In ihrem Beitrag zum Leitthema dieser Ausgabe gelingt Gossrau und Sabatowski eine praktische Handlungsanleitung für die „Diagnostik und Therapie neuropathischer Schmerzen“. Neuropathien sind in der perioperativen Versorgung ein täglich anzutreffendes Phänomen und haben für die Patient:innen eine hohe Relevanz – nicht schon allein wegen des Risikos einer Schmerzchronifizierung. Aktuell beträgt die Prävalenz von chronischen, über 3 Monate bestehenden Schmerzen in der Bevölkerung 27 % [1] und entsprechende Komorbiditäten wie Polyneuropathien oder Radikulopathien liegen bei vielen Patient:innen vor. Neuropathien können sich insofern als vorbestehende, perioperativ exazerberierende Schmerzen manifestieren oder aber postoperativ neu auftreten und bedürfen dann einer Einordnung, Diagnose und adäquaten Behandlung. In ihrer lesenswerten Arbeit berichten die Autoren über ein pragmatisches Schmerzmanagement mit den Schwerpunkten in Anamnese, fokussierter körperlicher Untersuchung, einschließlich entsprechender weiterführender apparativer sowie laborchemischer Diagnostik und fassen aktuelle Behandlungsansätze zusammen.

Neuropathische Schmerzen erfordern pragmatisches Management über die Krankenhausbehandlung hinaus

Ein Kerngebiet anästhesiologischen Handelns besteht in der adäquaten, perioperativen Analgesie. Nach der operativen Versorgung ist der Akutschmerzdienst in vielen Krankenhäusern für eine schmerztherapeutische Mitbehandlung etabliert. Eine entsprechende, mit festen Zeitkontingenten etablierte Struktur wurde 2020 in einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vorgegeben und hat das Ziel, „nach Operationen die individuell richtige Schmerztherapie sicherzustellen“ [2]. Hier scheint weiter Entwicklungspotenzial zu bestehen, wenn aktuell eine ärztliche Besetzung mit primärer Verantwortlichkeit im Akutschmerzdienst nur in rund 20 % aller deutscher Kliniken gegeben ist [3]. Doch greift eine Mitbehandlung über die stationäre Verweildauer von Patient:innen eigentlich nicht zu kurz? Es ist doch anzunehmen, dass eine schmerztherapeutische Begleitung besonders bei neuropathischem Schmerz nach Operationen einen Beitrag in der Rekonvaleszenz erwarten lassen darf. Entsprechende transsektorale Ambulanzangebote zur Überführung der Therapie von der stationären in die ambulante Versorgungsstruktur könnten diese Rolle in der Zukunft übernehmen und stellen gleichzeitig eine interessante klinische und wissenschaftliche Perspektive für unser Fach dar. Diesbezügliche Konzepte werden gegenwärtig etabliert und Versorgungsstrukturen evaluiert. So können telemedizinische Kontakte und digitale Angebote nach einer Krankenhausentlassung eine Rolle bei der Medikationssteuerung spielen und insbesondere bei der Reduktion von Opioiden oder der effektiven Eindosierung von Koanalgetika hilfreich sein [4]. Schlussendlich dürfte die Zufriedenheit der Patient:innen und auch der behandelnden Ärzt:innen steigen, wenn eine kontinuierliche, adäquate, unmittelbare und fachkompetente Begleitung nach einer Operation nicht nur auf die Krankenhausbehandlung beschränkt bleibt, eine Rückkopplung der Behandlungsverläufe für die Krankenhausabteilungen erfolgen kann und die Überführung in die ambulante Versorgung erleichtert.

Natürlich bleibt der an aktuellen Leitlinien orientierte Beitrag von Gossrau und Sabatowski dahingehend limitiert, dass Empfehlungen und therapeutische Interventionen außerhalb der in den Leitlinien definierten Fragestellungen kaum abgebildet sind. So beinhaltet die aktuelle S2k-Leitlinie „Diagnose und nichtinterventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen“ [5] naturgemäß keine relevante Bewertungen von invasiven, interventionellen Schmerztherapieformen. Der Stellenwert von invasiven Verfahren wird regelmäßig diskutiert [6, 7], und insbesondere invasive Therapieangebote bedürfen einer spezifischen, individualisierten Indikationsstellung. Allerdings berichten Ilfeld et al. aktuell in einer klinischen Studie zur invasiven Schmerztherapie beim Phantomschmerz von einer signifikanten und auch klinisch relevanten Schmerzreduktion mithilfe einer sechstägigen, kontinuierlichen peripheren Nervenblockade [8]. Möglicherweise benötigen wir auch für solche Indikationen in Zukunft eine transsektoral ausgerichtete, anästhesiologische Schmerzambulanz? Für unser Fach eine interessante Perspektive.