FormalPara Hintergrund

Der zusätzliche Nutzen der adjuvanten Radiotherapie bei Patientinnen mit Niedrigrisikomammakarzinom im Vergleich zu einer alleinigen endokrinen Therapie nach brusterhaltender Therapie in Bezug auf die Verhinderung eines Lokalrezidivs ist mehrfach belegt durch randomisiert-kontrollierte Studien. Langzeitdaten mit einer Nachbeobachtungszeit von >10 Jahren lagen bislang aber nur aus einer Studie vor. Die vorliegende Arbeit präsentiert nun die 10-Jahres-Daten der ABCSG-8A-Studie aus Österreich.

FormalPara Patienten und Methodik

Die ABCSG-8A-Studie ist eine randomisiert-kontrollierte Phase-III-Studie und stellt eine Substudie der ABCSG-8-Studie dar, in der randomisiert 5 Jahre Tamoxifen mit 2 Jahren Tamoxifen, gefolgt von 3 Jahren Anastrozol, verglichen wurde. In die ABCSG-8A-Studie eingeschlossen wurden postmenopausale Patientinnen mit frühem Mammakarzinom: pT1–2 (<3 cm) pN0, positiver Östrogen- und/oder Progestesteronrezeptorstatus, invasives duktales Karzinom G1–2 oder invasives lobuläres Karzinom. Von 1996 bis 2004 wurden 869 Patientinnen in den Bestrahlungsarm (Bestrahlung der operierten Brust mit ca. 50 Gy, 65 % erhielten eine zusätzliche Boost-Bestrahlung) oder die alleinige endokrine Therapie randomisiert. Von 519 Patientinnen wurden retrospektiv der HER2-Status und die Ki67-Proliferationsrate erhoben. Anhand dieser Kriterien (HER2-positiv oder Ki67 > 20 %) wurden 8 % der Patientinnen als Hochrisikopatientinnen eingestuft.

FormalPara Ergebnisse

Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 9,9 Jahre. Das lokalrezidivfreie Überleben (LRFS) nach 10 Jahren lag im Bestrahlungsarm bei 97,5 %, verglichen mit 92,5 % nach alleiniger endokriner Therapie (Hazard Ratio 0,27; p < 0,001). Auch das krankheitsfreie Überleben (DFS) nach 10 Jahren wurde durch die adjuvante Bestrahlung mit 94,5 % vs. 88,4 % signifikant verbessert (p = 0,02). Bezüglich des Gesamtüberlebens (OS) bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Studienarmen. Interessanterweise war der Vorteil im krankheitsfreien Überleben bei Patientinnen, die eine Sentinel-Lymphknoten-Exzision (SLNE) erhalten hatten, deutlich größer (98,3 % vs. 86,9 %; p < 0,01) als bei Patientinnen, die mit einer Axilladissektion behandelt worden waren (93 % vs. 88,8 %; p = 0,25). Neben der Radiotherapie war der einzige weitere signifikante Prognosefaktor hinsichtlich des LRFS das Grading, nicht aber die Tumorbiologie (bei allerdings <10 % Hochrisikofällen).

FormalPara Schlussfolgerungen

Die Autoren schlussfolgern, dass die adjuvante Bestrahlung der operierten Brust auch bei Mammakarzinomen mit einem niedrigen Risiko das lokalrezidivfreie wie auch das krankheitsfreie Überleben signifikant verbessert. Allerdings überträgt sich dieser Vorteil nicht in ein verlängertes Gesamtüberleben.

Kommentar

Die adjuvante Radiotherapie der operierten Brust nach brusterhaltender Operation senkt das lokale Rezidivrisiko und verbessert das brustkrebsspezifische und das Gesamtüberleben [1]. Schon in den Metaanalysen der Early Breast Cancer Trialists Cooperative Group wurde aber gezeigt, dass der absolute Vorteil hinsichtlich der Vermeidung eines Lokalrezidivs und damit die „number needed to treat“ deutlich vom Risikoprofil abhängt und für Niedrigrisikopatientinnen kein Gesamtüberlebensvorteil resultiert [1]. Eine Vielzahl randomisiert-kontrollierter Studien untersuchte daher den Stellenwert der Radiotherapie zusätzlich zu einer endokrinen Therapie im Vergleich zur alleinigen endokrinen Therapie in diesem Setting (zumeist pT1–2 [<3 cm] pN0, Hormonrezeptor-positiv, G1–2, Alter variabel; [2,3,4,5,6,7]). In einer Metaanalyse dieser Studien war der Verzicht auf eine adjuvante Radiotherapie mit einem 6,8-fach höheren Risiko für ein Lokalrezidiv vergesellschaftet; allerdings bestand kein Nachteil hinsichtlich des Gesamtüberlebens [8]. Bislang hatte nur eine Studie, nämlich die nordamerikanische CALGB-9343-Studie, Langzeitergebnisse nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 12,6 Jahren präsentiert [5]. Verglichen mit den 5‑Jahres-Daten kam es hier zu einem Anstieg der Lokalrezidivrate von 1 auf 2 % im Bestrahlungsarm, aber von 4 auf 10 % bei alleiniger endokriner Therapie. Somit sank die „number needed to treat“ für die Verhinderung eines Lokalrezidivs, allein durch die längere Nachbeobachtungszeit, von 33 auf 13 Patientinnen. Dies war auch in der ABCSG-8A-Studie der Fall. Gegenüber den 5‑Jahres-Daten [6] stieg die Lokalrezidivrate von 0,5 auf 2,5 % im Bestrahlungsarm an, verglichen mit 5,1 und 7,6 % nach alleiniger endokriner Therapie. Die „number needed to treat“ sank von 22 auf 20 Patientinnen. Eine Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens konnte bislang nur in der kanadischen Studie gezeigt werden, die allerdings vielfach kritisiert wurde, da knapp 20 % der Patientinnen einen negativen oder unbekannten Hormonrezeptorstatus und >30 % einen niedrigen oder unbekannten Differenzierungsgrad aufwiesen [4].

Die Ergebnisse der ABCSG-8A-Studie sind insofern wichtig, weil sie bestätigen, dass der Vorteil der adjuvanten Radiotherapie mit steigender Nachbeobachtungszeit nicht ab-, sondern zunimmt. Relevant ist dies gerade vor dem Hintergrund der steigenden Lebenserwartung: Diese beträgt für eine 1960 geborene Frau z. B. 71,7 Jahre, für ein 2014–2016 geborenes Mädchen 83,2 Jahre und für eine heute 75-jährige Frau 13 weitere Lebensjahre [9]. Ein weiteres Argument zugunsten der adjuvanten Radiotherapie ist die schlechte Therapieadhärenz bezüglich der endokrinen Therapie außerhalb von Studien. Darüber hinaus ist ABCSG 8A die einzige Studie dieser Art, die als Basistherapie eine optimierte endokrine Therapie inklusive eines Aromatasehemmers beinhaltete. Die Beobachtung, dass die DFS-Verbesserung durch die Bestrahlung bei Patientinnen mit SLNE statistische Signifikanz erreichte, nicht aber nach erfolgter Axilladissektion, ist zusätzlich interessant. Die Autoren vermuten, dass dies durch falsch-negative Ergebnisse der SLNE bedingt sein könnte und die okkulten Lymphknotenmetastasen durch die tangentiale Radiotherapie miterfasst und dadurch eliminiert werden [10]. Durch die zunehmende weitere Deeskalation der axillären Chirurgie, u. a. durch den Verzicht auf die SLNE in der INSEMA-Studie, wird diese Annahme prospektiv auf den Prüfstein gestellt werden.

Fazit

Die Ergebnisse der ABCSG-8A-Studie bestätigen die Effektivität der adjuvanten Radiotherapie bei Patientinnen mit Niedrigrisikomammakarzinom auch bei längerer Nachbeobachtungszeit, wobei der absolute Vorteil mit steigender Nachbeobachtungszeit zunimmt. Ein Verzicht auf die adjuvante Radiotherapie sollte also nur nach einer ausführlichen und individuellen strahlentherapeutischen Beratung erfolgen.

D. Krug, Kiel, und M.-N. Duma, Jena