Prüfungssimulation

Fallschilderung

Ein 60-jähriger Patient wird nach einem Fahrradunfall bei einem Wert auf der Glasgow Coma Scale (GCS) von 10 Punkten vom Notarzt im Schockraum übergeben. Der Patient habe keinen Helm getragen.

In der Notaufnahme trübt der Patient zunehmend ein. Deshalb erfolgt eine endotracheale Intubation. Trotz entsprechender Vorsichtsmaßnahmen kommt es zu Erbrechen und einer vermeintlichen Aspiration. Bei der initialen oralen Absaugung kann galliges Sekret entfernt werden. In der anschließenden Bronchoskopie liegt die Spitze des Tubus im rechten Hauptbronchus. Dieser wird unter bronchoskopischer Sicht in die distale Trachea etwa 2 cm proximal der Hauptcarina zurückgezogen. Es findet sich beidseits ebenfalls galliges Sekret, das abgesaugt wird.

Die Computertomographie des Schädels erbringt kein wesentliches Hirnödem und keine intrazerebrale Blutung. Unter lungenprotektiver Beatmung kann der Patient ohne Zeichen einer Aspirationspneumonie am Folgetag extubiert werden.

Prüfungsfragen

  • Welche Gefahren bestehen bei der Aspiration von Mageninhalt und der Bronchoskopie an sich?

  • Wie ist bei der Aspiration von Mageninhalt vorzugehen?

  • Wie wird die Bronchoskopie durchgeführt?

  • Wie gelingt die Orientierung im Bronchialsystem?

  • Welche weiteren Indikationen für eine Bronchoskopie kommen intensivmedizinisch infrage?

Antworten

Welche Gefahren bestehen bei der Aspiration von Mageninhalt und bei der Bronchoskopie an sich?

Die Gefahren sind abhängig vom aspirierten Material.

  • Grobe Nahrungsanteile können sowohl zu einem Bolus als auch zu Stenosen des Bronchialsystems mit der Gefahr von Ventilmechanismen (aspirierte Nüsse bei Kindern) bis zum Spannungspneumothorax oder zu poststenotischen, teilweise abszedierenden Pneumonien führen.

  • Bei der Aspiration bakteriell kontaminierten Mageninhalts ist mit einer Aspirationspneumonie zu rechnen.

  • Saurer Magensaft kann eine chemische Pneumonitis auslösen. Hier droht die Entstehung eines Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS), für das bei Aspiration großer Mengen sauren Magensafts eine Letalität bis 70 % angegeben wird. Im Rahmen der chemischen Pneumonitis ist mit bakteriellen Superinfektionen zu rechnen [1, 2].

  • Jede Bronchoskopie birgt die Gefahr von Verletzungen im Bronchialbaum. Jeglicher Schleimhautkontakt ist zu vermeiden und das Bronchoskop zentriert in der Lumenmitte zu bewegen (s. Bewegungsrichtungen im Abschn. „Wie wird die Bronchoskopie durchgeführt?“). Während der Bronchoskopie können je nach Zustand des Patienten Hypoxie, Hyperkapnie, Kreislaufdepression als Sedierungsfolge oder Stressreaktionen resultieren. Bei aerosolübertragbaren Erkrankungen wie z. B. der „coronavirus disease 2019“ (COVID-19) kann es zu einer Kontamination von Personal und Umgebung kommen.

  • Durch Effekte des autopositiven endexspiratorischen Drucks (Auto-PEEP) kann während der Bronchoskopie ein Barotrauma ausgelöst werden, bis hin zur Ausbildung eines (Spannungs‑)Pneumothorax.

Cave.

  • Gefahr der Hypoxie, Hyperkapnie, Kreislaufdepression als Sedierungsfolgen und Stressreaktionen

  • Kontamination von Personal und Umgebung bei aerosolübertragbaren Erkranungen z. B. COVID-19

Cave.

Durch Effekte des Auto-PEEP kann während der Bronchoskopie ein Barotrauma bis hin zur Ausbildung eines (Spannungs‑)Pneumothorax ausgelöst werden.

Wie ist bei der Aspiration von Mageninhalt vorzugehen?

  • Entfernung des regurgitierten Materials aus dem Oropharynx, entweder durch Absaugung oder bei groben Nahrungsanteilen manuell bzw. mithilfe der Magill-Zange.

  • Bei bewusstseinsgetrübten Patienten nach der Entfernung des aspirierten Materials aus dem Oropharynx endotracheale Intubation und transtracheale Absaugung mit einem möglichst großkalibrigen Absaugkatheter.

  • Wenn möglich, schnelle bronchoskopische Inspektion und Absaugung des Materials; bei groben Nahrungsanteilen oder Fremdkörpern auch starre Bronchoskopie in Betracht ziehen.

Cave.

  • Keine großvolumige Lavage durchführen → hierbei besteht die Gefahr der Verschleppung des aspirierten Materials in tiefere Bronchialabschnitte.

  • Keine präventive Steroidtherapie, bei Aspiration größerer Mengen sauren Magensafts lungenprotektive Beatmung und ggf. Therapie des ARDS.

  • Antibiotische Therapie nur bei radiologischem Nachweis von Infiltraten, die eine Pneumonie suggerieren.

Wie wird die Bronchoskopie durchgeführt?

  • Im Gegensatz zum Gastroskop oder zum Koloskop kann das Bronchoskop nur in einer Ebene abgewinkelt werden.

  • Hierbei ist die Abwinkelung nach „oben“ mit mindestens 180° üblicherweise deutlich größer als nach „unten“ mit meist nur 90–110° (Abb. 1).

    Abb. 1
    figure 1

    „Obere“ und „untere“ Abwinkelung eines Bronchoskops

  • Beim Einführen des Geräts (sowohl über einen liegenden Tubus wie auch ohne Atemwegssicherung) empfiehlt sich, das Bronchoskop so zu halten, dass die Aufwärtsabwinklung nach ventral zeigt.

  • Vor dem Einführen in den rechten Hauptbronchus ist eine Drehung um etwa 90 ° nach rechts notwendig. Durch eine Abwinkelung nach oben kann der Oberlappen(OL)-Bronchus unmittelbar detektiert werden. Nach Rückzug aus dem rechten OL-Bronchus erfolgt wieder eine Drehung um 90° nach links, da Mittellappenabgang und Abgang des apikalen Unterlappens wieder in einer ventral-dorsalen Ebene liegen. Die basalen Unterlappenbronchien liegen dann wieder in einer rechts-lateralen Ebene.

  • Zur Inspektion des linksseitigen Bronchialsystems wird analog nach Rückzug des Geräts in die distale Trachea um 90° nach links gedreht. Ober- und Unterlappenabgang liegen dann wieder in einer eher lateralen Ebene. Zur Inspektion des linken apikalen Unterlappenbronchus kann es notwendig sein, das Gerät nochmals 90° nach links, d. h. in eine dorsal-ventrale Ebene, zu drehen.

Merke.

In jedem Fall sollte darauf geachtet werden, möglichst mittig im Bronchiallumen zu bleiben, da eine Berührung der Optik mit der Bronchialwand einerseits schnell die Optik verschmutzt, andererseits bei entzündlicher oder veränderter Bronchialschleimhaut zu einer Schleimhautblutung mit ebenfalls verschlechterten Sichtbedingungen führt.

Merke.

Im Rahmen der Bronchoskopie kann auch bei analgosedierten Patienten zur Vermeidung hämodynamischer Instabilitäten supportiv eine Schleimhautlokalanästhesie mit inhalativem oder lokal appliziertem Lokalanästhetikum (z. B. Lidocain, 1 %ig) hilfreich sein.

Wie gelingt die Orientierung im Bronchialsystem?

  • In der Trachea sowie den beiden Hauptbronchien ist eine Orientierung an der sog. Pars membranacea möglich; diese schließt die hufeisenförmigen Knorpelspangen dorsal flächig ab.

  • Geht die Orientierung einmal verloren, sollte das Gerät wieder in die distale Trachea zurückgezogen werden (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Orientierung in den Hauptbronchien während der Bronchoskopie. a Normale Bifurkation mit beiden Hauptbronchien. b Rechter Hauptbronchus mit Oberlappenabgang, bei Drehung des Bronchoskops um 90° nach rechts entspricht im Bild oben rechts lateral. c Nach Rückdrehung um 90° ist oben (ventral) das Mittellappenostium, in der Mitte der basale (Unterlappen‑)Bronchus und unten (dorsal) das apikale Unterlappensegment. d Blick auf die linksseitige Oberlappen-Carina, unten (medial) das apikale Unterlappensegment und die basalen (Unterlappen‑)Segmente. Der erste Bronchus lateral der Oberlappen-Carina ist das Lingula-Ostium. Die apikale Gruppe ist auf diesem Bild nicht einzusehen. e Apikale Oberlappensegmentgruppe: links apikales und posteriores Oberlappensegment, rechts anteriores Oberlappensegment

Der Fall.

Der initiale Bronchoskopiebefund entsprach in etwa Abb. 2b; dies bedeutete, dass die Spitze des Tubus im rechten Hauptbronchus lag. Nach Rückzug des Tubus konnte aus dem beidseitigen Bronchialsystem etwas gallig verfärbtes Sekret abgesaugt werden.

Welche weiteren Indikationen für eine Bronchoskopie kommen intensivmedizinisch infrage? [3]

  • Als Erstes ist die Frage zu klären, ob eine starre (insbesondere bei massiven Blutungen oder Fremdkörpern im oberen Trachealsystem) oder eine flexible Technik notwendig ist. Es wird zwischen diagnostischem und therapeutischem Eingriff unterschieden.

  • Die Einführung des Bronchoskops kann die Ventilation und damit eine Hypoxämie oder Hyperkapnie verschlechtern. Gerade bei der Beatmung mit einem hohen PEEP verursacht dessen Unterbrechung im Rahmen der Bronchoskopie ein Atelektrauma.

  • Wenig erfahrene Bronchoskopiker können durch vermehrte Schleimhautkontakte leicht eine Schleimhautblutung auslösen. Diese nicht unwesentliche Gefahr darf insbesondere bei antikoagulierten Patienten nicht außer Acht gelassen werden.

Aspiration.

  • Länger als einer Stunde nach der Aspiration flüssigen Materials ist eine bronchoskopische Absaugung nicht mehr sinnvoll, da das Sekret bis dahin bereits in die tieferen Atemwege verschleppt ist [4, 5].

  • Bei Verdacht auf eine Aspiration fester Nahrungsbestandteile sollte jedoch auch später eine bronchoskopische Absaugung erfolgen, um Atelektasen zu verhindern [4, 5].

  • Metallische Fremdkörper wie beispielsweise Zahnkronen können häufig monate- oder jahrelang unbemerkt im Bronchialsystem verbleiben und meist leicht entfernt werden.

Atelektasen.

Radiologisch fassbaren Atelektasen liegen häufig Mukusverlegungen von Lappen- oder Segmentbronchien zugrunde. Diese lassen sich mithilfe der Bronchoskopie sowohl diagnostizieren als auch therapieren.

Dilatative Tracheotomie.

Zur dilatativen Tracheotomie ist die bronchoskopische Kontrolle unverzichtbar. Abhängig vom verwendeten System sind sowohl die Wahl der Punktionsstelle, der Abstand zur Pars membranacea der Trachea sowie die richtige Positionierung der Trachealkanüle zu kontrollieren.

Blutung aus den Atemwegen.

  • Bei der akuten Blutung aus den unteren Atemwegen sollte die Bronchoskopie insbesondere zum Freihalten der nichtbetroffenen Seite und ggf. zur Positionierung eines Bronchusblockers dienen.

  • Koagel sollten, wenn eine ausreichende Ventilation möglich ist, zunächst in situ belassen und erst nach 24–48 h entfernt werden. Beim Absaugen von Koageln besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit einer schwierig zu beherrschenden Rezidivblutung.

  • Bei persistierenden Blutungen empfiehlt sich in jedem Fall die Hinzuziehung eines interventionell tätigen Pneumologen.

Lagekontrolle von Tubus oder Trachealkanüle.

  • Eine Torquierung speziell von Spiraltrachealknülen kann bei direktem Kontakt zur Pars membranacea der Trachea mit dem weitgehenden Verschluss der distalen Öffnung einhergehen. Ebenso kommt es bei Trachealkanülen häufig zu einem Sekretverschluss, weshalb bei akuter Dyspnoe oder akut sich verschlechternder Beatmungssituation zu diesem Zweck eine Bronchoskopie erfolgen sollte.

  • Auch Fehllagen des Endotrachealtubus oder gezielte einseitige Intubationen können bronchoskopisch kontrolliert werden.

Probengewinnung zur mikrobiologischen Untersuchung bei ventilatorassoziierten Pneumonien (VAP).

  • Obwohl es sich um keine zwingende Indikation handelt, kann mithilfe der Bronchoskopie und großvolumiger (~100 ml) bronchoalveolärer Lavage Material zur mikrobiologischen Untersuchung oder insbesondere zum Nachweis von Pneumocystis jirovecii gewonnen werden.

  • Für die Bestimmung „klassischer“ VAP-Erreger, wie Pseudomonas aeruginosa oder Klebsiella spp, reicht meist eine Katheterabsaugung aus dem Tubus oder eine Bronchiallavage mit geringem Volumen (5–10 ml) aus.