Nach der ärztlichen Ausbildung und der Approbation werden im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung in mehrjähriger Berufstätigkeit unter der Verantwortung eines zur Weiterbildung befugten Arztes allgemeine und fachspezifische Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten vermittelt, um auf dieser Grundlage den Facharzt zu erwerben. Für die ärztliche Weiterbildung tragen die Landesärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts Verantwortung, wobei die von der Bundesärztekammer erstellte Musterweiterbildungsordnung für die jeweilige Landesärztekammer einen Empfehlungscharakter hat. Der in Weiterbildung befindliche Arzt ist hinsichtlich Weiterbildungsordnung, Musterrichtlinie, Kurs- und Logbücher rechtsverbindlich an die Vorgaben der jeweiligen Landesärztekammer gebunden. Die ärztliche Weiterbildung orientiert sich heute noch immer eher an Richt- sowie Kennzahlen und weniger an nachgewiesenen Kompetenzen und Fertigkeiten. Aufgrund der bekannten langwierigen Umsetzung bei Veränderungen der Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer und den sich daran orientierenden Landesärztekammern kann den berechtigten Forderungen nach einem kompetenzbasierten Musterweiterbildungscurriculum und mitunter auch den aktuellen medizinischen Entwicklungen nicht in allen Details Rechnung getragen werden. Andererseits ist dies jedoch auch nicht immer erforderlich, da es sich beim Facharzt um einen Mindeststandard handelt, der sich nicht an den allerneuesten Erkenntnissen und technischen Errungenschaften einer Maximalmedizin orientieren kann. Bis vor wenigen Jahren schienen Qualität und Struktur der Weiterbildung den Bedürfnissen sowohl der medizinischen Versorgung unserer Gesellschaft als auch denen der Weiterbildungsbefugten und der Weiterbildungsassistenten gerecht zu werden.

Die Rahmenbedingungen haben sich durch die Ökonomisierung der Medizin einerseits und die Erwartungshaltung der neuen Ärztegeneration andererseits in erheblichem Maß geändert, sodass ein Umdenken sowie eine Neuorientierung in der Strukturierung und der Finanzierung der Weiterbildung erforderlich sind. Das in der Zeitschrift Deutsches Ärzteblatt kommentierte Ergebnis der aktuellen Evaluation der Weiterbildung „Im Ergebnis eine gute Zwei Minus“ darf nicht über die aktuellen Probleme in der Weiterbildung hinwegtäuschen [1]. Vielmehr verdient der Beitrag von Schaaf und Zwißler deshalb besondere Aufmerksamkeit, da die genannten Veränderungen besonders im Fach Anästhesiologie spezifische Berücksichtigung finden müssen.

Veränderte Rahmenbedingungen für eine „gute“ Weiterbildung

„Learning by doing“ und „training on the job“ waren neben der Musterweiterbildungsordnung und dem Engagement von Weiterbildungsbefugten offensichtlich Grundlage genug, eine ausreichende Struktur und Qualität der Weiterbildung zu garantieren. Mit der Einführung des Fallpauschalensystems („diagnosis related groups“, DRG) kam es insbesondere in den Krankenhäusern zu einer sukzessiven Ökonomisierung und Leistungsverdichtung. Die damit einhergehende Notwendigkeit einer Prozessoptimierung in den Krankenhäusern erschwerte die hauptberuflich durchgeführte Weiterbildung generell und insbesondere im Sinne eines Training on the job erheblich. Der Weiterzubildende, der initial als „billige Arbeitskraft“ im Betrieb integriert war, wurde durch den ökonomischen Druck zum Kostenfaktor. An Kliniken mit einem hohen Anteil an Weiterbildungsassistenten wurde offenbar, dass sich Weiterbildung im Rahmen der Ökonomisierung in vielerlei Hinsicht auch nachteilig auswirken kann: Auszubildende benötigen permanente Supervision; Prozesse werden mitunter aufgrund der Ausbildungssituation verlangsamt und tragen zu einem höheren Ressourcenverbrauch bei. Die Erlössituation für die ausbildende Klinik wird damit deutlich minimiert. Dennoch wird im deutschen Gesundheitssystem nach wie vor davon ausgegangen, dass die Facharztausbildung ohne zusätzliche Finanzierung der Weiterbildung im vorhandenen System garantiert werden kann. Beispiele aus anderen Ländern zeigen jedoch ganz deutlich, dass eine zusätzliche Finanzierung der Weiterbildung unabdingbar ist. So werden in den Niederlanden bis zu etwa EUR 150.000/auszubildendem Arzt eingesetzt und in der Schweiz, die kurz vor Einführung des DRG-Systems steht, wurde in Anbetracht der zu erwartenden Ökonomisierung des Gesundheitssystems eine Finanzierung der Weiterbildung mit etwa SFr 30.000/Weiterbildungsjahr geplant [2]. Struktur und Qualität der ärztlichen Weiterbildung in einem stark ökonomisch geprägten Gesundheitssystem bedürfen, wie an diesen Beispielen dokumentiert, der adäquaten Finanzierung.

Darüber hinaus sind wir im ärztlichen Nachwuchs mit der „Generation Y“ konfrontiert. Für die neue ärztliche Generation ist die Attraktivität der Weiterbildungsstätte ein wichtiges Kriterium der Stellenwahl. Die Anspruchshaltung der aktuellen und auch der kommenden Ärztegeneration ist mit der vorhergehender Generationen nicht vergleichbar. Die nach 1980 geborene Generation Y gilt als gut ausgebildet, selbstbewusst und zeichnet sich durch eine hohe Anspruchs- und Erwartungshaltung aus; dementsprechend werden Weiterbildungsangebote kritisch geprüft. Unstrukturiertes Learning by doing ist für diese Generation nicht akzeptabel [3, 4]. Diese generationsspezifischen Faktoren sowie die Ökonomisierung und der vielerorts spürbare Ärztemangel erhöhen den Erwartungshorizont der nachwachsenden Generation zusehends. Als zentrale Faktoren für den relativen Ärztemangel werden u. a. diskutiert: die Einführung und die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes – das im Übrigen noch immer nicht flächendeckend realisiert ist –, die zunehmende Feminisierung der Medizin, die Einführung der Elternzeit für beide Elternteile, die stetig vorhandene Abwanderung von Medizinern ins Ausland und der Wechsel nach Abschluss des Studiums in andere Berufssparten. Aufgrund dieses „relativen“ Ärztemangels müssen sich die Weiterbildungsstätten vermehrt um den ärztlichen Nachwuchs bemühen, indem sie ihm attraktive Angebote unterbreiten. Adäquate curriculare Weiterbildungsangebote und zusätzliche Möglichkeiten, sich fachspezifisch weiter- und fortzubilden, gelten daher heute als zentrale Standortfaktoren für eine attraktive Weiterbildung [5].

Curriculare Weiterbildung erforderlich

Aufgrund der dargestellten Rahmenbedingungen wurden u. a. seitens der Bundesärztekammer Evaluationen der Weiterbildung durchgeführt, deren fachspezifische Ergebnisse im Beitrag von Schaaf und Zwißler in aktualisierter Form übersichtlich dargestellt werden. Neben diesen fachspezifischen Ergebnissen, deren Detailgenauigkeit aus fachpolitischer Sicht verbesserungswürdig schien, wurde parallel eine Erhebung zur Praxis der ärztlichen Weiterbildung seitens der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin durchgeführt [2]. Diese fachspezifischen Umfrageergebnisse in Zusammenschau mit der fachspezifischen Evaluation der Bundesärztekammer zeigen eindrucksvoll den Bedarf einer Verbesserung der Weiterbildung auf.

Basierend auf den vorangehenden Untersuchungen und den oben genannten Rahmenbedingungen erteilte das Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Kommission Fort- und Weiterbildung den Auftrag, die Weiterbildung zum Facharzt für Anästhesiologie zu überarbeiten und an die aktuellen fachlichen und berufspolitischen Erfordernissen anzupassen. Dies beinhaltet auch die Überarbeitung eines Wissenserwerbs, der sich innerhalb der Weiterbildung sehr stark an Richtzahlen für spezifische Eingriffe und durchgeführten Prozeduren orientiert. Seitens der Bundesärztekammer und in den Fachgebieten gibt es zunehmend Bestrebungen, derartigen Zahlen etwas geringere Bedeutung beizumessen und vielmehr stärkeren Wert auf den Erwerb von fachspezifischen Kompetenzen sowie Fertigkeiten innerhalb der Weiterbildung zum Facharzt zu legen. Theoretisches Wissen und praktische Fertigkeiten werden für die Erlangung einer spezifischen Kompetenz benötigt und müssen in ihrer Tiefe auch überprüft werden können. Die gemeinsame Kommission Fort- und Weiterbildung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) unter Beteiligung von einigen Landesärztekammern hat daher ein auf Kompetenzen ausgerichtetes Curriculum entwickelt. Dieses kann als Grundlage für eine kompetenzbasierte Weiterbildungsordnung dienen und ermöglicht zudem den Weiterbildungsbefugten das Erstellen individueller Weiterbildungscurricula auf einer bundesweit vergleichbaren Plattform.

Dem spezifischen Wissenserwerb außerhalb der Klinikroutine kommt dabei eine zunehmende Bedeutung zu. Wissen, Kompetenzen und Fertigkeiten können in einem Fachbereich, in dem hohe Standards in der Patientensicherheit gefordert werden, auch außerhalb des Routinebetriebs im sog. protektiven Umfeld stattfinden. Die Übung an Simulatoren („Full-scale“-Simulator, Ultraschallsimulator, Intubationssimulator, Bronchoskopiesimulatoren) in einem gut organisierten und strukturierten Umfeld ermöglicht heute den optimalen Wissenserwerb und trägt erheblich zur Patientensicherheit im klinischen Alltag bei. Die hervorragenden und wissenschaftlich nachgewiesenen Sicherheitsstandards in der Luftfahrt haben mittlerweile ihren komplementären Niederschlag in risikobehafteten Bereichen wie der Anästhesiologie gefunden. Der erhebliche finanzielle Aufwand hierzu ist im Rahmen der Ökonomisierung der Medizin von den Kliniken nur noch schwerlich zu leisten. Es bietet sich daher an, gemeinsam mit dem Aktionsbündnis „Patientensicherheit“ die notwendige Aufmerksamkeit zu generieren, um in naher Zukunft ein politisches Umdenken in diesem Sinne zu erzeugen.

Die aktuelle Evaluation der Weiterbildung gibt Hinweise auf die genannten Probleme, ist aber in der gegenwärtigen Fassung nicht differenziert genug, um den spezifischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen und die drängenden Fragen zur Weiterentwicklung unseres Faches zu beantworten. Daher scheint es, wie in dem Beitrag von Schaaf und Zwißler dargestellt, erforderlich, den Fragenkatalog spezifisch zu erweitern. Andererseits sind weiterhin auch fachspezifische Befragungen notwendig. In der Summe zeigen die derzeit verfügbaren Daten deutlich, dass die Weiterbildung strukturiert im Sinne eines Curriculums weiterentwickelt werden muss, um den Anforderungen der neuen Ärztegenerationen gerecht zu werden. Dies beinhaltet auch die engmaschige Kultur eines sachgerechten „Feedbacks“. Ebenso bedarf die ärztliche Weiterbildung einer adäquaten – im derzeitigen Gesundheitssystem nicht vorgesehenen – Finanzierung. Dies gilt in besonderem Maß in medizinischen Bereichen mit hohen Sicherheitsstandards.

A.E. Goetz