In den letzten Jahren wurde der Begriff „akutes Nierenversagen“ durch den Ausdruck „akute Nierenschädigung“ („acute kidney injury“, AKI) ersetzt, um dem breiten Spektrum der Erkrankung gerecht zu werden [1]. Der Begriff „akute Nierenschädigung“ umfasst sowohl einen Funktionsverlust der Niere im Sinne einer reduzierten glomerulären Filtrationsrate als auch eine Schädigung der Niere bei noch nicht eingetretener reduzierter Funktion. Nicht nur Funktionseinschränkungen, sondern auch eine Nierenschädigung ohne Funktionseinschränkung führen zu einer signifikanten Erhöhung der Letalität [2]. Somit ist eine frühzeitige Diagnosestellung zwingend notwendig.

In der Gesamtbevölkerung erkranken 5000 Erwachsene/Jahr auf 1.000.000 Einwohner an einer akuten Nierenschädigung. In ca. 8 % der operativen Patienten führt diese Erkrankung zu einem komplizierten postoperativen Verlauf. Speziell bei Patienten mit erhöhtem Lebensalter (>65 Jahren) und Begleiterkrankungen liegt die Inzidenz der postoperativen AKI bei über 20 %. Patienten nach großen chirurgischen Eingriffen, insbesondere herzchirurgischen Operationen, haben ein noch höheres Risiko für die Entwicklung einer postoperativen AKI.

Die Letalität bei Patienten mit schwerer AKI liegt bei bis zu 40 %. Patienten, die eine dialysepflichtige AKI überleben, entwickeln mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine chronische Niereninsuffizienz. Patienten, die bereits an einer chronischen Niereninsuffizienz leiden, zeigen eine deutlich erhöhte Inzidenz für die Entwicklung einer AKI. In diesem Patientenkollektiv verschlechtert sich die renale Funktion im Verlauf viel drastischer und die Entwicklung einer dialysepflichtigen AKI ist um ein Mehrfaches erhöht.

Verschiedene Ursachen können der akuten Nierenschädigung zugrunde liegen. Die Sepsis ist mit 50 % die häufigste Ursache, gefolgt von großen chirurgischen Eingriffen. Hier sind vor allem die herzchirurgischen Eingriffe zu nennen. Zudem gibt es diverse Risikofaktoren, die die Entstehung einer AKI begünstigen. Hierzu zählen unter anderem eine chronische Niereninsuffizienz, ein erhöhtes Lebensalter, Diabetes mellitus und eine vorbestehende Herzinsuffizienz. Kontrastmittel sowie einige Medikamente sind nephrotoxisch und können entweder alleine oder zusammen mit einer anderen Erkrankung eine akute Nierenschädigung begünstigen. Dementsprechend sollte die Indikation zur Gabe weiterer nephrotoxischer Medikamente, die möglicherweise in der perioperativen Phase appliziert werden (z. B. Kontrastmittel), kritisch gestellt werden.

In den letzten Jahren hat man durch die Implementierung einer einheitlichen Therapie und die Publikation der KDIGO(Kidney Disease: Improving Global Outcomes)-Leitlinien Fortschritte in der einheitlichen Diagnose und Therapie von Patienten mit akuter Nierenschädigung erreicht. Aber auch die derzeit benutzte Definition der AKI weist gewisse Limitationen auf, denn diese basiert auf Veränderungen des Serumkreatinins und/oder des Urinvolumens. Diese beiden Funktionsparameter zeigen jedoch Limitationen, die man bei der Beurteilung der Nierenfunktion beachten muss. Serumkreatininanstiege werden erst ersichtlich, wenn die glomeruläre Filtrationsrate um mehr als 50 % reduziert ist. Des Weiteren ist der Serumkreatininwert bei Intensivpatienten sehr schwer zu beurteilen. Daher besitzt dieses Kriterium eine geringe Sensitivität. Eine Oligurie kann nicht nur intrarenale Ursachen haben, sondern auch prä- oder postrenal bedingt sein und besitzt damit eine geringe Spezifität. Sowohl die Oligurie als auch der Anstieg des Serumkreatininwertes reflektieren funktionelle Veränderungen, wohingegen eine strukturelle Schädigung bereits zu einem früheren Zeitpunkt stattfindet.

In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl medikamentöser Ansätze untersucht, um die Entstehung einer AKI zu verhindern.

Das ideale Medikament, das den renalen Blutfluss und die glomeruläre Filtrationsrate erhöht, ohne ein Missverhältnis zwischen systemischem Blutdruck und erhöhtem renalen Sauerstoffverbrauch zu verursachen, wurde bis dato noch nicht entdeckt.

Bei fehlender spezifischer Therapie der akuten Nierenschädigung sind eine frühzeitige Detektierung und Implementierung präventiver Maßnahmen von besonderer Bedeutung.

Prof. John befasst sich in der vorliegenden Ausgabe von Der Anästhesist in einem sehr lesenswerten Artikel mit der aktuellen Datenlage von nierenprotektiven Strategien [Literaturstelle wird vom Verlag eingefügt]. Dieser Artikel erörtert zusätzlich zu allgemeinen Behandlungsmaßnahmen auch die Wichtigkeit der zügigen hämodynamischen Stabilisierung und des adäquaten Volumenersatzes zur Vermeidung einer akuten Nierenschädigung [4].

Der Artikel kann dem Leser nur empfohlen werden, nicht nur um die allgemeinen Behandlungsstrategien bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine akute Nierenschädigung kennenzulernen, sondern auch um zu lernen, welche Maßnahmen schädlich für die Niere sind und in der perioperativen Phase vermieden werden müssen.

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A. Zarbock