Die Qualität der anästhesiologischen Versorgung zu messen, ist eine wichtige Aufgabe, aber auch eine Herausforderung. Darum haben die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) 2016 in einem ersten Schritt 10 Qualitätsindikatoren veröffentlicht. In der vorliegenden Studie wurde überprüft, inwieweit diese QI im Klinikalltag deutscher Krankenhäuser implementierbar sind.

Einleitung

Die Qualität der anästhesiologischen Versorgung wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, unter anderem durch patientenorientierte Variablen wie Patientensicherheit und -zufriedenheit, Mortalität und funktionelle Ergebnisse sowie durch wirtschaftliche Aspekte, optimierte Ablauforganisation und strukturierte Umgebungsbedingungen zusammen mit qualifiziertem und motiviertem medizinischem Personal. Diese Faktoren lassen sich in drei Kategorien einteilen: 1. Qualität der Strukturen einer Einrichtung; 2. Qualität der anästhesiologischen Prozesse selbst und 3. Ergebnisqualität sowie deren Messbarkeit [5]. Insbesondere in der Anästhesie ist die Unterscheidung zwischen chirurgischen und anästhesiologischen Einflussfaktoren von wesentlicher Bedeutung, da viele Outcome-Parameter vom Erfolg beider Disziplinen abhängig sind [6]. Soll die Qualität der anästhesiologischen Versorgung verglichen und verbessert werden, ist ein messbarer Katalog relevanter Kriterien wichtig. Die Entwicklung von Qualitätsindikatoren (QI), ursprünglich im Zusammenhang mit Herstellungsprozessen eingesetzt, ist ein praktikabler Weg, um notwendige Informationen zu verdichten und so verlässliche und vergleichbare Daten zu gewinnen; dies gilt auch im Gesundheitsbereich [8]. Daher haben die Präsidien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten (BDA) eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um QI für die Anästhesiologie in Deutschland zu entwickeln und zu evaluieren. In einem Entscheidungsprozess, der eine initiale Literaturrecherche und drei aufeinanderfolgende Umfragen unter den Arbeitsgruppenmitgliedern nach der Delphi-Methode umfasste, wurden potenzielle QI erarbeitet. Schließlich wurde eine Liste mit 10 QI von DGAI und BDA verabschiedet und 2016 veröffentlicht [5]. Auch wenn weiterhin für keinen medizinischen Fachbereich ausreichend belegt ist, dass eine stärkere QI-Adhärenz das Outcome des Patienten verbessert, sind mehrere QI mit einem direkten Einfluss auf Sicherheit und Outcome der Patienten assoziiert [3]. Dies trifft unter anderem für das Patient-Blood-Management, das Temperaturmanagement und die Anwendung der Safe-Surgery-Checkliste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu [7, 9, 12]. In der vorliegenden prospektiven, nationalen, multizentrischen Qualitätssteigerungsstudie wurde die Machbarkeit einer Implementierung der 10 DGAI-QI an 16 deutschen Einrichtungen nach einer 6‑monatigen Implementierungsphase untersucht. Primärer Endpunkt war der Unterschied in der Anzahl implementierter QI pro Zentrum nach der Intervention im Vergleich zur initialen Evaluation.

Material und Methoden

Insgesamt 20 deutsche Einrichtungen meldeten sich zur Teilnahme an dieser prospektiven, multizentrischen quasi-experimentellen Studie an. Von diesen schlossen 16 erfolgreich alle drei Studienphasen ab, 4 zogen ihr Teilnahmeangebot zurück. Phase I bestand in einer initialen Selbstevaluation in Bezug auf eine potenziell vorbestehende QI-Adhärenz vor der QI-Implementierungs-Phase (Abb. 1). Dafür wurden die Teilnehmer gebeten, zu jedem einzelnen der für einen der QI erforderlichen Items anzugeben, ob er bereits erfüllt war. Darüber hinaus wurden die strukturalen Krankenhausdaten der Einrichtungen bezogen auf die Anästhesiologie erfasst. Zu diesem Zweck hatte jedes Zentrum von März bis April 2017 Zugang zu einem elektronischen Fragebogen („electronic case report form“ [eCRF]), basierend auf einer OpenClinica-Datenbank (OpenClinica, LLC, Waltham, MA, USA). In Phase II erfolgte über einen Zeitraum von 6 Monaten zwischen Mai und Oktober 2017 in allen teilnehmenden Zentren die Implementierung der 10 QI (Abb. 1). Zur Unterstützung wurde die Website www.qi-an.org eingerichtet (Hosting durch Docs in Clouds GmbH, Aachen). Sie bot detaillierte Informationen zu jedem QI, ergänzende Literatur und nützliche Hilfsmittel für die Implementierung, z. B. Präsentationsfolien für die Mitarbeiterschulung. Des Weiteren war jederzeit eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Studienkoordinator möglich. Dieser bot zudem jedem Zentrum zusätzliche Unterstützung durch Vorträge oder Schulungen vor Ort an. Welche Maßnahmen im Einzelnen zur QI-Implementierung ergriffen werden sollten (z. B. Schulungen, strukturelle Verbesserungen), blieb jeder Einrichtung selbst überlassen. In einem der Zentren waren dies beispielsweise die folgenden: Alle fehlenden Standard Operation Procedures (SOP) wurden von ausgewählten Oberärzten der Abteilung für Anästhesiologie erstellt und nach interner Revision implementiert, um die Kriterien von QI I zu erfüllen. Die Implementierung von QI II scheiterte, weil das Zentrum ein für die Teilnahme am Perioperative Medicine Network (PoMNet) standardisiertes Anästhesiejournal verwendet, das nicht mit den DGAI-Empfehlungen übereinstimmt. Die Implementierung wird wahrscheinlich machbar sein, wenn das Zentrum ein elektronisches Anästhesiejournal einführt. Ein Fehlermanagement (QI III) war bereits implementiert und bedurfte keiner weiteren Maßnahmen. Auch das Patient-Blood-Management (QI IV) war bereits implementiert, das Zentrum führte aber ein System zur elektronischen Dokumentation von Indikationen für die Transfusion von Blutprodukten ein. In Bezug auf QI V wurde eine SOP für das Temperaturmanagement entwickelt. Ein Oberarzt führte eine interne Prüfung von 50 konsekutiven Anästhesiejournalen und Patientenakten durch. Hierbei sollte untersucht werden, ob intraoperative Messungen der Körpertemperatur erfolgten und ob die erhobenen Werte am Ende des chirurgischen Eingriffs den Anforderungen des QI V genügten. Zudem wurden die in QI VI (Safe-Surgery-Checkliste) und QI VII (Sterblichkeits- und Morbiditätsbericht) verlangten Vollständigkeitsraten ermittelt. Im Ergebnis scheiterte die Implementierung von QI V und VI aufgrund einer ungenügenden Dokumentationsrate in der analysierten Stichprobe. Die von QI VII geforderten Items wiesen eine ausreichende Vollständigkeit auf; bedingt durch die oben erwähnte PoMNet-Teilnahme konnten aber nicht alle Items abgefragt werden. Die Implementierung von QI VIII (Übergabe- und Entlassprotokoll) war wegen eines interferierenden Forschungsprojekts zu diesem Thema nicht möglich. Postoperative Visiten und ärztliche Personalausstattung gemäß den Empfehlungen der DGAI waren bereits etabliert. Daher wurde die Implementierung von QI IX wie auch QI X ohne zusätzlichen Aufwand für das Zentrum erfüllt.

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm der Studie. Studiendesign mit initialer Evaluation (Phase I), Implementierung (Phase II) und finaler Reevaluation (Phase III). QI Qualitätsindikatoren

An die Implementierungsphase schloss sich Phase III an, in der die Adhärenz der teilnehmenden Zentren an die QI reevaluiert wurde. Dies erfolgte in einer zweiten Selbstbeurteilung per eCRF und mit denselben Fragen wie in Phase I (Abb. 1). Zusätzlich wurden zu jedem QI zwei ergänzende Fragen gestellt: Zum einen bezüglich der Probleme im Implementierungsprozess, die vom Zentrum gelöst werden konnten, zum anderen bezüglich der Ursachen einer gescheiterten Implementierung. Des Weiteren wurden die Zentren um eine Einschätzung gebeten, ob alle für die QI nötigen Daten in ihrer klinischen Routine aufgezeichnet wurden und zugänglich waren. Die Phase-III-Evaluation erfolgte im Februar 2018.

Jeder QI umfasste unterschiedlich viele Items, die von der QI-Arbeitsgruppe im Vorfeld festgelegt worden waren [5]. Für jeden QI mit mehr als einem Item wurde ein individueller Schwellenwert definiert, um bestimmen zu können, ob dieser bei Adhärenz zu ausreichend vielen Items des QI als implementiert klassifiziert werden konnte. Beispielsweise war für die Erfüllung der Kriterien von QI VI nicht nur die Ablage der WHO-Safe-Surgery-Checkliste in der Patientenakte als Standardprozedur erforderlich, sondern auch eine Vollständigkeitsrate dieser Checkliste von mindestens 95 %. Eine detaillierte Beschreibung aller QI einschließlich der Benchmarkkriterien findet sich in Tab. 1. Eine erfolgreiche Implementierung wurde als ein Punkt gewertet. Die maximal erreichbare Punktzahl lag bei 10, gleichbedeutend mit einer vollständigen Adhärenz zu allen QI. Die ausreichende Erfassung von Routinedaten aus den Anästhesiejournalen wurde in jedem Zentrum entweder anhand einer Stichprobe von 50 konsekutiven Akten aus dem Vormonat überprüft oder anhand der Patientendatenmanagementsysteme (PDMS) des Zentrums. Wie dabei im Rahmen der jeweiligen routinemäßigen Qualitätssicherung vorgegangen wurde, blieb den Zentren überlassen. Die Adhärenz zu den QI in Phase I und III wurde von der Studienleitung auf Basis der Datenbankeinträge der Teilnehmer berechnet. Die Korrektheit dieser Einträge wurde nicht verifiziert.

Tab. 1 Detaillierte Übersicht der 10 Qualitätsindikatoren (QI), die von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) verabschiedet und publiziert wurden [5]. (Adaptiert mit Genehmigung der Autoren)

Der primäre Endpunkt war die Differenz der Anzahl implementierter QI pro Zentrum, wobei die Situation nach der Implementierungsphase mit der initialen Evaluation (Phase I) verglichen wurde. Sekundäre Endpunkte waren die Anzahl neu implementierter QI pro Zentrum, die Gesamtzahl erfolgreicher Implementierungen jedes QI, die Identifizierung von Problemen bei der Implementierung und die Art der Hindernisse, die die Implementierung eines QI verhinderten, sowie die Verfügbarkeit der erforderlichen Informationen in den Datenbanken der klinischen Routine der Zentren. Ein „Problem“ bei der Implementierung war definiert als eine Schwierigkeit, die beseitigt werden konnte und deren Beseitigung zur QI-Adhärenz führte. So konnte es beispielsweise 3 Monate und mehrere Sitzungen dauern, bis dem PDMS eines Zentrums ein zusätzliches Item zur Erfragung von postoperativer Übelkeit und Erbrechen hinzugefügt wurde. Ein „Hindernis“ dagegen war als eine Schwierigkeit definiert, die ein Zentrum dazu veranlasste, die Bemühungen um die Implementierung des betroffenen QI abzubrechen. Beispielsweise konnte eine IT-Abteilung die Installation eines zusätzlichen Items aufgrund technischer Hürden verweigern. Des Weiteren wurden bei Studienbeginn Eckdaten zu jedem Zentrum erfasst, unter anderem der Einrichtungstyp (universitär, Klinik der Primär‑, Sekundär‑, Tertiärversorgung oder ambulante Einrichtung), die Bettenzahl, die jährliche Gesamtzahl anästhesiologischer Prozeduren, der jährliche durchschnittliche Case-Mix-Index des Zentrums und die Anzahl der Beschäftigten, aufgeschlüsselt nach Assistenz- und Fachärzten. Für die statistische Analyse wurde die Software Graphpad Prism7 (Graphpad Software, San Diego, Kalifornien, USA) verwendet. Die beiden Gruppen wurden nach Bestätigung einer Normalverteilung mit einem zweiseitigen, gepaarten t‑Test verglichen. Eine Genehmigung durch die Ethikkommission war nach deutschem Recht nicht erforderlich. Eine entsprechende Bestätigung wurde bei der Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen, Aachen (Vorsitzender Prof. G. Schmalzing), eingeholt (EK 071/19). Dieses Manuskript wurde in Einklang mit den SQUIRE‑2.0‑Leitlinien erstellt [15].

Ergebnisse

Eckdaten der Einrichtungen zu Studienbeginn

Unter den 16 Zentren waren 7 Universitätskliniken, 6 Krankenhäuser der Primär-, eines der Sekundär- und eines der Tertiärversorgung sowie ein ambulantes Anästhesiezentrum. Die Kapazität der Krankenhäuser (das ambulante Zentrum ausgenommen) reichte von 244 bis 1610 Betten (Mittelwert 912). Die Anzahl der anästhesiologischen Prozeduren pro Jahr lag in einem Bereich von 6041 bis 33.649 (Mittelwert 17.803). Der jährliche durchschnittliche Case-Mix-Index lag zwischen 0,9 und 1,9 (Mittelwert 1,2). Die Zahl der Anästhesisten reichte von 14 bis 146 (Mittelwert 65,2), darunter 3–72 Assistenz- (Mittelwert 31,8) und 6–74 Fachärzte (Mittelwert 33,8).

QI-Implementierung

Die durchschnittliche Gesamtzahl implementierter QI stieg von 5,8 auf 6,8 (Mittelwert der Differenzen 1,1 ± 1,3; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,3–1,8; P < 0,01; Abb. 2). Die Anzahl implementierter QI lag vor der Studieninterventionsphase zwischen 3 und 8 und danach zwischen 5 und 9. Pro Zentrum wurden maximal 3 neue QI implementiert (Abb. 3). Die am häufigsten neu implementierten QI waren QI VII (perioperativer Sterblichkeits- und Morbiditätsbericht; 5 Zentren) und QI V (Temperaturmanagement; 4 Zentren). Umgekehrt wurden die Kriterien für QI VI (WHO-Safe-Surgery-Checkliste) und QI X (ärztliche Personalausstattung gemäß den Empfehlungen der DGAI) nach Studienabschluss weniger häufig erfüllt (Abb. 4). Allerdings verschleiern die Zahlen den Sachverhalt, dass ein Zentrum QI VI implementieren konnte, während 2 ihre QI-Kriterien-Adhärenz im Studienverlauf verloren. In Phase III hatten alle Zentren erfolgreich QI III (Fehlermanagement) und QI IV (Patient-Blood-Management) implementiert. Dagegen wurden QI IX (postoperative Visite) und QI VII (perioperativer Sterblichkeits- und Morbiditätsbericht) selten erfüllt. Lediglich 5 Zentren erreichten Adhärenz zu QI IX und nur 6 zu QI VII (Abb. 4).

Abb. 2
figure 2

Primärer Endpunkt. Durchschnittliche Anzahl implementierter Qualitätsindikatoren (QI) pro Zentrum vor (Phase I) und nach der Studienintervention (Phase III), mittlere absolute Differenz 1,1 (Standardabweichung 1,3; 95 %-Konfidenzintervall 0,3–1,8; **p < 0,01 in zweiseitigem, gepaartem t‑Test)

Abb. 3
figure 3

Implementierte Qualitätsindikatoren (QI) pro Zentrum. Übersicht des individuellen Implementierungserfolgs in den einzelnen Studienzentren, dargestellt als Anzahl implementierter QI vor und nach Studienintervention

Abb. 4
figure 4

Anzahl der Implementierungen bezogen auf die einzelnen Qualitätsindikatoren (QI). Anzahl der Zentren, in denen der jeweilige QI vor bzw. nach der Studienintervention implementiert war

Schwierigkeiten bei der Implementierung

Theoretisch konnte jedes der 16 Zentren maximal 10 Punkte erreichen (Adhärenz zu 10 QI), woraus sich ein Maximum von 160 implementierbaren QI in dieser Studie ergibt. Bei Studienende wurden 109 QI als implementiert gemeldet. In Bezug auf jeden dieser erfolgreich implementierten QI wurden die Zentren gebeten, potenzielle Probleme in der Implementierungsphase anzugeben, die vor Ort gelöst werden konnten. Die Analyse ergab insgesamt 64 Probleme im Zusammenhang mit den implementierten QI. Das Hauptproblem war mangelnde Compliance der Mitarbeiter (n = 22), gefolgt von Zeitmangel (n = 19), strukturellen Problemen (n = 11) und knappen Finanzmitteln (n = 8; Abb. 5a). Technische Schwierigkeiten, etwa im Zusammenhang mit dem PDMS, wurden 4‑mal berichtet. Nur 7 (43,8 %) Zentren gaben an, dass alle verlangten Informationen im Rahmen der routinemäßigen Datenerhebung verfügbar waren.

Abb. 5
figure 5

Probleme und Hindernisse. Probleme bei der Implementierung von Qualitätsindikatoren (QI), die vor Ort gelöst werden konnten (a), und Hindernisse, die eine Implementierung verhinderten (b). Pro QI waren mehrere Antworten möglich

Bei 51 von 160 theoretisch implementierbaren QI scheiterte die Implementierung. Für QI, deren Implementierung mehrere Maßnahmen erforderte, sind in Tab. 2 die Gründe des Scheiterns aufgeführt. Die Zentren sollten die Ursachen einer Nichtimplementierung erläutern. Zeitmangel wurde 32-mal angegeben und war damit das Haupthindernis der QI-Implementierung im Rahmen der Studie (Abb. 5b). Strukturelle Gründe verhinderten 19-mal eine Implementierung, gefolgt von technischen Gründen (n = 15), knappen Finanzmitteln (n = 11), mangelnder Compliance der Mitarbeiter (n = 11) und sonstigen Gründen (n = 4). QI VII (perioperativer Sterblichkeits- und Morbiditätsbericht) und IX (postoperative Visite) wurden am seltensten implementiert. In Übereinstimmung damit wurden für diese beiden QI die meisten Hinderungsgründe angegeben (QI VII: n = 27; QI IX: n = 20).

Tab. 2 Gründe für eine gescheiterte Implementierung von QI, die mehrere Kriterien umfassten. Übersicht der Faktoren, die zur Nichtimplementierung von QI führten, welche mehr als ein Kriterium umfassten. Anmerkung: QI III (Fehlermanagement) umfasste zwei Kriterien, die in allen Zentren implementiert wurden, und ist daher nicht in der Tabelle aufgeführt

Diskussion

Die hier vorgestellte Studie belegt, dass die Implementierung von 10 unterschiedlichen QI größtenteils durchführbar ist. Jeder QI konnte in mindestens einem neuen Zentrum implementiert werden oder war bereits vorher in den meisten Zentren implementiert. Mit Blick auf die beschränkten Mittel im Rahmen der Studie zeigt dies, dass bei keinem QI unüberwindliche Implementierungshindernisse bestehen. Die von den teilnehmenden Zentren berichteten Probleme veranschaulichen, dass für die Implementierung mancher QI weitere Schulungen, mehr wissenschaftliche Evidenz, ein Wandel der Arbeitskultur sowie zusätzliche Finanzmittel und Personalressourcen nötig sind.

Die Qualität der Anästhesie zu messen, ist eine Herausforderung. Es wurden viele Ansätze verfolgt, wobei der Fokus hauptsächlich auf dem Outcome der Patienten lag [8]. Neuere Arbeiten konzentrieren sich auf Daten von Gesundheitsbehörden oder Versicherungen [14]. In anderen medizinischen Fachbereichen, wie der Intensivmedizin, haben nationale Fachgesellschaften bereits vergleichbare QI-Sets publiziert. So hat die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) 10 therapiebezogene QI veröffentlicht, die schon in der dritten Auflage erhältlich sind [11]. Unseres Wissens nach ist das vorliegende Set von 10 QI, das Struktur‑, Prozess- und Ergebnisindikatoren auf nationaler Ebene umfasst, das erste seiner Art in der Anästhesiologie [5].

Die Zentren implementierten erfolgreich neue QI, obwohl die gebotene Unterstützung bei der Implementierung beschränkt war und alle Maßnahmen mit zentrumseigenen Ressourcen umgesetzt werden mussten. Allerdings waren bei Studienende nur 2 der 10 QI (QI III und QI IV) in allen 16 Zentren implementiert, was auf ein erhebliches Potenzial hinweist. Weniger als die Hälfte der teilnehmenden Zentren erfüllten die Kriterien der Ergebnisindikatoren QI VII (perioperativer Sterblichkeits- und Morbiditätsbericht) und QI IX (postoperative Visite). Es besteht somit die Gefahr, dass die meisten Zentren keine Kenntnis über das detaillierte postoperative Outcome ihrer Patienten haben. Dies ist ein alarmierender Befund, wenn man bedenkt, dass die Lancet Commission on Global Surgery die postoperative Mortalität als einen Schlüsselindikator für die Verbesserung der chirurgischen und anästhesiologischen Versorgung hervorgehoben hat, der bis 2030 weltweit in allen Krankenhäusern kontrolliert werden sollte [13].

Augenfällig lassen sich manche QI leichter implementieren als andere. Eine Standard Operation Procedure (SOP, QI I) beispielsweise kann man innerhalb eines halben Jahres relativ leicht ausarbeiten. Andere QI erfordern spezifische Items im Anästhesiejournal (QI II und VII). Die Anpassung von Anästhesiejournalen, die bereits im Klinikalltag etabliert sind, macht die Adhärenz zu diesen QI weitaus komplexer. Die Implementierung bestimmter QI erfordert höhere Finanzmittel, die im Rahmen dieser Studie nicht zur Verfügung gestellt werden konnten. Der QI IX (postoperative Visite) etwa war bei Studienende lediglich in 5 Zentren implementiert. Das könnte daran liegen, dass der behandelnde Anästhesist nach seinen Aufgaben im Operationssaal ein festes Zeitbudget für die postoperative Visite braucht oder das Zentrum zu diesem Zweck zusätzliches Personal vorhalten muss. In Zeiten steigender Arbeitsbelastung und der Notwendigkeit einer optimalen Ausnutzung der Kapazität der Operationssäle ist ein zusätzlicher Zeitaufwand für postoperative Visiten ohne zusätzliche Ressourcen kaum zu leisten. Dies fügt sich in das Bild der berichteten Gründe für eine verhinderte Implementierung in den Zentren. Die Anwendung der in QI VI abgebildeten WHO-Safe-Surgery-Checkliste senkt erwiesenermaßen die Mortalität [9]. Eine aktuelle retrospektive Analyse ergab eine globale Rate an vollständig ausgefüllten Checklisten von 79,1 % [4]. In der vorliegenden Studie nutzten alle 16 Zentren die Checkliste im Klinikalltag und 12 erreichten eine selbstberichtete Vollständigkeitsrate >95 %, was als vollständige Adhärenz zu QI VI gewertet wurde. Überraschenderweise erfüllten 13 Zentren schon 2017 die Kriterien für QI VI, wohingegen 2 Zentren diesen Status 2018 wegen einer nunmehr ungenügenden Vollständigkeitsrate verloren, während nur ein Zentrum den QI neu implementieren konnte. Die möglichen Ursachen sind vielfältig. Eine Verbesserung der Mitarbeitercompliance und ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung ausgefüllter Safe-Surgery-Checklisten könnten dieses Problem aber leicht lösen. Die Analyse von Implementierungsproblemen diente dazu, den künftigen Bedarf an verstärkten Implementierungshilfen oder anderweitiger Unterstützung zu ermitteln. Die Gründe einer Nichtimplementierung wurden erfragt, um QI zu identifizieren, die aufgrund enormer Implementierungshindernisse potenziell ungeeignet sind. Zu beachten ist, dass die Differenzierung zwischen den beiden Fragen subjektiv und abhängig vom Engagement der Teilnehmer war. Verdeutlicht wird dies dadurch, dass 7 von 16 Zentren keinen neuen QI implementierten und ein Zentrum im Studienverlauf sogar die Adhärenz zu QI VIII verlor, hauptsächlich aus Zeitmangel. Unterdessen konnte derselbe QI von den anderen Teilnehmern implementiert werden.

QI sind in der Regel nicht für die einmalige Bestimmung einer definierten Qualität konzipiert, sondern für die Evaluation der Qualitätsentwicklung im Verlauf mehrerer wiederholter Messungen. Die vollständige Adhärenz zu allen QI eines vordefinierten Sets gilt als Optimum, das nur unter Idealbedingungen erreicht werden kann. Folglich ist es keine Schwäche der bestehenden QI, wenn manche weniger gut implementiert sind als andere, sondern birgt die Möglichkeit künftiger Verbesserungen. So definiert etwa das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) das Potenzial für künftige Verbesserungen als ein Hauptqualitätskriterium in der Entwicklung neuer QI. Ein von allen Teilnehmern implementierter QI eignet sich nicht für die Unterscheidung zwischen hoher und niedriger Qualität. Das IQTiG empfiehlt sogar, einen QI aus einem vordefinierten Set durch einen neuen zu ersetzen, wenn er in mehreren Überprüfungen vollständig implementiert war, selbst wenn er ein wichtiges Thema adressiert. Er gilt dann als Standard [10].

Für eine künftig breite Implementierung der QI ist ein einfacher Zugang zu den erforderlichen Daten wichtig; beispielsweise sollten Daten zur perioperativen Sterblichkeit und Morbidität bevorzugt über ein elektronisches PDMS verfügbar sein. Nur 7 von 16 Zentren berichteten eine routinemäßige Aufzeichnung aller notwendigen Daten. In den anderen 9 Zentren musste ein Teil der Daten für die Studie manuell erfasst werden. Daher wird die Anpassung von Anästhesiejournalen und PDMS eine wichtige Aufgabe für Kliniken sein, die eine vollständige QI-Adhärenz im Klinikalltag anstreben.

Wie dargelegt wurde, ist die Rückmeldung der gewonnenen Daten an die Leistungserbringer von zentraler Bedeutung für die Verbesserung der Versorgung [1]. In Studien, mehrheitlich aus dem Bereich der Inneren Medizin, haben sich Rückmeldungen als effektive Strategie für die erfolgreiche QI-Implementierung erwiesen [3]. Vergleichende Leistungsberichte könnten ein nächster Schritt für Kliniken sein, um ihre individuelle Leistung zu beurteilen, wie das Beispiel von Leistungsberichten unter britischen Anästhesisten zeigt [2]. Im Anschluss an die vorliegende Arbeit ist geplant, die breite Nutzung der QI im Routinebetrieb deutscher Krankenhäuser zu fördern. In einem ersten Schritt soll für Kliniken, die ihre DGAI-QI-Adhärenz analysieren und verbessern wollen, eine Website mit Benchmarkinginstrumenten eingerichtet werden. Über diese Plattform könnten die teilnehmenden Krankenhäuser auch Rückmeldungen in Form von Vergleichsdaten erhalten.

In zukünftigen Studien sollte untersucht werden, ob implementierte Anästhesiologie-QI effektiv zur Verbesserung des patientenbezogenen Outcomes beitragen. Der Nachweis würde die Akzeptanz und Verbreitung von QI in anästhesiologischen Einrichtungen fördern.

Einschränkungen

Die vorliegende Studie war darauf ausgelegt zu untersuchen, inwieweit die 10 anästhesiologischen QI bei begrenzten Mitteln implementierbar sind. Die im Rahmen der Studie gebotene Unterstützung beschränkte sich auf direkte Implementierungshilfen. Der Fortschritt der Implementierung selbst war nur vom Engagement der beteiligten Prüfer abhängig. Finanzielle oder technische Hilfe zur Beseitigung struktureller oder technischer Hindernisse konnte im Rahmen dieser Studie nicht angeboten werden. Ein Vor-Ort-Monitoring war angesichts der begrenzten Mittel nicht durchführbar. Für die Verbreitung der QI in weiteren Krankenhäusern würden die Autoren die Anwendung eines Peer-Review-Verfahrens empfehlen. Zuletzt ist anzumerken, dass diese Studie nicht dafür konzipiert war, die Wirkung der QI-Implementierung auf das patientenbezogene Outcome zu beurteilen.

Schlussfolgerung

Die Implementierung der 10 QI ist überwiegend möglich. Sie ist ein geeignetes Instrument, um für anästhesiologische Abteilungen in Deutschland ein neues Qualitätsziel zu etablieren. Für ein Benchmarking zwischen Krankenhäusern sind Vergleichsdaten aus den Zentren erforderlich.