Vorbemerkungen

Die Anzahl der Revisionseingriffe nach Implantation einer Hüftgelenks-Totalendoprothese (Hüft-TEP) nimmt stetig zu. Das deutsche Endoprothesenregister weist im Operationsjahr 2021 insgesamt 17.700 Folgeeingriffe an der Hüfte aus, die Tendenz zu den Vorjahren ist klar steigend [9]. Primäreingriffe werden großzügiger indiziert [4], und durch die höhere Lebenserwartung und das ebenfalls steigende Aktivitätslevel der Patient*Innen entsteht ein steigender Bedarf an Revisionsoptionen, die ein Mindestmaß an Mobilität erhalten. In komplexen Fällen, insbesondere bei Beckendefekten der „Acetabular Defect Classification“ (ADC) IIIC und IV nach Wirtz [6], ist ein biomechanisch stabiles und medizinisch-funktionell sinnvolles Ergebnis herausfordernd. Die Rekonstruktion kann mit verschiedenen modularen Pfannensystemen durchgeführt werden und stellt sich oft als äußerst komplex und aufwendig dar. Als moderne, technische Möglichkeit stehen seit einigen Jahren die 3‑D-Planung und additive Fertigung (3D-Druck) von individuellen Beckenteilersatz-Implantaten als elegante und einfache Lösungen zur Verfügung [3]. Die Durchführung der präoperativen Planung und verschiedene Konzepte dieser Versorgungsmöglichkeit in der Revisionsendoprothetik werden in diesem Artikel dargestellt.

Operationsprinzip und -ziel

Das Operationsziel ist die bestmögliche Primärstabilität durch metallische Auffüllung eines Beckendefektes in der Hauptbelastungszone, sichere Kontaktflächen zum Patientenknochen und stabile Verankerung mittels Schrauben oder Zapfen sowie eine gute und langfristige Sekundärstabilität über die knöcherne Integration des individuellen Beckenteilersatzes (BTE) durch raue Implantatoberflächen am Implantatkörper oder an den verwendeten Laschen und Zapfen. Wenn möglich, sollte der notwendige Weichteilschaden minimiert werden.

Das Planungsprinzip und die Fixation orientieren sich hierbei an dem individuellen Defekt, der Erfahrung des Operateurs und den weiteren patientenindividuellen Gegebenheiten. Aufgrund dieser Faktoren ist jeder Beckenteilersatz individuell an die spezifische Situation adaptiert und muss isoliert betrachtet werden, dennoch gibt es allgemeingültige Überlegungen und Prinzipien in der Planung, denen stets besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte.

Vorteile

  • Möglichkeit der primärstabilen Verankerung insbesondere bei großen azetabulären Defekten in der Hauptbelastungszone

  • Bestmögliche Rekonstruktion von azetabulärem Offset und des Drehzentrums (Center-of-Rotation [COR])

  • Größtmöglicher Pfannendurchmesser, zur möglichen Versorgung mittels tripolaren Systems

  • Verkürzung von Operationszeiten und Erhöhung der Sicherheit durch Sonderinstrumente („patient-specific instruments“ [PSI]), Bohrschablonen und individualisierte Operationstechnik

  • Individuelle, defektadaptierte Auswahl der Fixationsmöglichkeiten

Nachteile

  • In der Regel zweizeitiges Vorgehen notwendig, auch in aseptischen Fällen

  • Lange Wartezeit von Indikation bis Implantatbereitstellung (ca. 6 bis 8 Wochen)

  • Relativ hohe Implantatkosten, die nur mit entsprechendem Zusatzentgelt (ZE) vergütet werden können

  • Notwendige Lernkurve, sowohl in der präoperativen Planung als auch für die Operation selbst

  • Fehlende Rückzugsmöglichkeit bei unvorhergesehenem Operationsverlauf

Indikationen

Die Indikation zur Versorgung mittels eines individuellen Beckenteilersatzes ist häufig keine eindeutige Entscheidung und konkurriert in der Regel mit der Verwendung von modularen Revisionspfannen. Die etablierte Einteilung der Beckendefekte nach Paprosky [5] gewährt keine klare Entscheidungshilfe zur Auswahl eines BTE. Die neue „Acetabular Defect Classification“ (ADC) differenziert insbesondere bei großen kranialen (ADC IIIa) und kraniodorsalen Defekten (ADC IIIb und IIIc) sowie Beckendiskontinuitäten (ADC IV) eindeutiger und bietet eine Empfehlung zum therapeutischem Vorgehen [2].

Zu den typischen Kriterien für einen BTE gehören:

  1. a.

    große kraniale Defekte mit Destruktion des kraniolateralen Erkers („Steilwand-Defekt“),

  2. b.

    Defekte mit destruierter oder retrahierter vorderer und hinterer Acetabulum-Wand und weitem AP-Durchmesser, welcher den der verfügbaren Pfannen übersteigt (in der Regel 72 mm),

  3. c.

    Verlust von Knochensubstanz in der üblichen, zur Verankerung genutzten Region (zentraler Dom im Os ilium, hinterer Pfeiler),

  4. d.

    Ilium-Defekte, welche die Auflage von Laschen oder Stützpfeilerplatten („buttress plates“) unmöglich machen,

  5. e.

    Beckendiskontinuitäten, die eine primärstabile Verankerung einer Pfanne unmöglich machen,

  6. f.

    insuffiziente Rekonstruktion von COR und Offset mit Standardimplantaten (oft Kranialisierung und Lateralisierung des COR durch die Verwendung übergroßer hemisphärischer Pfannen) [7],

  7. g.

    fehlende Primärstabilität eines komplexen modularen Konstrukts.

Die Entscheidung zum BTE wird aber letztlich immer von der Erfahrung und den Vorlieben des Operateurs beeinflusst.

Zu den Kontraindikationen gehören:

  • einzeitiger septischer Wechsel (da Verankerung in der Regel zementfrei, damit fehlende lokale Antibiose als wesentlicher Pfeiler der Infekttherapie),

  • persistierender Infekt im Operationsgebiet beim zweizeitigen Wechsel,

  • Unmöglichkeit des zweizeitigen Vorgehens (z. B. aufgrund von Narkoserisiken oder anderer Nebendiagnosen),

  • fehlende Compliance oder Bereitschaft des Patienten zum 6‑ bis 8‑wöchigen Intervall zwischen Aus- und Wiedereinbau,

  • dauerhaft zu erwartende Immobilität des Patienten.

Patientenaufklärung

Die Patientenaufklärung erfolgt anhand von entsprechenden Aufklärungsbögen „Hüft-TEP-Wechsel“ und muss einigen besonderen Aspekten Rechnung tragen:

  • Aufklärung über den Einsatz eines nicht-CE-zertifizierten Sonderimplantates im Sinne des „Compassionate Care“ trotz der prinzipiellen Verfügbarkeit zugelassener Standardimplantate,

  • Aufklärung über Modifikation des operativen Vorgehens nach intraoperativem Befund,

  • schlechtestenfalls Unmöglichkeit des erfolgreichen Operationsabschlusses,

  • zweizeitiges Vorgehen auch im aseptischen Fall zur besseren und sichereren Planung des Implantates,

  • prothesenfreies Intervall, ggf. mit Spacer oder Liner, dadurch nötige Entlastung der Extremität und ggf. resultierende Immobilisierung in dieser Zeit mit allen möglichen Komplikationen (Thrombose, Embolie, Dekubitus, Lungen- und Harnwegsinfekte, Pflegebedürftigkeit …),

  • Einwilligung des Patienten zur Weitergabe seiner Krankheitsdaten und Bildmaterial an die fertigende Firma (s. Anhang 1),

  • Mix-and-Match bei Verwendung von z. B. tripolaren Pfannenkomponenten, falls der Hersteller diese nicht bereitstellt.

Operationsvorbereitungen

  • Präoperative Diagnostik – Ausschluss einer periprothetischen Infektion

    • Punktion des Gelenkes mit Zellzählung und Differenzierung

    • Punktat zur mikrobiologischen Diagnostik mit Kultur und molekularbiologischer Diagnostik (Multiplex- oder 16S-Polymerase-Kettenreaktion [PCR])

    • Mikroskopie des Punktates

  • Bestimmung von Infektparametern im Serum, ggf. Fokussuche und -sanierung

    • Harnwege

    • Pulmonale Infekte

    • Zahnstatus

  • Patient Blood Management (PBM) zur Optimierung des präoperativen Status bei planbaren Eingriffen, spätestens vor der Reimplantation

  • Werden Implantate belassen (z. B. der Prothesenschaft), so müssen alle notwendigen Teile zur Revision beim Wiedereinbau verfügbar sein (passende Steckköpfe, Adapterhülsen, bei modularen Schäften alternative Halsteile, Verlängerungshülsen etc.)

  • Sozialdienst zur Regelung der Versorgung im prothesenfreien Intervall

  • Bei einliegenden Metall-Metall-Implantaten oder Konus-Steck-Verbindungen ggf. Kobalt- und Chromlevel im Serum des Patienten zum Ausschluss einer systemischer Metallose

  • Allergietestung zum Ausschluss von Unverträglichkeiten gegen verwendete Materialien

  • Regelung der Kostenübernahme mit den Kostenträgern, sofern kein ZE verhandelt wurde

  • Kontaktaufnahme mit einem geeigneten Hersteller zur gemeinsamen Planung und Herstellung des Implantates

Anästhesie und Lagerung

  • Intubationsnarkose mit zumindest zeitweiser Muskelrelaxation

  • Ausreichend Blutprodukte und ggf. Cell-Saver, wenn möglich

  • Epiduralkatheter zur intra- und postoperativen Schmerztherapie

  • Durchleuchtbarer Operationstisch (z. B. Karbontisch)

  • Lagerung für den jeweiligen Hüftzugang: Bewährt hat sich die Seitenlage auf einer Vakuummatratze, die ein posteriores, laterales oder anterolaterales Zugehen erlaubt

  • Abdeckung gemäß dem gewählten Zugang. Die Abdeckung sollte einen ilioinguinalen Zugang zum Komplikationsmanagement erlauben

Operationstechnik

(Abb. 1, 2, 3, 4 und 5)

Abb. 1
figure 1

Präoperative Bildgebung: Computertomographie (CT) b mit und a ohne Metallartefaktsupression (MARS). Die Voraussetzungen für ein Planungs-CT sind mit dem Hersteller abzusprechen. Im Allgemeinen sollte ein Planungs-CT folgende Punkte erfüllen: 1. Schichtdicke maximal 1 mm, 2. Metallartefaktsuppression (MARS), falls notwendig (einzeitiges Vorgehen, verbliebener Schaft), 3. Abbilden des gesamten Beckens inklusive der distalen Lendenwirbelsäule (LWS) und des proximalen Femurs, bei liegendem Implantat inklusive der gesamten Länge des einliegenden Prothesenschaftes. Die meisten modernen CT-Geräte erzeugen Schichten in einem Abstand von 0,75 mm oder weniger, jedoch werden oft, um Platz auf Servern und Datenträgern zu sparen, nur dann alle Daten auch exportiert, wenn dies der radiologischen Abteilung explizit mitgeteilt wird. Zur Planung reicht der Export der axialen Originalschichten im Knochenfenster, die multiplanare Rekonstruktion erfolgt in der Regel durch den Hersteller. Die Metallartefaktsupression ist keine besondere Aufnahmetechnik, sondern ein Software-Protokoll, mit dem die Bilder anschließend nachbearbeitet werden

Abb. 2
figure 2

Nativradiologische Übersichtsplanung anterior-posterior, sowie Prothesenplanung möglicher Alternativen. Nativradiologisch zeigt sich hier ein gelockertes und grob disloziertes Revisionsimplantat der linken Hüfte mit Up-and-in-Defekt. Zur Bewertung, ob ein Standardimplantat passen kann oder nicht, ist zusätzlich ein Röntgen antero-posterior (a.-p.) als Hüftübersicht durchzuführen und mittels geeigneter Planungssoftware zu analysieren (ab). Zusätzlich zur Planung von individuellen Implantaten wird durch diverse Hersteller die Planung von Revisionsimplantaten im CT angeboten, um alternative Versorgungsoptionen besser abwägen zu können (c, Quelle: Fa. Peter Brehm GmbH, Weisendorf)

Abb. 3
figure 3

3-D-gedruckte Beckenmodelle: In manchen Fällen kann es hilfreich sein, das CT auf einem handelsüblichen 3‑D-Drucker (in guter Qualität schon unter 500 € erhältlich, siehe a) selbst auszudrucken und ggf. mittels der Probeimplantate (b) des verfügbaren bzw. bevorzugten modularen Systems eine Versorgung zu simulieren. So kann oft besser erfasst werden, welche Limitationen sich in dieser Versorgung ergeben werden und ob ein sondergefertigtes Implantat nicht doch die bessere Wahl ist. Die Materialkosten für ein selbstgedrucktes Becken übersteigen selten 10 €, zur Segmentierung und Bearbeitung des CT-Datensatzes sind allerdings eine entsprechende Software-Lösung, technische Kenntnisse und Bearbeitungszeit notwendig

Abb. 4
figure 4

Ist die Datenqualität des CTs gut genug, können das alte Implantat (a), evtl. Reste von PMMA oder defektem Knochen (b orange) und die Grenzschicht zwischen Knochen und Implantat abgegrenzt werden und die Knochenresektion (c) und Lage des neuen Implantates (d) auch ohne vorherige Explantation geplant werden und damit ein einzeitiger Wechsel vorbereitet werden. Die Segmentierung ist sehr aufwendig und selbst in der Hand des erfahrenen Ingenieurs fehlerbehaftet. Verschätzt man sich in der Aufwendigkeit der Implantatentfernung und dem entstehenden Knochendefekt, so riskiert man, dass das Sonderimplantat nicht oder nicht optimal passt. Der zweizeitige Wechsel bietet dagegen eine weit höhere Planungssicherheit. (Quelle: Fa. Implantcast GmbH, Buxtehude)

Abb. 5
figure 5

Wird das alte Implantat (a, dislozierte und lockere Revisionsschale) in einer ersten Operation entfernt, so kann defekter Knochen direkt entfernt und eine geometrisch klar definierte Defektgrenze hergestellt werden. Die Planung wird dadurch sehr erleichtert, und bei der Reimplantation sind idealerweise kaum noch knöcherne Präparationen notwendig. Der präparierte Defekt kann durch die Verwendung von PMMA-Spacern, großen PE-Linern oder großen Duoköpfen (Beispiel b) auf einem evtl. belassenen Schaft vor weiteren Defekten im prothesenfreien Intervall geschützt werden. Geringfügige Änderungen am Knochen müssen allerdings im Rahmen der 6‑ bis 8‑wöchigen Fertigungszeit erwartet werden

Soll ein Fall zum BTE evaluiert oder geplant werden, so sind im ersten Schritt einem gewählten Hersteller die Bilddateien zusammen mit allen relevanten klinischen Angaben (Krankheitsverlauf, einliegendes Implantat, Größe, Gewicht und Aktivitätslevel des Patienten) zur Verfügung zu stellen. Welcher Hersteller gewählt wird, ist eine subjektive Entscheidung und hängt neben z. B. noch im Patienten verbliebenen Implantatkomponenten, Lieferverfügbarkeit im gewünschten zeitlichen Rahmen v. a. von der Erfahrung und Bewertung der einzelnen Hersteller ab. Wir empfehlen, die ersten Implantate von stets demselben Hersteller planen zu lassen und zu beziehen, um eine gemeinsame Lernkurve zu ermöglichen. Bei hoher Auftragsdichte oder um die eigene Erfahrung zu verbreitern, können später andere Lieferanten einbezogen werden.

Fast alle Hersteller bieten entsprechende Upload-Portale und Online-Dashboards zur Verwaltung der Fälle und zur Verfolgung des Planungsprozesses an. Das Einverständnis des Patienten ist aus Datenschutzgründen vorher einzuholen und schriftlich zu dokumentieren (s. Anlage 1, „Einverständnis zur Datenübermittlung Individualimplantat“). Zu Beginn einer Planung sollte mit dem Hersteller geklärt sein, wie lange die erwartete Fertigung dauert, wie die Daten übermittelt werden sollen und wie der eigentliche Planungsprozess und die Kommunikation mit dem Ingenieur erfolgen sowie ggf. der erwartete Preisrahmen für das Implantat und mögliche Modelle und Schablonen.

Einen Patientenfall mehreren Herstellern simultan zur Planung zu übersenden ermöglicht zwar Vergleiche der Planungen und Konstruktionen untereinander und letztlich auch einen Preisvergleich der Hersteller gegeneinander, verursacht aber andererseits erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand aufseiten der Hersteller. Wird diese Möglichkeit überreizt, so darf es nicht verwundern, wenn seitens des Herstellers irgendwann schon für die bloße Planung ein Kostenvoranschlag gesendet wird und die interne Priorisierung der übersendeten Fälle sinkt.

(Abb. 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 und 28)

Abb. 6
figure 6

Gemeinsame Entwurfsplanung – Die Kommunikation ist durch die Möglichkeiten von Videokonferenzen und digitalen Planungsplattformen gleich einem Bildbearbeitungsprogramm (in a beispielhaft der Fa. Implantcast), wesentlich vereinfacht, und es wird empfohlen, zumindest teilweise diese Medien zu nutzen. Bei einem eingespielten Team kann so innerhalb von 1 bis 2 Sitzungen ein fertiger Planungsentwurf realisiert werden. Primär wird am segmentierten Beckenmodell das COR bestimmt. Dies kann z. B. im Vergleich zur Gegenseite erfolgen. Anschließend wird, ausgehend vom COR, eine möglichst große Pfannenzirkumferenz geplant, ohne vitales Knochengewebe zu gefährden. Residuale Defekte werden mit metallischer Augmentation aufgefüllt. b Operateur und Ingenieur prüfen gemeinsam z. B. in einem Videomeeting anhand des virtuellen Modells, welche Fixationsmethoden realistisch sind und insbesondere in welchen Bereichen eine ausreichende mechanische Stabilität erzielt werden kann. Zu berücksichtigen sind die geplante Einbringrichtung, der operative Zugang, die Lagerung und die ggf. sperrenden Weichteile. Der Zeitaufwand für die Planung sollte sich innerhalb von 1 bis 2 Wochen bewegen, um das Ziel von 6 bis 8 Wochen Gesamtzeitaufwand zu ermöglichen

Abb. 7
figure 7

Im ersten Schritt gilt es, die Pfannenposition so festzulegen, dass das Center-of-Rotation (COR) wiederhergestellt wird, entweder anhand noch vorhandener anatomischer Landmarken oder durch Spiegelung der Gegenseite (a). Um dieses COR wird der größtmögliche Pfannengrundkörper geplant (b, blau). Der verbliebene Defekt (c, grün) wird bis an die Knochengrenze mit entsprechend konfigurierten Augmenten aufgefüllt. Die Fusion dieser Teile ergibt den fertigen Grundkörper des BTEs (d). Die korrekte Planung des COR minimiert das Risiko für unerwünschte Beinlängendifferenzen post operationem. (Abbildung der Fa. Peter Brehm GmbH, Weisendorf)

Abb. 8
figure 8

Ist die Pfannenposition definiert, so müssen Art und Design der metallischen Augmentation festgelegt werden und damit auch, wo und welche Art der Verklemmung („Press-fit“) beabsichtigt ist – vereinfachend: Wird der Knochen dem Implantat oder das Implantat dem Knochen angepasst. Bei der Präparation kann mit hemisphärischen Fräsen in der Hauptbelastungszone der Defekt bereinigt, geglättet und in eine annährend hemisphärische Form gebracht werden, um die Auflagefläche des Implantates und den Anschluss an den gesunden Knochen zu maximieren (a: 3 überlappende Hemisphären definieren den Defekt geometrisch eindeutig und werden ausgefräst). Will man aufgrund der z. T. großen Defekte nicht das Risiko eines weiteren Knochenverlustes in der Hauptbelastungszone eingehen, so kann der Defekt in seiner ursprünglichen, irregulären Geometrie belassen und das Implantat entsprechend so konstruiert werden. Es wird dann in der Regel nur der Platz für den Pfannenkörper hemisphärisch ausgefräst (b–d). Es bleibt dann bei der Reimplantation und evtl. nötigen Freihandpräparationen ein gewisses Risiko, dass das Implantat nicht perfekt anliegt. Auch der Kontakt zu Os pubis und ischii ist zu diskutieren. Der Vorteil des Kontaktes ist das größere Potenzial zum Anwachsen bei besserer Rekonstruktion des COR. Die Implantation ist allerdings herausfordernder, da ein geringerer Spielraum während der Implantation und im Hinblick auf die Einbringebene besteht. (Abbildung der Fa. LimaCorporate S.p.A., Udin, Italien)

Abb. 9
figure 9

Verankerung im lasttragenden Bereich mittels Pfahlschrauben: Die Hauptverankerung des BTEs erfolgt in der Regel entlang dem Hauptbelastungsvektor ins Ilium. Bei der Domverankerung mit langen und dicken Schrauben soll der Hauptbelastungsvektor an der Hüfte durch das Implantat überbrückt werden. Hier wird in der Regel ein Schraubendurchmesser von mindestens 6,5, besser 8 mm angestrebt, dessen Kerndurchmesser Richtung Implantat z. T. noch mal ansteigt – dickere Schrauben bedeuten höhere axiale Ausreißkraft: Die im Querschnitt auftretende Spannung ist reziprok-proportional zur Querschnittfläche. Diese wiederum ändert sich im Quadrat zum Durchmesser. Somit sinkt die auftretende Spannung im Quadrat der Durchmessersteigerung. Eine 8‑mm-Schraube hat gegenüber einer 6,5 mm dicken Schraube je nach Kerndurchmesser einen um den Faktor 1,5 bis 2,3 höheren Querschnitt. Somit kann diese Schraube eine um etwa 50–200 % höhere Kraft aufnehmen. Das maximale Biegemoment verdoppelt bis vervierfacht sich. Durch die Elimination des schwächsten Punktes am Implantat sollten diese Schrauben möglichst lang gewählt werden, um im Verlauf des Os ilium die Last bis zum Os sacrum zu transportieren. Eine winkelstabile Verblockung der Schrauben erhöht zusätzlich die Stabilität und verringert Relativbewegungen des Implantates am Schraubenkopf sowie ein mögliches Kippen oder Rotieren des Implantates um die Schraube. Lage, Länge und Durchmesser der Schrauben werden im Modell geplant (a), die postoperative radiologische Kontrolle bestätigt die passgenaue Lage im Knochen (b). (Bild a: Fa. Peter Brehm GmbH, Weisendorf)

Abb. 10
figure 10

Das gleiche Prinzip der Domverankerung im Hinblick auf den Hauptlastvektor kann auch über einen Darmbeinzapfen (a1) oder einen Sockel bzw. Schaft gelöst werden. Dieser ist in aller Regel modular ausgestaltet, um ihn unabhängig von der Einbringebene des BTE implantieren zu können. Der Zapfen hat häufig einen minimalen Querschnitt von 9 mm und eine bearbeitete Oberfläche. Diese wird häufig ebenfalls makroporös ausgestaltet, um ein maximales Einwachsverhalten zu erzielen. Die Länge sollte zur Lastübertragung wieder bis auf Höhe des Sakrums reichen. Aufgrund der fehlenden Gewinde ist ein modularer Schaft in aller Regel über eine Konterschraube zu sichern (b, gelbe Konterschraube mit Verblockung im Zapfen und in der Schale). Es wird empfohlen, wenn möglich einen Schaft mit Innengewinde zu verwenden, um im Falle einer möglichen Revision die Option auf eine komplikationsarme Explantation zu wahren. Schrauben im Pfannendom (3 und 4) sowie Laschenschrauben (2) ergänzen das Konstrukt und die postoperative Röntgenkontrolle (c) bestätigt die korrekte Implantatlage. (Bilder a und b: Fa. Peter Brehm GmbH, Weisendorf)

Abb. 11
figure 11

Einbringen des Sockels per perkutaner Inzision am Oberschenkel. Bei sehr langen Zapfen und adipösen Patienten kann zum Einbringen des Zapfens selten eine zusätzliche Inzision am Oberschenkel nötig werden. Die Planung des Eintrittwinkels (a) kann im Vorfeld zeigen, aus welcher Richtung gebohrt werden muss (b). – Gewebeschutzhülsen z. B. vom proximalen Femurnagel können genutzt werden, um den Kanal perkutan zu präparieren und den Zapfen einzuschlagen (c). d Endgültiges Resultat im Röntgen

Abb. 12
figure 12

Oberflächenmodifikationen zur ossären Integration – moderne BTE verfügen in der Regel über eine besondere Bearbeitung der knochenzugewandten Oberflächen. Diese dient der Langzeitstabilität durch das erhöhte Einwachsverhalten. Makroraue, trabekelähnliche Strukturen erhöhen die Einwachsrate, können aber das Einbringen des Implantates erschweren und Weichteile irritieren, wenn die knöcherne Bedeckung fehlt. Bei entsprechender Integration ist eine evtl. Revision zudem erschwert und der Knochenverlust erhöht. Die dafür notwendige Materialstärke liegt bei etwa 2 mm für die makroporöse Struktur (b und rechtes Implantat in a) und weiteren ca. 4 mm für den darunterliegenden tragenden Metallkörper, die Beschichtungen stellen hohe Anforderungen an die Fertigung. Die Behandlung mit Titan-Plasmaspray oder Raustrahlung des Implantates (in a die beiden linken Implantate) erzeugt eine Sandpapier-ähnliche Struktur, an die der Knochen anwachsen kann, und ist zudem einfacher und platzsparender aufzubringen, dies stellt somit eine gute Alternative dar

Abb. 13
figure 13

Eine HA- oder TCP Beschichtung von makroporösen Strukturen (b) wird bereits in der Planung (a) berücksichtigt und kann auf Wunsch erfolgen, hat sich aber auch aufgrund des zusätzlichen Zeitaufwandes bei den Autoren nicht durchgesetzt und sollte ausgewählten Fällen mit ausreichendem Zeitbedarf vorbehalten werden. (Quelle: Fa. Implantcast GmbH, Buxtehude)

Abb. 14
figure 14

In aller Regel wird mindestens eine iliakale Lasche, meist alleinig als „Monoflange“ verwendet. Dieser sollte so gestaltet sein, dass eine ausreichende Auflage auf stabilem Knochen erzielt wird, um die Positionierung des BTE zu ermöglichen. Eine definierte Lagebeziehung zu sicheren Strukturen (Landmarks) wie der Inicisura ischiadica oder der Spina iliaca anterior superior ist dabei hilfreich. Die minimale Länge der iliakalen Lasche über den Defekt hinaus wird von den Autoren als 2 cm angesehen (a) – längere Laschen (c) erfordern ein Abschieben der glutealen Muskulatur vom Os ilium und erzeugen einen längeren Hebelarm, der sich als Zugkraft auf die hier befestigten Schrauben auswirken kann. Ob ein ergänzendes Abtragen von z. B. Resten des oberen Azetabulum-Erkers notwendig ist oder die Lasche darüber gesetzt werden kann (b), sollte im Einzelfall entschieden werden. Allerdings stellen jegliche „Freihand“-Präparationen eine erneute Fehlerquelle in der Implantation dar. (Quelle: Fa. Peter Brehm GmbH, Weisendorf)

Abb. 15
figure 15

In seltenen Fällen kann es sinnvoll oder notwendig sein, den Flange modular zu gestalten (a), insbesondere wenn der Zapfen in der Hauptbelastungszone nicht modular ist und mit der Pfanne eingeschlagen wird. Die Lasche kann dann unter die gluteale Muskulatur eingeschoben werden. Die Verbindung des Flanges mit dem Implantat erfolgt über Steck-Konus-Verbindungen oder über M‑Schrauben (b), die drehmomentkontrolliert eingebracht werden. Die Schrauben im Flange werden durch sparsame Inzision durch den Muskel eingebracht. (Quelle: LimaCorporate S.p.A., Udine, Italien)

Abb. 16
figure 16

Ältere Designs von BTEs wurden oft als Triflange-Konstrukte entwickelt (a radiologische Darstellung, b das gleiche Implantat nach Explantation bei Re-Infekt). Der Vorteil ist die Abstützung am unteren Beckenring und eine sicherere Positionierung des Implantates im dreidimensionalen Raum. Allerdings ist eine deutlich größere Exposition des Beckens notwendig mit chirurgischer Präparation nahe den Leistengefäßen (Os pubis) und des N. ischiadicus (Os ischium). Nach Auffassung der Autoren ist aufgrund der primären Krafteinwirkung in Richtung des Os Ilium die proximale Fixation wichtiger und rechtfertigt nicht den zusätzlichen Aufwand und das Weichteiltrauma für ein Triflange-Konstrukt

Abb. 17
figure 17

Bei der Gestaltung der Flanges sollte gleichzeitig auf die Anzahl der dort verwendeten Flange-Schrauben und deren Dicke sowie Platzierung geachtet werden. Häufig werden 2 bis 4 Schrauben für ein Flange am Os ischium geplant, 1 bis 2 im Bereich des Os pubis und 2 bis 10 im Bereich des Os ilium (b). Bei der Planung sollte der Einbringwinkel für Bohrer und Schrauben und ggf. Raumkonflikte mit den Pfannendomschrauben im Ilium (b) berücksichtigt werden. Die Schraubendicke ist in aller Regel 6,5–8 mm, und die Länge für Flangeschrauben richtet sich nach der Ausrichtung. Für Schrauben, die quer zum Knochen verlaufen, sollte eine bikortikale Lage angestrebt werden, für Schrauben, die intramedullär liegen, eine Länge im Knochen von mindestens 30 mm. (Fa. Peter Brehm GmbH, Weisendorf)

Abb. 18
figure 18

Die Laschen- und Domschrauben können bei einigen Herstellern winkelstabil geplant werden, z. B. durch Kopfgewinde, die im Implantat greifen (a) oder Kontermuttern über den Köpfen (b). Dafür muss jedoch in der Regel die Schraube orthograd in das Implantat eingebracht werden oder eine Sicherungskappe geplant werden mit ggf. höherer Materialstärke an dieser Stelle sowie zusätzlichem Zeitaufwand. Der Stabilitätsgewinn ist nach Auffassung der Autoren als geringer zu bewerten als z. B. in der klassischen Plattenosteosynthese, da sich aufgrund der mehrdimensional kreuzenden Schrauben und Fixationsrichtungen bereits eine hohe Primärstabilität ergibt. Jedoch wird die Gefahr einer mögliche Lockerung und des Zurücklaufens der Schrauben minimiert

Abb. 19
figure 19

Eine besondere Bedeutung kommt den Schrauben im iliakalen Flange zu, wenn diese transiliosakral (rot in a) und b) geplant werden. Durch die Verankerung in SWK 1 oder SWK 2 kann eine zusätzliche Stabilisierung erreicht werden, und neutralisierende Kräfte können zu einem Einkippen der Pfanne nach medial erreicht werden. Fehlt zudem im Sinne der Diskontinuität des Beckens eine kaudale Aufhängung des Implantates, so hilft die transiliosakrale Verschraubung, konsekutive Instabilitäten des ISGs zu vermeiden (kein „Aufklappen“ in der ISG-Fuge bei entsprechender Verschraubung möglich). Das Risiko von Nervenkompressionen durch Schraubenfehllage muss bedacht werden, und die Planung sollte einen gewissen Sicherheitsabstand zu den Neuroforamina berücksichtigen.c Die postoperative Röntgenkontrolle bestätigt die korrekte Lage der Schrauben und des Implantates (Bilder a und b: Fa. Peter Brehm GmbH, Weisendorf)

Abb. 20
figure 20

Liegt die ISG-Schraube weit außerhalb des eigentlichen Situs, kann für die Implantation eine Bohrlehre ggf. ein minimal-invasives Vorgehen erlauben, um den Ursprung der glutealen Muskulatur zu schonen. (Fa. Implantcast GmbH, Buxtehude)

Abb. 21
figure 21

Alternativ zu einem vollständigen Triflange-Konstrukt können auch Schrauben von der Pfanneninnenseite in das Os ilium (grün/türkis/pink), Os pubis (rot) und Os ischium (blau) platziert werden. Diese sind in aller Regel intraossär für das Os pubis und Os ilium oder ggf. monokortikal im Os ischium geplant. Der Wert für die Gesamtstabilität sollte nicht überinterpretiert werden – Eintrittswinkel und maximale Länge werden durch das Einbringen von pfannenseitig limitiert. Schraubenoptionen können stets mit geplant werden und bieten eine gute Möglichkeit der intraoperativen Lagekontrolle des BTE oder zur temporären Fixation des Implantates, bis die lasttragenden Domschrauben fixiert sind. PSIs oder Lasermarkierungen auf dem Implantat können bei der korrekten Positionierung der Schrauben hilfreich sein. (Fa. Implantcast GmbH, Buxtehude)

Abb. 22
figure 22

Bei der Implantatpositionierung und Rekonstruktion des geplanten COR kann ein Haken im Bereich des Foramen obturatum (a–c) bzw. im Bereich des ehemaligen Lig. transversum acetabuli sinnvoll sein. Hierbei ist auf das knöcherne Freilegen in diesem Bereich intraoperativ und auf die geplante Einbringebene zu achten. Eine Schraube in den Ramus superior ossis pubis (d) kann eine ähnliche Aufgabe erfüllen: Wird ein K‑Draht in der korrekten Flucht eingebracht und das Implantat mit einer dort vorgesehenen Bohrung über den Draht platziert, so ist die Positionierung des Implantates hierdurch eindeutig definiert. (Fa. Peter Brehm GmbH, Weisendorf)

Abb. 23
figure 23

Aufgrund des größeren Muskeltraumas und einer konsekutiv erhöhten Luxationsgefahr empfehlen die Autoren die Verwendung tripolarer Pfannensysteme. Einige Hersteller bieten geschliffene Innenflächen, in die ein gewünschtes Insert eingebracht werden kann, andere erfordern, dass eine entsprechende PE- oder Dual-Mobility-Pfanne einzementiert werden muss. Vor dem Einzementieren eines Implantates sollten alle Schraubenköpfe mit Knochenwachs versiegelt werden, um ein Eindringen von PMMA zu vermeiden und eine eventuelle Revision der Schrauben zu ermöglichen. Für tripolare Pfannen ist ein Innenmindestdurchmesser von 48 mm notwendig, um eine 44er-Pfanne einbringen zu können – ein zu schmaler PMMA-Saum gefährdet nicht nur die Verankerung, sondern macht auch eine Revision fast unmöglich. 28-mm-Köpfe kommen meistens ab 48 mm Durchmesser der tripolaren Pfanne zum Einsatz (nötiger Innendurchmesser dann 52 mm)

Abb. 24
figure 24

Bei einer Beckendiskontinuität (a), die häufig bei diesen ausgedehnten Defekten vorliegt, wird wiederholt über den Beckenringschluss diskutiert. Da die Beckendiskontinuität in aller Regel nicht frisch, sondern chronisch ist, halten die Autoren eine ergänzende Plattenosteosynthese nicht für sinnvoll. Die zusätzliche Operationszeit und das Muskeltrauma können das Gesamtergebnis verschlechtern. Ein Beckenringschluss mit dem BTE als Überbrückung (Planung b, mit Schrauben) ist wiederholt versucht worden, wird aber von den Autoren zunehmend kritisch gesehen, da die Stabilität und Vitalität des inferioren Beckenringes häufig nicht ausreichend ist, um einen langfristigen Beckenringschluss zu ermöglichen. Daher resultieren häufiger Probleme durch die dort verwendeten Schrauben mit Lockerung (im nativen Röntgenbild c anhand des Saumes gut zu sehen) und Schmerzen im Os ischium und Os pubis. Umso wichtiger ist daher die kraniale Fixierung des Implantates, die auch bei fehlender knöcherner Abstützung alle wirkenden Kräfte neutralisieren muss. Ist dies gewährleistet, so ist nach Auffassung der Autoren ein Beckenringschluss auch in der Diskontinuität nicht erforderlich. (Bilder a und b: Peter Brehm GmbH)

Abb. 25
figure 25

Aufgrund der komplexen Defekte und der Notwendigkeit einer Einbringebene kommt es im Rahmen der Planung zu Hinterschnitten. Die daraus resultierenden Hohlräume oder aber auch mögliche Pfannenbodendefekte können durch Allograft und/oder keramischen Knochenersatz, ggf. gemischt mit einem lokalen resorbierbaren Antibiotikaträger, im Sinne eines „impaction bone grafting“ aufgefüllt werden. Es sollte darauf geachtet werden, dass dabei kein Knochenmaterial in Bereiche kommt, die das Positionieren des BTE erschweren können. Verschließbare Öffnungen im Pfannenboden (a, weiß) können die Augmentation nach Implantation des BTEs erlauben, ohne dessen Positionierung zu kompromittieren. Der transplantierte Knochen ist im Röntgen (b) hinter der Pfanne gut sichtbar, und kann im Laufe der Zeit wieder zu intaktem Knochen remodellieren. (Bild a: Peter Brehm GmbH)

Abb. 26
figure 26

Für die nachfolgende Implantation ist ein Becken- und Implantatmodell sinnvoll. Hilfreich für die Implantation ist dabei insbesondere ein 1:1-Modell des Beckens vor und nach Präparation, so können anatomische Landmarken besser identifiziert und in situ abgeglichen werden. Die Modelle können von einigen Herstellern zumindest als Hemipelvis auch steril geliefert werden und stehen zum Abgleich am Tisch zur Verfügung. Ergänzend dazu wird häufig ein 1:1-Modell des BTE angeboten, um sich als Operateur einen vollständigen Eindruck zu verschaffen, wie das Implantat in Bezug auf das Becken zu liegen kommen soll. Im Falle eines sterilen Implantatmodells kann dies auch als Probeimplantat verwendet werden

Abb. 27
figure 27

Sonderinstrumentarium: Neben allen üblichen Instrumentarien für einen Hüft-TEP-Wechsel müssen ggf. weitere Sonderinstrumente zur Verfügung stehen, dazu gehören z. B. übergroße Fräsen (c), passende Bohrhülsen (b), starre Bohrer und Kardanbohrer in verschiedenen Längen und Stärken, Längenmesser, Tastsonden und Einschläger (a). Schaftseitig muss das passende Instrumentarium für den noch einliegenden Schaft bereitgestellt sein, einschließlich entsprechender Adapterhülsen für den Aufsteckkopf, andernfalls geeignete Instrumente für einen möglichen Schaftwechsel. Soll eine tripolare Pfanne eingesetzt werden, so ist hier ebenfalls das geeignete Instrumentarium nebst Probeimplantaten bereitzuhalten

Abb. 28
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Bohrlehren sollten nach Möglichkeit immer mit geplant werden. Die Bohrlehren können am Knochen selbst referenziert sein (a) oder werden in den liegenden BTE eingesetzt und geben die Bohrrichtung und -länge für die Schrauben vor (b). Dabei sollte darauf geachtet werden, dass für eine Bohrlehre immer eine minimale Aufbauhöhe erfolgt und daher eine sichere Auflage mit minimaler Führungshöhe gewünscht ist. In manchen Fällen ist es sinnvoll, mehr als eine Bohrlehre zur Verfügung zu haben, um gerade bei schwierigen Weichteilverhältnissen oder z. B. einer iliosakralen Fixation ausreichende Möglichkeiten zur Anlage der Bohrlehre zu haben. (Bild a: Fa. Peter Brehm GmbH, Bild b: implantcast GmbH)

Zugangswege

Der Zugangsweg sollte, wenn möglich, dem bereits vorbestehenden entsprechen, aber auch eine gute Exposition der notwendigen knöchernen Grenzen ermöglichen, die für die Implantation dargestellt werden müssen. In aller Regel kann ein BTE über einen anterolateralen, lateralen oder posterioren Hüftzugang implantiert werden. Die Bohrrichtung der Schrauben sollte dem Zugang entsprechend gewählt werden.

Intraoperative Bildgebung

Die individuelle Passform des Implantates, kombiniert mit entsprechenden Modellen und Bohrschablonen, macht die Implantat- und Schraubenpositionierung im Vergleich zu Standardimplantaten eher leichter. Trotzdem sollte für die korrekte Positionierung des Implantates und der Schrauben die Möglichkeit zur intraoperativen Bildgebung obligat vorhanden sein (C-Bogen, Bildverstärker). Bei Lagerung und Abdeckung muss darauf geachtet werden, dass alle gängigen Ebenen (Becken anteroposterior, Inlet- und Outlet-Aufnahme, Hüfte axial nach Lauenstein sowie Ala- und Obturator-Zielaufnahme) eingestellt werden können. Ein 3‑D-Bildverstärker kann eingesetzt werden, sofern dieser vorhanden ist, ist aber nicht zwingend notwendig – alle hier vorgestellten Fälle aus beiden Zentren wurden ohne 3‑D-Bildverstärker operiert.

Postoperative Behandlung

Die postoperative Behandlung unterscheidet sich nicht wesentlich von der Behandlung einer normalen Hüftpfannenrevisionsoperation:

  • nativradiologische Kontrolle der Implantatlage,

  • großzügige Indikation zum postoperativen CT zur Kontrolle der Schraubenlage; ein Abgleich der Bilder mit der Planung verbessert zudem die zukünftige Planung,

  • Vollbelastung, wenn vertretbar,

  • Vermeiden von Extrembelastungen für 3 Monate,

  • Restriktion der Hüftflexion auf 60° und der IRO/ARO für 6 Wochen,

  • Kontrolle der Mikrobiologie und Pathologiebefunde,

  • Kontrolle Röntgen nach 6 bis 12 Wochen,

  • Thromboseprophylaxe für 4 bis 6 Wochen.

Erfolgt die Reimplantation des Sonderimplantates im Rahmen der zweiten Operation eines zweizeitigen, septischen Wechsels, so ist hinsichtlich der antibiotischen weiteren Therapie postoperativ eine antibiogrammgerechte und biofilmwirksame Antibiose fortzusetzen; Bei aseptischen Revisionsgründen gibt es keine Evidenz hinsichtlich einer längeren antibiotischen Therapie jenseits der perioperativen Prophylaxe für maximal 24 h [8], wenn intraoperativ kein Hinweis auf einen Infekt besteht.

Fehler, Gefahren, Komplikationen

Der gesamte Planungs- und Fertigungsprozess eines individuellen Beckenteilersatzes stellt aufgrund der potenziellen Unsicherheiten und möglicher Fehler nur eine Näherung an die reellen Gegebenheiten dar. Diese beginnt mit der Erstellung eines CT-Abbildes vom Becken, dem Sequenzieren eines knöchernen 3‑D-Modells aus diesem Planungs-CT und dem nachfolgenden digitalen Planen eines BTE mit anschließender Fertigung und dann Implantation mit dem geplanten Zugangsweg unter Schonung von Muskulatur, Gefäßen und Nerven und der individuellen Physiognomie des Patienten. Fehler werden vermieden durch ein ausreichend erfahrenes Team in der Planung und Durchführung der Operation; ggf. sollte, insbesondere in den ersten Fällen, von extern ein erfahrener Kollege oder eine erfahrene Kollegin hinzugezogen werden.

Liegen zwischen Planungs-CT und Beginn der Fertigung oder zwischen Fertigung und Reimplantation mehr als ein paar Wochen, so kann sich der knöcherne Defekt signifikant verändert haben. Ein neues CT vor Reimplantation kann zum Abgleich mit dem bereits geplanten oder sogar schon gefertigten Implantat dienen und zeigen, an welchen Stellen nachpräpariert werden muss oder wo und inwieweit die Passgenauigkeit kompromittiert ist.

Eine Beurteilung der Knochenqualität ist im CT nicht immer sicher möglich, besonders wenn verbliebenes Implantatmaterial zu Artefakten und Überlagerungen führt. Eine Fehleinschätzung hinsichtlich der Knochenqualität kann die primärstabile Verankerung deutlich erschweren. Redundante Verankerungsmöglichkeiten (Lasche, Schraube, Darmbeinzapfen) in verschiedenen Positionen helfen, dieses Problem abzufangen.

Die weite Exposition der Beckenaußenseite birgt die Gefahr von Verletzungen der Gefäße, insbesondere der Aa. gluteae und des N. ischiadicus. Die Erfahrung des Operateurs und die genaue Planung des Implantates in Bezug zu diesen Strukturen helfen hier, Komplikationen zu vermeiden. Ein gefäßchirurgisches Back-up ist trotzdem empfehlenswert.

Das Einbringen langer Schrauben durch das Becken kann auch bei geringer Gradabweichung des Eintrittswinkels zu einer intrapelvinen Schraubenlage führen mit Beschädigung großer Gefäße (A./V. iliaca) und Nerven (Plexus sacralis). Gründliche radiologische Kontrolle in mehreren Ebenen hilft, die Bohrer- und Schraubenlage zu verifizieren (Inlet, Outlet, Ala, Obturator, AP und lateral), der Patient sollte entsprechend auf einen durchleuchtbaren Tisch gelagert sein. Die sterile Abdeckung ist zudem so zu wählen, dass ein Zugang zu diesen Gefäßen, z. B. durch einen LeTournel-Zugang, rasch und jederzeit möglich ist.

Insbesondere bei langem prothesenfreiem Intervall kann die Rekonstruktion der Beinlänge schwierig sein. Insgesamt planen wir im überwiegenden Teil der Fälle mit einer anatomischen Rekonstruktion des Rotationszentrums azetabulär. Wird der Schaft nicht mit gewechselt, so ist mitunter ein umfängliches femorales Release nötig, um nach langer Girdlestone-Situation eine Reposition überhaupt zu ermöglichen. Neben trotzdem verbleibenden Unterschieden in der Beinlänge gehören neurologische Traktionsschäden zu den Risiken dieses Vorgehens.

Weitere typische postoperative Komplikationen sind die Gelenkluxation und die periprothetische Infektion. Das Risiko für Ersteres kann durch die Verwendung tripolarer Pfannen und eine korrekte Pfannenpositionierung sowie ggf. die Verlängerung des femoralen Offsets mit entsprechenden Kopfadaptern minimiert werden. Zur Infektionsprophylaxe sollten alle Maßnahmen ergriffen werden, die auch in der Revisionsendoprothetik Einsatz finden. Zudem sind die Operationsdauer und der Weichteilschaden durch ein erfahrenes Operationsteam auf ein minimal Nötiges zu reduzieren [1].

Ergebnisse

Im Zuge der retrospektiven Auswertung zweier großer Revisionszentren wurden alle Planungen und Implantationen von BTEs von 2019 bis 2022 analysiert. Von insgesamt 98 geplanten und zur Fertigung freigegebenen Implantaten wurden 95 implantiert, relativ gleich verteilt auf beide Zentren (1: 49 Stck, 2: 46 Stck); Eine Patientin ist vor der Reimplantation verstorben, eine Patientin entschied sich gegen die Reimplantation, der dritte Patient zeigte keine hinreichende Infektkonsolidierung und wurde als Girdlestone-Hüfte belassen.

Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 68,4 Jahre (StdAbw ± 13,5; Range: 30–88); 71 % (n = 68) der Patienten waren weiblich. In 35 Fällen war der Grund für den Prothesenwechsel ein periprothetischer Infekt, in 49 Fällen eine aseptische Lockerung; in den verbliebenen 11 Fällen lagen andere Gründe vor (Frakturen, Deformitäten etc.). Primäre Knochentumorbehandlungen sind in dem analysierten Kollektiv explizit ausgeschlossen worden, da hier maßgeblich andere Kriterien für die Planung und Operation zum Tragen kommen (Resektionsgrenzen etc.).

Insgesamt wurden BTEs von 5 verschiedenen Herstellern geplant und implantiert (Peter Brehm, implantcast, Lima Promade, AQ-Implants und Link), wobei der überwiegende Anteil der Implantate von den ersten beiden Herstellern stammte. Von diesen wurde ausgewertet, wie viel Zeit zwischen Bereitstellung der Bilder bis zur Implantation verging, im Durchschnitt waren dies 73,2 Tage (StdAbw ± 34,3 Tage, Range: 22 bis 226 Tage). Zahlreiche Faktoren können diesen Wert beeinflussen, jedoch zeigt sich, dass mindestens 3 Wochen (in der Regel ohne Beschichtung und mit unsteriler Lieferung) und durchschnittlich 6 bis 14 Wochen bis zur Reimplantation veranschlagt werden sollten.

Hinsichtlich der Kosten der Implantate wurde keine vollständige Analyse durchgeführt. In unserer Erfahrung ist ein Bruttopreis von 9000 bis 12.000 € für das Implantat zu erwarten. Je nach Hersteller werden Planungsaufwand, Modelle, PSIs, Operationsbegleitung, Leihinstrumente etc. getrennt berechnet oder als Paketpreis in Rechnung gestellt. Die Verhandlung eines entsprechenden krankenhausindividuellen Zusatzentgeltes, z. B. über den OPS-Code 5‑785.4d, ist zur kostendeckenden Erbringung der Leistung absolut empfehlenswert.

Abb. 29
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Verwendete Fixationsmechanismen bei n = 95 implantierten Beckenteilersatz-Implantaten

Die Abb. 29 zeigt, welche Methoden der Fixation wie häufig angewendet wurden. Im überwiegenden Teil der Fälle wurden eine iliakale Lasche (N = 94) und eine oder mehrere Domschrauben (N = 86) eingesetzt; in 20 Fällen kam anstelle oder zusätzlich zur Domschraube ein modularer Zapfen oder Schaft zum Einsatz. Eine zusätzliche Fixierung im Schambein oder im Sitzbein wurde in knapp zwei Drittel der Fälle (N = 60) benutzt, hier aber mit deutlicher Präferenz eines der Zentren. Im Gegenzug wurde die zusätzliche Verwendung eines Hakens im Foramen obturatorium (N = 14) relativ exklusiv im anderen Zentrum verwendet. Transiliosakrale Schrauben kamen relativ selten zum Einsatz (N = 14), ebenso wurde sehr selten auf zusätzliche Laschen auf Sitz- oder Schambein im Sinne eines Triflanges zurückgegriffen (N = 6).

Alle Implantate wiesen eine Oberflächenmodifikation der Knochenkontaktflächen auf: In 41 Fällen war das Implantat rau gestrahlt, in den übrigen 54 Fällen kam eine makroraue bzw. trabekuläre Struktur zum Einsatz. TCP- oder HA-Beschichtungen wurden in diesem Kollektiv nicht verwendet.

Die Schnitt-Naht-Zeit für die Implantation betrug im Durchschnitt 240,9 min (StdAbw ± 64,1 min, Range: 113–490 min), und die Patienten waren im Durchschnitt 18 Tage (± 10,2 Tage, Range 6 bis 43 Tage) stationär.