FormalPara Hintergrund

Die optimale lokoregionäre Therapie für Patientinnen mit Mammakarzinom und Sentinel-Lymphknoten-Befall wird kontrovers diskutiert. Die bisher verfügbaren Studien sind z. T. durch methodische Mängel nur eingeschränkt aussagekräftig.

FormalPara Patienten und Methodik

In dieser internationalen, multizentrischen Nichtunterlegenheitsstudie wurden Patientinnen mit klinisch nodal negativem (palpatorisch und sonographisch) Mammakarzinom und 1–2 Makrometastasen (> 2 mm) nach Sentinel-Lymphknoten-Exzision (SLNE) 1:1 in zwei Gruppen randomisiert. Die erste Gruppe erhielt im Folgenden die komplettierende axilläre Lymphknotendissektion (ALND), während in der anderen darauf verzichtet wurde. Beide Gruppen erhielten eine adjuvante Therapie gemäß den nationalen Leitlinien. Die ALND konnte sowohl im Rahmen des Primäreingriffs durchgeführt werden, wenn die Validierung des Sentinel-Lymphknoten-Befalls im Rahmen einer intraoperativen Schnellschnittdiagnostik erfolgte, als auch in einem zweiten operativen Eingriff.

Eingeschlossen wurden Patientinnen mit einem cT1–3-cN0-Stadium nach einer brusterhaltenden Operation oder nach Mastektomie. Der Nachweis eines Kapseldurchbruchs war kein Ausschlusskriterium. Eine neoadjuvante Therapie war möglich, wenn die SLNE vor der neoadjuvanten Therapie stattfand. Der Einschluss männlicher Patienten war ebenfalls möglich.

Die Autoren berichteten in der vorliegenden Publikation über die Per-protocol- und modifizierten Intention-to-treat-Analysen des vordefinierten sekundären Endpunkts des rezidivfreien Überlebens. Um die Nichtunterlegenheit des Verzichts auf die ALND nachzuweisen, musste die obere Grenze des Konfidenzintervalls für die Hazard Ratio für Rezidiv oder Tod unter 1,44 liegen. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben, Ergebnisse hierzu werden noch nicht berichtet.

FormalPara Ergebnisse

Zwischen Januar 2015 und Dezember 2021 wurden insgesamt 2766 Patienten aus fünf Ländern in die Studie eingeschleust. Das Kollektiv umfasste 1553 Patienten aus Schweden (61,1%), 803 aus Dänemark (31,6%), 86 aus Deutschland (3,4%), 52 aus Griechenland (2,0%) und 46 aus Italien (1,8%). Aus Deutschland und Italien wurden nur Patienten nach einer Mastektomie in die Studie eingebracht.

1205 Patientinnen erhielten eine komplettierende ALND, 1326 Patientinnen erhielten ausschließlich die Sentinel-node-Biopsie. In der ALND-Gruppe hatten 34,5% der Patientinnen weitere Lymphknotenmetastasen: 9,9% der Patientinnen wiesen ein pN2a-Stadium (4–9 befallene Lymphknoten) und 3,0% ein pN3a-Stadium (≥ 10 befallene Lymphknoten) auf. In der SNLE- und ALND-Gruppe erhielten 96,2% bzw. 94,5% der Patientinnen eine Bestrahlung, bei 89,9% bzw. 88,4% einschließlich des Lymphabflusses.

Die mediane Nachbeobachtungszeit umfasste 46,8 Monate. Es wurden 191 Ereignisse verzeichnet bei einem geschätzten rezidivfreien Überleben nach 5 Jahren von 89,7% (95%-KI 87,5–91,9) in der SLNE-Gruppe und von 88,7% (95%-Konfidenzintervall [KI] 86,1–91,1) in der ALND-Gruppe. Die ermittelte Hazard Ratio lag für Rezidiv oder Tod bei 0,89 (95%-KI 0,66–1,19) und damit innerhalb der vordefinierten Nichtunterlegenheitsgrenze.

Regionale Lymphknotenrezidive traten in beiden Gruppen bei jeweils 6 Patientinnen auf, was einem Anteil von 0,4% in der SLNE-Gruppe und 0,5% in der ALND-Gruppe entspricht.

In der Subgruppenanalyse zeigte sich, dass der Verzicht auf die axilläre Lymphknotendissektion (ALND) für keine der Subgruppen einen Nachteil darstellte. Im Gegenteil, die Hazard Ratio sprach in fast allen Subgruppen für die alleinige Sentinel-Lymphknoten-Exzision (SLNE). Besonders deutlich war der Vorteil bei Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem und HER2-positivem Karzinom, wo die alleinige SLNE mit einer signifikant vorteilhaften Hazard Ratio von 0,26 (95%-KI 0,07–0,96) assoziiert war.

FormalPara Schlussfolgerungen der Autoren der Originalarbeit

Diese Studie liefert überzeugende Evidenz dafür, dass bei Patientinnen mit cT1–3-cN0-Mammakarzinom und einem bis zwei Sentinel-node-Makrometastasen, die eine adjuvante systemische Behandlung und Strahlentherapie erhielten, auf eine vollständige axilläre Lymphknotendissektion verzichtet werden kann.

Kommentar

In den letzten zehn Jahren hat die Verwendung der Axilladissektion bei Mammakarzinom erheblich abgenommen, beeinflusst durch die Ergebnisse der AMAROS-Studie [1] und der ACOSOG-Z0011-Studien [2], welche gezeigt haben, dass eine zusätzliche Axilladissektion weder die axillären Rezidivraten noch die Überlebensraten verbessert, jedoch die Morbidität in Form von Lymphödemen signifikant erhöht.

Warum sind weitere Studien erforderlich gewesen und weshalb wurde diese Publikation der SENOMAC-Studie zu einem sekundären Endpunkt (!) im New England Journal of Medicine angenommen?

Beide o. g. Studien hatten Schwächen, die die Aussagekraft und die Übertragung auf den klinischen Alltag schmälerten. Die SENOMAC-Studie adressierte einige dieser Schwächen und erfasste auch Patientinnen mit Nachweis einer extrakapsulären Manifestation, mit T3-Tumoren und Mastektomie und fokussierte sich zudem ausschließlich auf Patientinnen mit Makrometastasen. Die Erfassung des Hormonrezeptor- sowie HER2-Status ermöglicht eine gezieltere Untersuchung von Subgruppen.

Die Studie bestätigte die Nichtunterlegenheit der alleinigen Sentinel-node-Biopsie bei adäquater nachfolgender Therapie und damit auch die in der S3-Leitlinie etablierte Empfehlung [3]. Im Gegensatz zur Z0011-Studie wurde eine prospektive Qualitätssicherung hinsichtlich der adjuvanten Strahlentherapie durchgeführt, vorrangig bei Patientinnen in Schweden und Dänemark. Frühere Publikationen aus der SENOMAC-Studie bestätigten bereits, dass die Raten von Lymphödemen und die Lebensqualität mit Axilladissektion signifikant schlechter waren, was sich mit der bisherigen Literatur deckt [4, 5].

Man sollte jedoch aus strahlentherapeutischer Sicht betonen, dass die Ergebnisse der Studie nur vor dem Hintergrund der hohen Rate an Lymphabflussbestrahlung gelten. Die SENOMAC-Studie liegt also thematisch näher bei der AMAROS-Studie als bei der Z0011-Studie, auch wenn dies wahrscheinlich nicht der ursprünglichen Intention entspricht. Dem Studienprotokoll ist zu entnehmen, dass es initial Bestrebungen gab, die lokoregionäre Strahlentherapie zu standardisieren. Mit der Aufnahme weiterer Länder wurde dies wieder verlassen und auf den nationalen Standard verwiesen. Hier wurde leider eine Chance verpasst, einen klaren Standard zu etablieren. In der Publikation wird nicht differenziert aufgeschlüsselt, welche Lymphknotenregionen bestrahlt wurden. Es bleiben also weiter Fragen hinsichtlich des optimalen Bestrahlungsvolumens offen. Zukünftige Publikationen könnten noch detailliertere Informationen über die bestrahlten Lymphknotenregionen liefern.

Wie geht es weiter? Zwei weitere randomisiert-kontrollierte Studien (SOUND und INSEMA) gehen in der operativen Deeskalation noch einen Schritt weiter und verzichten bei klinisch und sonographisch unauffälliger Axilla bei Brusterhalt mit adjuvanter Radiotherapie komplett auf die SLNE. Die 5‑Jahres-Daten der SOUND-Studie wurden bereits publiziert und zeigten eine Nichtunterlegenheit des Verzichts auf die SLNE in Hinblick auf das fernmetastasenfreie Überleben [6]. Die Ergebnisse von INSEMA werden voraussichtlich Ende 2024 präsentiert werden.

Fazit

Die Ergebnisse stärken die Rolle der Strahlentherapie als bevorzugte Option im Vergleich zur komplettierenden Axilladissektion bei subklinischer Metastasierung in den Sentinel-Lymphknoten.