Zusammenfassung
Studienziel
Ziele sind die Verlaufsanalyse und der Vergleich mit ausschließlich manuell reanimierten Patienten sowie die Erfassung der Einflussfaktoren bei Patienten, bei denen die mechanische Thoraxkompressionshilfe Lund University Cardiac Assist System (LUCAS2TM) als Add-on-Therapie am Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) Innsbruck verwendet wurde.
Material und Methodik
Retrospektive Verlaufsdatenanalyse von Patienten im Studienzeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2019 des NEF Innsbruck aus dem Deutschen Reanimationsregister (GRR), bei denen LUCAS2™ nach notärztlicher Anordnung als Add-on-Therapie verwendet wurde.
Ergebnis
Bei 653 Reanimationen kam es zu 123 Add-on-LUCAS2™-Anwendungen (18,8 %). Von allen Patienten überlebten 16,2 % die ersten 30 Tage. Mithilfe der Add-on-LUCAS2TM Anwendung überlebten 7,3 % (9/123) aller Add-on-LUCAS2™-Reanimationen bzw. 1,4 % (n = 9) aller CPRs. Bei 8/9 Add-On-LUCAS2™-„30 Tage-Überlebenden“ war der Herz-Kreislauf-Stillstand (HKS) beobachtet, und eine Laien-CPR wurde durchgeführt. Als Primärrhythmus wiesen 8/9 Kammerflimmern auf.
Im Vergleich zur ausschließlich manuellen CPR wurde eine Add-on-LUCAS2™-Reanimation hoch signifikant (p < 0,001) häufiger bei jüngeren, bei männlichen Patienten, in der Öffentlichkeit, bei schockbarem Erstrhythmus und beim Transport eingesetzt sowie signifikant häufiger bei beobachteten HKS (p < 0,05).
Die 30-Tage-Mortalität bei additiver Lysetherapie betrug 100 %.
Diskussion
Durch die Verwendung der Add-on-LUCAS2™-CPR kann eine prozentuelle Erhöhung der Überlebensrate erzielt werden und erscheint somit vorteilhaft (1,4 % in dieser Studie). Durch diese kann bei Patienten mit günstigen Prognosefaktoren eine hochwertige HDM auch bei technisch aufwendiger Bergung (Drehleiter, Stiegenhaus, Transport im RTW) durchgeführt und somit ein Transport ermöglicht werden. Jedoch kommt es dabei zu einer höheren Aufnahmerate unter CPR und somit zur Verlagerung der Therapiezielentscheidung in den Schockraum.
Abstract
Study goal
The study goals were to analyze the course and compare it with patients who were only resuscitated manually as well as to record the influencing factors in patients in whom the mechanical chest compression aid LUCAS2™ was used as an add-on treatment at the NEF Innsbruck.
Material and methodology
Retrospective history data analysis of patients in the study period from 01.01.2014 to 31.12.2019 of the NEF Innsbruck from the German Resuscitation Register (GRR), in which LUCAS2™ was used as an add-on treatment according to an emergency doctor’s order.
Result
A total of 123 add-on LUCAS2™ applications (18.8%) were performed in 653 resuscitations. Of all patients 16.2% survived the first 30 days. By using add-on-LUCAS2TM application 7.3% (9/123) of all add-on LUCAS2TM resuscitations and 1.4% (n = 9) of all CPR survived. Cardiac arrest was observed in 8/9 add-on LUCAS2™ 30-day survivors and bystander CPR was performed and 8/9 showed ventricular fibrillation as the primary rhythm.
Compared to manual CPR alone, add-on LUCAS2™ resuscitation was used highly significantly (p < 0.001) more frequently in younger, male patients, in public, in shockable initial rhythms and during transport, and significantly more frequently in observed cardiac arrest (p < 0.05).
The 30-day mortality with additive lysis treatment was 100%.
Discussion
By using add-on LUCAS2™ CPR a percentage increase in survival rate can be achieved and thus appears advantageous (1.4% in our study). This means that high-quality CPR can be carried out on patients with favorable prognostic factors, even with technically complex rescue operations (turntable ladder, staircase, transport in an ambulance) and thus transport can be made possible; however, there is a higher admission rate under CPR and thus the treatment target decision is shifted to the shock room.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Hinführung zum Thema
In Österreich verstarben im Jahr 2020 91.599 Menschen, wobei 32.676 (35,7 %) Tode auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und deren Komplikationen zurückzuführen sind. Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems führen die Todesursachenstatistik unverändert an, gefolgt von Krebserkrankungen [1]. Der präklinische Herz-Kreislauf-Stillstand (HKS) zählt zu den führenden Todesursachen in Europa [2]. 70 % davon sind auf die Pathologie einer koronaren Herzkrankheit zurückzuführen [3]. Die komplexe präklinische Behandlung des HKS gilt als Surrogatmarker für die präklinische Versorgung und ist mit einem hohen Aus- und Weiterbildungsaufwand verbunden.
Hintergrund
Im Jahr 2019 wurden von den 13 Tiroler bodengebundenen Notarzteinsatzfahrzeugen (NEF) 482 Reanimationsversuche durchgeführt, davon 113 (23,5 %) durch das Team des NEF Innsbruck [4].
Die frühzeitige und hochwertige Herzdruckmassage (HDM) erhöht die Chance auf die Rückkehr eines Spontankreislaufs (ROSC) signifikant [5,6,7,8,9,10], und mit ihr kann ein Herzminutenvolumen bis zu 20–30 % der Norm erreicht werden [11,12,13].
Die Verwendung einer mechanischen Thoraxkompressionshilfe ermöglicht das Freispielen menschlicher Ressourcen; negative Einflussfaktoren auf die HDM-Qualität wie Ermüdung können minimiert werden, Frequenz und Kompressionstiefe bleiben auch unter Transportbedingungen konstant.
Die mechanische Thoraxkompressionshilfe LUCAS2™ (Lund University Cardiac Assist System; Jolife AB, a part of Stryker, Lund, Sweden) gilt als Weiterentwicklung der Active-Compression-Dekompression(ACD)-Reanimation, bei der im Unterschied zur ACD-Reanimation die Thoraxdekompression nur bis zum Ausgangspunkt zum Zeitpunkt der Anlegung des Device stattfindet [14]. Trotz zahlreicher randomisierter LUCAS2™-Multizenterstudien konnte in keiner ein signifikanter Überlebensvorteil gegenüber einer ausschließlich manuellen CPR nachgewiesen werden [15,16,17].
Seit April 2011 kann LUCAS2™ im Ballungsraum Innsbruck vom jeweiligen Notarzt zur Add-on-Therapie vom Einsatzleiter Rettungsdienst angefordert werden.
Methode
Innerhalb des Studienzeitraums vom 01.01.2014 bis 31.12.2019 wurden alle Add-on-LUCAS2™-Reanimationen (AoLCPR) und deren innerklinische Weiterversorgungsdaten aus dem Krankenhausinformationssystem der Universitätsklinik Innsbruck und dem Datensatz des Deutschen Reanimationsregisters (GRR) [18] erfasst, nachkontrolliert und statistisch analysiert.
Beim Parameter Einsatzort wurden die Kategorien Straße, Öffentlichkeit, Arztpraxis, Massenveranstaltung, Arbeitsplatz und Sportstätte als „öffentlich“ zusammengefasst.
Ausgeschlossen wurden Patienten < 18 Jahre und/oder Patienten, bei denen kein Alter angegeben wurde (Abb. 1).
Ziele dieser Studie sind die Bestimmung des 30-Tage-Überlebens bei Patienten mit HKS nach Hinzuziehen von LUCAS2™ und die Erfassung der jeweiligen Einflussfaktoren am NEF Innsbruck. Die Outcomes dieser AoLCPR werden mit den ausschließlich manuellen Reanimationen (amCPR) desselben Zeitraums verglichen.
Erwartet wird, dass LUCAS2™ gehäuft bei HKS mit vermutlich guter Prognose (junges Alter, beobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand, durchgeführte Ersthelferreanimation, schockbarer Erstrhythmus) und vorwiegend für den Transport der Patienten angefordert und verwendet wird.
Statistische Analyse
IBM SPSS Statistics 26 (IBM Corporation, Armonk, NY, USA) wurde zur statistischen Auswertung verwendet. Baseline-Charakteristika wurden auf Signifikanz mittels Fisher-Exakt-Test, Mann-Whitney-U-Test und Chi-Quadrat untersucht. Ein zweiseitiger p-Wert < 0,05 wurde als statistisch signifikant bzw. < 0,001 als hochsignifikant eingestuft.
Ergebnisse
Allgemeine Ergebnisse
Im 6‑Jahres-Zeitraum wurde bei 18,8 % der reanimierten Patienten eine Add-on-LUCAS2™- CPR (AoLCPR) durchgeführt. Die durchschnittliche Anforderung betrug 20,5/Jahr.
Das Patientenalter unterscheidet sich in den Gruppen AoLCPR und „ausschließlich manuelle“ CPR (amCPR) signifikant. 78,9 % der AoLCPR- vs. 60,2 % der amCPR-Patienten waren männlich.
48,8 % der AoLCPR und 17,9 % der amCPR fanden in der Öffentlichkeit statt, wohingegen in einer Wohnung häufiger ausschließlich manuell reanimiert wurde (63,4 %). Bei 67,5 % der AoLCPR und bei 55,1 % der amCPR war der HKS beobachtet. Als erstdokumentierter EKG-Rhythmus wurde hoch signifikant häufiger Kammerflimmern bei AoLCPR (35,0 % vs. 19,2 %) und Asystolie bei amCPR (50,9 % vs. 26,8 %) dokumentiert (Tab. 1).
Eine Lysetherapie mit Tenecteplase während der CPR wurde bei AoLCPR hoch signifikant häufiger durchgeführt (12,2 % vs. 1,3 %).
2,4 % der AoLCPR- bzw. 54,3 % der amCPR-Patienten verstarben am Einsatzort (Tab. 1).
Bei allen LUCAS2™-Anwendungen wurde eine endotracheale Intubation durchgeführt. Der Beatmungsmodus (manuell, maschinell; 30:2 oder kontinuierliche Thoraxkompressionen) wurde nicht dokumentiert.
Transport ins Zielkrankenhaus
97,6 % der AoLCPR- und 45,7 % der amCPR-Patienten wurden im internistischen oder traumatologischen Schockraum des Landeskrankenhaus Innsbruck aufgenommen, davon 9,8 % der AoLCPR- und 41,9 % der amCPR-Patienten mit anhaltendem ROSC.
16,5 % (n = 108) aller reanimierten Patienten wurden unter laufender AoLCPR und 3,1 % (n = 20) unter amCPR transportiert und aufgenommen. Von diesen 20 amCPR-Patienten verfiel bei 9 Patienten mit primärem ROSC der Kreislauf wieder während des Transports, und eine CPR wurde wieder begonnen; bei einem erfolgte eine Lysetherapie; bei einem konnte habitusbedingt keine AoLCPR durchgeführt werden. Weitere 9 Patienten wurden unter laufender amCPR eingeliefert. Weshalb bei diesen kein LUCAS2™ zu Anwendung kam, wurde nicht dokumentiert.
Klinische Weiterversorgung, Outcome
55,4 % (n = 362) der reanimierten Patienten wurden in einen internistischen oder traumatologischen Schockraum aufgenommen.
Bei 9,2 % der aufgenommenen AoLCPR- und bei 24,4 % der aufgenommenen amCPR-Patienten wurde eine Koronarangiographie durchgeführt (p < 0,05) und bei 9,2 % der aufgenommenen AoLCPR und bei 27,3 % der aufgenommenen amCPR eine therapeutische Hypothermie eingeleitet (p < 0,001).
28,6 % aller reanimierten Patienten überlebten die ersten 24 h, davon wurde bei 3,7 % (n = 24) eine AoLCPR und bei 25,0 % (n = 163) eine amCPR durchgeführt (Tab. 2).
Von allen Patienten überlebten 16,2 % die ersten 30 Tage: 1,4 % (n = 9) der AoLCPR und 14,9 % (n = 97) der amCPR (einer während des Transports).
Ein zerebraler-Performance-Score (CPC) von 1–2 wurde bei 77,7 % (n = 7/9) bzw. 74,2 % (n = 72/97) der 30-Tage-Überlebenden nach AoLCPR bzw. nach amCPR festgestellt (Tab. 2).
AoLCPR-Patienten waren im Median 7 Jahre jünger als amCPR-Patienten. 78,9 % der AoLCPR- vs. 60,2 % der amCPR-Patienten waren männlich. 48,8 % der AoLCPR vs. 17,9 % der amCPR fanden in der Öffentlichkeit statt. 67,5 % der AoLCPR vs. 55,1 % der amCPR waren beobachtet und 35,0 % der AoLCPR wiesen VF/VT als Erstrhythmus auf.
Die 30-Tage-Mortalität bei additiver Lysetherapie betrug in beiden Gruppen 100 % (Tab. 3).
Von 120 transportierten Patienten wurden 29 auf eine Intensivstation aufgenommen, 24 überlebten die ersten 24 h. Ein geschlechtsspezifischer Unterschied bei der Aufnahme auf eine Intensivstation (24,7 % vs. 19,2 %) lässt sich nicht darstellen, jedoch überlebten die ersten 30 Tage prozentuell mehr Frauen eine Add-On-LUCAS2™-Reanimation als Männer (11,5 % (n = 6) vs. 6,2 % (n = 3)) (Abb. 2).
Die 30-Tage-Überlebenden einer AoLCPR wurden häufiger in der Öffentlichkeit reanimiert, hatten vermutlich eine kardiale Ursache und wiesen in 8/9 Fällen VF/VT als ersten EKG-Rhythmus auf (Tab. 3). Im Median waren die 30-Tage Überlebenden einer amCPR 16 Jahre jünger als die Überlebenden der AoLCPR.
Diskussion
Unseres Wissens handelt es sich hierbei um die erste präklinische Outcome-Studie zu einer mechanischen Thoraxkompressionshilfe, bei welcher diese notärztlich indiziert angefordert, herangebracht und als Add-on-Therapie verwendet wird.
LUCAS2™ wurde hochsignifikant häufiger bei jüngeren Patienten, in der Öffentlichkeit, bei Kammerflimmern als Erstrhythmus und signifikant häufiger bei beobachtetem HKS angefordert und angewendet.
Dieses Ergebnis deckt sich mit der 2019 durchgeführten multizentrischen Registeranalyse des Deutschen Reanimationsregisters zwischen mechanischer und manueller CPR [19], wobei diese Studie als Endziel den „ROSC nach HKS“ hatte, während unsere Studie monozentrisch und bis zum 30-Tage-Überleben analysiert.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass 9 (1,4 %) aller 106 30-Tage-Überlebenden (16,2 %) innerhalb des 6‑jährigen Studienzeitraums am NEF Innsbruck mithilfe einer AoLCPR überlebten. Fünf dieser 30-Tage-Überlebenden wurden unter laufender AoLCPR ins Krankenhaus eingeliefert. Dies sind 4,7 % der Überlebenden am NEF Innsbruck. Das Auftreten eines ROSC bei primärer Weiterführung einer amCPR ist für diese Patienten nicht auszuschließen. Vier der 30-Tage-Überlebenden einer AoLCPR konnten mit ROSC transportiert werden. Kein Patient überlebte eine additive Lysetherapie, weshalb die Kombination Lysetherapie und LUCAS2™-CPR seit Dezember 2018 am NEF Innsbruck nicht mehr empfohlen wird.
Wie in Abb. 2 ersichtlich, wurde durch das LUCAS2™-Add-On-Konzept der Todeszeitpunkt vielfach in die Klinik verlagert. Von insgesamt 120 transportierten Patienten mit einer AoLCPR verstarben 75,9 % im Schockraum. Bei keinem Patienten wurde eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) im Schockraum durchgeführt. Präklinisch stehen innerklinische Möglichkeiten wie Echokardiographie, Blutgasanalyse sowie eine Teamentscheidung unter mehreren Ärzten nicht zur Verfügung. Aufgrund dessen, der häufigeren CPR in der Öffentlichkeit sowie kurzer Transportwege ins Schwerpunktkrankenhaus könnte häufig ein Transport unter laufender CPR angestrebt worden sein.
Ein Patient der amCPR-Gruppe überlebte die CPR unter Transportbedingungen. Bei diesem Patienten verfiel – nach primären ROSC am Einsatzort – der Kreislauf während der Fahrt, und die Reanimation wurde wieder manuell begonnen. Somit kam LUCAS2™ aus logistischen Gründen hier nicht zum Einsatz.
In der klinischen Weiterversorgung unterscheiden sich die beiden Gruppen signifikant. Eine Koronarangiographie sowie eine therapeutische Hyperthermie wurden signifikant häufiger in der amCPR-Gruppe angewendet. Dies könnte aber auf deutlich erhöhte ROSC-Rate (41,9 % vs. 9,8 %) bei Aufnahme der amCPR-Patienten zurückzuführen sein.
Nachdem die Überlebensrate aus dem Patientengut des NEF Innsbruck über mehrere Jahre hinweg überdurchschnittlich gute Outcome-Daten zeigte (16,2 % 30-Tage-Überlebende im Studienzeitraum), ist ein Zuwachs dieser Rate nur mit hohem Aufwand erreichbar, bzw. bewirkt eine additive Therapie- oder Prozess-Option nur geringe Zuwächse.
Die internationalen LUCAS2™-Studien „the MECCA study report“ [15], „The Linc Randomized Trial“ [17] und „The PARAMEDIC Study“ [16] wurden zum Vergleich herangezogen (Tab. 4).
All diese sind Cluster-kontrollierte, multizentrische, randomisierte prospektive Paramedic-Studien, bei denen LUCAS2™ ein fixer Bestandteil der Ausrüstung war, und es wurden in diesen – im Gegensatz zu unserer Studie – ein traumatischer HKS und Schwangere ausgeschlossen.
Beim MECCA Study Report betrug das 30-Tage-Überleben in der LUCAS2™-Gruppe 4 %, in der manuellen Gruppe 3 %. Das neurologische Outcome wurde nicht angegeben [15].
Im LINC Trial überlebten 8,1 % der LUCAS2™- und 7,3 % der manuell reanimierten Patienten die ersten 30 Tage. Ein CPC von 1 bzw. 2 wurde bei 93,8 % der LUCAS2™-und bei 86,2 % der manuell reanimierten Patienten angegeben [17].
In der PARAMEDIC-Studie überlebten 6 % der mit LUCAS2™ und 7 % der ausschließlich manuell reanimierten Patienten die ersten 30 Tage. Bei 74 % der mit LUCAS2™ und bei 87 % der ausschließlich manuell reanimierten Patienten wurde ein CPC1 oder CPC2 angegeben [16].
Demgegenüber überlebten 16,2 % der reanimierten Patienten des NEF Innsbruck die ersten 30 Tage, davon 14,9 % nach amCPR und weitere 1,4 % nach zusätzlicher AoLCPR. 77,7 % bzw. 74,2 % der 30-Tage-Überlebenden nach einer AoLCPR bzw. amCPR wiesen einen CPC 1–2 auf. Hier ist zu berücksichtigen, dass eine AoLCPR häufig bei prolongierten Reanimationen und unter besonderen Umständen verwendet wird. Dies kann auch den Altersunterschied zwischen AoLCPR und amCPR erklären. Bei Einsätzen in der Öffentlichkeit – 8/9 der AoL-30-Tage-Überlebenden – wird der Einsatzleiter, der den LUCAS2™ in seinem Rettungsmittel mitbringt, oft zeitgleich mit dem NEF alarmiert und trifft u. U. vor oder zeitgleich ein, sodass eine eigene Nachforderung nicht notwendig ist. Diese Besonderheit wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Aufgrund dieser Unterschiede, besonders im Studiendesign, aber auch im deutlich höheren 30-Tage-Überleben an unserem Notarztsystem, ist ein Vergleich unserer Daten mit den genannten internationalen Multizenterstudien in vielerlei Hinsicht nicht sinnvoll.
Zusammenfassend lässt sich durch die additive AoLCPR-Strategie kein signifikant besseres Behandlungsergebnis im Vergleich zur ausschließlichen amCPR darstellen. Andererseits profitieren laut unserer Studie 9/653 (1,4 %) aller CPR-Patienten im Sinne eines 30-Tage-Überlebens von der AoLCPR-Strategie, das sind 9/123 (7,3 %) der 30-Tage-Überlebenden.
Durch eine AoLCPR kann bei Patienten mit günstigen Prognosefaktoren eine hochwertige HDM auch bei technisch aufwendiger Bergung (Drehleiter, Stiegenhaus) durchgeführt und somit ein Transport ermöglicht werden. Als Nebeneffekt kommt es jedoch zu einer höheren Aufnahmerate und somit zur Verlagerung der Therapiezielentscheidung in den Schockraum. Somit hat LUCAS2™ für uns weiterhin seine Berechtigung im präklinischen Setting auch in der dargestellten Add-on-Variante.
Limitationen
Diese Arbeit unterliegt einer Reihe von Limitationen.
Die Patientenzahl im Studienzeitraum ist bezogen auf die hohe Prozessvariabilität des Reanimationsablaufes gering. So ergibt sich, dass diese Studie lediglich mit einem NEF-System bzw. einem LUCAS2™ sowie nur einem Weiterversorgungszentrum (Universitätsklinik Innsbruck) durchgeführt wurde. Multizentrische Studien rekrutieren mehr Daten, beinhalten jedoch heterogene Faktoren wie unterschiedliches Schockraummanagement, innerklinische Weiterversorgung und Therapiemöglichkeiten.
Ein Zeitangabe bezüglich der Dauer der Add-on-LUCAS2™-Therapie sowie eine Angabe des CPR-Modus (kontinuierlich, 30:2) wurden nicht dokumentiert.
Die am Einsatzort anwesenden Rettungskräfte benutzen LUCAS2™ im Einsatzfall und selten und sind im LUCAS2™-Realablauf nicht immer erfahren. Somit können sich längere Hands-off-Zeiten ergeben, was aber unbedingt vermieden werden soll.
Fazit
Auf der Basis dieser retrospektiven Datenanalyse kann folgende Empfehlung für den Einsatz von LUCAS2™ ausgesprochen werden. LUCAS2™, wie auch andere mechanische Thoraxkompressionshilfen, sollen weiterhin bei klarer Indikation, wie bei nichtpraktikabler hochwertiger manueller CPR z. B. unter dem Transport, zum und im RTW, bei der Drehleiterbergung oder wenn diese ein Risiko für die Sicherheit der Rettungskräfte darstellt, verwendet werden. So wird dies auch in den ERC-Leitlinien empfohlen [20]. Die Entscheidung zur Verwendung von LUCAS2™ soll durch den Notarzt oder die Notärztin bzw. den Teamleiter unter genauer Abwägung der frühzeitigen Prognosefaktoren, wie beobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand, suffiziente Ersthelfer-CPR und Erstrhythmus getroffen werden. Die Verwendung von LUCAS2™ in der Kombination mit einer Lysetherapie wird von uns nicht empfohlen.
Literatur
Statistik Austria (2020) Todesursachenstatistik Österreich. https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/gesundheit/todesursachen/index.html. Zugegriffen: 25. Juni 2020
Gräsner J, Lefering R, Koster RW, Masterson S, Böttiger BW, Herlitz J et al (2016) Eureca ONE 27 nations, ONE Europe, ONE registry. Resuscitation 105:188–195
Wong CX, Brown A, Lau DH, Chugh SS, Albert CM, Kalman JM et al (2019) Epidemiology of sudden cardiac death: global and regional perspectives. Hear Lung Circ 28(1):6–14
Ärztlicher Leiter Rettungsdienst des Landes Tirol (2019) Benchmarkbericht 2019. Zugegriffen: 28 Juni 2020, https://aelrd-tirol.at/doku/BMB_2019.pdf. Zugegriffen: 28.06.2020
Berg RA, Sanders AB, Kern KB, Hilwig RW, Heidenreich JW, Porter ME et al (2001) Adverse hemodynamic effects of interrupting chest compressions for rescue breathing during cardiopulmonary resuscitation for ventricular fibrillation cardiac arrest. Circulation 104(20):2465–2470
Cummins RO, Ornato JP, Thies WH, Pepe PE (1991) Improving survival from sudden cardiac arrest: the „chain of survival“ concept. A statement for health professionals from the Advanced Cardiac Life Support Subcommittee and the Emergency Cardiac Care Committee, American Heart Association. Circulation 83(5):1832–1847
Eftestøl T, Sunde K, Steen PA (2002) Effects of interrupting precordial compressions on the calculated probability of defibrillation success during out-of-hospital cardiac arrest. Circulation 105(19):2270–2273
Guyton AC, Lindsey AW, Kaufmann BN (1955) Effect of mean circulatory filling pressure and other peripheral circulatory factors on cardiac output. Am J Physiol 180(3):463–468
Ritter G, Wolfe RA, Goldstein S, Landis JR, Vasu CM, Acheson A et al (1985) The effect of bystander CPR on survival of out-of-hospital cardiac arrest victims. Am Heart J 110(5):932–937
Steen S, Liao Q, Pierre L, Paskevicius A, Sjöberg T (2003) The critical importance of minimal delay between chest compressions and subsequent defibrillation: a haemodynamic explanation. Resuscitation 58(3):249–258
Idris AH, Guffey D, Aufderheide TP, Brown S, Morrison LJ, Nichols P et al (2012) Relationship between chest compression rates and outcomes from cardiac arrest. Circulation 125(24):3004–3012
Weil MH, Bisera J, Trevino RP, Rackow EC (1985) Cardiac output and end-tidal carbon dioxide. Crit Care Med 13(11):907–909
Wik L (2005) Quality of cardiopulmonary resuscitation during out-of-hospital cardiac arrest. JAMA 293(3):299
Steen S, Liao Q, Pierre L, Paskevicius A, Sjöberg T (2002) Evaluation of LUCAS, a new device for automatic mechanical compression and active decompression resuscitation. Resuscitation 55(3):285–299
Anantharaman V, Ng B, Ang S, Lee C, Leong S, Ong M et al (2017) Prompt use of mechanical cardiopulmonary resuscitation in out-of-hospital cardiac arrest: the MECCA study report. Singap Med J 58(7):424–431
Perkins GD, Lall R, Quinn T, Deakin CD, Cooke MW, Horton J et al (2015) Mechanical versus manual chest compression for out-of-hospital cardiac arrest (PARAMEDIC): a pragmatic, cluster randomised controlled trial. Lancet 385(9972):947–955
Rubertsson S, Lindgren E, Smekal D, Östlund O, Silfverstolpe J, Lichtveld RA et al (2014) Mechanical chest compressions and simultaneous defibrillation vs conventional cardiopulmonary resuscitation in out-of-hospital cardiac arrest. JAMA 311(1):53
Nöldge-Schomburg G, Böttiger BW (2011) Das Deutsche Reanimationsregister. Anasthesiol Intensivmed 52(11):123–133
Seewald S, Obermaier M, Lefering R, Bohn A, Georgieff M, Muth C‑M et al (2019) Application of mechanical cardiopulmonary resuscitation devices and their value in out-of-hospital cardiac arrest: a retrospective analysis of the German Resuscitation Registry. PLoS ONE 14(1):e208113
Soar J, Böttiger BW, Carli P, Couper K, Deakin CD, Djärv T et al (2021) European Resuscitation Council guidelines 2021: adult advanced life support. Resuscitation 161:115–151
Funding
Open access funding provided by University of Innsbruck and Medical University of Innsbruck.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
D. Schwaiger, A. Zanvettor, A. Neumayr und M. Baubin geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Diese retrospektive Studie erfolgte nach Konsultation der zuständigen Ethikkommision und im Einklang mit nationalem Recht. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Additional information
![figure qr](http://media.springernature.com/lw685/springer-static/image/art%3A10.1007%2Fs00101-022-01112-z/MediaObjects/101_2022_1112_Figqr_HTML.png?s=1)
QR-Code scannen & Beitrag online lesen
Rights and permissions
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
About this article
Cite this article
Schwaiger, D., Zanvettor, A., Neumayr, A. et al. Add-on-LUCAS2™-Reanimation am NEF Innsbruck. Anaesthesiologie 71, 750–757 (2022). https://doi.org/10.1007/s00101-022-01112-z
Received:
Revised:
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00101-022-01112-z