Prüfungssimulation

Fallschilderung

Eine 41-jährige Patientin hatte sich vor 3 Wochen mit Dyspnoe und Fieber in einem Krankenhaus der Regelversorgung vorgestellt. Sie wurde auf SARS-CoV‑2 positiv getestet und, da sie in der 32. Schwangerschaftswoche war, in ein Haus der Maximalversorgung verlegt. Dort wurde das Kind wohlbehalten per Sectio entbunden. Im weiteren Verlauf wurde die Patientin allerdings respiratorisch insuffizient und erfüllte die Kriterien für ein ARDS („acute respiratory distress syndrome“). Sie musste für 1 Woche invasiv beatmet werden und wurde wiederholt in Bauchlage verbracht. Darunter hatte sich die Lungenfunktion deutlich erholt, sodass ein Extubationsversuch möglich schien. Dennoch war dieser wiederholt nicht erfolgreich aufgrund von Agitation und Fehlen ausreichender Wachheit. Letztlich wurde die Patientin nach 2 Extubationsfehlversuchen komplikationslos tracheotomiert.

Prüfungsfragen

  • Wie ist Weaning definiert, und wann beginnt der Weaningprozess?

  • Welche Voraussetzungen müssen für einen Weaningbeginn erfüllt sein?

  • Welche verschiedenen Weaningkonzepte kennen Sie?

  • Wann ist ein Weaning prolongiert, und wann gilt es als erfolgreich?

  • Was sind mögliche Entwöhnungsindices?

  • Nennen Sie klinische Zeichen für ein kardial bedingtes Weaningversagen?

  • Ist nichtinvasive Ventilation (NIV) als Weaningstrategie geeignet?

  • Wozu dienen Weaningprotokolle?

  • Was ist automatische Entwöhnung vom Respirator?

  • Welche Beatmungszugänge gibt es, und wann ist ein Wechsel indiziert?

Antworten

Wie ist Weaning definiert, und wann beginnt der Weaningprozess?

Der Prozess der Beendigung der maschinellen Beatmung, das sog. Weaning, ist eines der schwierigsten Probleme in der Intensivmedizin [1]. Die maschinelle Beatmung der Lungen mit Überdruck wird in 6 Phasen eingeteilt (Abb. 1). Der eigentliche Weaningprozess beginnt ab Phase 4.

Abb. 1
figure 1

Schema der verschiedenen Phasen einer invasiven mechanischen Ventilation. (Mod. nach [2])

Welche Voraussetzungen müssen für einen Weaningbeginn erfüllt sein?

Für einen Weaningbeginn müssen klinische als auch objektive Kriterien erfüllt sein [3].

Klinische Kriterien:

  • Ausreichender Hustenstoß

  • Keine exzessive Sekretion

  • Rückbildung der akuten Erkrankungsphase, die zur Intubation geführt hat

Objektive Kriterien:

  • Klinische Stabilität (hämodynamisch und metabolisch)

  • Keine schwere Oxygenierungsstörung bei adäquater Beatmung (adäquater positiver endexspiratorischer Druck [PEEP])

  • Adäquate pulmonale Funktion (Atemfrequenz ≤ 35/min; Tidalvolumen > 5 ml/kg ideales Körpergewicht; keine signifikante respiratorische Azidose)

  • Adäquate mentale Funktion (Richmond Agitation Sedation Scale [RASS] 0/−1)

Welche verschiedenen Weaningkonzepte kennen Sie?

Es wird zwischen diskontinuierlichem und kontinuierlichem Weaning unterschieden. Die diskontinuierliche Form besteht aus dem Wechsel zwischen Phasen kontrollierter invasiver Beatmung und Phasen reiner Spontanatmung ohne jegliche Form der Atemunterstützung. Diese Strategie hat sich v. a. bei Patienten mit schwerer chronisch obstruktiver Ventilationsstörung bzw. neuromuskulärer Erkrankung bewährt. In der Intensivmedizin hat sich hingegen das kontinuierliche Weaning etabliert. Dabei kommt es zu einem fließenden Übergang von der kontrollierten Beatmung zur Spontanatmung unter Verwendung augmentierter Beatmungsformen [4].

Merke.

Beim Weaning steht zunächst die Reduktion des endinspiratorischen Drucks im Vordergrund, danach die Reduktion der mandatorischen Atemfrequenz und des PEEP.

Wann ist ein Weaning prolongiert, und wann gilt es als erfolgreich?

Das Weaning wird in 3 Gruppen eingeteilt (Tab. 1). Zudem ist eine Einteilung nach Ursache der respiratorischen Insuffizienz wahrscheinlich sinnvoll (hypoxämisch, hyperkapnisch oder gemischt), da sich daraus unterschiedliche Konzepte ableiten könnten [3, 5]. Jedoch ist dies bisher nicht weiter untersucht. Mit Dauer des Weanings steigt zudem das Risiko zum Versterben [6].

Tab. 1 Die 3 Gruppen der Respiratorentwöhnung gemäß Budapester Konsensus-Konferenz aus dem Jahr 2005 [2]

Was sind mögliche Entwöhnungsindices?

  1. 1.

    Die Bestimmung des Verhältnisses von Atemfrequenz zum Tidalvolumen, (AF [1/min]/VT [l]) im Spontanatmungsversuch („spontaneous breathing trial“) wird auch als „rapid shallow breathing index“ bezeichnet [3]. Werte von 100 bis 120 machen eine erfolgreiche Extubation unwahrscheinlich.

  2. 2.

    Messung des Unterdrucks während einer spontanen Inspiration nach 100 ms (P0.1). Werte von weniger als −6 mbar gelten als Zeichen für einen erhöhten Atemantrieb (z. B. Atemnot).

  3. 3.

    „Peak expiratory flow“ vor Extubation/Dekanülierung v. a. bei neuromuskulärer Beeinträchtigung zu messen und bei Werten ≤ 60 l/min nach Extubation oder Dekanülierung ein intensives nichtinvasives Sekretmanagement durchzuführen [3].

  4. 4.

    Cuff-Leak-Test zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines Postextubationsstridors vor einer Extubation [7].

Cave.

Die Tests liefern nur Hinweise, haben im Einzelfall eine geringe Sensitivität und Spezifität und sollten daher nie alleinige Entscheidungsgrundlage sein.

Nennen Sie klinische Zeichen für ein kardial bedingtes Weaningversagen?

  • Abnahme der zentralvenösen (ScvO2) bzw. gemischtvenösen Sauerstoffsättigung (SvO2)

  • Anstieg des zentralvenösen Venendrucks (ZVD) während eines Spontanatmungsversuchs

  • Anstieg der linksventrikulären Füllungsvolumina und Füllungsdrücke

  • Anstieg des pulmonal-kapillären Verschlussdrucks (PCWP)

  • Erhöhtes natriuretisches Peptid vom B‑Typ („brain natriuretic peptide“ [BNP]) [4]

Merke.

Durch Senkung des intrathorakalen Drucks nach Extubation kommt es zu einer Erhöhung des venösen Rückstroms zum rechten Herzen mit Erhöhung der Vorlast. Eine Verschlechterung der Belüftung nach Wegfall des kontinuierlichen Atemwegsüberdrucks (CPAP) kann über die hypoxische pulmonale Vasokonstriktion auch die Nachlast des rechten Ventrikels erhöhen. Eine pulmonale Stauung kann über die Senkung des alveolären Drucks nach Extubation wieder zunehmen.

Cave.

Durch die Wegnahme eines alleinigen CPAP kann ein vorher ruhig atmender, latent kardial insuffizienter Patient nach Extubation erneut kardiorespiratorisch dekompensieren womit ein kardiales Weaningversagen induziert wird.

Ist nichtinvasive Ventilation (NIV) als Weaningstrategie geeignet?

Die Strategie, beatmete COPD-Patienten frühzeitig zu extubieren und die Beatmung unmittelbar nichtinvasiv weiterzuführen, kann bei COPD-Patienten die Beatmungsdauer verkürzen und die Rate an nosokomialen Pneumonien senken [8]. Auch bei schon stattgefundener Extubation kann mit nichtinvasiver Ventilation (NIV) eine Reintubation bei erneuter respiratorischer Insuffizienz vermieden werden.

Merke.

NIV stellt eine evidenzbasierte, etablierte Weaningstrategie bei COPD-Patienten dar.

Wozu dienen Weaningprotokolle?

Weaningprotokolle dienen dazu, die Entwöhnung von der invasiven Beatmung standardisiert durchzuführen und regelmäßig zu überprüfen [9]:

  • Entwöhnungsbereitschaft („readiness to wean“)

  • Spontanatmungsversuche („spontaneous breathing trial“)

  • Kriterien zur Beendigung der invasiven Beatmung bzw. Extubation/Dekanülierung

  • Dokumentation von Gründen für die Notwendigkeit der Fortführung der Beatmung

Dabei sollten automatisierte Protokolle zum Einsatz kommen [10].

Merke.

Ein Weaningprotokoll sollte mit protokollbasierten Sedierungsregimen kombiniert werden (Ziel ist ein möglichst wacher oder leicht sedierter, kooperativer Patient) [11].

Was ist automatische Entwöhnung vom Respirator?

Bei sog. Closed-Loop-Beatmungsverfahren handelt es sich um spezielle Algorithmen, welche anhand von vordefinierten Parametern dem Algorithmus folgend Beatmungsparameter kontinuierlich an den Patienten anpassen können. Generell ist somit auch auf Algorithmen basierendes, automatisches Weaning möglich, jedoch ist der klinische Stellenwert nicht abschließend geklärt.

Beispiele für Closed-Loop-Beatmungssysteme sind:

  • MMV (Mandatory Minute Volume Ventilation),

  • ASV (Adaptive Support Ventilation),

  • Smart Care/PS (Pressure Support).

Welche Beatmungszugänge gibt es, und wann ist ein Wechsel indiziert?

Als Beatmungszugänge gibt es den nichtinvasiven mittels CPAP-Unterstützung (Maske oder Helm) oder invasiv mittels translaryngealen Endotrachealtubus oder Tracheotomie. Alle 3 Formen haben Vor- und Nachteile (s. Tab. 2).

Tab. 2 Wesentliche Vor- und Nachteile der Beatmungszugänge. (Mod. nach [3])