Die Verwendung der Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) zur Messung der Gewebesättigung wurde bereits in den 1970er Jahren beschrieben. Erst 1985 konnte diese Technologie dann zur Messung der Sauerstoffsättigung im Hirngewebe eingesetzt werden und wurde in der Folge kommerziell verfügbar [1]. Im weiteren Verlauf wurde eine Vielzahl an NIRS-Geräten entwickelt, die sich in technischen Details unterscheiden. So werden zwischen 2 und 4 unterschiedliche Wellenlängenbereiche eingesetzt, um die zerebrale Sauerstoffsättigung (SO2) zu überwachen, ohne dass eine Überlegenheit einzelner Messverfahren nachweisbar wäre. Mithilfe der NIRS kann durch die unterschiedliche Absorption von Licht im nahinfraroten Wellenlängenbereich die zerebrale SO2 im überwiegend venösen Blut abgeschätzt werden. Obwohl zur Differenzierung von oberflächlichem Gewebe (z. B. Haut/Kalotte) und Hirngewebe 2 Detektoren (Optoden) verwendet werden (Subtraktionsverfahren), stellt die Beeinflussung des Messwerts durch nichtzerebrales Gewebe immer noch eine Limitation dar.

Studienlage und Indikationen

Es existieren viele klinische Studien, um die Indikation der NIRS zu charakterisieren. Initial war es naheliegend, zunächst die Reproduzierbarkeit der NIRS bei Patienten mit zerebralen Läsionen zu testen. Allerdings schwächten Hirnödeme, Blutergüsse und auch die oben genannte Kontamination mit extrakraniellem Blut die Detektionsgenauigkeit der NIRS stark ein, sodass bei isolierten zerebralen Läsionen keine zuverlässige Überwachung der zerebralen Oxygenierung garantiert werden konnte [2]. Darüber hinaus wird nur die regionale Sauerstoffsättigung (Frontalhirn) erfasst, sodass isolierte lokale Veränderungen in optodenfernen Hirnarealen übersehen werden. Verglichen mit der jugularvenösen Sättigung und der intraparenchymalen „Tissue-oxygen-partial-pressure“(ptiO2)-Messung besitzt die NIRS immer noch die geringste Genauigkeit zur Detektion von isolierten zerebralen Hypoxien [3]. Insofern bleibt die Sinnhaftigkeit des Einsatzes der NIRS bei isolierten intrakraniellen Läsionen weiterhin offen. Bei systemischen Veränderungen v. a. in der Kardiochirurgie scheint die NIRS hingegen ihren Platz gefunden zu haben, da sie bei diesem Patientengut eine perioperative Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff sehr gut überwachen kann und sogar mit der Gesamtmorbidität und -mortalität kardiochirurgischer Patienten gut korreliert [4].

Was kann empfohlen werden?

In der Übersichtsarbeit von Schön et al. wird der Einsatz der zerebralen Oxymetrie bei kardiochirurgischen Patienten umfassend diskutiert. Nach Darstellung der grundlegenden Technik der NIRS werden die Normwerte für die zerebrale SO2 für kardiochirurgische Patienten zwischen 60 und 70% definiert. Ein kritischer unterer Grenzwert liegt bei 50% oder kann alternativ durch einen Abfall der zerebralen SO2 um 20% unter den Ausgangwert vor Narkoseeinleitung definiert werden. Bei Unterschreitung des Grenzwerts erhöht sich das perioperative Risiko für die Patienten. Liegt bereits vor Narkoseeinleitung die zerebrale SO2 unter 50%, ist dies ein starker negativer Prädiktor für eine hohe Dreißigtagemorbidität und Letalität [4]. Wird während eines herzchirurgischen Eingriffs die zerebrale SO2 unter Verwendung von Algorithmen konsequent über dem unteren Grenzwert gehalten, geht dies mit einer Reduktion der Inzidenz neurologischer Komplikationen einher [5].

Bei der Bewertung der mithilfe der NIRS erhobenen zerebralen SO2 sind die verschiedenen Einflussfaktoren auf diesen Messwert zu beachten. Zum einen können diese Einflussfaktoren zur Interpretation der Daten verwendet werden; andererseits muss versucht werden, manche Einflussfaktoren zu kontrollieren, um den Messwert nicht zu verfälschen. Die zerebrale SO2 kann somit über Änderungen des systemischen Sauerstoffangebots (arterieller Sauerstoffgehalt und Herzzeitvolumen) wie auch des regionalen Sauerstoffangebots (zusätzliche Determinante ist hier die zerebrale Perfusion) beeinflusst werden. Bleiben die anderen physiologischen Variablen konstant, kann mithilfe der zerebralen SO2 z. B. der optimale zerebrale Perfusionsdruck auch bei Patienten bestimmt werden, deren zerebrovaskuläre Autoregulationsgrenzen aufgrund z. B. einer Bluthochdruckerkrankung nicht mehr im Normbereich liegen [6]. Bei hämodiluierten Patienten kann die zerebrale SO2 in die Entscheidung zur Transfusion von Erythrozytenkonzentraten einbezogen werden [7]. Darüber hinaus existiert offenbar eine gute Korrelation zwischen zerebraler SO2 und Herzzeitvolumen, einem der Hauptdeterminanten des systemischen Sauerstoffangebots [8]. Die Interpretation der zerebralen SO2-Veränderungen bleibt letztendlich dem Anwender im Kontext der individuellen klinischen Situation überlassen; er muss entscheiden, ob ein Abfall der zerebralen SO2 aufgrund einer systemischen oder zerebralen Minderdurchblutung, einer generalisierten Hypoxie, eines gesteigerten Stoffwechsels oder eines anderen Faktors auftritt. Bei der differenzierten Betrachtung und Analyse hilft der von den Autoren vorgestellte Algorithmus, der die wichtigsten Einflussfaktoren abfragt und Optimierungsvorschläge macht.

Die nichtinvasive NIRS-Technologie zur Überwachung der zerebralen SO2 beim Menschen hat in der Kardioanästhesie ihren Platz gefunden und ist hier vollständig etabliert. Aufgrund ihrer hohen Variabilität, z. B. durch die Beimischung extrakraniellen Bluts, sowie der hohen Variabilität der Zusammensetzung von venösen und arteriellen Anteilen sollte die NIRS als Trendparameter eingesetzt werden, um einzelne Messwerte nicht überzubewerten. Es sollte ebenfalls immer ein initialer Ausgangswert im wachen, nichtintubierten Patienten erhoben werden. Wird dies beachtet, kann die NIRS-Technologie im Kontext mit anderen physiologischen Parametern wertvolle Zusatzinformationen über die adäquate Sauerstoffversorgung des Gehirns geben.

K. Engelhard