Falldarstellung

Anamnese

Bei dem 48-jährigen Mann wurde aufgrund rezidivierenden Synkopeepisoden eine ambulante computertomographische Koronardiagnostik durchgeführt. An Vorerkrankungen waren ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 1 und Nikotinabusus bekannt.

Unmittelbar vor der Untersuchung erhielt der Patient über einen peripheren Venenzugang 70 ml nichtionisches jodiertes Kontrastmittel (Imeron 400, Bracco Imaging Deutschland GmbH; Flussgeschwindigkeit 5,8 ml/s), gefolgt von 100 ml isotonischer Kochsalzlösung. Ungefähr 4 min später wurde der Patient plötzlich kaltschweißig und dyspnoisch, woraufhin das anwesende Personal beim Verdacht auf eine allergische Reaktion umgehend 250 mg Prednisolon und 8 mg Dimetinden verabreichte und das hausinterne Notfallteam alarmierte.

Befund

Beim Eintreffen des Notfallteams war der Patient somnolent (GCS 13), normoton und tachykard (107/min). Er gab zunehmende Luftnot an. Die peripher gemessene Sauerstoffsättigung betrug 96 % unter Insufflation von 8 l/min Sauerstoff über Mund-Nasen-Maske. Es waren feuchte Rasselgeräusche über alle Lungenfelder zu auskultieren, ohne Spastik. Eine kutane Reaktion war nicht zu beobachten. In einer orientierenden transthorakalen Echokardiographie imponierte die Pumpfunktion nicht eingeschränkt; ein relevantes Vitium konnte ausgeschlossen werden. Bei zunehmendem Abhusten von blutig-schleimigem Sekret kam es zu einem Sättigungsabfall mit konsekutiver Hypotonie, die eine kurzzeitige mechanische Reanimation erforderlich machte. Der Patient erhielt vom Herzalarmteam bolusweise kumulativ 1,5 mg Epinephrin und weitere 750 mg Prednisolon i.v. In der initialen arteriellen Blutgasanalyse (Tab. 1) zeigte sich neben der hochgradig eingeschränkten Oxygenierung eine schwere kombinierte Acidose bei relevanter Laktatämie. Des Weiteren fiel eine extreme Hämokonzentration auf (Hämoglobin 23,7 g/dl und Hämatokrit 73 % gegenüber Vorwerten von 14,4 g/dl bzw. 43 %) auf. Der Patient wurde intubiert und zur weiteren Behandlung auf unsere Intensivstation übernommen. Die initiale Röntgenaufnahme zeigte diffuse, fleckige Konsolidierungen (Abb. 1).

Tab. 1 Arterielle BGA unmittelbar nach Intubation (unter assistierter Maskenbeatmung mit FIO2 1,0). Es zeigt sich eine schwere kombinierte Acidose mit ausgeprägter Hämokonzentration
Abb. 1
figure 1

Röntgenaufnahme des Thorax nach Aufnahme auf die Intensivstation, ca. 3,5 Stunden nach der Kontrastmittelgabe. Es zeigen sich diffuse, fleckige Transparenzminderungen im Sinne eines Lungenödems. Beatmungsparameter zum Zeitpunkt der Aufnahme: BIPAP/ASB; Spitzendruck/Mitteldruck/PEEP: 41/25/14 mbar; Horowitz-Index 60

Diagnose

In der Zusammenschau der Befunde gingen wir von einem, auf dem Boden einer ausgeprägten Permeabilitätsstörung entstandenen, nichtkardialen Lungenödem („noncardiac pulmonary edema“ [NCPE]) aus.

Therapie und Verlauf

Es kam innerhalb weniger Stunden zu einer progredienten Aggravation der pulmonalen Funktionseinschränkung. In dieser Phase wurden wiederholt echokardiographische Kontrolluntersuchungen durchgeführt, die stets eine ausreichende biventrikuläre Pumpfunktion mit Zeichen der Volumenreagibilität zeigten. Zur Verbesserung der pulmonalen Oxygenierungsleistung erfolgte die inhalative Gabe von Stickstoffmonoxid (bis zu 7 ppm). Aufgrund des ausgeprägten „Capillary-leak“-Syndroms wurde kontinuierlich Hydrokortison verabreicht. 6 h nach dem Ereignis lag weiterhin eine schwere respiratorische Globalinsuffizienz vor (Horowitz-Quotient 55; Spitzendruck 37 mbar, PEEP 19 mbar, pH 7,29 bei pCO2 von 51 mm Hg), sodass die Indikation zur venovenösen extrakorporalen Membranoxygenierungstherapie (ECMO) gestellt wurde und die Therapie über eine femorojuguläre Kanülierung initiiert wurde.

Die ECMO-Therapie erlaubte eine Reduktion der Beatmungsinvasivität in pulmoprotektive Grenzen. Des Weiteren konnte die weiterhin notwendige Volumensubstitution intensiviert werden. Darunter kam es innerhalb weniger Stunden zu einer sichtbaren Verbesserung der Gewebeperfusion, mit guter Lactat-Clearance. In der Folge konnte die extrakorporale Unterstützung schrittweise deeskaliert und schließlich nach insgesamt 70 Stunden Therapiedauer beendet werden. 9 Tage nach dem Ereignis konnte der Patient erfolgreich extubiert und nach weiteren 4 Tagen in einem guten Allgemeinzustand auf die Normalstation verlegt werden.

Diskussion

Die Prävalenz von Hypersensitivitätsreaktionen im Zusammenhang mit der Gabe von nichtionischen CT-Kontrastmitteln liegt zwischen 0,7 und 3 % [3]. Es wurden verschiedene prädisponierende Faktoren beschrieben (Infobox 1). Die häufigste pulmonale Komplikation ist die Bronchokonstriktion, wohingegen das Lungenödem als Erscheinungsform viel seltener vorkommt. Das durch Hypersensitivitätsreaktion induzierte Lungenödem entwickelt sich in den allermeisten Fällen als Folge eines akuten kardialen Pumpversagens mit konsekutivem Rückstau. Dieses Pumpversagen kann auf dem Boden folgender Mechanismen entstehen:

  • veränderte Rheologie aufgrund durch das Kontrastmittel erhöhter Viskosität,

  • relative Hypovolämie infolge der Vasoplegie,

  • Myokardischämie (Kounis-Syndrom),

  • Tako-Tsubo-Syndrom oder Obstruktion im linksventrikulären Ausflusstrakt (LVOT), ggf. mit anteriorer Bewegung der Mitralklappe (SAM).

Dagegen ist beim kontrastmittelinduzierten NCPE der pulmonale hydrostatische Druck nicht erhöht. Die genaue Pathogenese ist nicht geklärt. Eine Hypothese ist, dass das Kontrastmittel direkt, oder durch Aktivierung des Komplementsystems, zur Endothelschädigung führt [4, 5, 7]. Als Folge tritt eine ausgeprägte Permeabilitätsstörung mit Extravasation („permeability pulmonary edema“) auf. Die wenigen Fallberichte zu dieser Entität beschreiben Ausprägungen von Fällen mit nur geringgradiger Störung der Lungenfunktion bis hin zu letalen Ausgängen [5, 6]. Die Gabe von Glukokortikoiden und Histaminrezeptorantagonisten zeigte in diesen Fällen nur wenig bzw. keinen Effekt.

Auch unser Fall war geprägt durch einen solchen ungewöhnlichen Symptomenkomplex. Wegen der anhaltenden schweren pulmonalen Gasaustauschstörung, begleitet von einer hochgradigen Mikrozirkulationsstörung mit ausgeprägtem Volumenbedarf, bei erhaltener kardialer Pumpfunktion, wurde für die Etablierung eines venovenösen ECMO-Systems – im Sinne eines reinen Lungenersatzverfahrens – entschieden. Nachdem sich die Kausalkette der Kreislaufinstabilität und der Gasaustauschstörung – insbesondere in der Akutphase – nicht immer eindeutig klären lässt, kann die Entscheidung bezüglich der Modalität des extrakorporalen Verfahrens (venovenös bzw. venoarteriell) u. U. erschwert sein. Die Evaluation der kardialen Pumpfunktion ist daher unerlässlich, um die Diagnose eines kontrastmittelinduzierten NCPE zu stellen.

Wichtig ist, dass das Fehlen klassischer Symptome wie Bronchokonstriktion, Urtikaria/Angioödem eine Hypersensitivitätsreaktion keinesfalls ausschließt [1]. Der Serum-Tryptase-Spiegel lag bei unserem Patienten im Normbereich, womit anzunehmen ist, dass die initiale Reaktion nicht auf einer Mastzelldegranulation beruhte. Allerdings gilt es zu beachten, dass aufgrund erheblicher interindividueller Unterschiede in Bezug auf die Kinetik der Tryptaseaktivität falsch-negative Testergebnisse möglich sind [8]. Des Weiteren sollte der Kliniker sich stets vor Augen führen, dass neben Hypersensitivitätsreaktionen diverse andere Ursachen des NCPE beschrieben sind (Infobox 2).

Infobox 1 Risikofaktoren für kontrastmittelinduzierte Hypersensitivitätsreaktionen. (Modifiziert nach Sanchez-Borges et al. [7])

  • Atopie

  • Asthma

  • Weibliches Geschlecht

  • Schwere kardiopulmonale Vorerkrankung

  • Wiederholte Kontrastmittelgaben

  • Reaktion auf Kontrastmittel in der Vergangenheit

  • Bekannte Medikamentenallergie

  • Mastozytose

Infobox 2 Mögliche Ursachen für das nichtkardiale Lungenödem. (Modifiziert nach Givertz [2])

  • Atemnotsyndrom des Erwachsenen (ARDS)

  • Höhenlungenödem

  • Neurogenes Ödem

  • Reperfusionsödem

  • Reexpansionsödem

  • Medikamentös-toxisch (Opioide, Salicylate, Bortezomib, Sirolimus, Everolimus, Kontrastmittel)

  • Lungenembolie

  • Pulmonale venookklusive Erkrankung

  • Transfusionsassoziierte Lungeninsuffizienz (TRALI)

  • Gestörte Lymphdrainage, postoperativ

Fazit für die Praxis

Das nichtkardiale Lungenödem (NCPE) im Zusammenhang mit der Gabe von CT-Kontrastmittel ist ein seltenes Phänomen, welches allerdings schnell zu lebensbedrohlicher respiratorischer Insuffizienz führen kann. Die zugrunde liegende Pathophysiologie ist nicht eindeutig geklärt, und somit sind die Möglichkeiten einer spezifischen Therapie limitiert. Essenziell ist der Ausschluss einer kardiogenen Ursache. Die Diagnose kann mithilfe der transthorakalen Echokardiographie gestellt werden. Nach Ausschöpfung der konservativen Therapiemaßnahmen sollte zeitnah die Möglichkeit einer extrakorporalen Membranoxygenierungstherapie evaluiert werden.