Im Rahmen operativer Eingriffe treten Komplikationen meistens in der postoperativen Phase auf. Ein Teil dieser Komplikationen ist vermeidbar; andere entstehen aufgrund von schicksalshaften Krankheitsverläufen oder vorbestehenden Begleiterkrankungen. Faktoren wie z. B. die Früherkennung von Abweichungen physiologischer Messwerte spielen eine entscheidende Rolle für den weiteren Verlauf einer Komplikation. Die Registrierung der Vitalfunktionen z. B. durch kontinuierliches kabelloses Monitoring auf der Normalstation trägt dazu bei, Komplikationen schneller zu entdecken und somit frühzeitiger die adäquate notwendige Behandlung zu initiieren, um so den Komplikationsverlauf abzuschwächen und eine weitere Verschlechterung des klinischen Zustands des Patienten zu verhindern.

Hintergrund

Ghaferi et al. ermittelten in über 600 Krankenhäusern in den USA die Sterblichkeit und teilten die Einrichtungen in Quintile ein, von niedrigster zu höchster Sterblichkeit [15]. Die Zahl aller Komplikationen sowie die Anzahl schwerwiegender Komplikationen nach chirurgischen Eingriffen war in den Krankenhäusern aller Quintile vergleichbar. Es zeigten sich jedoch erhebliche Unterschiede in der Letalität nach Auftreten einer Komplikation. Ursächlich ist die Qualität der Reaktion auf eine entstandene Komplikation. Eine zeitnahe und qualitativ hochwertige Behandlung ist entscheidend, um den Übergang einer anfänglichen – ggf. schon schweren – Komplikation in eine Kaskade von unerwünschten Ereignissen, die letztlich zum Tod führen können – ein „failure to rescue“ – zu verhindern [16]. Die Konzepte zur Vermeidung von Failure to rescue können wie folgt unterteilt werden (Abb. 1): eine sog. afferente Phase (Beobachtung, Überwachung) und eine efferente Phase (Eskalation der Versorgung, Therapieinitiierung).

Abb. 1
figure 1

Afferente und efferente Phase zur Vermeidung von „failure to rescue“. EOT „emergency outreach team“, MEWS „modified early warning score“, RRT „rapid response team“

Für die efferente Phase konnte nach Etablierung von „rapid response teams“ (RRT), „emergency outreach teams“ oder „medical emergency teams“ (MET) durch präventive Therapieansätze eine Optimierung der Versorgung mit reduzierter Aufnahme auf die Intensivstation und frühzeitigerer Krankenhausentlassung nachgewiesen werden [31]. Der Erfolg der RRT/MET ist jedoch von der rechtzeitigen und adäquaten Alarmierung abhängig, die die „Endstrecke“ der afferenten Phase darstellt [12]. Unterschiede in nationalen Gesundheitssystemen, mit unterschiedlicher Verfügbarkeit von Intensivstationsbetten und damit ggf. Versorgung von kritisch kranken Patienten auch auf der Normalstation, erschweren die Verallgemeinerung von publizierten Ergebnissen bezüglich des Nutzens der RRT/MET auf die lokale/regionale Situation.

Einer Beobachtung des Patienten liegt die reine Registrierung von Vitalwerten zugrunde. Folgen aus den beobachteten Messwerten bestimmte Handlungen und Therapie, kann vom Monitoring gesprochen werden.

Die meisten klinischen Verschlechterungen mit ggf. fatalem Krankheitsverlauf treten nicht abrupt und völlig unerwartet auf. Es können kleine klinische Hinweise beobachtet werden, die der signifikanten Zustandsverschlechterung des Patienten vorausgehen [2]. Im operativen Bereich sowie auf der Intensivstation oder im Aufwachraum haben Anästhesiologen daher ein engmaschiges Monitoring zur Überwachung der Vitalfunktionen (Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz, periphere Sauerstoffsättigung, Körpertemperatur etc.) etabliert. Auch die personelle Besetzung in diesen Bereichen ist auf das intensive Monitoring der Patienten abgestimmt.

Dieses intensive intraoperative Monitoring steht im Kontrast zur postoperativen Überwachung auf der Normalstation, auf der überwiegend alle 4 h – häufig nur einmal pro Arbeitsschicht, d. h. alle 8 h – die Vitalparameter eines Patienten erhoben werden. Natürlich sollte eine Anpassung der Messintervalle je nach Patientenzustand erfolgen [19]. Auf Stationen mit kritisch kranken Patienten wird dieses Zeitintervall kürzer sein. Aber selbst, wenn bei kritisch erkrankten Patienten der Beobachtungszeitraum auf 2 h verkürzt wird und die Erhebung der Vitalfunktionen ca. 10 min in Anspruch nimmt, ist der Patient nur für 120 min pro 24 h überwacht und bleibt dementsprechend postoperativ auf der Normalstation 22 von 24 h unbeobachtet.

Postoperative Komplikationen treten meist erst am 2. bis 4. postoperativen Tag auf [11]. Die Intensität des postoperativen Monitorings passt daher nicht zum zeitlichen Auftreten möglicher Komplikationen (Abb. 2). Diese klinische Lücke könnte zukünftig durch geeignete „remote monitoring systems“ geschlossen werden [27].

Abb. 2
figure 2

Missverhältnis zwischen Intensität der Erfassung vitaler Parameter und Zeitpunkt des Auftretens von Komplikationen. PACU „postanaesthesia care unit“

Vitalparametermessung

Notwendigkeit und Realität

Die manuelle Messung der Vitalparameter ist zeitaufwendig und trägt erheblich zur Arbeitsbelastung des Pflegepersonals bei [7]. Es gibt nur wenige evidenzbasierte Daten darüber, welche Vitalparameter wie oft erhoben werden sollten. Empfehlungen in Richtlinien basieren meist auf Tradition, Konsensus und täglicher Praxis [33].

Abweichungen physiologischer Vitalfunktionen von der Norm gehen mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte Komplikationen einher [2]. Die regelmäßige und komplette (standardisierte) Erfassung der Vitalwerte ermöglicht es, diese physiologischen Abweichungen rechtzeitig zu erkennen [8] und somit frühzeitig die adäquate Therapie zu initiieren [25]. Die Erhebung von Vitalparametern erfolgt jedoch selbst bei Risikopatienten nur unregelmäßig [7, 18, 35]. So wurden bei 55 % der Patienten mit intrahospitalem Herz-Kreislauf-Stillstand in den 4 h vor dem Arrest keinerlei Vitalparameter dokumentiert [2]. Auch die Erhebung von „early warning scores“ (EWS) erfolgt nur intermittierend und hängt wesentlich vom Engagement des Personals ab: Es waren 30–66 % der erhobenen Scores unvollständig [14]. Zudem weichen dokumentierte Herz- und Atemfrequenzmessungen häufig von den tatsächlichen Vitalparametern ab [3, 17, 24].

Aufwacheffekt

Die gebräuchliche Messung der Vitalparameter durch das Pflegepersonal führt ggf. zu einem Aufwacheffekt beim Patienten: Allein schon durch das Betreten des Zimmers und die Erhebung der Vitalparameter wird der Patient geweckt. Die Atemfrequenz steigt, mit möglichen Änderungen der Sauerstoffsättigung. Auch Herzfrequenz und Blutdruck werden oft erhöht sein, im Vergleich zu einer unbeobachteten Periode. Hierdurch ergeben sich andere Messwerte, als sie noch einige Minuten vor dem Betreten des Zimmers vorgelegen haben. Dies konnten Taenzer et al. anhand einer kontinuierlichen elektronischen Registrierung der peripheren Sauerstoffsättigung (SpO2) vor der manuellen Erfassung der Vitalparameter zeigen [36]: Die SpO2-Werte in den 15 min vor der manuellen Messung waren durchweg um einige Prozentpunkte niedriger als die dokumentierten Daten der manuellen Messung. Auffällig waren neben interindividuellen Unterschieden v. a. intraindividuelle Schwankungen. So hatten einige Patienten in den 15 min vor der elektronischen Registrierung SpO2-Werte zwischen 75 und 96 %. Ein kontinuierliches Monitoring der Vitalparameter kann zu einer besseren, genaueren Erhebung der Vitalparameter beitragen, unabhängig von Aufwacheffekten.

Kontinuierliches Monitoring auf der Normalstation

Taenzer et al. etablierten zur postoperativen Überwachung die kontinuierliche Pulsoxymetrie auf der Normalstation (Messung von SpO2 und Herzfrequenz; Patient Surveillance System [PSS], Patient SafetyNet; Fa. Masimo, Irvine, CA, USA; [37]). Abweichungen von zuvor festgelegten Grenzen wurden auf ein Notifikationsgerät (Pager) des Pflegepersonals gesendet. Im Vergleich zum Beobachtungszeitraum ohne kontinuierliche SpO2-Messung war die Implementierung des kontinuierlichen Monitorings mit einer Reduktion erforderlicher Notfallmaßnahmen durch ein MET und auch einer Reduktion von notwendigen Verlegungen auf die Intensivstation assoziiert. Allerdings war das benutzte Monitoring-System nicht kabellos, wodurch die Bewegungsfreiheit und daraus folgend auch die Akzeptanz der Patienten erheblich eingeschränkt sein kann. In einer Untersuchung von Watkinson et al. unter Verwendung von kabelgebundenen Monitoring-Systemen blieben nur 16 % der Patienten tatsächlich an das kontinuierliche Monitoring angeschlossen; im Rahmen der Mobilisierung wurde das Monitoring in 37 % der Fälle durch das Pflegepersonal bzw. in 30 % durch den Patienten selbst frühzeitig beendet [39].

„Remote wireless monitoring systems“

Anforderungen an das optimale System

Ein intelligentes, kabelloses, kontinuierlich messendes Monitoring-System sollte nicht nur die Messung verschiedener Vitalparameter, sondern auch die Analyse von Laborbefunden, Einschätzungen der Patienten und des Personals sowie eine klinische Entscheidungsunterstützung ermöglichen. Ein solcher Sensor existiert derzeit jedoch (noch) nicht.

Der zentrale Aspekt liegt auf einem kabellosen, gut tragbaren System. Es sind derzeit bereits zahlreiche Systeme verfügbar, die mithilfe eines (Klebe‑)Sensors („patch“) Herz- und Atemfrequenz, Elektrokardiogramm, Temperatur und Bewegung des Patienten messen können [28]. Messung von arterieller Sauerstoffsättigung, Blutdruck und Bewusstsein sind jedoch bislang nur sehr eingeschränkt bzw. noch nicht möglich. Im Folgenden sollen exemplarisch einige Systeme, die eine gleichzeitige Erfassung mehrerer Vitalparameter ermöglichen, beispielhaft näher beschrieben werden. Weitere Systeme, die die gleichzeitige Messung von Vitalparametern erlauben, zu denen es aber bislang keine ausreichend qualifizierten klinischen Studien gibt, werden sicher in Zukunft das Spektrum geeigneter Systeme noch vergrößern.

Zurzeit verfügbare Systeme

EverOnTM (Fa. EarlySense, Ramat Gan, Israel) ist ein piezoelektrischer Sensor, der Druck in elektrische Signale umwandelt. Unter die Matratze des Patientenbettes platziert, detektiert dieser Sensor kleine, durch einen Herzschlag oder einen Atemzug generierte Vibrationen. Dies ermöglicht die Messung von Herz- und Atmungsfrequenz sowie Aussagen über Bewegungen des Patienten. Für Patienten im Schlaflabor bzw. auf der Intensivstation wurden im Vergleich zum jeweiligen Standard-Monitoring Genauigkeitsgrade bei den Messungen der Herzfrequenz von 94,4 % (Schlaflabor) bzw. 94 % (Intensivstation) sowie der Atemfrequenz von 93,1 % (Schlaflabor) bzw. 75–82 % (Intensivstation) beobachtet [4]. Dieses System erfüllt allerdings ausschließlich seinen Zweck, wenn der Patient tatsächlich im Bett verweilt, ist also für die Überwachung auf der postoperativen Normalstation wahrscheinlich weniger gut geeignet. Dies gilt insbesondere in Zeiten der „early recovery after surgery“ (ERAS), in denen Mobilisierung und aktive Bewegung des Patienten zentrale Aspekte sind.

Der HealthPatch MD (Fa. VitalConnect, San Jose, CA, USA) ist ein Klebesensor, der Herzfrequenz, Elektrokardiogramm, Atemfrequenz und Hauttemperatur misst. In einer Validierungsstudie wurden 4 Tage lang die mithilfe der kabellosen Messung erhobenen Parameter mit denen einer Standardmessmethode verglichen (Xprezzon, Fa. Spacelabs Healthcare, USA; [5]). Das kabellose System funktionierte sehr zuverlässig: Sowohl für die Herz- als auch für die Atemfrequenz erfasste der Patch an 94 % der Messzeiten ein zuverlässiges Signal. Die kabellos gemessenen Herzfrequenzen zeigten eine gute Übereinstimmung mit den Daten der Standardmethode, hingegen wurde bei der Atemfrequenz eine größere Abweichung beobachtet. Die genauere Analyse der Daten legt jedoch nahe, dass diese Diskrepanz möglicherweise auf einer Ungenauigkeit der Standardmessmethode beruht: Die mithilfe des kabellosen Patch erhobenen Atemfrequenzen wiesen eine signifikant geringere Variabilität auf als die Messungen mit der Standardmethode [5].

Das IntelliVue Guardian Solution System (IGS-System; Fa. Philips Healthcare, Deutschland) kann automatisiert den MEWS bestimmen [34]. Hierdurch können Patienten, deren Zustand sich verschlechtert, auf der Normalstation frühzeitiger identifiziert werden [19]. Das ursprüngliche IGS-System ist nicht komplett kabellos. Allerdings kann ein Biosensor (ein Nachfolger des VitalConnect Patch) mit diesem System verbunden werden, wodurch die kabellose Überwachung von Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität, Einkanalelektrokardiogram, Atemfrequenz, Körpertemperatur (Hauttemperatur) und Körperbewegung/-position möglich wird [23].

SensiumVitals® (Fa. Sensium Healthcare, Abingdon, UK) ist ein an 2 Standardelektrokardiogrammelektroden befestigter Patch, der Herz- und Atemfrequenz sowie mithilfe eines Sensors in der Axilla die Körpertemperatur des Patienten misst. Granholm et al. [17] verglichen 3 Methoden der Atemfrequenzmessung: I. eine Standardmethode – ein Beobachter misst im 5‑min-Zeitraum beim ruhig atmenden Patienten zu einem willkürlichen Moment für 60 s die Atemfrequenz, II. Routineerhebung durch das Pflegepersonal und III. Verwendung des kabellosen SensiumVitals® Patch. Für die Atemfrequenz wurde nur in 50 % der Zeitpunkte ein zuverlässiges Signal registriert, was an der hochsensitiven Messmethode der Impedanzpneumographie liegen könnte, die sehr empfindlich auf Bewegungen ist. Zu den Zeitpunkten, an denen ein valides Signal zur Atemfrequenz gemessen wurde, war die Übereinstimmung der gemessenen Atemfrequenz mit den durch Standardmessung erhobenen Werten, von Ausreißern abgesehen, akzeptabel [17]. Allerdings wichen die mithilfe des Patch erhobenen Werte der Atemfrequenz erheblich von den Routinemesswerten des Pflegepersonals ab. Hierauf wird im nächsten Absatz näher eingegangen. In einer anderen Arbeit wurden sowohl die Atem- als auch die Herzfrequenz, gemessen mithilfe des SensiumVitals®-Sensors, mit Standardmonitormesswerten verglichen [20]. Die mittlere Abweichung zwischen den Messmethoden betrug 1 Herzschlag/min und weniger als 1 Atemzug/min.

Qualität des Monitorings durch das (Pflege‑)Personal

Wie oben ausgeführt, müssen zukünftige Untersuchungen die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der verschiedenen, zur Verfügung stehenden kabellosen Messsysteme noch belegen. Allerdings ist auch die routinemäßig durchgeführte Messung der Vitalparameter durch das (Pflege‑)Personal nicht immer zuverlässig. Bei der Registrierung der Atemfrequenz durch das (Pflege‑)Personal wurde ein Vorzug für die Werte 18, 20, 22 und 24 gefunden, wobei 50 % der Patienten eine Atemfrequenz von 20/min aufwiesen [3]. Auch in der zuvor zitierten Arbeit von Granholm et al. [17] wurde bei Routinemessungen eine Präferenz zu den Atemfrequenzwerten 16, 18 und 20/min beobachtet. Die Übereinstimmung dieser Messungen mit denen zuvor beschriebener Standardmessverfahren (ein Beobachter misst in einem 5‑min-Zeitraum beim ruhig atmenden Patienten zu einem willkürlichen Moment für 60 s die Atemfrequenz) war dementsprechend schlecht. Somit ist es auch nicht überraschend, dass die Routinemessungen eine sehr schlechte Übereinstimmung mit den durch den kontinuierlich messenden Patch erhaltenen Daten aufweisen.

Eine Ursachenanalyse ungeplanter Intensivstationsaufnahmen zeigt, dass die verzögerte Erkennung einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Patienten sehr häufig auf fehlerhaftes Monitoring zurückzuführen ist [38]. Dies belegt, dass eine qualitativ gute, regelmäßige und komplette Messung der Vitalparameter entscheidend für die Optimierung der Patientensicherheit sein kann.

Weitere Eigenschaften kabelloser Monitoring-Systeme

Benachrichtigungs- und Alarmfunktionen

Wie in Abb. 1 ersichtlich, beinhaltet die afferente Phase im 2. Teil ein adäquates System, um Benachrichtigungen und Alarme zu generieren und an geeignete Geräte zu senden (Computer, Patientendatensysteme, Pager, mobile Telefone etc.). Hier besteht die Gefahr, dass es durch den dichten Datenstrom von multiplen Sensoren bei einer großen Zahl von Patienten (oft mehr als 30 Patienten auf einer Normalstation) zu einer unakzeptabel hohen Zahl von Benachrichtigungen/Alarmen mit der Gefahr der Alarmmüdigkeit kommt [10]. Daher müssen geeignete Algorithmen entwickelt werden, um notwendige Benachrichtigungen auf ein sinnvolles Maß zu begrenzen. In der Untersuchung von Taenzer et al. [37] wurde das PSS derart konfiguriert (geeignete Grenzwerte, Verzögerung der Alarmgenerierung), dass die Belastung durch falsche Alarme für Patienten und Pflegepersonal minimal war. Monitoring-Systeme, die mithilfe eines automatisch kalkulierten EWS arbeiten [34], können auf der Basis einer programmierten Alarmhierarchie selektiv bestimmte Zielgruppen benachrichtigen (Pflegepersonal, Stationsarzt, RRT/MET; [19]).

Daten der Vitalparameter, die durch tragbare Sensoren bei sich bewegenden Patienten erhoben werden, weisen im Vergleich zu Daten nichtmobiler Patienten eine größere Variabilität auf. Hierdurch können beträchtliche Mengen von „invaliden“ Daten registriert werden. Dies sollte bei der technischen Entwicklung geeigneter Sensoren und bei der Einrichtung von Notifikationssystemen berücksichtigt werden [29]. Durch geeignete Algorithmen können invalide Messungen herausgefiltert und die Zahl falscher Notifikationen kann reduziert werden (Abb. 3; [20]). So ist es möglich, bei der Implementierung von kabellosem Monitoring zunächst gar keine Alarme/Benachrichtigungen an das Pflegepersonal weiterzuleiten. Erst, wenn das System ausreichend gut funktioniert und alle Pflegekräfte ein intensives Training absolviert haben, werden die Alarmgrenzen aktiviert. Hierbei erlauben einige Systeme, Alarmgrenzen individuell für den Patienten zu konfigurieren. Hierdurch kann eine inadäquat häufige Benachrichtigung/Alarmierung vermieden werden.

Abb. 3
figure 3

Durch Algorithmen geeigneter Software (hier am Beispiel SensiumVitals®; Fa. Sensium Healthcare, Abingdon, UK) können invalide Messungen von Vitalparametern gefiltert und die Häufigkeit von Notifikationen kann optimiert werden

Alarmgrenzen, wie sie aus dem OP oder von der Intensivstation bekannt sind, eignen sich für die Normalstation nicht. Beachte: Bei Patienten auf der Normalstation und einer unteren SpO2-Alarmgrenze von 93 % würden 12 % der Messungen im Alarmbereich liegen [37]. Diese Sättigungsabfälle sind jedoch häufig sehr kurz und selbstlimitierend. Die Alarmrate in klinischen Studien mit kontinuierlichem Monitoring auf der Normalstation variiert zwischen 0,03 und 4 Alarmen/Patient und Tag [6, 21, 37, 39]. Auf einer Station mit 30 Patienten würden dementsprechend bis zu 120 und mehr Alarme/Tag generiert werden, eine unakzeptabel hohe Zahl. Bei der Implementierung neuer Monitoring-Systeme ist es daher wesentlich, die richtige Balance zwischen Alarmmüdigkeit und übersehenen Abweichungen („missed events“) zu finden. Hierbei spielen Veränderungen in den Trends vitaler Parameter wahrscheinlich eine viel größere Rolle als spezifische Grenzwerte, die kurzfristig über-/unterschritten werden. Die Weiterentwicklungen der Wireless monitoring systems kann zwar helfen, den kritisch kranken Patienten zu erkennen, erfordert aber gleichzeitig Organisationsstrukturen, die es ermöglichen, adäquat auf entsprechende Alarme zu reagieren. Hierzu sind ausreichend Pflegepersonal und Ärzte mit entsprechender guter Ausbildung erforderlich [1, 26].

Ein technisches Problem stellt die Akkulaufzeit der kabellosen Monitoring-Systeme dar. Einige Sensoren können bis zu 120 h registrieren (SensiumVitals, Biosensor/VitalConnect), allerdings abhängig von den Messintervallen und der Zahl gemessener Variablen. So wird die Dauer von 120 h beim Biosensor nur erreicht, wenn das Elektrokardiogrammsignal nicht kontinuierlich registriert wird. Andere Systeme arbeiten mit aufladbaren Batterien; dies erfordert jedoch eine Überwachung des Energiestatus sowie zusätzliche Handlungen des Pflegepersonals, wodurch die Akzeptanz in der klinischen Routine eingeschränkt werden kann.

Akzeptanz bei Patienten und Personal

Wie zuvor erwähnt, hängt die Akzeptanz für eine kontinuierliche Überwachung auf der Normalstation wesentlich von der Bewegungsfreiheit des Patienten ab. Ist diese eingeschränkt, wird die Überwachung frühzeitig beendet werden [39]. Die neueren Systeme bieten einen großen Bewegungsradius für die Patienten. Einige Systeme können selbst unter der Dusche weitergetragen werden; andere können für die Körperpflege kurz abgenommen und anschließend erneut mithilfe der Elektrokardiogrammelektroden verbunden werden. Bei Anwendung von kontinuierlichem Monitoring ist daher eine extrem hohe Patientenakzeptanz nachweisbar: Nur 1,8 % der Patienten lehnten das kontinuierliche Tragen eines Pulsoxymetriesensors ab [37]. Downey et al. haben 12 Patienten, die mithilfe des SensiumVitals®-Sensors überwacht wurden, nach ihren persönlichen Erfahrungen gefragt [13]. Neben dem hohen Tragekomfort gaben die Patienten an, dass es für sie beruhigend war zu wissen, dass sie gut überwacht werden. Einige Patienten begrüßten es sehr, dass sie nachts nicht mehr für die Messung der Vitalparameter geweckt wurden. Jedoch sahen die meisten Patienten die kontinuierliche Überwachung als eine Ergänzung zu und nicht als einen Ersatz von pflegerischen Kontakten.

Auch das Pflegepersonal sieht ein Potenzial, mithilfe des kontinuierlichen Monitorings die Patientensicherheit zu erhöhen [13]. Um die klinische Routine der Patientenüberwachung signifikant zu erleichtern, ist es erforderlich, dass die von den kabellosen Systemen erhobenen Messwerte sowie die kalkulierten MEWS automatisiert in die elektronische Krankenakte übernommen werden. Entsprechende Schnittstellen zwischen den Monitoring-Systemen und elektronischen Patientenakten sind daher zwingend notwendig.

Eine größere Verfügbarkeit der Vitalparametermesswerte kann nach Meinung der Pflegenden die klinische Entscheidungsfindung unterstützen [13]. Bedenken bestehen jedoch bezüglich eines zu großen blinden Vertrauens in die erhobenen Messwerte und, damit verbunden, einem reduzierten persönlichen Patientenkontakt. Ganz wesentlich für die Akzeptanz durch das Pflegepersonal ist es, dieses von Beginn an aktiv in der Implementierung der neuen Systeme einzubeziehen [22, 30].

Risiken und Chancen

Die derzeit zur Verfügung stehenden Systeme verfügen nicht über Algorithmen, die anzeigen, ob das System tatsächlich funktioniert. Hier sind die Anbieter gefragt, die Systeme weiterzuoptimieren.

Für Management, Ärzte, Pflegepersonal und auch Patienten muss ganz deutlich sein, dass es nicht um die Etablierung eines intensivmedizinischen Monitorings auf einer Normalstation geht. Dies erfordert ein entsprechendes Umdenken bezüglich der Generierung des Alarms/der Benachrichtigung. Auch der (rechtliche) Umgang mit möglicherweise nichterkannten/nichtberücksichtigten Alarmen sollte diskutiert werden: Während dies bei ständiger pflegerischer und ärztlicher Präsenz auf der Intensivstation gut geregelt werden kann, machen die neuen Systeme einen spezifischen Umgang mit diesem Thema auf der Normalstation erforderlich. Hinzu kommen Aspekte des Datenschutzes und der Möglichkeit der Lokalisation der Patienten im Krankenhaus; hier ist der sensible Umgang mit den erhobenen Daten innerhalb des Datennetzes im Krankenhaus erforderlich.

Die Implementierung eines kontinuierlichen Monitoring-Systems sollte und darf nicht Anlass sein, die Zahl der Pflegekräfte auf einer Normalstation (weiter) zu reduzieren. Sowohl die Zahl als auch die Ausbildung der Pflegenden hat einen wesentlichen Einfluss auf die Sterblichkeit im Krankenhaus [1].

Natürlich ist die Implementierung eines neuen Monitoring-Systems mit erheblichen Investitions- und laufenden Materialkosten verbunden. Eine belastbare Kosten-Nutzen-Einschätzung, mit ggf. zuverlässiger Berechnung, wie viel Investition erforderlich ist, um ein Leben zu retten, ist mit den derzeit vorliegenden Daten nicht möglich.

Neben der beschriebenen Alarmmüdigkeit kann die Aufmerksamkeit des Pflegepersonals durch zu häufige Alarme auf einen bestimmten Patienten fokussiert werden, wodurch wiederum andere Patienten der Station eine geringere Überwachung erfahren würden. Auch besteht die Gefahr, dass sowohl Ärzte als auch Pflegepersonal diejenigen Patienten, bei denen sich alle Messwerte im Normalbereich befinden, weniger häufig persönlich sprechen/überwachen. Bei gut funktionierenden und zuverlässigen Systemen kann hierin jedoch auch die Chance liegen, dass sich das Personal auf die wirklich kranken Patienten fokussieren kann und trotzdem die weniger kranken Patienten gut überwacht werden.

Wie zuvor erwähnt, generieren die kontinuierlichen Messsysteme einen dichten Datenstrom. Dieser stellt bei nichtoptimaler Nutzung nicht nur ein Risiko für eine Alarmmüdigkeit dar, sondern auch die Gefahr, Abweichungen der Vitalparameter überzubewerten: Bislang ist nicht bekannt, ob z. B. kurzfristige Abfälle der Sauerstoffsättigung oder der Atemfrequenz im postoperativen Verlauf zwingend einer Behandlung bedürfen. Untersuchungen zum klinischen Outcome nach ggf. sehr kurz dauernden Abweichungen der einzelnen Vitalparameter in der postoperativen Phase liegen bislang nicht vor. Erste Untersuchungen zur automatisierten Erfassung von EWS/MEWS zeigen, dass mithilfe der Monitoring-Systeme eine frühzeitigere Detektion von Verschlechterungen der Vitalfunktionen möglich ist [19, 34].

In vielen Studien wurde darauf hingewiesen, dass das Bauchgefühl des erfahrenen (Pflege‑)Personals bei der Detektion von Problempatienten entscheidend ist. Allerdings ist auch dieses Bauchgefühl abhängig von der jeweiligen Erfahrung der Pflegenden und der Ärzte, und eine falsche Selbsteinschätzung kann zur suboptimalen Einschätzung der Patienten führen [26]. Hier kann ein automatisiertes Track- und Trigger-System zu einer objektiveren Einschätzung des Patientenzustandes beitragen. Der Aspekt des Bauchgefühls wird sich nur schwer in einem kabellosen Sensor widerspiegeln lassen. Dennoch bietet der neue Datenstrom, der aus den kontinuierlichen Monitoring-Systemen produziert wird, eine Chance für die Entwicklung geeigneter Vorhersagemodelle [32]: Mithilfe des „machine learning“ und der „artificial intelligence“ können diese Systeme evtl. dazu beitragen, Risikopatienten schon frühzeitig zu detektieren, noch bevor es tatsächlich zur Verschlechterung der Vitalparameter gekommen ist [9].

Fazit für die Praxis

  • Systeme zur kontinuierlichen kabellosen Überwachung von Patienten auf Normalstationen stehen schon heute zur Verfügung.

  • Neben der sorgfältigen Implementierung der neuen Systeme in den klinischen Alltag spielt die optimale Generierung von Alarmen und Benachrichtigungen eine zentrale Rolle.

  • Es muss jedem bewusst sein, dass es sich bei der Etablierung von kontinuierlichem Monitoring auf der Normalstation um eine sehr komplexe Intervention handelt, die die vollständige Neustrukturierung von Routinearbeiten erfordert.

  • Auch das beste Monitoring-System ist wirkungslos, wenn nicht in der optimalen efferenten Phase der Alarmierungskette für eine zügige und qualitativ hochwertige Behandlung des Patienten gesorgt wird.

  • Neben Vorteilen der frühzeitigen Erkennung von Abweichungen der Vitalparameter kann die Etablierung von kontinuierlichem Monitoring auf der Normalstation auch negative Auswirkungen (z. B. Alarmmüdigkeit, Überbehandlung, Fokussierung auf Patienten mit konsekutiver Unterbewachung anderer Patienten) haben.

  • Das optimale kabellose Monitoring-System mit dem optimalen Sensor existiert bislang noch nicht.

  • Ob die derzeitigen oder die neuen Monitoring-Systeme tatsächlich zu einer Verbesserung des Patienten-Outcome führen, muss in großen klinischen Studien noch belegt werden.