Einleitung

Verletzungen oder akute Weichteilinfektionen von Hand oder Unterarm sind häufige Ursachen für die Vorstellung in einer chirurgischen Notaufnahme. Im Regelfall müssen solche Verletzungen rasch versorgt werden und können ohne Beanspruchung von OP-Kapazitäten in Eingriffsräumen der Notaufnahme außerhalb des geplanten Operationsbetriebes durchgeführt werden. Die für die Eingriffe erforderliche Analgesie kann prinzipiell durch den Chirurgen mittels Infiltrationsanästhesie oder peripherer Blockade von Einzelnerven selbst gewährleistet werden. Reichen diese Verfahren für den Eingriff aber nicht aus, oder ist zusätzlich eine Oberarmblutsperre notwendig, kann die Blockade des Plexus brachialis (APB) auf axillärer Ebene eine Alternative zur Allgemeinanästhesie sein. In vielen Ländern werden Blockaden des Plexus brachialis durch Chirurgen oder Notfallmediziner selbst durchgeführt [2, 4, 14].

In Deutschland ist dies jedoch üblicherweise Aufgabe des Anästhesisten und soll aufgrund der technikspezifischen Anforderungen wie auch des Nebenwirkungs- und Komplikationsprofils an einem Anästhesiearbeitsplatz durchgeführt werden [10]. Das Integrieren in den allgemeinen Operationsplan führt in der Praxis aber zu Verzögerungen, da innerhalb der Kernarbeitszeit OP- wie Anästhesiekapazitäten meist ausgelastet und außerhalb der Kernarbeitszeit häufig durch Eingriffe höherer Priorität gebunden sind. Lange Wartezeiten sind für Patienten belastend und wirken sich negativ auf die Patientenzufriedenheit oder das Operationsergebnis aus. An unserer Klinik, einem überregionalen Traumazentrum mit ca. 70.000 Visiten/Jahr, werden selektierte Patienten mit kleineren, aber akut operationspflichtigen Verletzungen oder Erkrankungen an Unterarm und Hand chirurgisch außerhalb des allgemeinen Operationsbetriebes in APB in der Notfallambulanz versorgt. Die APB erfolgt durch Anästhesisten, die weitere operative Versorgung dann ohne weitere Anästhesiebegleitung. Da prinzipiell nicht alle Patienten für ein solches Prozedere geeignet sind, erfordert dies eine gemeinsam mit dem Operateur durchgeführte Patientenselektion. Die Aufgabe des Anästhesisten ist die sichere und verlässliche Durchführung der APB, da die anschließende Operation ohne Überwachung durch Anästhesiepersonal erfolgt. Dies ist eine Herausforderung, da auch nach Einführung der Sonographie APB in einem gewissen Prozentsatz supplementiert oder gar in eine Allgemeinanästhesie konvertiert werden müssen. Es wird in der vorliegenden retrospektiven Analyse anhand von 566 Patienten die mehrjährige Erfahrung mit diesem Behandlungsalgorithmus berichtet.

Methodik

Patienten mit akut operationspflichtigen Verletzungen oder Erkrankungen an Hand und/oder Unterarm wurden vom Operateur auf die prinzipielle Eignung für eine operative Versorgung außerhalb des allgemeinen Operationsbetriebes hin untersucht und vorausgewählt.

Kontraindikationen einer operativen Versorgung in der Notaufnahme sind in Tab. 1 aufgeführt.

Tab. 1 Voraussetzungen, Indikationen und Kontraindikationen für die ambulante Versorgung in axillärer Blockade des Plexus brachialis (APB)

Geeigneten Patienten wurde die zeitnahe Versorgung außerhalb des allgemeinen OP-Betriebes in einem aseptischen Eingriffsraum in der Notfallambulanz in APB durch den Operateur angeboten. Die Patienten wurden über das Abweichen von dem allgemeinen Behandlungsalgorithmus informiert. Wesentlicher Bestandteil der Aufklärung war die Erläuterung der operativen Versorgung ohne anästhesiologische Begleitung oder Sedierung. Nach grundsätzlicher Zustimmung des Patienten erfolgte die Prämedikationsvisite durch den Anästhesisten.

Nach grundsätzlicher Zustimmung des Patienten erfolgte die anästhesiologische Vorstellung und Aufklärung. Wurde der Patient von Anästhesist und/oder Chirurg als nichtgeeignet eingestuft, oder lehnte der Patient ein solches Prozedere ab, erfolgte die Versorgung zum nächstmöglichen Zeitpunkt innerhalb des OP-Programms.

War die postoperative Entlassung nach Hause geplant, so wurden den Patienten im Rahmen der Prämedikationsvisite die notwendigen Informationen analog ambulanter Eingriffe gegeben, wie Notwendigkeit einer Begleitperson, Versorgung zu Hause etc. Die Patienten wurden explizit aufgeklärt, dass sie bei einer noch anhaltenden Wirkung der Regionalanästhesie nur in Begleitung nach Hause entlassen werden können, aber bei einer anhaltenden Blockade der betroffenen Extremität besondere Vorsicht zu gelten habe. Als Alternative wurde den Patienten angeboten, das Abklingen der Plexusanästhesie in der Klinik abzuwarten.

Die Patienten wurden ebenfalls aufgeklärt, dass sie sich im Falle einer über 24 h anhaltenden Wirkung oder sonstiger Auffälligkeiten wie Hämatombildung, Schmerzen an der Punktionsstelle etc., zeitnah in der Notfallambulanz unserer Klinik zur Kontrolle vorstellen sollten.

Die APB wurde sonographisch geführt, unter Monitoring von EKG, SpO2, nichtinvasiver Blutdruckmessung und i.v.-Zugang in der „holding area“ des OP-Bereiches an einem Anästhesiearbeitsplatz durchgeführt. Die Blockade erfolgte nach dem internen Klinikstandard unter sterilen Kautelen als gezielte selektive Blockade der einzelnen Nerven. Am lateralen Rand des M. pectoralis major wurde die A. axillaris ventral des M. teres major und der Sehneninsertion des M. latissimus dorsi am Humerus identifiziert. Es erfolgte generell die Identifikation der Nervenstämme der 5 den Unterarm und die Hand versorgenden peripheren Nerven des Plexus brachialis (N. radialis, N. medianus, N. musculocutaneus, N. ulnaris, N. cutaneus antebrachii medialis; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Das Sonogramm zeigt die peripheren Nerven des Plexus brachialis in axillärer Position am Rande des M. pectoralis major. 1 N. musculocutaneus, 2 N. medianus, 3 N. radialis, 4 N. ulnaris, 5 N. cutaneus antebrachii medialis, 6 A. axillaris, 7 V. axillaris, 8 N. cutaneus brachii medialis. Der N. cutaneus brachii medialis hat die Plexusloge bereits verlassen und verläuft im Spatium axillare profundus. Rote Pfeile markieren die Fascia axillaris profunda, gelbe Pfeile markieren die Sehne des M. latissimus dorsi mit dem darunter liegenden M. teres major (hypoechogen)

Nach ultraschallgeführter Hautinfiltration mit 1–2 ml Lidocain, 2 %ig, in Richtung Spatium axillare subfasciale [5] wurden bei Patienten über 60 kgKG initial maximal 30 ml einer Lokalanästhetikamischung von 100 mg Ropivacain, 1 %ig (10 ml), und 400 mg Prilocain, 2 %ig (20 ml), zielgerichtet in einer „Out-of-plane“-Kanülenführung an die entsprechenden Nerven appliziert. Dies entspricht einer Konzentration der Mischlösung von 0,33 %igem Ropivacain und 1,33 %igem Prilocain. Bei Patienten zwischen 50 und 60 kgKG wurde die applizierte Dosis auf 25 ml der Lokalanästhetikamischung begrenzt. Da das Verhältnis von Ropivacain zu Prilocain 1:2 geblieben ist, entspricht die Mischlösung einer Dosis Ropivacain (0,33 %ig) von 82,5 mg und Prilocain (1,66 %ig) von 332,5 mg. Dabei wurde besonders auf die zweifelsfreie Identifikation der Kanülenöffnung sowie auf das Ausbreitungsmuster des Lokalanästhetikums während der Injektion geachtet. War ein LA-Ausbreitungsmuster nach Injektion von maximal 1 ml nicht zweifelsfrei erkennbar, wurden Kanüle und Schallsonde neu zueinander ausgerichtet, bis die Darstellung gelang. Anschließend wurde die Qualität der Blockade sensorisch nach „pinprick“ ausgetestet. War nach 20 min die Blockade unzureichend, so erfolgte eine zielgerichtete selektive Nachblockade der entsprechenden nichtblockierten Nerven mit max. 2–3 ml Prilocain, 1 %ig, und Nerv. Der Patient wurde für 30 min nach der letzten Injektion in der Holding area unter Fortführung des o. g. Monitoring überwacht. Bei kompletter Blockadewirkung und fehlenden Nebenwirkungen erfolgte nun die chirurgische Versorgung des Patienten in der Notaufnahme ohne weitere anästhesiologische Begleitung. Im Fall unerwünschter Nebenwirkungen wäre der Patient nicht für eine Versorgung außerhalb des OP-Bereiches freigegeben worden. Die intraoperative Überwachung des wachen Patienten erfolgte durch den Operateur ausschließlich über verbalen Kontakt ohne hämodynamisches oder respiratorisches Monitoring.

Die Datenerfassung erfolgte mittels eines elektronischen Narkoseprotokolls (DANARC®, R + S Medical, Hamburg, Deutschland) über die präoperative Verweildauer mit Blockadeanlage und Überwachungsphase in der Holding area. Eine intraoperative anästhesiologische Datenerfassung erfolgte nicht. Für die retrospektive Untersuchung wurden Patienten, die zwischen dem 01.01.2013 und dem 01.12.2017 in APB ohne Anästhesiebegleitung operiert wurden, ausgewertet. Die statistische Analyse erfolgte deskriptiv mit IBM SPSS Statistics® (Version 25, IBM Corp., Armonk NY, USA). Die Daten sind angegeben als Mittelwerte (Range) oder Inzidenzen in Prozent.

Ergebnisse

Im beschriebenen Beobachtungszeitraum wurden 571 Patienten mit akut operationspflichtigen Verletzungen oder Erkrankungen an Hand oder Unterarm eingeschlossen (Tab. 2). Fünf Patienten verlangten nach erfolgreicher APB dann entgegen der Absprache doch eine tiefe Sedierung für den operativen Eingriff und mussten folglich in das laufende OP-Programm eingeschoben werden. Diese Patienten wurden aus der weiteren Auswertung ausgeschlossen. Somit konnten 566 Patienten (99 %) nach dem beschriebenen Verfahren versorgt werden (Tab. 3).

Tab. 2 Art der Verletzungen oder Erkrankungen
Tab. 3 Patientencharakteristika und verwendete Lokalanästhetikadosierung (Ropivacain 0,66 % und Prilocain 1,33 %/ml). Die Daten sind angegeben als Mittelwerte und Standardabweichung (Range)

Die Blockaden wurden von insgesamt 74 Anästhesisten je nach Erfahrung allein oder unter Supervision durchgeführt. Die 5 Zielnerven des Plexus brachialis konnten bei allen Patienten identifiziert werden. Bei 95 % der Patienten wurde mit der initialen Blockade eine suffiziente Anästhesie erzielt. Bei 5 % der Patienten war die Blockade nach 20 min nicht ausreichend. Entsprechend wurde gezielt eine zweite Injektion in 3 % der Fälle am N. musculocutaneus und in jeweils 1 % der Fälle am N. radialis oder am N. ulnaris durchgeführt. Die Nachblockade erfolgte mit maximal 2–3 ml Prilocain 1 % pro Nerv. Danach waren die Blockaden in allen Fällen suffizient. Die geplante chirurgische Versorgung konnte bei allen Patienten ohne zusätzliche Analgetika oder Nachinfiltrationen durch den Operateur durchgeführt werden. In einem Fall erfolgte die Versorgung bei einem 11-jährigen Jungen mit einer Fingerverletzung auf ausdrücklichen Wunsch des Kindes und der Eltern. In diesem Fall wurden 3 ml Ropivacain, 0,5 %ig, und 6 ml Prilocain, 1 %ig, entsprechend dem Klinikstandard für Blockaden bei Kindern unter 14 Jahren verwendet. Der Junge wurde während der gesamten Prozedur von den Eltern begleitet. Bei einem Patienten mit einem Körpergewicht >130 kg war die Blockade nach initialem Wirkungseintritt innerhalb 30 min komplett rückläufig, sodass mit der halben Dosis nachinjiziert wurde. Nach einer weiteren unauffälligen Beobachtungszeit von 30 min wurde der Patient für die Versorgung freigegeben. Der weitere Verlauf war unauffällig. Punktionskomplikationen oder Zeichen einer Lokalanästhetikaintoxikation während der Injektion, der anschließenden Überwachung oder der chirurgischen Versorgung wurden nicht beobachtet. In keinem Fall kam es infolge von Komplikationen des Anästhesieverfahrens oder einer nach Entlassung über 24 h anhaltenden Blockadewirkung zu einer Wiedervorstellung in der Ambulanz.

Diskussion

Wir konnten zeigen, dass eine zügige und sichere Versorgung von Notfallpatienten mit klar definierten akuten Verletzungen oder Erkrankungen an Hand und Unterarm in APB ohne Zeitverzögerung auch ohne dauerhafte Anästhesiepräsenz außerhalb des regulären OP-Betriebes möglich ist. Hierbei sind jedoch zwingend mehrere Voraussetzungen zu berücksichtigen.

Zum einen muss die APB zuverlässig und komplikationslos durchgeführt werden, wobei zu beachten ist, dass auch nach Einführung der Sonographie in einem gewissen Prozentsatz eine Supplementierung oder gar Konversion zur Allgemeinanästhesie erforderlich sein kann. Weiterhin muss der Patient seitens seiner Komorbidität und Compliance für ein solches Verfahren geeignet sein und diesem zustimmen. Da prinzipiell nicht alle Patienten für ein solches Vorgehen infrage kommen, erfordert dies eine gemeinsam mit dem Operateur durchgeführte sorgfältige Patientenselektion. Der Patient muss das Verfahren und seine Besonderheiten intellektuell verstehen. Darüber hinaus muss vor und während des Eingriffs jederzeit eine barrierefreie Verständigung zwischen Patient und Operateur möglich sein. Zu Beginn muss sich der Operateur von der Eignung des Patienten für ein solches Vorgehen überzeugen, endgültig entscheidet jedoch der Anästhesist über die Machbarkeit. Ist der Patient ängstlich oder unruhig, so ist er für ein solches Verfahren nicht geeignet, da während der OP planmäßig kein Anästhesist für eine Sedierung und die damit erforderliche Überwachung der Vitalfunktionen bereitsteht. Wird eine Sedierung erforderlich, muss in jedem Fall ein Anästhesist hinzugezogen und bis zu dessen Verfügbarkeit der Eingriff ggf. unterbrochen werden. Daher wurden Patienten, die vor der Anästhesievorstellung in der Notaufnahme Opioide oder Sedativa erhalten oder Drogen und Alkohol konsumiert hatten, wegen nichtkalkulierbarer Compliance von dem Verfahren ausgeschlossen. In dieser Untersuchung wurde im Fall der 5 Patienten, die doch auf einer intraoperativen Sedierung bestanden, entsprechend verfahren. Hämodynamisch oder respiratorisch instabile Patienten oder Patienten, die aus anderen Gründen ein kontinuierliches Monitoring benötigen, sind für ein solches Vorgehen nicht geeignet. Ebenso wenig sind Patienten geeignet, die für die Dauer des Eingriffs nicht ruhig liegen können. Daher beschränkte sich das hier beschriebene Verfahren auf Patienten, die alle diese geforderten Kriterien erfüllten. Zuletzt muss sich der Operateur sicher sein, den Eingriff in alleiniger APB durchführen zu können, da ein Umstieg auf ein anderes Anästhesieverfahren ohne signifikante Zeitverzögerung nicht möglich ist. Daher ist neben der kritischen Prüfung der Indikation eine eindeutige Absprache zwischen Anästhesist und Operateur über das geplante Vorgehen erforderlich.

Grundsätzlich sind bei der Durchführung von Regionalanästhesieverfahren die allgemeinen Sicherheitsstandards einzuhalten. Hierzu gehört zweifelsohne die Überwachung bei der Blockadeanlage selbst, sowie im weiteren Verlauf bis zum vollständigen Wirkungseintritt. Die weitere intraoperative Überwachung erfolgte in unserer Untersuchung durch den Operateur.

Es existiert eine gültige Stellungnahme des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Regionalanästhesie von 1997 zur Frage der Durchführung von Regionalanästhesien durch Operateure mit klaren Empfehlungen [10], welche sich auf Lokal- und Regionalanästhesien beziehen, bei deren Durchführung keine Auswirkungen auf vitale Funktionen zu erwarten sind. Dies sind v. a. die Infiltration des Operationsgebietes oder eine operationsfeldnahe Regionalanästhesie, wie die Leitungsanästhesie nach Oberst. Somit scheiden rückenmarknahe Leitungsverfahren aufgrund des Risikos gravierender, auch mit Latenz auftretender, hämodynamischer Nebenwirkungen für eine solche Vorgehensweise aus [11]. Plexusanästhesien oder andere proximale Nervenblockaden wie N.-femoralis‑/N.-ischiadicus-Blockaden weisen durch die höheren Lokalanästhetikadosierungen das Risiko einer systemischen Lokalanästhetikatoxizität auf und erfordern daher sichere Kenntnisse in deren frühzeitigen Erkennung und ggf. Behandlung. Folglich ist auch hier prinzipiell eine sachgerechte dauerhafte Überwachung zu gewährleisten.

International werden solche peripheren Regionalanästhesieverfahren jedoch in zunehmendem Maße in den Notfalldepartments durch Notfallmediziner ohne Anästhesieweiterbildung und nicht durch Anästhesisten durchgeführt [2, 18].

Diese Verfahren beinhalten sowohl die Leitungsanästhesie einzelner Nerven an Arm und Bein, aber auch Interkostal- oder M.-erector-spinae-Blockaden sowie Plexusanästhesien [3, 6, 12, 13, 17, 22].

Während Allgemeinanästhesieverfahren eindeutig dem Fachgebiet vorbehalten sind, lässt sich bezüglich anderer Regionalanästhesieverfahren ein Ausschließlichkeitsanspruch, den das Bundesverfassungsgericht ohnehin nur eingeschränkt gewährt, für das Fachgebiet nicht ableiten. Dennoch gilt, bei Verfahren, die ihren Schwerpunkt im Fachgebiet Anästhesiologie haben, den Facharztstandard einzuhalten. Eine ähnliche Arbeitsteilung ist in der Zusammenarbeit mit Geburtshelfern in den Empfehlungen zur Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten unter Ziffer 4.1. geregelt. Hier legt der Anästhesist die Regionalanästhesie (Epiduralanästhesie) an, die dann von einem anderen Fachvertreter, dem Geburtshelfer, weitergeführt werden kann. Voraussetzung ist, dass die Reaktionen der Patientin auf die epidural applizierten Substanzen erfasst und dokumentiert sind. Dann kann sogar die Durchführung weiterer Bolusapplikationen zur Aufrechterhaltung der Analgesie nach ärztlicher Anordnung an entsprechend ausgebildetes medizinisches Personal delegiert werden. Weitere Voraussetzungen sind, dass der durchführende Arzt sich von der Kompetenz und Fähigkeit des Delegaten überzeugt hat und sich die delegierte Person selbst als kompetent und fähig im Umgang mit dem Verfahren einstuft [1].

Unsere Vorgehensweise unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von den in Notfalldepartments üblichen Abläufen. Die APB wurde nicht von Operateuren oder Notfallmedizinern durchgeführt, sondern von Anästhesisten unter Einhaltung allgemeiner Sicherheitsstandards sowie unter Monitoring der Vitalparameter. Die Patienten wurden erst nach einer 30-minütigen Überwachungsphase dem Operateur zur weiteren Betreuung und Versorgung übergeben.

Neben wirtschaftlichen Überlegungen sowie der Forderung der Patienten nach einer zeitnahen Versorgung spielt sicher die Einführung der Sonographie in die periphere Regionalanästhesie (RA) eine wesentliche Rolle, um über solche Verfahrensweisen nachzudenken. Die grundsätzlichen Vorteile der sonographischen RA wie die Darstellung der Punktionskanüle, die Beurteilbarkeit der Lokalanästhetikaausbreitung während der Injektion und das Erkennen anatomischer (Gefäß‑)Variationen im Punktionssitus sind mittlerweile allgemein anerkannt. Da sonographisch die intravasale Fehlinjektion bereits kleinster Volumina sicher erkannt werden kann, ist die Gefahr von Intoxikationen hierdurch als sehr gering zu bewerten. Es bleibt jedoch ein Restrisiko durch Resorption der Lokalanästhetika, dessen Ausmaß in erster Linie von der Spitzenkonzentration im Plasma und der Geschwindigkeit ihres Anstiegs abhängt und maßgeblich durch den Injektionsort bestimmt wird [7, 16]. Anhand der APB konnte für verschiedene LA gezeigt werden, dass im Regelfall die höchsten Plasmakonzentrationen nach 20–30 min, vereinzelt jedoch Spitzenkonzentrationen auch erst nach 60 min erreicht werden [15, 21]. Intoxikationen, die erst zwischen 30 und 60 min auftraten, wurden hierbei aber nicht berichtet.

Aus diesem Grund wurden die Patienten für mindestens 30 min nach Injektion überwacht und nur bei völliger Symptomfreiheit für den Eingriff freigegeben.

Mit einer Ausnahme wurden bei normalgewichtigen Erwachsenen Dosierungen von maximal 400 mg Prilocain und 100 mg Ropivacain verwendet. Da es keine wissenschaftlich genau belegbaren Maximaldosierungen gibt und sich die Empfehlungen noch länderspezifisch signifikant unterscheiden, sollten die verwendeten Dosierungen regionalanästhesiespezifisch ausgerichtet werden und neben dem Injektionsort patientenbezogene Faktoren wie Alter, Komorbidität und Schwangerschaft miteinbeziehen [19]. Da solche Faktoren die Pharmakokinetik der LA wesentlich mitbestimmen, wurden in unserer Untersuchung nur nichtschwangere Patienten bis zum ASA-Status 3 eingeschlossen. Zusätzlich wurden die für Deutschland empfohlenen Maximaldosierungen nicht überschritten. Diese sind für Prilocain ohne Adrenalinzusatz 600 mg und für Ropivacain 300 mg für Plexus-brachialis-Blockaden, bezogen auf Erwachsene mit 70 kgKG. Die in unserem Vorgehen beschriebene Überwachungszeit unter Monitoring von 30 min nach Beendigung der Injektion erwies sich als ausreichend für die Erfassung von evtl. Intoxikationszeichen.

Ein klinisches Problem der APB ist auch nach Einführung der Sonographie weiterhin die Rate an inkompletten Blockaden oder gar Blockadeversagern. Selbst für die anatomisch fundierte Multiinjektionstechnik ist beschrieben, dass in einem gewissen Prozentsatz Supplementierungen oder Überleitungen in eine Allgemeinanästhesie erforderlich sind [8]. Die Sicherstellung der Analgesie ist somit eine der zentralen Anforderungen an den Anästhesisten. Aus anatomischer Sicht ist die APB eine Einzelnervenblockade und keine Plexusblockade per se, da in axillärer Position die die Hand und den Unterarm versorgenden Nerven aus ihren entsprechenden Faszikeln oder Trunci bereits abgegangen sind und im weiteren Verlauf getrennt in eigenen Bindegewebstunneln, eingebettet in Fettgewebe, verlaufen (Abb. 2 und 3). Aus diesen anatomischen Gründen können Einzel- oder Doppelinjektionen alle Zielnerven in ihren einzelnen Kompartimenten nicht zuverlässig erreichen.

Abb. 2
figure 2

Präparat des Plexus brachialis in axillärer Position zeigt im Querschnitt die peripheren Nerven des Plexus brachialis mit ihren Bindegewebshüllen und dazwischen liegendem Fettgewebe sowie die Beziehung zu Muskeln und Faszien. 1 N. musculocutaneus, 2 N. medianus, 3 N. radialis, 4 N. ulnaris, 5 N. cutaneus antebrachii medialis, 6 A. axillaris mit Latexfüllung, 7 V. axillaris. Rote Pfeile markieren die Fascia axillaris profunda, grüne Pfeile die Kutis

Abb. 3
figure 3

Das Präparat des Plexus brachialis in axillärer Position am Rande des M. pectoralis major auf Höhe des Sehnenansatzes des M. latissimus dorsi am Humerus zeigt die peripheren Nerven des Plexus brachialis mit ihren Bindegewebshüllen und dazwischen liegendem Fettgewebe. Der M. pectoralis major ist durchtrennt und angehoben. Der N. musculocutaneus (in Abb. 2 mit 1 bezeichnet) ist hier nicht sichtbar, 2 N. medianus, 3 N. radialis, 4 N. ulnaris, 5 N. cutaneus antebrachii medialis, 6 A. axillaris, 7 V. axillaris, 8 N. intercostobrachialis

Aufgrund dieser Tatsachen führen wir die APB gemäß dem Klinikstandard sonographisch als Einzelinjektionstechnik an den 5 Einzelnerven durch. Der Vorschub der Punktionskanüle sowie die LA-Injektion erfolgen unter sicherer sonographischer Bildgebung. Dies gilt auch für die subkutane Infiltration vor der eigentlichen Einführung der Punktionskanüle. Diese Infiltration wird ebenfalls ultraschallgesteuert und bis auf die Oberarmfaszie durchgeführt, um den N. intercostobrachialis, welcher an dieser Stelle regelhaft im Spatium axillare subfasciale verläuft, zu erreichen [5]. Mit dieser Vorgehensweise konnten signifikante intravasale oder intramuskuläre Fehlinjektionen, die zu hohen Serumkonzentrationen der LA führen können, vermieden werden [23]. Diese zielgerichtete Einzelinjektionstechnik in die entsprechenden Kompartimente erklärt die hohe primäre Erfolgsrate [9].

Dennoch war in 5 % der Fälle eine Nachinjektion erforderlich, die aber in allen Fällen zu einer ausreichenden Blockade führte. Das Risiko einer LA-Intoxikation kann am ehesten durch Verwendung der geringstmöglichen Dosis, einer kontrollierten ultraschallgesteuerten Injektion sowie einer umfassenden Ausbildung der durchführenden Ärzte minimiert werden. In der hier beschriebenen Technik ist die APB faktisch eine Leitungsanästhesie von 5 nah beieinander liegenden, aber in getrennten Bindegewebskompartimenten verlaufenden, peripheren Nerven. Die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Regionalanästhesie sieht vor, dass Infiltrations- oder periphere Leitungsanästhesien auch durch nichtanästhesiologisches ärztliches Personal durchgeführt werden können. Wenn hier auch primär Verfahren wie z. B. die Leitungsanästhesie nach Oberst gemeint sind, bei der die anatomisch weit peripher gelegenen Nn. digitales palmares oder Nn. digitales plantares proprii anästhesiert werden, so sollte dies, anatomisch betrachtet, auch auf zentraler gelegene Nerven, wie z. B. N. radialis oder N. medianus übertragbar sein, ohne das Risiko von Komplikationen zu erhöhen. Um die notwendige Sicherheit und Erfolgsrate zu gewährleisten, empfehlen die Autoren jedoch, auch im Hinblick auf die verwendeten Lokalanästhetikadosen, die Durchführung des beschriebenen Verfahrens regionalanästhesiologisch geschulten Anästhesisten vorzubehalten [20].

Zusammenfassend konnten wir zeigen, dass die Versorgung ausgewählter Patienten außerhalb des OP mit einem standardisierten Verfahren in einer APB sicher und zuverlässig auch ohne eine dauerhafte Anästhesiepräsenz möglich ist. Somit kann die Versorgung zeitkritischer Patienten zügig und sicher unter bedarfsgerechtem Einsatz begrenzter OP- und Personalressourcen erzielt werden. Unabdingbare Voraussetzungen dafür sind aber die sorgfältige Patientenselektion und Zustimmung des Patienten, die sichere Durchführung der APB durch erfahrene Anästhesisten sowie die absolut verlässliche Absprache mit dem Operateur.