Anamnese

Eine 58-jährige Patientin unterzog sich aufgrund einer interstitiellen fibrotischen Lungenerkrankung einer Doppellungentransplantation. Der Krankheitsverlauf erstreckte sich bereits über 13 Jahre. Eine exakte Diagnosestellung gelang bioptisch nicht; die Erkrankung wurde dem rheumatischen Formenkreis zugeordnet und am ehesten als nichtspezifische interstitielle Pneumonie (NSIP) klassifiziert. Es erfolgten unterschiedliche Therapieregime mit Steroiden, aber auch mit Azathioprin, Methotrexat, Leflunomid, Mycophenolat-Mofetil, Cyclophosphamid und Rituximab. Begleiterkrankungen waren ein obstruktives Schlafapnoesyndrom, eine arterielle Hypertonie, eine Adipositas mit Body-Mass-Index von zuletzt 28,1 kg/m2 (zuvor maximal über 30 kg/m2) sowie ein steroidinduzierter, insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2. Nach Komplettierung der notwendigen Voruntersuchungen konnte die Patientin schließlich unter einer Dauertherapie mit Prednisolon, 5 mg/Tag, zur Lungentransplantation gelistet werden. Der letzte Lung Allocation Score (LAS) betrug 33,7 Punkte. Die Patientin befand sich in kompensiertem Zustand mit Heimsauerstoff zu Hause, wurde nach Zuteilung eines Organangebots stationär aufgenommen und zur Operation vorbereitet.

Die Allgemeinästhesie wurde als Kombinationsverfahren aus thorakaler Periduralanästhesie sowie totaler intravenöser Anästhesie (TIVA) mit Propofol und Sufentanil durchgeführt. Die Atemwegssicherung erfolgte über einen Doppellumentubus. Die Transplantation gelang in sequenzieller Technik mit Einlungenventilation über eine mediane Sternotomie [1]. Die Transfusion von Blutprodukten oder der Einsatz einer extrakorporalen Unterstützung waren nicht notwendig.

Postoperativer Verlauf

Postoperativ wurde die Patientin auf die anästhesiologische Intensivtherapiestation übernommen. Sie erwachte prompt. Die Oxygenierungsleistung der transplantierten Lunge war durch ein Reperfusionsödem und habituell bedingte basale Atelektasen eingeschränkt. Außerdem bestand eine relevante Schwäche der Atempumpe, sodass nach zunächst erfolgreicher Extubation am 3. postoperativen Tag eine endotracheale Reintubation und eine dilatative Tracheotomie durchgeführt wurden. Der intensivmedizinische Aufenthalt wurde neben der Respiratorentwöhnung verkompliziert durch ein Kapillarleck, ein akutes anurisches Nierenversagen und eine transiente globale kardiale Pumpschwäche, die eine positiv-inotrope Therapie mit Dobutamin erforderte. Die immunsuppressive Therapie wurde mit Basiliximab (als Induktion an den Tagen 0 und 4), Tacrolimus, Mycophenolat-Mofetil und Methylprednisolon bzw. Prednison durchgeführt. Als Prophylaxen gegen Pneumocystis jirovecii und andere Pilzinfektionen erhielt die Patientin 2‑mal/Woche oral Cotrimoxazol sowie 3‑mal täglich eine Inhalation mit Amphotericin B. Spender und Empfängerin wiesen Antikörper gegen das Zytomegalievirus (CMV) auf. Zur Verhinderung einer Reaktivierung erhielt die Patientin Ganciclovir bzw. Valganciclovir in prophylaktischer Dosierung.

Wegen einer venösen Abflussstörung wurde sekundär die Resektion des rechten Unterlappens notwendig. Nach 20 Tagen konnte die Trachealkanüle entfernt werden, nach 22 Tagen wurde die Patientin in gutem Allgemeinzustand und mit vollständig rekompensierten Organfunktionen auf die Intermediate Care Station (IMC) verlegt.

Aufgrund eines prästernalen entzündlichen Verhalts, steigender Retentionsparameter, Hypervolämie sowie einer Tacrolimusakkumulation (Abb. 1) wurde die Patientin nach sternalem Wunddébridement und Anlage einer Vacuum-Assisted-Closure(VAC)-Therapy postoperativ erneut auf die anästhesiologische Intensivtherapiestation übernommen. In mikrobiologischen Proben aus dem Verhalt gelang weder mikroskopisch noch kulturell ein Keimnachweis. In der Folge erholte sich unter Anpassung der Tacrolimusdosis, Negativbilanzierung sowie einem 3‑maligen wiederholten VAC-Wechsel die infektiologische und renale Situation. Die Patientin war zu diesem Zeitpunkt in guter physischer und psychischer Verfassung und klagte außer über episodischen Kopfschmerz und gelegentliche Übelkeit über keinerlei Beschwerden, sodass eine Verlegung auf eine Normalstation für den Folgetag angestrebt wurde.

Abb. 1
figure 1

Tacrolimus-Serum-Talspiegel sowie verabreichte tägliche Tacrolimusdosis

Rätselhafter Vigilanzverlust

Am 39. postoperativen Tag kam es plötzlich zu einer Verschlechterung der Vigilanz mit über wenige Stunden zunehmend soporöser bis schließlich komatöser Bewusstseinslage.

Klinische und laborchemische Befunde

Laborchemisch imponierte eine Leukopenie. Es zeigten sich zentralneurologische Störungen mit weiten, jedoch lichtreagiblen Pupillen, mit horizontalem Bulbuswandern, Bruxismus und tiefer, verlangsamter Atmung. Ein Meningismus konnte nicht festgestellt werden. Die endotracheale Intubation wurde aufgrund des komatösen Zustands mit erloschenen Schutzreflexen notwendig. Es wurde umgehend eine kraniale Computertomographie mit Angiographie durchgeführt. Dabei zeigte sich ein parietookzipitales Hirnödem mit Verplumpung der Gyri (Abb. 2). Dieses Bild ist das typische Korrelat eines posterioren reversiblen enzephalopathischen Syndroms (PRES). Auch elektroenzephalopgraphisch zeigte sich mit biokzipitaler, teils rhythmischer Verlangsamung mit eingelagerten epilepsietypischen Potenzialen ein für das PRES typischer Befund. Als wahrscheinlichste Ursache für ein PRES wurden die bei Wiederaufnahme der Patientin gemessenen supratherapeutischen Serumspiegel von Tacrolimus vermutet.

Abb. 2
figure 2

Native kraniale Computertomographie, exemplarische Schichten einer sagittalen Rekonstruktion: vasogenes Ödem mit Verplumpung der Gyri in den okzipitalen und parietalen Regionen, suggestiv für ein posteriores reversibles enzephalopathisches Syndrom, postoperativer Tag 39

Erste Diagnose: PRES unter Tacrolimus

Therapie

Da Tacrolimus aufgrund seines hohen Molekulargewichts, seiner geringen Wasserlöslichkeit und der hohen Bindung an Erythrozyten und Plasmaproteine praktisch nicht dialysierbar ist, wurde bei ansonsten uneingeschränkten Organfunktionen zunächst der spontane Rückgang in den Zielbereich abgewartet. Wegen ohnehin normotensiver Blutdruckwerte war für eine adäquate Blutdruckkontrolle keine zusätzliche Pharmakotherapie notwendig. Als Differenzialdiagnose wurden wegen der gleichzeitig aufgetretenen Leukopenie auch eine pneumogene Sepsis mit Enzephalopathie oder eine Meningitis/Enzephalitis diskutiert. Wegen der Leukopenie wurden die potenziell mitverantwortlichen Pharmaka Mycophenolat-Mofetil und Valganciclovir beendet. Metamizol hatte die Patientin zu keinem Zeitpunkt erhalten. Computertomographisch waren bei fast uneingeschränkter Oxygenierungsleistung beidseitige pulmonale Infiltrate nachweisbar; abdominell fand sich kein septischer Fokus. Nach Probenasservierung wurde bei nichtauszuschließender systemischer Infektion unter Neutropenie und Immunsuppression am 39. postoperativen Tag eine empirische antimikrobielle Therapie mit Meropenem, Vancomycin und Caspofungin zusätzlich zu den vorbestehenden Prophylaxen mit Cotrimoxazol und Ganciclovir begonnen. Diese Therapie wurde am 42. postoperativen Tag aufgrund fehlenden Erregernachweises wieder beendet. Die Meropenem-Serum-Konzentration lag retrospektiv leicht unterhalb der empfohlenen therapeutischen Spiegel.

Klinische und laborchemische Befunde im weiteren Verlauf: Status epilepticus

Statt einer Erholung der Vigilanz unter diesen Maßnahmen verblieb die Patientin komatös und entwickelte rezidivierende zerebrale Krampfanfälle. Auch die Neutropenie aggravierte mit minimal 0,27 Tausend Leukozyten/µl am 43. postoperativen Tag. In der Blutgasanalyse zeigten sich unter gering assistierter Spontanatmung eine leichte respiratorische Alkalose, eine milde Anämie sowie Normalwerte für Glucose, Lactat, Natrium, Kalium, Kalzium und Chlorid. In der klinischen Chemie ergaben sich Normalwerte für Kreatinin, Harnstoff, TSH, INR und aPTT. Der GPT-Wert war mit 105 U/l und γ‑GT mit 109 U/l nur leicht erhöht, ansonsten fanden sich keine Auffälligkeiten der hepatischen Parameter.

Mikrobiologie, Virologie und Zytologie

Die asservierten mikrobiologischen Proben vom 39. postoperativen Tag aus Blut, Urin, Liquor, Pleuraerguss sowie bronchoalveolärer Lavage (BAL) zeigten keinen kulturellen oder mikroskopischen Nachweis von Bakterien. Eine Multiplex-PCR aus der BAL blieb ohne Nachweis von respiratorischen Viren, Mycoplasma pneumoniae, Legionellen und Chlamydien. Pneumocystis jirovecii konnte nicht nachgewiesen werden. Im Liquor fanden sich keine Bakterien, Herpes- oder Enteroviren. Eine CMV-Reaktivierung und eine Mykose konnten ebenfalls ausgeschlossen werden.

Neurologie

Es zeigten sich eine rasch progrediente, schließlich komatöse Vigilanzminderung und Hirnstammsymptomatik (Tag 39), im Verlauf konvulsive epileptische Anfälle (Tag 41) und schließlich ein Status epilepticus (Tag 43). Ab dem 39. postoperativen Tag konnten elektroenzephalographisch (EEG) nach einem generalisierten epileptischen Anfall epilepsietypische Potenziale (Abb. 3) nachgewiesen werden. In der Folge zeigten sich trotz stufenweiser Aufdosierung von Antikonvulsiva fazial und links armbetont rezidivierende konvulsive Anfälle. Im täglich abgeleiteten EEG zeigte sich eine progrediente Verschlechterung, passend zu einem Status epilepticus.

Abb. 3
figure 3

a Elektroenzephalographische (EEG-)Ableitung mit 21 Elektroden (Platzierung nach 10-20-System) vom Tag 2 nach Beginn der Vigilanzstörung, Darstellung in bipolarer Montage (Längsreihe), mit roten Pfeilen markiert rhythmische Verlangsamung mit aufgelagerten Spikes temporookzipital beidseits; b EEG-Ableitung mit 21 Elektroden (Platzierung nach 10-20-System) vom Tag 3 nach Beginn der Vigilanzstörung, Darstellung in bipolarer Montage (Längsreihe), mit roten Pfeilen markiert generalisiert periodische Entladungen (GPD) und mit roten Sternchen markiert beginnend Phasen der Suppression

Eine PubMed-Recherche mit dem Such-String (status epilepticus) AND (lung transplant) erbrachte einen Fallbericht über eine Hyperammonämie als Ursache für Krampfanfälle und Hirnödem unter Immunsuppression [2]. Tatsächlich zeigte sich der daraufhin am 44. postoperativen Tag bestimmte Ammoniak-Serum-Spiegel mit 1340 µmol/l (Normbereich: 16–53 μmol/l) dramatisch erhöht. Bei ansonsten völlig unauffälliger Leberfunktion war ätiologisch ein Enzymdefekt im Harnstoffzyklus unwahrscheinlich. Daher wurden – analog zum oben genannten Fallbericht – alle noch verwertbaren mikrobiologischen Probenmaterialen einer PCR-Untersuchung auf Ureaplasmen zugeführt. Es fanden sich im weiteren Verlauf in BAL, Blutkulturen, Urin und Proben aus dem Sternuminfekt hohe bis sehr hohe Konzentrationen von Ureaplasma urealyticum (Tab. 1). Diese Kommensale kann sich unter Immunsuppression rasant vermehren und bildet als Stoffwechselprodukt Ammoniak in großer Menge.

Tab. 1 Nachweis von Ureaplasma urealyticum durch quantitative PCR

Zweite Diagnose: Hyperammonämie durch Ureaplasma-urealyticum-Sepsis mit Ausbildung eines Hirnödems und therapierefraktärem Status epilepticus

Therapie und Verlauf

Für die Therapie der konvulsiven Anfälle wurden mehrere Substanzgruppen kombiniert. Die initiale Aufsättigung mittels Levetiracetam und Lacosamid in Kombination mit Benzodiazepinen (Midazolam, dann Lorazepam) sowie schließlich die Eskalation auf ein volatiles Anästhetikum (Sevofluran) über ein Anaesthetic Conserving Device [3] und die kontinuierliche Applikation von Propofol führten nicht zur Durchbrechung des Status epilepticus. Erst die zusätzliche Aufsättigung mit Phenytoin erzielte eine Reduzierung der epilepsietypischen Potenziale mit anschließender Burst-Suppression. Wegen des Verdachts auf eine Ureaplasmensepsis wurde am Tag 44 eine kalkulierte Antibiotikatherapie mit Ciprofloxacin und Clarithromycin begonnen. Noch bevor eine Nierenersatztherapie oder andere Maßnahmen zur Kontrolle des hohen Ammoniakspiegels initiiert werden konnten, waren die Pupillen der Patientin plötzlich nicht mehr lichtreagibel. Es wurde umgehend eine erneute kranielle Computertomographie durchgeführt, in der sich ein diffuses Hirnödem mit vollständig aufgehobener Mark-Rinden-Differenzierung sowie oberer und unterer Einklemmung zeigte (Abb. 4). Die Prognose wurde im Konsens der Behandler als infaust eingestuft. Die Patientin verstarb schließlich nach Verabschiedung durch die Angehörigen und Deeskalation der intensivmedizinischen Maßnahmen.

Abb. 4
figure 4

Native kraniale Computertomographie, exemplarische Schichten einer sagittalen Rekonstruktion: diffuses globales Hirnödem mit Herniation der Kleinhirntonsillen als Zeichen der unteren Einklemmung, postoperativer Tag 44

Diskussion

Neurologische Alterationen zählen neben Infektionen zu den häufigsten Komplikationen bei Patienten nach Lungentransplantationen. Im vorliegenden Fall entwickelte die Patientin Kopfschmerzen, einen Vigilanzverlust, epileptische Anfälle und ein Hirnödem. Ursächlich konnten mit einem PRES und einer Hyperammonämie gleich zwei unterschiedliche und jeweils seltene Ätiologien identifiziert werden:

Das PRES ist eine Erkrankung, die durch ein vasogenes Ödem auf dem Boden einer Endotheldysfunktion in den parietookzipitalen Hirnregionen gekennzeichnet ist und unterschiedliche Auslöser hat [4, 5]. Bei Organtransplantierten wird ein PRES mit einer Inzidenz bis zu 4 % [6] in den letzten Jahren zunehmend häufig als Folge einer Therapie mit Tacrolimus beschrieben [7,8,9,10]. Die Letalität von Patienten mit PRES liegt bei 7–18 %, je nach zugrunde liegender Erkrankung. Im Falle des Überlebens ist die neurologische Prognose meistens gut [11].

Nach den zuvor supratherapeutischen Serumspiegeln von Tacrolimus und bei typischen computertomographischen und elektroenzephalographischen Befunden wurde daher im vorliegenden Fall ein PRES als wahrscheinlichste Ursache der klinischen Symptomatik angenommen. Als Goldstandard der Diagnosestellung dient die Magnetresonanztomographie. In diesem Fall wurde darauf aber bei fehlender Konsequenz und erhöhtem Risiko verzichtet. Die Therapie ist symptomatisch und besteht neben strenger Blutdruckkontrolle im Wesentlichen aus Vermeidung oder Reduktion auslösender Faktoren [11]. Im vorliegenden Fall wurde die Therapie mit Tacrolimus ausgesetzt.

Eine andere seltene Ursache für neurologische Symptome bei Immunsupprimierten stellt die Hyperammonämie dar. Sie wird mit einer Inzidenz von ebenfalls bis zu 4 % angegeben [12, 13]. Die Hyperammonämie tritt meist innerhalb der ersten 30 Tage nach Transplantation auf und zeigt mit 40–70 % eine hohe Letalität [13].

Ammoniak ist beim Gesunden ein überwiegend intrazellulär vorkommendes Stoffwechselprodukt aus dem Aminosäureabbau. Überschüssiger Stickstoff gelangt in Form von Glutamin in den Kreislauf. In Hepatozyten, aber auch in Enterozyten des Dünndarms, wird Glutamin aufgenommen, intramitochondrial u. a. in Ammoniak gespalten und dem Harnstoffzyklus zugeführt. In den Nieren anfallender Ammoniak wird über den Urin ausgeschieden. Der auf diesen Wegen entstehende Ammoniak wird – physiologische Organ- und Enzymfunktionen vorausgesetzt – nicht in das Blut abgegeben [14].

Der überwiegende Teil des frei zirkulierenden Ammoniaks im Blut entsteht durch bakterielle Vergärung von Proteinen im Darm. Er wird über das Portalvenenblut zur Leber geführt und üblicherweise von Hepatozyten aufgenommen und verstoffwechselt [15]. Ammoniak passiert die Blut-Hirn-Schranke. Astrozyten wandeln Ammoniak in Glutamin um, welches bei Serumkonzentrationen >200 µmol/l intrazellulär akkumulieren und dadurch ein Hirnödem auslösen kann [16, 17]. Eine Hyperammonämie tritt auf, wenn entweder die Verstoffwechselung von Ammoniak reduziert oder der Anfall erhöht ist. Dies kann bei Patienten mit schwer eingeschränkter Leberfunktion [15], angeborenen Enzymdefekten [14] oder unter metabolischer Belastung (Acidose) [17] auftreten. Es wäre im vorgestellten Fall denkbar, dass ein bisher unerkannter Enzymdefekt durch die Therapie mit Immunsuppressiva demaskiert wurde [18]. Dies wurde bei der 58-jährigen Patientin, die bereits zahlreiche immunsuppressive Substanzen in der Anamnese erhalten hatte, als unwahrscheinlich eingeschätzt und daher nicht weiter abgeklärt.

Als in den letzten Jahren wiederholt rapportierter Verursacher einer Hyperammonämie bei Immunsupprimierten wird darüber hinaus aber auch eine Infektion mit ammoniakbildenden Mikroorganismen wie Ureaplasma urealyticum beschrieben. Ureaplasmen bilden gemeinsam mit Mykoplasmen die beiden Klassen der Familie der Mycoplasmataceae. Diese kleinen, anaerob wachsenden und zellwandlosen – und daher durch eine Gram-Färbung nicht darstellbaren – Bakterien werden auch Mollicutes („Weichhäutige“) genannt. Im vorliegenden Fall war eine pulmonale Infektion mit Mycoplasma pneumoniae ausgeschlossen worden.

Ureaplasma urealyticum ist jedoch Teil der normalen Genitalflora von sexuell erfahrenen Männern und Frauen [19]. Während sie beim Immunkompetenten gelegentlich urogenitale und schwangerschaftsassoziierte Infektionen verursachen, können sie bei immunsupprimierten Patienten schwere systemische Infektionen hervorrufen. Zur Energiegewinnung hydrolysieren Ureaplasmen Harnstoff, wobei u. a. ATP und Ammoniak entstehen [20]. Zur Diagnostik stehen der kulturelle Erregernachweis auf Spezialnährböden und die PCR-Verfahren zur Verfügung. Da es sich um eine Kommensale handelt, kann der PCR-Nachweis im Urin bei vielen Patienten geführt werden. Die Unterscheidung zwischen Besiedelung und Infektion muss jedoch klinisch getroffen werden. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass gezielt nach diesem Erreger gesucht werden muss, weil er in mikrobiologischen Routineuntersuchungen – wie auch im vorgestellten Fall – nicht nachgewiesen wird. Nachdem die routinemäßige Bestimmung der Ammoniakkonzentration in den Leitlinien zur Behandlung der hepatischen Enzephalopathie [21] explizit nicht mehr empfohlen wird und die Prozessierung der Probe (sofortige Kühlung in Eiswasser nach Abnahme) aufwendig und fehleranfällig ist, ist dieser Parameter aus der intensivmedizinischen Routine häufig verschwunden. Daher wurde die Hyperammonämie in dem beschriebenen Fall als Ursache der zerebralen Komplikationen zu spät bedacht. Vor dem mikrobiologischen Nachweis der Ureaplasmen und bis zur Bestimmung der erhöhten Ammoniakkonzentration waren die fortschreitenden Symptome der Patientin nicht zu erklären.

Therapie der Hyperammonämie

Die Therapie fußt auf den Bausteinen Elimination von Ammoniak, Unterdrückung des metabolischen und intestinalen Ammoniakanfalls sowie kausal in der antimikrobiellen Bekämpfung der Ureaplasmen. Einige Autoren empfehlen ein stufenweises Vorgehen, abhängig vom Ammoniak-Serum-Spiegel [22].

Ammoniak ist durch Hämodialyse gut zu eliminieren. Allerdings kann es bei zu schneller oder zu effektiver Serum-Spiegel-Senkung durch Vergrößerung des osmotischen Gradienten gegenüber dem ZNS zu einer akuten Zunahme des Hirnödems kommen. Im vorliegenden Fall wurde keine Dialyse mehr initiiert, da die kranielle Bildgebung zuvor eine infauste Prognose gezeigt hatte. In Analogie zu Therapiekonzepten der hepatischen Enzephalopathie werden außerdem die proteinarme Ernährung, die topische Darmdekolonisation z. B. mit Rifaximin sowie die Resorptionshemmung mit Lactulose zur Behandlung der Hyperammonämie nach Organtransplantation vorgeschlagen. Dadurch sollen die bakterielle Verstoffwechselung von Proteinen wie Hämoglobin zu Ammoniak im Darmlumen und dessen Resorption gehemmt werden. Dieser Ansatz ist allerdings wenig effektiv, wenn die Ursache für den erhöhten Ammoniakanfall Ureaplasmen sind, deren Reservoir sich, wie im vorliegenden Fall, üblicherweise nicht im Darm befindet.

Analog zu Patienten mit hepatischer Enzephalopathie wird auch die Therapie mit L‑Ornithin-L-Aspartat vorgeschlagen. Die ammoniaksenkende Wirkung wird durch Verminderung des Proteinkatabolismus bei gleichzeitig gesteigerter endogener Proteinsynthese im Muskel erklärt [14, 23]. Dieser Ansatz ist bei der Infektion mit Ureaplasma jedoch möglicherweise wenig effektiv, weil die hauptsächliche Ammoniakquelle im Bakterienstoffwechsel und nicht im Proteinabbau des Patienten begründet liegt. Bei der beschriebenen Patientin wurde wegen der infausten zerebralen Prognose keiner dieser Therapieversuche mehr unternommen.

Antimikrobielle Therapie

Gegen die zellwandlosen Ureaplasmen sind β‑Lactam-Antibiotika wirkungslos. Es werden Tetrazykline, Makrolide und Fluorchinolone zur Therapie empfohlen. Im vorliegenden Fall wurde auf die kalkulierte Therapie mit Makroliden verzichtet, da zu diesem Zeitpunkt die Tacrolimusakkumulation mit PRES als wahrscheinlichste Ursache der Vigilanzminderung angenommen wurde und Makrolide die Elimination von Tacrolimus konkurrierend hemmen. Ciprofloxacin wurde nicht verwendet, da die patienteneigene Flora zuvor eine Resistenz gegenüber Fluorchinolonen aufgewiesen hatte. Fälschlicherweise wurde bei der primären kalkulierten antimikrobiellen Therapie beim ersten Auftreten der Symptome aus diesen Gründen eine Lücke gegenüber atypischen Erregern offengelassen.

Ein PRES wäre eine hinreichende Erklärung für die klinische Symptomatik der beschriebenen Patientin gewesen. Die Neutropenie konnte durch ein PRES nicht erklärt werden, aber sie kann unabhängig davon ebenfalls infolge der Therapie mit Immunsuppressiva auftreten [24].

Erst nach Auffinden eines ähnlichen Fallberichts wurden – für die Patientin leider zu spät – die Hyperammonämie und in der Folge die Ureaplasmensepsis diagnostiziert, die ohne gezielte Suche nicht einmal in der postmortalen Obduktion aufgefallen wären. Retrospektiv ist davon auszugehen, dass diese Patientin beide Pathologien in zeitlicher Folge entwickelt hat. Dies hat die Diagnosestellung erschwert. Es wäre auch vorstellbar, dass das PRES bereits eine „Vorstufe“ der Hyperammonämie darstellte. Wegen nichtarchivierter Blutproben ist es nicht gelungen, Ammoniakspiegel aus dem Zeitraum der Diagnosestellung des PRES retrospektiv zu bestimmen.

Vor allem bei akuten Vigilanzstörungen immunsupprimierter Patienten sollte differenzialdiagnostisch an eine Hyperammonämie gedacht und der Ammoniakspiegel im Ethylendiamintetraessigsäure(EDTA)-Blut bestimmt werden. Einige Autoren empfehlen, sowohl Spender als auch Empfänger von Organspenden bereits präoperativ auf eine Besiedlung mit Ureaplasmen zu screenen [16]. Es könnte dann eine spezifische Resistenztestung bereits vor der Transplantation erfolgen. Diese würde die Möglichkeit einer Eradikationstherapie bei Patienten auf der Warteliste ermöglichen. Bei der sehr hohen Rate an Besiedelungen mit diesem Keim verbleibt jedoch unklar, in welchem zeitlichen Abstand nach einer solchen Eradikation eine erneute Testung sinnvoll wäre, und ob die Therapie regelhaft vor Transplantation oder erst mit Induktion der Immunsuppression erfolgen sollte. Da keine Probenmaterialien vom Spender und keine der Empfängerin vor Transplantation mehr verfügbar waren, kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Patientin selbst zuvor mit Ureaplasmen besiedelt war, oder ob diese Erreger zusammen mit der transplantierten Lunge auf sie übertragen worden waren, so wie es Fernandez et al. bereits zuvor beschrieben haben [25]. Der vorliegende Fall wurde an „Eurotransplant“ mit der Bitte gemeldet, dieses Krankheitsbild in entsprechende Risikomanuale aufzunehmen und eine Empfehlung zum routinemäßigen Screening auf Ureaplasmen abzugeben. Die klinikinternen Standards (SOP) wurden dahingehend angepasst, dass bei neurologischen Symptomen bei lungentransplantierten Patienten als einfacher Screeningtest eine Bestimmung des Serumammoniaks erfolgt. Bei auffälligen Werten schließen sich eine gezielte Suche nach Stoffwechselstörungen sowie Ureaplasmen und eine kalkulierte Therapie bis zum Vorliegen der hepatologischen und mikrobiologischen Ergebnisse an.

Fazit für die Praxis

  • Das posteriore reversible enzephalopathische Syndrom äußert sich durch Kopfschmerzen, Vigilanzminderung und epileptische Anfälle. Es kann durch Therapie mit Tacrolimus ausgelöst werden. Die Diagnosesicherung erfolgt bildmorphologisch.

  • Eine ähnliche klinische Symptomatik findet sich bei einer Hyperammonämie. Bei Immunsupprimierten kann diese durch eine Infektion mit Ureaplasmen bedingt sein. Diese Erreger können ausschließlich durch spezifische Verfahren nachgewiesen werden. Bildmorphologisch ist das entstehende Hirnödem nicht regional begrenzt, sondern global nachweisbar.

  • Die differenzialdiagnostische Abklärung von neurologischen Auffälligkeiten bei Immunsupprimierten sollte somit neben der kraniellen Bildgebung die Bestimmung der Serum-Ammoniak-Konzentration beinhalten. Bei erhöhten Ammoniakwerten müssen neben stufenweisen Maßnahmen zur Spiegelsenkung eine gezielte Abklärung auf Ureaplasmen erfolgen und eine kalkulierte Therapie mit Makroliden und Fluorchinolonen begonnen werden.