In der vorliegenden Ausgabe wird dem Leser der Zeitschrift Der Anaesthesist eine ausführliche Übersichtsarbeit zur intraoperativen vaskulären Luftembolie präsentiert [7]. Die Autoren fassen die aktuelle Datenlage zum Risiko, zur Diagnostik und zur Therapie der intraoperativen vaskulären Luftembolie (VLE) zusammen.

Das Ereignis einer VLE mit relevanten hämodynamischen Folgen ist sehr selten; somit verwundert es nicht, dass es hierzu wenige belastbare Evidenz im Sinne von kontrollierten Studien gibt. Allerdings beträgt die Zahl der in PubMed abrufbaren Fallberichte, die über schwere oder fatale Komplikationen durch eine VLE berichten, in den letzten 15 Jahren konstant zwischen 27 und 45 pro Jahr.

Die meisten Fälle einer VLE sind iatrogen bedingt, sei es durch Operationen, bei denen es zur Eröffnung von Gefäßen kommt, deren intravasales Druckniveau niedriger als der Atmosphärendruck ist. Eine weitere Ursache ist die Anlage oder die Entfernung großlumiger zentraler Venenkatheter. Auch die Durchführung laparoskopischer Operationen oder Endoskopien ist eine Prozedur, bei der es durch die prozedurbedingte obligate Gasinsufflation im ungünstigen Fall zum Übertritt von größeren Mengen Luft in das Gefäßsystem kommt [1, 4]. Die zunehmende Zahl an interventionellen Eingriffen in der Kardiologie und Neuroradiologie geht ebenfalls mit einer Zunahme der akzidentellen vaskulären Luftembolien einher [5]. Nichtiatrogene Ursachen der Luftembolie sind bei Tauchunfällen mit zu rascher Dekompression [9] oder bei schweren Thorax- und Barotraumen beschrieben [6].

In dem vorliegenden Leitartikel wird insbesondere auf die iatrogenen Ursachen einer vaskulären Luftembolie in der operativen Medizin eingegangen. Die klinischen Folgen einer vaskulären Luftembolie sind von der Menge und der zeitlichen Kinetik des Luftübertritts abhängig, sowie davon, ob das venöse oder arterielle Gefäßsystem betroffen ist. Auch die Patientenlagerung zum Zeitpunkt der Luftembolie spielt für die Prognose eine wichtige Rolle.

Während der Übertritt geringer Mengen Luft in das venöse Gefäßsystem in den meisten Fällen völlig asymptomatisch verläuft, kommt es bei größeren Volumina ab ca. 0,5 ml/kgKG zu messbaren Beeinträchtigungen der Hämodynamik, bei mehr als 2 ml/kgKG kommt es zum akuten Rechtsherzversagen bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand [8].

Für die Komplikation Luftembolie fehlt Operateuren und Anästhesisten bislang das nötige Bewusstsein

Die Angaben zu den Häufigkeiten einer VLE sind sehr unterschiedlich und schwanken erheblich [3]. Eine Wertung der Inzidenz ist aufgrund der vorliegenden Datenlage daher nicht einfach. Einerseits existiert mit der Sonographie ein Detektionsverfahren, das eine sehr hohe Sensitivität für geringste Mengen Luft im Gefäßsystem hat. Ein wiederholter Übertritt von sehr geringen Gasvolumina scheint in diesem Zusammenhang nur selten prognostisch relevant zu sein. Andererseits erfolgt bei vielen Eingriffen kein routinemäßiges Monitoring des Auftretens von Luftembolien, d. h., nur im Fall einer ausgeprägten Luftembolie mit einer relevanten Beeinträchtigung der Hämodynamik wird eine Luftembolie überhaupt detektiert.

Besonders hoch ist das Risiko für eine klinisch symptomatische Luftembolie bei neurochirurgischen Eingriffen in sitzender Position und bei kardiochirurgischen Eingriffen. Während bei diesen Eingriffen das Bewusstsein für die Komplikation Luftembolie sehr präsent ist und ein Monitoring des Luftübertritts ins Gefäßsystem mithilfe der transösophagealen Echokardiographie (TEE) während der Operation erfolgt, zeigt die vorliegende Übersichtsarbeit sehr eindrücklich, dass es bei vielen häufig durchgeführten Routineeingriffen in der operativen Medizin zu Luftembolien kommen kann. Diese Eingriffe umfassen Leberresektionen, zervikale Spondylodesen, die Sectio caesarea, die Hüftendoprothetik, radikale Prostatektomien und alle laparoskopischen Eingriffe, ohne dass für die Komplikation Luftembolie bei Operateuren und Anästhesisten ein breites Bewusstsein präsent ist [5, 8].

Die zunehmende Zahl an interventionellen Prozeduren in der Kardiologie und Radiologie wird in relevantem Umfang anästhesiologisch mitbetreut. Auch hier sind fatale VLE als Komplikationen der Prozeduren beschrieben [5]. Da diese Arbeitsplätze sich nicht in einem Zentral-OP befinden, ist eine gute Vorbereitung auf die mögliche Notfallsituation essenziell.

Auch im perioperativen Verlauf kann es insbesondere bei der Anlage oder der Entfernung von zentralen Venenkathetern zu fulminanten Luftembolien kommen [10]. Die Entfernung von zentralen Venenkathetern erfolgt durch das Pflegepersonal. Die Autoren der Übersichtsarbeit folgern zu Recht, dass das Entfernen von zentralen Venenkathetern standardisiert werden sollte, unter Beachtung diverser Sicherheitsvorkehrungen wie Oberkörperflachlage, Kompression der Einstichstelle und Vermeidung der tiefen Inspiration beim Entfernen des Katheters. Dieser Standard sollte gelebt werden, da hierdurch das Auftreten einer fulminanten Luftembolie bei der Entfernung eines zentralen Venenkathetern verhindert werden kann.

Die präkordiale transkutane Dopplersonographie wurde in der Vergangenheit bei Eingriffen in der sitzenden Position zum Monitoring von Luftembolien angewendet. Die Sensitivität der eingesetzten Sonden ist sehr gut, inzwischen aber von dem „Goldstandard“ TEE abgelöst worden. Vorteil der TEE ist die Koppelung von Echtzeitbild und Doppler; des Weiteren können die Menge der übergetretenen Luft und die Auswirkung auf die rechtsventrikuläre Funktion abgeschätzt werden. Im vorliegenden Leitartikel werden die relevanten Schnittebenen und Befunde des Untersuchungsgangs didaktisch sehr schön beschrieben. Nachteile der TEE sind die (relative) Invasivität und die Notwendigkeit eines erfahrenen Untersuchers. Bei der akuten intraoperativen hämodynamischen Instabilität durch eine Luftembolie wäre bei fehlender Möglichkeit einer TEE-Untersuchung die Durchführung einer transthorakalen fokussierten Echokardiographie eine wichtige differenzialdiagnostische Option. Diese hat den Vorteil, dass sie schnell erlernbar und breit verfügbar ist [2]. Der Abfall des endtidalen CO2 stellt neben dem Abfall des arteriellen Blutdrucks und EKG-Veränderungen ein weiteres Symptom der schweren VLE dar. Kommt es intraoperativ zu dieser Symptomkonstellation, muss der Gesamtkontext der klinischen Situation differenzialdiagnostisch abgeschätzt werden, und die Diagnostik sollte obligat durch eine fokussierte Echokardiographie oder TEE ergänzt werden.

Tritt eine fulminante Luftembolie während eines Eingriffs ein, ist die Prognose des Patienten von einer guten Kommunikation und der Interaktion zwischen Anästhesie und Chirurgie essenziell. Der Verschluss der Lufteintrittsstelle oder das Beenden der Gaszufuhr bei laparoskopischen Eingriffen durch den Operateur stellt kausale Sofortmaßnahmen zur Behandlung dar. Das weitere Eindringen von Luft in das Gefäßsystem kann durch manuelle Kompression von Gefäßen, Gefäßligaturen, „Fluten“ des operativen Gebiets mit isotonischen Spülflüssigkeiten, Auflegen feuchter Kompressen, Aufheben des Kapnoperitoneums bei endoskopischen Eingriffen und durch eine Entlagerung des Patienten mit Absenken des Operationsgebietes unter das Herzniveau erreicht werden.

Eine weitere therapeutische Option ist der Versuch der Aspiration des Blut-Luft-Gemisches aus dem rechten Vorhof über einen liegenden zentralen Venenkatheter, der optimalerweise in der Endstrecke der V. cava superior positioniert werden sollte.

Die weitere Therapie einer schweren VLE wird durch das Ausmaß des Rechtsherzversagens bestimmt; hier stehen die supportive Therapie des Rechtsherzversagens und bei Eintreten eines Herz-Kreislauf-Stillstands die leitliniengerechte kardiopulmonale Reanimation im Fokus der therapeutischen Maßnahmen.

Zusammenfassend folgern die Autoren des vorliegenden Leitthemas, dass die Diagnose und die Therapie einer VLE aufgrund der Komplexität und des zeitkritischen Verlaufs anhand eines schriftlich formulierten Standards erfolgen sollten, und dass eine professionelle Kommunikation zwischen Anästhesiologie und Chirurgie maßgeblich zum Erfolg der Therapie einer VLE beiträgt. Die vorliegende Übersicht verdeutlicht somit einmal mehr, dass in der Anästhesiologie auch seltene Notfallgeschehen wie die intravaskuläre Luftembolie durch eine gute Vorbereitung, umfassende Ausbildung und professionelle interdisziplinäre Kommunikation in ihrem Ausmaß und in ihrer Inzidenz verringert als auch durch zielgerichtetes Handeln zum Wohle des Patienten positiv beeinflusst werden können.