Als in den späten 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die amerikanische Fa. I-Flow-Cooperation einen Katheter entwickelte, der es erlaubte, über ein System mit mehreren Löchern kontinuierlich gleichmäßig Lokalanästhetika zu applizieren, war die Geburtsstunde der kontinuierlichen Wundinfusion zur postoperativen Schmerztherapie gekommen. Der Benefit von Wundinfusionen mithilfe von Lokalanästhetika ist seit Jahrzehnten bekannt; deswegen waren über Jahrzehnte hinweg „Single-shot“-Wundinfusionen mit Lokalanästhetika durchgeführt worden.

Der limitierende Faktor dieser Single-shot-Applikationen war jedoch die begrenzte Halbwertszeit der dabei verwendeten Lokalanästhetika, wodurch es nicht möglich war, eine effektive postoperative Schmerztherapie längerfristig mit dieser Technik zu erzielen. Durch die neuartigen Katheter ist es möglich, in ein vorgegebenes Areal über einen längeren Zeitraum kontinuierlich gleichmäßig Lokalanästhetika abzugeben und damit eine längerfristige Schmerztherapie durchzuführen. Dieser Katheter wird bereits intraoperativ durch den Chirurgen vor Verschluss der Wunde eingelegt. Hierbei soll versucht werden, den Katheter so nah wie möglich an den entsprechenden Nerv heranzuführen und ihn mithilfe eines Stichkanals auszuleiten. Anschließend kann der Katheter an ein System angeschlossen werden, über das kontinuierlich Lokalanästhetika abgegeben werden. Somit ist es möglich, eine fortwährende Verabreichung von Lokalanästhetika über mehrere Tage durchzuführen.

Auf den ersten Blick scheint die kontinuierliche Wundinfusion mit kontinuierlichen peripheren Nervenblockaden und neuroaxialen Kathetertechniken, die in der Regel von Anästhesisten ausgeführt werden, in Konkurrenz zu stehen. Zweifelsohne kann die periphere kontinuierliche Wundinfusion dann als kompromisslose Alternative für die traditionellen Kathetertechniken angesehen werden, wenn sich periphere bzw. neuroaxiale Blockaden aus medizinischen Gründen verbieten und für diese von anästhesiologischer Seite eine absolute Kontraindikation vorliegt.

Noch kein Goldstandard!

Bei bestimmten Indikationen hat die kontinuierliche Wundinfusion sicherlich eindeutige Vorteile gegenüber einer sonst unausweichlichen systemischen Opioidschmerztherapie, da sich zumindest der Bedarf an Opioiden deutlich reduzieren lässt. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass über die kontinuierliche Wundinfusion bisher nur vereinzelte Daten vorliegen, sodass es augenblicklich sicherlich zu früh ist, diese Technik den traditionellen Kathetertechniken gleichzusetzen oder sie anstelle der traditionellen Kathetertechnik als „Goldstandard der postoperativen Schmerztherapie“ zu bezeichnen. Augenblicklich existieren nur wenige kontrollierte Studien bezüglich der Effektivität dieser Technik bei einem spezifischen Patientengut, während für periphere und neuroaxiale Regionalanästhesietechniken jahrzehntelange Erfahrungen und folglich auch entsprechende Daten gesammelt wurden. Ebenso muss bedacht werden, dass neuroaxiale und periphere Blockaden teils unerwünschte, aber auch erwünschte „side effects“ haben, die wir uns durchaus therapeutisch zunutzen machen, wie etwa die selektive Sympathikusblockade, um nur den wichtigsten Nebeneffekt zu benennen.

Komplikationen im Auge behalten.

Was für die Effektivität dieser Technik gilt, ist im gleichen Maß auch für die Komplikationsraten zu beachten. Jedem klinisch tätigen Mediziner ist sicherlich verständlich, dass jede Intervention ihren Preis nicht nur pekuniär, sondern auch hinsichtlich der Nebenwirkungen mit sich bringt. Die zur Verfügung stehenden Studien zur kontinuierlichen Wundinfusion scheinen eine überaus niedrige Komplikationsrate zu bestätigen. Jedoch muss angeführt werden, dass bisher nur kleine Patientengruppen, häufiger von weniger als 100 Patienten, untersucht worden sind. Eine große prospektive Studie steht augenblicklich aus und dürfte allein die wirkliche Komplikationsrate dieser neuen Analgesietechnik evaluieren. Die Komplikationen neuroaxialer Blockaden in Form von Kopfschmerz, Rückenschmerzen, vorübergehendem Gehörverlust, aber auch von schwerwiegenden Komplikationen bis hin zur Querschnittslähmung sind wohlbekannt, des Weiteren sind Komplikationen wie Nervenverletzungen, versehentliche Gefäßpunktionen, dabei auch systemische Lokalanästhetikaintoxikationen bei peripheren Nervenblockaden beschrieben. Ähnliche Komplikationen werden bisher auch von den kontinuierlichen Wundinfusionen berichtet, wie etwa eine versehentliche Gefäßpunktion in 2,2%, lokale Infekte in 0,6% und positive Mikrobiologiekulturen an der Einstichstelle in 0,2% der Fälle [2]. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Lokalanästhetika gewebstoxische Substanzen darstellen, die einerseits neurotoxisch, myotoxisch, aber auch chondrotoxisch sind, wie vielfältige Untersuchungen inzwischen bestätigt haben [1, 3]. Folglich kann auch diese einfach erscheinende Technik nicht als komplikationslos betrachtet werden, da ein primär toxisches Medikament in Form eines Lokalanästhetikums verabreicht wird. Weitere Studien müssen zeigen, ob diese bisher überwiegend aus der Grundlagenwissenschaft stammenden Untersuchungen klinische Relevanz haben oder nur ein theoretisches potenzielles Risiko beschreiben.

Auch Warnungen hinsichtlich einer systemischen Intoxikation und möglicher Allergenisierungen gegenüber Lokalanästhetika bzw. deren Konservierungsmittel dürfen nicht als unbegründet abgehandelt werden, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.

Die kontinuierliche Wundinfusion mit Lokalanästhetika scheint, primär betrachtet, eine erfolgversprechende und einfache Alternative gegenüber den inzwischen wohl etablierten peripheren Nervenblockaden zur Analgesie zu sein. Dennoch muss aber auch diese Technik, wie jede medizinische Neuerung einem kritischen Blick und einer kontrollierten Untersuchung unterzogen werden, bevor sie Einzug in den klinischen Alltag hält. Wir als Anästhesisten sollten dieser Technik offen gegenüberstehen, da sie unser Repertoire bezüglich einer unserer wichtigsten Aufgaben in der Klinik erhöhen kann: „Divinum est sedare dolorem!“

Bernhard M. Graf