Am 19. September 2012 starb der langjährige Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie der Universität zu Köln, Prof. Dr. med. Rolf-Peter Müller (Abb. 1), wenige Tage nach seinem 66. Geburtstag. Mit ihm verlor die deutsche Radioonkologie einen seiner prominentesten Köpfe.

Abb. 1
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Prof. Dr. med. Rolf-Peter Müller. (Mit freundlicher Genehmigung von Frau Dr. Barbara Müller)

Rolf-Peter Müller wurde am 7. September 1946 in Dortmund geboren. Er wuchs auch dort auf und bestand 1967 das Abitur. Als Kind musste er eine schwere Krankheit durchstehen, deren Folgen ihn zeitlebens außerordentlich beeinträchtigten, gegen die er aber beispielhaft tapfer anging. Nie hat er sich auch während seines späteren Berufslebens irgendwie dieser schweren Behinderung wegen geschont, sondern im Gegenteil jede Herausforderung angenommen, die das Kölner Ordinariat ihm auferlegte und seine Fachgesellschaft ihm antrug.

Wie sein Vater entschloss er sich zum Medizinstudium, um Arzt zu werden, und immatrikulierte sich an der Universität Münster. Bevor er das Studium 1974 mit Staatsexamen und Promotion abschloss, studierte er noch zwei Semester in Wien. Bereits das Thema seiner Promotion „Klinik und Strahlentherapie des Vulvamalignoms“ wies seinen Weg in die Strahlentherapie. Nach der Medizinassistentenzeit wurde Rolf-Peter Müller 1975 von Prof. Dr. E. Schnepper als wissenschaftlicher Angestellter in der Radiologischen Klinik der Universität Münster übernommen; Prof. Schnepper wurde sein eigentlicher Mentor. Die Anerkennung als Facharzt für Radiologie erfolgte1979; 1980 wurde er zum Oberarzt der Klinik ernannt.

Herrn Müllers wissenschaftliche Interessen betrafen das gesamte Spektrum der Radiologie, die dynamischen Entwicklungen in der Schnittbilddiagnostik (CT) wie auch in der bildgestützten Therapieplanung und der Beschleunigertechnologie. Seine wissenschaftlichen Aktivitäten waren diagnostisch, therapeutisch und experimentell ausgerichtet: Lymphographie, Computertomographie, Xeroradiographie ebenso wie die endolymphatische Radionuklidtherapie, die strahleninduzierte Lungenfibrose und die experimentelle und klinische Hyperthermie. Besondere Schwerpunkte waren die den Bulbus erhaltende 106-Ruthenium-Bestrahlung von Aderhautmelanomen und die entsprechenden strahlenbiologischen Untersuchungen dazu. Weitere Arbeiten beschäftigten sich mit lokalen Mikrozirkulationsstörungen nach Hochvoltbestrahlung anhand von In-vivo-pO2-Messungen und mit der prognostischen Bedeutung von zytogenetischen Befunden bei einer Vielzahl von malignen Tumoren. Diese Forschungen bildeten die Grundlage für die Habilitation und die Erteilung der Venia legendi im Jahre 1982.

Die Beschäftigung mit Augentumoren war auch der Beginn seiner intensiven internationalen Tätigkeit, die ihn schon früh in die USA nach Philadelphia an die Hahnemann University zu Prof. Luther Brady führte. Zwischen beiden Männern entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die später auch der Entwicklung der deutschen Radioonkologie wesentliche Impulse gab.

Eine besondere Auszeichnung durch die Deutsche Röntgengesellschaft war 1982 die Verleihung des Hermann-Holthusen-Rings. 1984 koordinierte er als Leitender Oberarzt den Umzug der neuen Klinik für Strahlentherapie – Radioonkologie, insbesondere der Teletherapie, in das neue Klinikum der WWU in Münster, womit eine moderne Strahlentherapie etabliert wurde, u. a. durch Einführung der CT-gestützten Therapieplanung und der individuell geformten Abschirmblöcke am Therapiesimulator.

Seine herausragenden Leistungen in Forschung, Lehre und Krankenversorgung, wie auch seine engagierte ärztliche Tätigkeit veranlassten 1985 die Universität zu Köln, Rolf-Peter Müller an die dortige Klinik und Poliklinik für Radioonkologie zu berufen, die er zunächst kommissarisch und ab 1987 dann als Direktor in der Nachfolge von Prof. Dr. Horst Sack bis zu seinem Tod im September 2012 führte.

Das klinisch-wissenschaftliche Engagement von Rolf-Peter Müller umfasste zeitlebens ein breites Methoden- und Themenspektrum und wurde getrieben von immerwährender Neugier und einem enormen Innovationsdrang. Hierbei ragen zwei Aktivitäten besonders erfolgreich hervor: die Weiterentwicklung der Therapie des Morbus Hodgkin und die langjährige Leitung der Arbeitsgemeinschaft Radiologische Onkologie (ARO) der Deutschen Krebsgesellschaft, die zahlreiche international vielbeachtete klinische Studien im deutschsprachigen Raum generieren und begleiten konnte. Dafür erhielt er den Ehrenpreis der ARO. Die Studien der Deutschen Hodgkin-Lymphom-Studiengruppe (GHSG) zeigten in den vergangenen Jahrzehnten deutlich die Handschrift Rolf-Peter Müllers. Seit 1986 war er über viele Jahre Mitglied im Board und Panel, seit 1998 dann selbst der Leiter der Referenzstrahlentherapie der GHSG und Leiter des Teilprojekts „Strahlentherapie“ im Rahmen des Kompetenznetzes „Maligne Lymphome“ mit dem Schwerpunkt Qualitätssicherung. Immerhin prägten die konsekutiven randomisierten deutschen HD-Studien die internationalen Standards in der Behandlung des Morbus Hodgkin weltweit und werden seit langem als Spitzenleistungen der deutschen Radioonkologie wahrgenommen. In Anerkennung seiner vielfältigen Aktivitäten ernannte ihn die Radiological Society of North America (RSNA) im Jahre 2005 zu ihrem Ehrenmitglied.

Der Werdegang von Rolf-Peter Müller spiegelt typischerweise auch die Entwicklung der deutschen Radiologie bzw. Strahlentherapie bzw. Radioonkologie wieder. Zunächst erwarb er den Facharzt für Radiologie, spezialisierte sich aber dann als Strahlentherapeut und Radioonkologe. Entsprechend entwickelten sich die Fachgesellschaften. Im Jahre 1995 gründete sich schließlich die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO). Rolf-Peter Müller war eines der Gründungsmitglieder; er wurde als erster Präsident eines DEGRO-Kongresses gewählt, der 1. Jahrestagung in Baden-Baden.

Mit dem Tod von Rolf-Peter Müller verlieren wir eine prägende Persönlichkeit und einen der engagiertesten und konsequentesten Kämpfer für die Sache der Radioonkologie, vor allem im deutschsprachigen Raum. Er begleitete viele junge Menschen auf dem Weg in die Radioonkologie, und zwar sowohl in der Krankenversorgung als auch in Forschung und Lehre in einer unnachahmlich fördernden und fordernden Weise. Er beeinflusste die klinische Forschung und viele andere Bereiche nachhaltig mit seinem Gespür für wichtige fachpolitische Entwicklungen. Seine Aktivitäten galten primär der Kölner Universitätsklinik, waren aber auch stark national und international ausgerichtet. Die ärztliche Verantwortung und Betreuung seiner schwerkranken Patienten waren ihm immer ein besonderes Anliegen und prägten seine klinische Arbeit nachhaltig.

Unser Mitgefühl gilt besonders seiner Frau Barbara, die ihn über viele Jahre treu begleitete und in den letzten Lebensjahren auch hingebungsvoll pflegte, und seinem Sohn Maximilian.

Prof. Dr. Eich, Prof. Dr. Haverkamp (Münster), Prof. Dr. Pötter (Wien), Prof. Dr. Sauer (Erlangen)