minimierung von Risikofaktoren, sondern auch eine durch aktive Maßnahmen (z. B. Muskeltraining) erfolgte Verbesserung des präoperativen Zustands insbesondere bei älteren (mitunter „gebrechlichen“) Patienten in einer möglichst kurzen Zeit. Somit kann man konstatieren, dass das vor etwa 25 Jahren inaugurierte Prinzip des „fast track“ (sinngemäß übersetzt mit: „schnelle Spur“ oder auch „schneller Weg“) schon in der präoperativen Planung Anwendung findet und dem Fachgebiet Anästhesiologie hier eine tragende Bedeutung zukommt. Als „perioperative Mediziner“ können Anästhesist*innen eine Führungsrolle übernehmen. Die gemeinsamen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, die sich derzeit in einem Aktualisierungsprozess befinden, können von großem Nutzen sein [2]. Die intra- und postoperative Vorgehensweise vonseiten des operativen Fachgebietes und der Anästhesiologie zielen auf eine möglichst geringe Beeinträchtigung bzw. Wahrung der Homöostase ab. Dabei erscheinen die Details, die zum gewünschten Ziel führen, weniger bedeutsam (z. B. die Durchführung der Allgemeinanästhesie als totale intravenöse Anästhesie [TIVA] oder balancierte Anästhesie, intra- und postoperative Schmerztherapie mit oder ohne Regionalanästhesieverfahren, Volumenmanagement, Prophylaxe von „postoperative nausea and vomiting“, PONV) als die konsequente Anwendung des Konzepts. Selbstverständlich muss dies mit evidenzbasierten und klinisch bewährten Techniken erfolgen; die konkrete Umsetzung als Maßnahmenbündel innerhalb des Gesamtrahmens des Konzepts ist naturgemäß in den jeweiligen Institutionen anzupassen.

Schon heute existieren ERAS-Protokolle für Patientengruppen, die vor wenigen Jahren für dieses Behandlungskonzept nicht oder wenig geeignet erschienen: In der September-Ausgabe 2022 von Die Anaesthesiologie wurden in einem Übersichtsbeitrag von Kubitz et al. die Behandlungskonzepte für kardiochirurgische Patienten („enhanced recovery after cardiac surgery“, ERACS) dargestellt [5]. Wenn auch die Eingriffe in der Kardiochirurgie sich von der Komplexität und dem zu betreibenden Aufwand von Prozeduren z. B. in der Allgemeinchirurgie unterscheiden, sind dennoch die allgemeinen Prinzipien der ERAS-Konzepte anwendbar. Weitere ERAS-Protokolle wurden u. a. für Eingriffe in den Fachgebieten Neurochirurgie, Wirbelsäulenchirurgie, Urologie, Orthopädie, Gefäßchirurgie und Lungenchirurgie entwickelt [7].

Die „Schnellspur“ zur besserer Erholung und Rehabilitation nach operativen Eingriffen ist zielführend

Erfolgreiche ERAS-Programme verlangen neben einem sehr hohen Engagement aller beteiligten Fachgebiete und Berufsgruppen eine erhebliche Disziplin und die Bereitschaft, die einzelnen interdisziplinären Vorgehensweisen und Prozesse regelmäßig in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess („plan – do – check – act“) kritisch zu hinterfragen und ggf. zu modifizieren.

Die derzeit vorliegenden Erkenntnisse zeigen, dass die „Schnellspur“ zur verbesserten Erholung und Rehabilitation nach operativen Eingriffen für die immer älter werden Patientinnen und Patienten mitunter steinig sein kann, aber unter gleichzeitiger Schonung materieller und finanzieller Ressourcen unseres solidarisch getragenen Gesundheitssystems zielführend ist. Die vergangenen 25 Jahre haben gezeigt, dass dies, ausgehend vom „Pilotprojekt“ in der Kolonchirurgie [4], auch auf viele andere Gebiete und Patientengruppen in der operativen Medizin übertragen bzw. adaptiert werden kann. Die Zukunft verspricht, spannend zu werden. Es sollte und muss auch gelingen, diese Konzepte flächendeckend zu etablieren und auf eine breite Basis zu stellen. Sie müssen selbstverständlich weiterhin wissenschaftlich begleitet und untermauert werden, um eine breite Akzeptanz bei allen Beteiligten zu erzielen.