Eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung („chronic obstructive pulmonary disease“, COPD) war in den USA im Jahr 2000 für 1,5 Mio. Besuche in der Notaufnahme verantwortlich. Aus diesem Grund wurden 726.000 Patienten stationär aufgenommen und 119.000 Patienten starben [1]. Die akute Exazerbation einer COPD ist durch eine progrediente Verschlechterung der Symptome (Bronchospastik, Atemnot, Zunahme der Atemarbeit mit Erschöpfung etc.) charakterisiert und geht mit einer Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne einer schlechteren Oxygenierung und einer verminderten CO2-Elimination einher. In schweren Fällen kann die akute Exazerbation einer COPD zu Lungenversagen führen und einen letalen Ausgang nehmen [2]. Bei Patienten mit einer akut exazerbierten COPD mit CO2-Partialdrücken (paCO2) von ≥50 mmHg beträgt die Mortalität in 6 Monaten 33% und in 12 Monaten 45% [3].

Fallbericht

Es wird von einem ungewöhnlich schnellen und heftigen Verlauf einer infektexazerbierten COPD einer Patientin, bei der die Diagnose „COPD“ erst kurz zuvor gestellt wurde, berichtet. Die 65-jährige Patientin wurde aufgrund einer Verschlechterung der Symptome einer erst vor 6 Monaten diagnostizierten COPD in ein peripheres Fachkrankenhaus eingewiesen. Dort wurde zunächst eine nichtinvasive Beatmung (NIV) mithilfe einer „Continuous-positive-airway-pressure- (CPAP-)Maske“ durchgeführt und pharmakologisch mit Theophyllin sowie Ceftriaxon/Ciprofloxacin interveniert. Aufgrund einer progredienten Erschöpfung mit einsetzender Hypoxämie musste die Patientin jedoch kurze Zeit nach Aufnahme intubiert und kontrolliert beatmet werden. Für die weiterführende Intensivtherapie erfolgte 36 h nach primärer Krankenhauseinweisung die Überweisung an ein Krankenhaus der Maximalversorgung. Der Auskultationsbefund bei Aufnahme auf der Intensivstation entsprach dem typischen Bild einer ausgeprägten Obstruktion über allen Lungenfeldern, und es bestand eine „Silent-chest-Symptomatik“. In der Blutgasanalyse wurden arteriell folgende Werte gemessen: pH 7,34, paCO2 66 mmHg, paO2 66 mmHg. Aus dem Endotrachealtubus konnte wiederholt eine größere Menge an putridem Sekret gewonnen werden; ein Keimnachweis aus diesem Material gelang nicht.

Die bronchodilatatorische Therapie mit Theophyllin wurde durch Reproterol, Salbutamol, Ipratropiumbromid und supportiv Magnesium erweitert; zusätzlich wurden Steroide (100 mg Dexamethason) verabreicht. Zum Monitoring der Inflammation wurde eine tägliche Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP) durchgeführt; die Werte blieben jedoch im hier dargestellten Zeitraum niedrig erhöht ohne Anstiege. Die antibiotische Therapie wurde kalkuliert auf Ciprofloxacin und Amoxicillin/Clavulansäure umgestellt. Trotz dieser Interventionen und ausreichender Oxygenation unter „Biphasic-positive-airway-pressure- (BIPAP-)Beatmung“ war die CO2-Elimination nur bedingt möglich (Abb. 1). Im Verlauf der folgenden Tage ergab sich, ungeachtet der Ausschöpfung der pharmakologischen Therapie, keine Regredienz der Obstruktion. Auch in tiefer Sedierung (initial mit Propofol und im Verlauf mit Midazolam/S-Ketamin) blieb die Ventilation unbefriedigend. Die dynamische Compliance, gemessen mit dem Intensivrespirator (Dräger Evita 4®), blieb weiterhin bei ca. 20 ml/mbar. Die Beatmungs- und Blutgasparameter stagnierten über einen Zeitraum von 10 Tagen. Obwohl sich weder in den regelmäßig durchgeführten EKG-Kontrollen noch in der durchgeführten transthorakalen Echokardiographie Hinweise auf eine Rechtsherzbelastung ergaben und auch in der kontinuierlichen Messung des Zentralvenendrucks (ZVD) kein Anhalt für eine Herzinsuffizienz bestand, wurde bei therapierefraktärem Bronchospasmus als Ultima Ratio ein Therapieversuch mit einem volatilen Anästhetikum diskutiert. Hierbei stand insbesondere das Durchbrechen des persistierenden Bronchospasmus bei stagnierenden Beatmungsparametern im Vordergrund, da eine ausreichende Oxygenierung im Rahmen der permissiven Hyperkapnie sichergestellt war.

Abb. 1
figure 1

paCO2-Verlauf vor und nach Einsatz des AnaConDa®-Systems. Die Trendlinie zeigt den Tagesdurchschnitt an (ermittelt aus 3 Werten/Tag: 0:00 Uhr, 8:00 Uhr, 16:00 Uhr)

Zur Applikation des volatilen Anästhetikums wurde ein AnaConDa®-System an das Beatmungsgerät angeschlossen. Als Narkosegas kam Halothan zum Einsatz, da zumindest im Tierversuch eine ausgeprägtere bronchodilatative Wirkung im Vergleich zu Sevofluran nachgewiesen ist [4]. Die exspiratorische Halothankonzentration betrug 0,75 Vol.-%; diese endtidale Konzentration konnte mit einer Förderrate der Motorspritzenpumpe (Verbrauch) von 4 ml/h eingestellt und erhalten werden. Im gesamten Behandlungsverlauf wurde die Narkosegaskonzentration im Nebenstromprinzip gemessen. Durch die nun durchgeführte Inhalationsanästhesie ergab sich nur eine geringe Verminderung des mittleren arteriellen Drucks; Katecholamine mussten nicht eingesetzt werden. Da Halothan eine sedierende Wirkung besitzt, ausgeprägtere bronchodilatatorische Wirkung als S-Ketamin aufweist und die Triggerung eines erneuten Bronchospasmus durch Antigenkontakt wirkungsvoll unterbindet [5, 6], wurde die Sedation mit intravenösen Sedativa komplett beendet. In rascher Folge konnte nachfolgend sämtliche antiobstruktive Therapie beendet werden.

Unter der Beatmung mit Halothan besserten sich die auskultatorischen Befunde der Lunge deutlich; auch die Blutgasanalysen zeigten einen Abfall des paCO2 und einen Anstieg des paO2. Nach 48-stündiger Beatmungsdauer konnte die Anwendung von Halothan beendet und zügig auf eine druckunterstützte Spontanatmung („pressure support ventilation“, PSV) umgestellt werden. Mit diesem Behandlungsregime verbesserte sich die dynamische Compliance um den Faktor 5 auf Werte um 120 ml/mbar (Tab. 1). Die druckunterstützte Beatmung wurde ferner erheblich besser von der Patientin toleriert; Sedativa mussten nicht mehr eingesetzt werden.

Tab. 1 Beatmungsformen mit entsprechenden Parametern. Der Einsatz des AnaConDa®-Systems erfolgte am Spätabend des 17.12.2004

In den folgenden Tagen konnte die Patientin erfolgreich von dem Respirator entwöhnt werden. Als Ursache der Exazerbation zeigte sich ein Abszess im Bereich der rechten Lunge. Nach Ende der Anwendung des AnaConDa®-Systems und erfolgreichem Weaning wurde der Abszess operativ versorgt. Die Patientin erholte sich postoperativ weiter und konnte 78 Tage nach Aufnahme in die Rehabilitation entlassen werden.

Diskussion

Das Management einer Exazerbation einer akuten COPD besteht im Wesentlichen aus drei grundsätzlichen Behandlungsvorgaben:

  • Diagnostizieren und Behandeln des zugrunde liegenden Auslösers der Exazerbation,

  • Verbesserung der Lungenfunktion durch Bronchodilatatoren und andere Pharmaka sowie

  • Sicherstellung einer adäquaten Oxygenierung und Ventilation durch eine Beatmungstherapie, die eine wirksame mukozilliäre Clearance nach Möglichkeit nur geringgradig einschränken sollte.

Hierbei muss das primäre Ziel sein, eine Intubation, wenn irgend möglich, zu vermeiden, da diese mit einer höheren Mortalität verknüpft ist. Nichtinvasiven Beatmungsformen sollte der Vorzug gegeben werden, da dadurch häufiger eine Intubation vermieden werden kann. Daraus folgt eine geringere Zahl von Intensivaufenthalten, die Krankenhausverweildauer ist kürzer und die Mortalität geringer [7]. Die pharmakologische bronchodilatatorische Therapie besteht typischerweise aus inhalativen β2-Sympathikomimetika, Anticholinergika und Kortikosteroiden. Da die häufigste Ursache einer Exazerbation ein bakterieller oder viraler Befall ist, gehören erregerspezifische Antibiotika ebenfalls zum pharmakologischen Regime [8]. Nicht mehr empfohlen wird die Anwendung von Theophyllin, da sich keine ausreichende Wirksamkeit bei erheblichen Nebenwirkungen gezeigt hat [9]. In Fällen, in denen eine inhalative Verabreichung von β2-Sympathikomimetika nicht möglich ist, kann unter Inkaufnahme verstärkter Nebenwirkungen auch eine i.v.-Applikation vorgenommen werden. Trotz maximaler pharmakologischer Intervention besteht die Gefahr, dass die exazerbierte COPD eine adäquate Ventilation mit ausreichender Oxygenierung und suffizienter CO2-Elimination unmöglich macht. In diesen Fällen sind Intubation und kontrollierte Ventilation unumgänglich. Wenn jedoch die antiobstruktive und antibiotische Therapie nicht ausreichend wirkt und gleichzeitig die mechanische Ventilation nicht suffizient gelingt, kann es schnell zu einer vital bedrohlichen Situation kommen. Für die Behandlung derartiger Fälle, bei denen alle konventionellen Therapieansätze versagen, bedarf es einer alternativen Lösung.

Seit den 30er-Jahren des 20. Jh.s ist bekannt, dass volatile Anästhetika bronchodilatatorisch wirken und als Therapeutika bei Asthma bronchiale und Bronchospasmen verwendet werden können. Große Erfahrung besteht in der Anwendung von Halothan als Bronchodilatator. Studien konnten für Halothan im Vergleich zu Enfluran oder Isofluran die am stärksten ausgeprägte bronchodilatatorische Wirkung nachweisen. Mit Sevofluran steht nun ein neueres Narkosegas zur Verfügung, dem zahlreiche Publikationen ähnlich ausgeprägte dilatatorische Effekte auf das Bronchialsystem wie Halothan bestätigen. Mehrere Fallberichte beschreiben inzwischen die erfolgreiche Anwendung von Sevofluran als Ultima Ratio beim Asthma bronchiale; sogar subanästhetische Dosierungen scheinen den gewünschten bronchodilatatorischen Effekt bereits aufzuweisen und können mit einer NIV appliziert werden [10].

Intensivrespiratoren sind für eine Applikation von volatilen Anästhetika nicht konzipiert, daher ist die Verabreichung solcher Narkosegase auf Intensivstationen schwierig bis unmöglich, und für den Einsatz der konventionellen Narkosegasverdampfer nicht ausgestattet. Ebenso ist eine Verbindung zu einer Narkosegasabsaugung häufig nicht möglich. Seit kurzer Zeit steht mit dem „Anaesthetic Conserving Device“ („AnaConDa®“) ein System zur Verfügung, das im Wesentlichen aus einem „Heat-and-moisture-exchanger- (HME-)Filter“, einem Aktivkohlereflektor und einem integrierten Verdampfer besteht. Dadurch ist es möglich, aus halb offenen Beatmungssystemen wie z. B. Intensivrespiratoren de facto halb geschlossene Systeme zu erzeugen, da das Narkosegas mithilfe der Motorspritzenpumpe vor dem Aktivkohlereflektor auf der Patientenseite eingebracht und dort verdampft wird. Dadurch verbleibt es zwischen AnaConDa®-System und Patient. Vergleichbar ist dieses System mit einem halb geschlossenen Beatmungssystem im „Low-flow-Modus“ mit 1-l/min-Frischgasfluss [11]. Der Verbrauch an Narkosegas entspricht ca. 1–3,5 ml/h Isofluran [12]. Sämtliche Umgebungsgrenzwerte für Isofluran wurden bei einem Einsatz der AnaConDa® zur Sedation auf einer Intensivstation weit unterschritten [13]. Das Gerät ist kommerziell erhältlich, CE-zertifiziert und für die Anwendung von Isofluran und Sevofluran zugelassen. Einen schematischen Aufbau des „AnaConDa®“ zeigt Abb. 2. Mit dem AnaConDa®-System kann man volatile Anästhetika sicher und kostensparend mit herkömmlichen Intensivrespiratoren applizieren. Durch die Anwendung eines volatilen Anästhetikums kam es im hier dargestellten Fall zu einer eindrucksvollen Verbesserung der Beatmungssituation; nach 48-h-Beatmungsdauer konnte bereits mit dem Weaning begonnen werden.

Abb. 2
figure 2

Schematischer Aufbau des „AnaConDa®-Systems“. HME „heat and moisture exchanger“. (Darstellung aus Kruger u. Benad [6])

Kritisch anzumerken ist sicherlich die Indikationsstellung zugunsten von Halothan, denn zahlreiche Publikationen zeigen den annährend gleichen bronchodilatatorischen Effekt bei weniger unerwünschten Wirkungen und erhöhter Patientensicherheit für Sevofluran gegenüber Halothan. Aufgrund der von Katoh u. Ikeda [4] publizierten tierexperimentellen Daten, die bei Halothan auch im Vergleich zu Sevofluran eine stärkere Dilatation bei einer induzierten Bronchokonstriktion nachweisen, wurde in diesem kritischen Fall bei bestehender Katecholaminfreiheit und ohne Hinweise auf Lebervorschädigungen trotzdem die Entscheidung für Halothan getroffen. Die Anwendung von Halothan mit dem AnaConDa®-System ist jedoch nicht zugelassen, sodass Halothan mit dem AnaConDa®-System lediglich im Sinne eines Heilversuches eingesetzt wurde. Das Risikoprofil von Halothan mit dem bekannten breiten Nebenwirkungsspektrum, die hohe Rate der Verstoffwechselung und die fehlende Zulassung des AnaConDa®-Systems sollten jedoch die Anwendung von Halothan bei COPD- oder Asthmapatienten eine Ausnahme bleiben lassen. Klinische Studien zeigen eine ebenbürtige Wirkung von Sevofluran, sodass im Fall einer Therapie mit volatilen Anästhetika der Einsatz von Sevofluran erfolgen sollte.

Eine primär pharmakologische Therapie ist das Mittel der Wahl bei einer akuten Obstruktion bei COPD oder Asthma bronchiale. Dabei kommen β2-Sympathikomimetika, Anticholinergika und Kortikosteroide zum Einsatz. Theophyllin wird heute aufgrund fehlender Studien zur Belegung der Wirksamkeit nicht mehr empfohlen. S-Ketamin besitzt eine bronchodilatatorische Wirkung, sodass dieses Medikament unter stationären Bedingungen ebenso zur Bronchodilatation eingesetzt werden kann. Hierbei ist zu beachten, dass S-Ketamin jedoch primär zur Analgesie und Hypnose eingesetzt wird. Sollte die antiobstruktive Therapie mit den beschriebenen Pharmaka nicht gelingen, so stehen mit den volatilen Anästhetika, insbesondere mit Sevofluran, Stoffe zur Verfügung, die einen ausgeprägten antiobstruktiven Effekt besitzen.

Fazit für die Praxis

Bei ausgeprägter Exazerbation einer obstruktiven Lungenerkrankung wie auch beim Status asthmaticus kann es zu einer therapierefraktären Situation kommen, die mit den konventionellen Therapeutika nicht beherrschbar ist. Mit den volatilen Anästhetika stehen Pharmaka zur Verfügung, die über eine ausgeprägte bronchodilatative Wirkung verfügen, aber aufgrund der Bauweise der konventionellen Intensivrespiratoren derzeit nicht bzw. nur bedingt auf der Intensivstation eingesetzt werden können. Eine interessante Möglichkeit, die Narkosegase Isofluran und Sevofluran auf der Intensivstation einzusetzen, könnte das AnaConDa®-System darstellen, da es ermöglicht, das volatile Anästhetikum mithilfe einer Motorspritzenpumpe in flüssiger Phase in eine Filterkammer einzubringen, es dort zu verdampfen und im Beatmungssystem annähernd vollständig zu konservieren. Die Anwendung des volatilen Anästhetikums ist dabei einfach, praktikabel, sicher und kostengünstig.