Vorbemerkungen

Kurzschäfte haben in der primären Hüftendoprothetik in den vergangenen Jahren insbesondere in Europa stetig an Popularität gewonnen. Bereits heute liegt der Anteil der in Deutschland implantierten Kurzschäfte bei über 10 % aller primären Hüft-Totalendoprothesen(TEP)-Versorgungen [1].

Mit der zunehmenden Zahl an implantierten Kurzschäften, häufen sich jedoch auch Komplikationen mit dieser Art von Implantaten, und auch die Revisionsoperationen von Kurzschäften geraten zunehmend in den Fokus [2].

Zu den häufigsten Komplikationen gehören die aseptische Lockerung und der periprothetische Infekt.

Aufgrund der Unterschiede im Design der Kurzschäfte im Vergleich zu den meisten konventionellen Geradschäften stellen Revisionsoperationen von fest eingewachsenen Kurzschäften eine besondere Herausforderung dar.

Moderne Kurzschäfte weisen zumeist ein kurviertes Design auf, sind konisch und werden kalkar-geführt, also „round the corner“ implantiert [3]. Es handelt sich um zementfreie, beschichtete Implantate, welche nach initialer Primärstabilität durch „Press-fit“-Einschlagen in das proximale Femur sekundär in den ersten 6 bis 10 Wochen in den Knochen einwachsen und damit die Sekundärstabilität erlangen [4].

Im Falle eines periprothetischen Infektes (Spätinfekt) müssen zumeist alle Implantate vollständig entfernt werden. Ein fest in den Knochen eingewachsener Schaft stellt, bedingt durch das kurvierte Schaftdesign, in der Kurzschaftendoprothetik eine große Herausforderung dar.

Herkömmliche, gerade Meißelsysteme können hierbei aufgrund einer erhöhten Perforationsgefahr nur eingeschränkt zur Anwendung kommen. Eine endofemorale Explantation mittels der vorhandenen geraden Meißelsysteme ist häufig nicht möglich. Nicht selten muss daher ein aufwendiger transfemoraler Zugang erfolgen mit zum Teil erheblichen negativen Folgen für den Knochenerhalt, die postoperative Stabilität und die Nachbehandlung der Patienten [5].

Nachfolgend wird daher ein neues kurviertes Extraktions-Meißel-System inklusive Konusschablonen mit Führungsschlitzen speziell für die Kurzschaftendoprothetik vorgestellt. Hierbei handelt es sich um ein System, welches an das Design des optimys-Kurzschaftes (Fa. Mathys, Bettlach, Schweiz) angepasst ist.

Operationsprinzip und -ziel

Geführtes Einbringen von speziell kurvierten Einmalmeißeln aus geschliffenem, rostfreiem Stahl über Führungsschlitze einer Konusschablone in systematischer Reihenfolge. Hierbei werden zunächst schmale Eröffnungsmeißel („Prestarter“ und „Starter“) genutzt. Nach Entfernen des Konusadapters kann dann mittels der „Finalen“ Meißel das Schaftimplantat aus dem Knochenverbund gelöst werden. Das Ziel ist die sichere und knochensparende Entfernung eines fest eingewachsenen Schaftes ohne die Notwendigkeit aufwendiger transfemoraler Zugänge bzw. Knochenfensterungen.

Vorteile

  • Sicheres Einbringen der Extraktionsmeißel über Führungsschlitze der Schablone

  • Formstabile Meißel mit unterschiedlichen Radien, angepasst an das Schaftdesign

  • Drei verschiedene Fixierungspositionen der Meißel in der Länge auf dem Handgriff ermöglichen eine hohe Flexibilität mit maximaler Kraftübertragung

  • Minimaler Knochenverlust durch präzise Trennung von Knochen und Implantat auf allen Seiten

  • Zum Teil deutliche Zeitersparnis

Nachteile

  • Erhöhte Kosten durch zusätzliches Instrumentarium und Material (insgesamt maximal 10 Einmalmeißel)

Indikationen

  • Notwendigkeit einer Revision eines fest eingewachsenen kurvierten Kurzschaftes beispielsweise bei periprothetischer Infektion oder Malposition

Kontraindikationen

  • Korrekte Platzierung der Schablone auf dem Implantatkonus nicht möglich

  • Nicht-kurviertes Kurzschaftdesign

Patientenaufklärung

  • Aufklärung hinsichtlich Hüft-TEP-Revision mit Explantation der Implantate

  • Gegebenenfalls zusätzlich transfemoraler Zugang bei frustranem Versuch der Prothesenentfernung

Operationsvorbereitungen

  • Hautdesinfektion, sterile Abdeckung der Hüfte und des Beines

  • Platzierung des Bildverstärkers auf der ipsilateralen Seite

  • Präoperative Planung hinsichtlich des Wiedereinbaus von Implantaten

Instrumentarium

  • Standardinstrumentarium für die Hüft-TEP-Revision

  • Konusschablone (Fa. Mathys, Robert-Mathys-Str. 5, CH-2544 Bettlach, Schweiz) (Abb. 1) inklusive Fixationsschraube und Schraubendreher. Eine unterschiedliche Schablonengröße für jede der verschiedenen Schaftgrößen und Offsetversionen ist notwendig (insgesamt 24 verschiedene Größen)

  • Handgriff mit 3 verschiedenen Positionsoptionen für die jeweiligen Meißel (Abb. 2) (Fa. Gomina, Raiftstr. 4, CH-3989 Niederwald, Schweiz)

  • Eröffnungsmeißel („Prestarter“) (lateral, medial) (Abb. 3a) (Fa. Gomina)

  • Startermeißel (lateral, ventral, dorsal, medial) (Abb. 3b) (Fa. Gomina)

  • Finale Meißel (lateral, ventral, dorsal, medial) (Abb. 3c) (Fa. Gomina)

Abb. 1
figure 1

Konusschablone mit den entsprechenden Führungsschlitzen (Fa. Mathys). (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 2
figure 2

Einschlaginstrument mit Handgriff (Fa. Gomina). (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 3
figure 3

a–c Eröffnungsmeißel („Prestarter“) (lateral, medial) (a), Startermeißel (lateral, ventral, dorsal, medial) (b), Finale Meißel (lateral, ventral, dorsal, medial) (c) (Fa. Gomina)

Anästhesie und Lagerung

  • Allgemeinanästhesie oder Spinalanästhesie

  • Rücken- und Seitenlage möglich

  • Adäquates Auslagern nach Luxation muss möglich sein

  • Intraoperative Durchleuchtung des Hüftgelenkes sollte möglich sein

Operationstechnik

(Abb. 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15 und 16)

Abb. 4
figure 4

ab Nach Hautschnitt und schichtweiser Präparation der Weichteile entsprechend dem gewählten Zugangsweg Luxation des Gelenkes und Abschlagen des einliegenden Kopfimplantates. Ausgiebige Reinigung des Konus und Freipräparieren insbesondere der lateralen Prothesenschulter (a) bis genug Raum geschaffen ist, um die Prothese ohne Gefährdung des Trochanter major entfernen zu können (b). (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 5
figure 5

Aufsetzen der Schablone der entsprechenden Implantatgröße auf den Konus. Hierbei muss darauf geachtet werden, dass die Schablone exakt auf Höhe des Konusendes abschließt. Anschließend Fixierung der Schablone durch Eindrehen der Schablonenschraube mit dem Schraubendreher. (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 6
figure 6

Die laterale Prothesenschulter (siehe blauer Kreis) muss vollständig freipräpariert sein, damit die Schablone korrekt positioniert werden kann. Die laterale Nase der Schablone muss entsprechend in die Einschlagaussparung des Schaftes aufgesetzt werden. Eine stabile Fixierung der Schablone ist essenziell hinsichtlich eines präzisen geführten Einbringens der entsprechenden Meißel. (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 7
figure 7

Es sollte stets mit dem lateralen Eröffnungsmeißel begonnen werden. In dem aufklappbaren Handgriff stehen grundsätzlich 3 verschiedene Arretierungspositionen zur Verfügung. Es sollte stets zunächst mit Position 1 begonnen werden. Um die Eindringtiefe in den Knochen zu erhöhen, kann dann im Verlauf jeweils auf Position 2 bzw. Position 3 gewechselt werden (siehe schwarzer Pfeil). (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 8
figure 8

Die Eröffnungs- und die Startermeißel werden stets über die Führungsschlitze der Schablone in den Knochen eingebracht (a). Zunächst Einbringen des lateralen Eröffnungsmeißels (b). (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 9
figure 9

Mit vorsichtigen Hammerschlägen Einschlagen des Meißels. Über den Ausschlag-Pin, welcher optional am Einschlaginstrumentarium befestigt wird, kann bei Auftreten eines Widerstandes ein Zurückschlagen des Meißels erfolgen, um in kleinen Schritten den Meißel schrittweise im Knochen zu versenken. (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 10
figure 10

Kurz bevor das Einschlaginstrumentarium an der Schablone anschlägt, Wechsel der Position des Meißels (siehe schwarzer Pfeil) und beliebig oft Wiederholung des Einschlagvorgangs. (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 11
figure 11

Übergang zu den Startermeißeln. Wiederholung des Einschlagvorganges mit dem lateralen Startermeißel. (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 12
figure 12

Einbringen des ventralen Startermeißels in den Führungsschlitz der Schablone und Einschlagen bis zum Anschlag unter 2‑maligem Positionswechsel des Meißels im Einschlaginstrument. Wiederholung dieses Vorganges mit dem entsprechenden dorsalen Startermeißel. Es ist zu beachten, dass der ventrale Startermeißel eines linken Hüftgelenkes gleichzeitig auch als dorsaler Startermeißel eines rechten Hüftgelenkes fungiert (s. auch Abb. 14b). (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 13
figure 13

Nach dem Lösen der Schablone durch Herausdrehen der Schablonenschraube mit dem Schraubendreher und Entfernen der Schablone, nun Einbringen des lateralen Finalen Meißels in das eröffnete Implantat-Knochen-Interface (a) und vorsichtiges Einschlagen unter 2‑maligem Positionswechsel des Meißels im Einschlaginstrument (b). Zwecks Überprüfung der Einschlagtiefe und Position ist eine intraoperative Röntgenkontrolle empfohlen. Jeder Meißel deckt insgesamt 3 Schaftgrößen ab. Alle Meißel weisen eine Größenmarkierung auf, welche die maximale Eindringtiefe in den femoralen Knochen für die entsprechende Schaftgröße vorgibt. (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 14
figure 14

ab Einbringen des ventralen Finalen Meißels in das eröffnete Implantat-Knochen-Interface und vorsichtiges Einschlagen unter 2‑maligem Positionswechsel des Meißels im Einschlaginstrument (a). Wiederholung dieses Vorganges mit dem entsprechenden dorsalen Finalen Meißel. Es ist zu beachten, dass der ventrale Finale Meißel eines linken Hüftgelenkes gleichzeitig auch als dorsaler Finaler Meißel eines rechten Hüftgelenkes fungieren kann (b). (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 15
figure 15

a–c Der Gebrauch der medialen Meißel (a Eröffnungs-, b Starter- und c Finaler Meißel) sollte mit äußerster Vorsicht und nur bei guter Knochenqualität erfolgen sowie erst nach Freilegung der Interfaces lateral, ventral und dorsal. Es empfiehlt sich, zunächst einen Ausschlagversuch nach entsprechender Präparation aller anderen Meißel zu unternehmen. Erst wenn dieser nicht gelingt, sollte optional mit den medialen Meißeln nachgearbeitet werden, da sich hierbei die Perforationsgefahr als am größten gezeigt hat. (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Abb. 16
figure 16

Der Ausschlagversuch erfolgt mit einem entsprechenden Ausschlaginstrument. Hierbei sollte insbesondere auf die korrekte Ausschlagrichtung geachtet werden, um eine Fraktur des Trochanter major zu verhindern. (Mit freundl. Genehmigung der Mathys AG Bettlach)

Besonderheiten

  • Die ventralen bzw. dorsalen Meißel können, abhängig davon, ob die Operation am rechten oder am linken Hüftgelenk erfolgt, jeweils sowohl als ventrale als auch als dorsale Meißel genutzt werden (s. auch Abb. 14b).

Postoperative Behandlung

  • Mobilisierung und Belastungsaufbau gemäß dem verwendeten Implantat bzw. der Verankerungstechnik

Fehler, Gefahren, Komplikationen und ihre Behandlung

  • Frustrane Ausschlagversuche nach mehrfacher systematischer Anwendung des Extraktions-Meißel-Systems: Verfahrenswechsel und ggf. Fensterung bzw. transfemoraler Zugang

  • Perforation der Kortikalis, insbesondere mit dem Finalen Meißel: Verfahrenswechsel und ggf. Fensterung bzw. transfemoraler Zugang

Ergebnisse

Das beschriebene Vorgehen hat sich in der klinischen Praxis in den 3 Autorenkliniken in insgesamt 14 Fällen bewährt. In 3 (21,4 %) Fällen musste trotz Nutzung des Extraktions-Meißel-Systems zusätzlich ein transfemoraler Zugang bzw. eine Fensterung erfolgen, um das Schaftimplantat zu entfernen. Diese Fälle traten insbesondere während der ersten Versuche im Rahmen der Lernkurve mit dem Extraktionssystem auf. Hierbei kam es beispielsweise zu einer Verwechslung der entsprechenden Meißel, sodass der Schliff nach innen, zum Implantat gewandt, ausgerichtet war. Somit konnte das Interface nicht ausreichend gelöst werden, und das Ausschlagen verlief frustran. Insbesondere mit dem medialen Meißel kam es sowohl zu einer Perforation sowie zu einer drohenden Perforation der Kortikalis. In einigen Fällen konnte eine erfolgreiche Extraktion jedoch auch ohne die Anwendung der medialen Meißel erfolgen.

Es ist für die Nutzung des Extraktions-Meißel-Systems keine zusätzliche Erweiterung des Zugangs zum Hüftgelenk nötig, und es entsteht kein zusätzlicher Weichteilschaden. Die technische Schwierigkeit ist gering, die Führung durch die Schablone erhöht die Sicherheit maßgeblich. Zum Teil ist eine deutliche Zeitersparnis möglich im Vergleich zur Nutzung konventioneller Meißel. Die Operationszeit kann sich im Vergleich zu einem transfemoralen Zugang jedoch auch zum Teil erheblich verlängern durch das aufwändige und teilweise wiederholte Freimeißeln in entsprechender Reihenfolge.

Die Indikationen, welche zur Extraktion führten, waren in der Mehrzahl periprothetische Infektionen (10 Fälle; 63,6 %), gefolgt von Malpositionen (4 Fälle; 36,4 %). In allen Fällen von periprothetischer Infektion erfolgte ein zweizeitiges Vorgehen entweder unter vorübergehender Anlage einer Girdlestone-Situation oder Spacerimplantation. Als Revisionsimplantate wurden nach Extraktion mittels des Meißelsystems in 2 (18,2 %) Fällen ein zementfreier Revisionsschaft, in 4 (36,4 %) Fällen ein zementfreier, konventioneller Primärschaft und in 3 (21,4 %) Fällen ein zementierter, konventioneller Schaft implantiert. In 4 (36,4 %) Fällen konnte erneut ein zementfreier Kurzschaft implantiert werden (Abb. 17a–c). In 1 Fall (9,1 %) einer periprothetischen Infektion wurde die Girdlestone-Situation belassen.

Abb. 17
figure 17

a–c Periprothetischer Infekt bei Zustand nach Hüft-TEP links mittels zementfreien, kurvierten Kurzschaftes. Der Kurzschaft ist fest eingewachsen (a). Revision mit Explantation mittels Extraktions-Meißel-System und Implantation eines Zementspacers (b). Revision mit Wiedereinbau eines kurvierten Kurzschaftes (c)