Vorbemerkungen

Das ventrale Release und die ventrale Fusion mit Verwendung von intervertebralen Cages hat sich als sehr potente und sichere Stabilisierungstechnik erwiesen [1, 2]. Seit der Erstbeschreibung des ventralen Zugangs zur Lendenwirbelsäule durch Carpener 1932 [3] wurde dieser v. a. unter dem Aspekt der geringeren Invasivität bis hin zu einer echten minimalinvasiven Alternative weiterentwickelt. Mayer [4] beschrieb im Jahr 2000 den bis heute praktizierten und nachgewiesenermaßen komplikationsarmen anterolateralen retroperitonealen Zugang zur Lendenwirbelsäule (mini-ALIF [„anterior lumbar interbody fusion“]), der in neuerer Nomenklatur auch als OLIF („oblique lateral interbody fusion“) bezeichnet wird. Im Unterschied zu dem lateralen transpsoatischen Zugang (XLIF [„extreme lateral lumbar interbody fusion“]) bedient sich der OLIF in einem anatomischen Korridor, der sich zwischen den großen abdominellen Gefäßen, die beim klassischen Mittellinienzugang (ALIF) präpariert werden müssen, und dem M. psoas, der den Plexus lumbalis enthält, befindet (Abb. 1). Dieser Zugang hat auch bzw. v. a. seine Anwendung bei degenerativen Deformitäten gefunden und ist nicht nur bei monosegmentalen Pathologien, sondern auch multisegmental zur langstreckigen Korrektur und Rekonstruktion der sagittalen Balance eine echte Alternative zu dorsalen Instrumentationen mit Korrekturosteotomien.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung der unterschiedlichen Zugangskorridore zur ventralen Lendenwirbelsäule. ALIF „anterior lumbar interbody fusion“, OLIF „oblique lateral interbody fusion“, XLIF „extreme lateral lumbar interbody fusion“

Operationsprinzip und -ziel

Darstellen des lateralen und ggf. auch ventralen Bandscheibenraumes L1–L5 (mit Erweiterung bis hin zu S1 möglich) über einen vorzugsweise linksseitigen, minimalinvasiven, muskelschonenden retroperitonealen Zugang. Durchführen einer ausgiebigen Diskektomie ggf. mit Resektion des vorderen Längsbandes, um ein maximales ventrales Release des Indexsegmentes zu erreichen. Anschließend interkorporelle Korrektur und Fusion mittels Cage und Knochenersatzmaterial bzw. autologem Knochenmaterial.

Vorteile

  • Zugang zum Bandscheibenraum inklusive vorderem Längsband für ein anteriores Release

  • Intervertebrale Relordosierungs- und Korrekturmöglichkeit mittels entsprechender Implantate mit großer Auflagefläche

  • Zugang über die konkave Seite der Krümmung über kleinen Zugang mehrsegmental möglich (4–5 cm)

  • Nutzung eines physiologischen Korridors zwischen abdominellen Gefäßen und M. psoas inklusive Plexus lumbalis

  • Schonung des M. psoas mit geringem Risiko der Verletzung des Plexus lumbalis auch ohne den Einsatz von Neuromonitoring

  • Erhaltung der Innervation der Bauchwandmuskulatur durch stumpfe Präparation jeweils in Muskelfaserrichtung

  • Geringes iatrogenes Trauma mit geringem Blutverlust und niedriger Komplikationsrate

  • Kurze Lernkurve

Nachteile

  • Eingeschränkte Übersicht außerhalb des Zugangsgebietes

  • Erschwerter Zugang bei hohem Beckenkamm v. a. zum Bandscheibenfach L4/5

  • Erschwerter Zugang bei tiefem Rippenbogen v. a. zum Bandscheibenfach L1/2

  • Kombinierter Zugang von L2 bis S1 über einen kleinen Zugang kaum möglich

  • Erschwerte anatomische Verhältnisse v. a. bei ausgeprägter Rotation der Wirbelkörper

  • Hochgradige Deformitäten erfordern ggf. eine ausgiebige Präparation der abdominellen Gefäße mit entsprechend erhöhtem Risiko einer Komplikation

  • Zusätzlicher dorsaler Zugang zur additiven Instrumentation

  • Lebensbedrohliche Komplikation bei Verletzung der abdominalen Gefäße (Aorta und V. cava) möglich

  • Zugang über die konvexe Seite der Krümmung erfordert deutlich größeren Zugang bzw. getrennte Zugänge

  • Rechtsseitiger Zugang erfordert ausgiebige Präparation der V. cava

Indikationen

  • Mono- bzw. mehrsegmentales ventrales Release und interkorporelle Fusion zur Korrektur und Fusion bei degenerativen, posttraumatischen bzw. idiopathischen Deformitäten

  • Für jede Altersgruppe möglich, insbesondere auch bei begleitender Osteoporose mit dem Vorteil einer großen Auflagefläche des Implantates

Kontraindikationen

Absolute Kontraindikationen bestehen nicht.

Relative Kontraindikationen sind gegeben bei:

  • vorangegangenen Eingriffen im Retroperitoneum,

  • retroperitonealer Fibrose (Morbus Ormond),

  • Gefäßanomalien z. B. bei extrem lateralem Verlauf der V. iliaca communis bzw. Aortenaneurysmen,

  • Fehlen von viszeral- bzw. gefäßchirurgischer Expertise zumindest als Back-up.

Patientenaufklärung

  • Allgemeine Operationsrisiken (Infektion, Thrombose, Embolie, Nachblutung)

  • Denervation des M. rectus abdominis bei Schädigung des N. iliocostalis

  • Abdominelle Hernie aufgrund einer Fasziennahtinsuffizienz

  • Druckläsionen des Plexus lumbalis durch zu kräftige Retraktion des M. psoas

  • Leistenschmerz bzw. Gefühlsstörungen durch Verletzung des N. genitofemoralis

  • Verletzung des sympathischen Grenzstranges mit Überwärmung des entsprechenden Beines aufgrund einer Gefäßdilatation und ggf. Störung der Schweißsekretion

  • Paralytischer Ileus

  • Verletzung der großen abdominellen Gefäße (Aorta, V. cava, V. iliaca communis, V. lumbalis ascendens)

  • Verletzung von Bauchorganen (Niere, Ureter, Milz, Darm)

  • Duraverletzung bzw. Liquorfistel bei intraspinaler Präparation

  • Implantatdislokation

  • Postoperativer Korrekturverlust

  • Pseudarthrose

Operationsvorbereitungen

  • Röntgen der LWS (Lendenwirbelsäule) (ggf. auch Wirbelsäulenganzaufnahmen) in 2 Ebenen zur Bestimmung der Deformität, Bestimmung der sagittalen und koronaren Parameter, Orientierung und Höhe der Bandscheibenfächer, der topografischen Korrelation der Segmente zum Beckenkamm und Identifikation von lateralen Spondylophyten

  • Magnetresonanztomographie der LWS zur Beurteilung des anatomischen Verlaufes der abdominellen Gefäße (inklusive Abklärung einer kaliberstarken V. lumbalis ascendens) und Beurteilung des Ausmaßes sowie Lagebeziehung des M. psoas zum anterolateralen Aspekt der LWS

  • Bei einer schwierigen bzw. unklaren Gefäßanatomie ist die Anfertigung einer CT(Computertomographie)-Angiographie der Abdominal- und Beckengefäße empfehlenswert.

  • Bei zu erwartenden Schwierigkeiten bzw. erhöhtem Risiko einer Gefäßverletzung aufgrund der anatomischen Situation sollte bereits im Vorfeld der Kontakt zu einem Gefäßchirurgen hergestellt werden, um entweder den Zugang von Beginn an gemeinsam durchzuführen bzw. im notwendig werdenden Fall zeitnah Unterstützung zu erhalten.

  • Bei ausgeprägten osteophytären Anbauten Computertomographie zum Ausschluss von Spontanfusionen bzw. Identifikation und Verlauf der lateralen Spondylophyten

  • Gegebenenfalls Haarentfernung des Operationsgebietes kurz vor dem operativen Eingriff

  • Am Vortag des Eingriffes leichte Kost mit rektalen Abführmaßnahmen

Instrumentarium

  • Entsprechend lange Instrumente inklusive Fasszangen, Küretten, Meißel, Langenbeck-Haken, Bipolarkoagulation

  • Gegebenenfalls selbsthaltende Retraktorensysteme

  • Stirnlampe bzw. Lichtquelle an Retraktoren zur optimalen Ausleuchtung des Operationssitus

  • Entsprechendes Implantatsystem für die anterolaterale Cageinterposition. Vor allem ovale Cagegeometrien mit Abstützung auf den beiden lateralen Apophysen eignen sich für diesen Zugang besonders gut. Auch hyperlordotische Cages können das radiologische Outcome positiv beeinflussen.

  • C‑Bogen zur intraoperativen Höhenkontrolle bzw. Kontrolle der Implantatlage

  • Gefäßchirurgisches Sieb als Stand-by

Anästhesie und Lagerung

  • Intubationsnarkose, zentraler Venenkatheter, arterielle Druckmessung, Blasenkatheter, ggf. Magensonde

  • Zur objektiven Überwachung der arteriellen Versorgung der entsprechenden Extremität kann ein Sättigungssensor an der Großzehe angebracht werden.

  • Empfehlenswert ist eine Rechtsseitenlagerung auf einem kippbaren, röntgendurchlässigen Operationstisch (Abb. 2a, b).

  • Fluoroskopische Höhenlokalisation und topografische Projektion der entsprechenden Bandscheibenzentren auf die anterolaterale Bauchwand (Abb. 3)

  • Der Operateur steht dorsalseitig des Patienten, der Assistent ventralseitig. Die instrumentierende Pflegekraft steht neben dem Operateur, wobei der Instrumentiertisch über die Beine des Patienten geschoben wird.

Abb. 2
figure 2

a Positionierung des Patienten mit abgekipptem Becken zur Erweiterung der Distanz zwischen Beckenkamm und Rippenbogen. b Zusätzliche Rückneigung des Tisches zwischen 20° und 40°, um den Zugang entlang des medialen Rands des M. psoas auf die Wirbelsäule zu erleichtern. (Aus [7])

Abb. 3
figure 3

Seitenlage. Fluoroskopische Darstellung der entsprechenden Bandscheibenzentren in Projektion auf die Haut z. B. mithilfe eines metallischen Lineals (a) und Anzeichung auf der Haut (b)

Operationstechnik

Abb. 4567

Abb. 4
figure 4

Der Hautschnitt wird v. a. bei mehrsegmentalen Zugängen meist über dem zentralen Bandscheibenfach mit 5–8 cm Länge (je nach Anzahl und Orientierung der Bandscheibenfächer) schräg im Faserverlauf des M. obliquus externus gesetzt. Scharfes Durchtrennen des subkutanen Fettgewebes bis auf die kräftige Faszie des M. obliquus externus unter Zuhilfenahme von Selbsthaltespreizern. (Mod. nach [7])

Abb. 5
figure 5

Scharfes Eröffnen der ersten Muskelfaszie und stumpfe Präparation mit Präpariertupfer im Faserverlauf der jeweiligen Muskelschicht (1). Identisches Vorgehen durch den M. obliquus internus (2) und M. transversus abdominis (3) in Wechselschnitttechnik bis retroperitoneales Fettgewebe erscheint. Die Äste der Interkostalnerven sowie der N. iliohypogastricus/ilioinguinalis können bei diesem Zugang v. a. zu den tieflumbalen Bandscheibenfächern gelegentlich das Operationsgebiet zwischen dem M. obliquus internus und M. transversus abdominis kreuzen. Diese sollten zur Sicherstellung der Innervation des M. rectus abdominis unbedingt durch stumpfes Abschieben erhalten werden. Zudem ist es empfehlenswert, den M. transversus abdominis möglichst von weit lateral nach medial zu dissezieren, um einer Verletzung des Peritoneums, das sich direkt an den M. transversus anlagern kann, vorzubeugen. Der Peritonealsack wird nun von dorsal her mobilisiert und nach ventral verlagert (4). (Mod. nach [7])

Abb. 6
figure 6

Stumpfes Eingehen entlang des Retroperitonealraumes auf die ventrale Begrenzung des M. psoas. Identifikation der entsprechenden Bandscheibenräume durch Abschieben des M. psoas mithilfe von Langenbeck-Haken und Stielchen nach dorsal. Meist müssen kleinere Ansätze des Muskels an den angrenzenden Wirbelkörpern abgelöst werden, um eine ausreichende Retraktion zu erreichen. Direkt auf dem Bandscheibenraum finden sich kaum Insertionen des M. psoas, sodass hier eine orientierende Retraktion zu Beginn relativ einfach durchgeführt werden kann. Teilweise ist v. a. bei muskelkräftigen Patienten eine Koagulation von kleineren Blutungen aus dem M. psoas notwendig. Darstellen des vorderen Längsbandes als ventrale Landmarke. Die ventralen Strukturen wie V. cava, Aorta werden vorsichtig bei Bedarf von der ventralen Wirbelsäulenbegrenzung abgeschoben und ebenfalls mit einem Langenbeck-Haken aus dem Operationsfeld gehalten bzw. geschützt. Der Ureter wird ebenso mitsamt dem Peritonealsack nach ventral gehalten. Besondere Vorsicht ist v. a. im Umgang mit den abdominellen Gefäßen bei der Präparation des Segmentes L4/5 geboten, da es bei einer hohen Bifurkation der V. cava zu einem sehr lateralen Verlauf und einer Überdeckung des Bandscheibenraumes mit der V. iliaca communis kommen kann. Selten existiert auch eine kaliberstarke V. lumbalis ascendens, die ebenfalls eine Medialisierung des Gefäßbündels einschränkt. Bei Bedarf kann diese folgenlos unterbunden und durchtrennt werden. Nach Darstellen der lateralen Bandscheibenzirkumferenz sollte der Versuch unternommen werden, den sympathischen Grenzstrang nach ventral zu mobilisieren. Bei eher kranialen Segmenten kann eine Mobilisation nach dorsal ebenso erfolgen. Sollte dies nicht möglich sein, können eine Kauterisation und Durchtrennung über dem entsprechenden Bandscheibenraum notwendig sein. Im überwiegenden Anteil der Fälle hat dies keine wesentlichen Auswirkungen auf den Patienten. Der N. genitofemoralis verläuft am ventralen Rand des M. psoas. Dieser sollte zur Vermeidung von Parästhesien sowie Schmerzen im Bereich der Leiste geschont werden. Vor allem bei lumbalen Skoliosen mit entsprechender Rotation der Wirbelkörper können die anatomischen Strukturen deutlich verlagert sein. Hier sollte besonderes Augenmerk auf den individuellen anatomischen Verlauf v. a. der Gefäße gerichtet werden. Bei mehrsegmentalem Vorgehen ist eine Durchtrennung der Segmentgefäße nicht notwendig, da diese Prozedur schrittweise Bandscheibenraum für Bandscheibenraum wiederholt wird, ohne eine durchgehende Retraktion des M. psoas durchzuführen

Abb. 7
figure 7

Darstellung des anterolateralen Aspektes des entsprechenden Bandscheibenraumes und Durchführen einer subtotalen Diskektomie. Gegebenenfalls müssen laterale Osteophyten mit Meißeln entfernt werden. Sollte die räumliche Orientierung des Bandscheibenraumes Schwierigkeiten bereiten, ist es ratsam, diese mit einem erneuten fluoroskopischen Bild zu verifizieren, um eine Zerstörung der Endplatten zu vermeiden. Mithilfe von intervertebralen Distraktoren kann ein ausgedehntes ventrales Release bis hin zur kontralateralen Bandscheibenbegrenzung mit Resektion des kontralateralen Anulus v. a. bei hochgradigen Deformitäten komplettiert werden. Kürettage der Grund- und Deckplatte zur vollständigen Entknorpelung derselben. Interposition eines entsprechenden Implantates, das mit Fusionsmaterial gefüllt wurde. Abdecken des Bandscheibenraumes mit einem Hämostyptikum. Die Einlage einer Drainage ist in der Regel nicht notwendig. Abschließende Reposition des Peritonealsackes und fortlaufende Naht der einzelnen Muskelfaszien. Subkutannaht, Hautdesinfektion und resorbierbare Intrakutannaht. Steriler Wundverband. (Mod. nach [7])

Besonderheiten

Bei der operativen Behandlung von lumbalen Skoliosen ist prinzipiell ein Zugang über die konvexe bzw. konkave Seite der Krümmung möglich. Prinzipiell ist eine linksseitige retroperitoneale Präparation auf die Wirbelsäule technisch deutlich einfacher bzw. komplikationsärmer, da die V. cava bis zur Bifurkation rechts mediolateral an der Wirbelsäule entlangläuft und der Korridor zwischen der Vene und dem M. psoas meist deutlich kleiner ist. Dies bedeutet, dass in der Mehrzahl der Fälle eine Mobilisation der V. cava notwendig wäre. Prinzipiell hat das Eingehen über die konkave Seite der Krümmung im Gegensatz zu der konvexen Seite den Vorteil, dass aufgrund der „fächerförmigen“ Anordnung der Bandscheibenräume ein zentraler kleiner Zugang gewählt werden kann (Abb. 8). Zudem hat man einen direkten Zugang zu evtl. vorhandenen osteophytären und teilweise überbrückenden Anbauten, die sich bei degenerativen Skoliosen häufig an der konkaven Seite ausbilden. Bei ausgeprägten Krümmungen kann ein Eingehen über die konvexe Seite sogar getrennte Zugänge zu den entsprechenden Segmenten notwendig machen. Nichtsdestotrotz ist die persönliche Empfehlung der Autoren, standardmäßig einen linksseitigen retroperitonealen Zugang aufgrund des geringeren Komplikationspotenzials zu favorisieren.

Abb. 8
figure 8

Schematische Darstellung der Planung der Schnittführung mit dem Vorteil des deutlich kleineren Zugangs über die konkave Seite

Sollte eine Kyphose oder sehr rigide Abflachung der Lendenwirbelsäulenlordose die Resektion des vorderen Längsbandes notwendig machen, ist es ratsam, nach vorsichtigem Lösen des Gefäßbündels einen Langenbeck-Haken bzw. einen Spatel zwischen Gefäßen und Längsband zu platzieren, um einer akzidentellen Verletzung der dorsalen Gefäßwand vorzubeugen (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Mobilisation und Protektion des Gefäßbündels sowie Darstellung des Lig. longitudinale anterius, das v. a. bei Kyphosen oder hochgradigen Lordosekorrekturen durchtrennt werden sollte. (Aus [7])

Postoperative Behandlung

  • Thromboseprophylaxe mit fraktioniertem Heparin bis zur vollständigen Mobilisation

  • Frühmobilisation am 1. postoperativen Tag ohne Einschränkungen von Sitzen, Gehen und Stehen

  • Gegebenenfalls stabilisierende Rumpforthese je nach Art des Eingriffs und additiver dorsaler Versorgung bis zu 12 Wochen nach individuellem Versorgungsstandard für langstreckige lumbale Fusionen

  • Antibiotische Abdeckung (z. B. Cefuroxim 1,5 g i.v.) nach Hausstandard perioperativ

  • Kostaufbau bzw. leichte Kost bis zum ersten Stuhlgang

  • Primärer Pflasterverband für 48 h postoperativ, dann je nach Befund

  • Röntgenkontrolle in 2 Ebenen bei entsprechender Mobilisation im Stehen postoperativ sowie nach 3 und 12 Monaten

  • Die Arbeitsfähigkeit ist je nach beruflicher Belastung und individuellem Heilverlauf nach 6 bis 12 Wochen in der Regel wieder gegeben.

Fehler, Gefahren, Komplikationen

  • Falsche Lagerung des Patienten: Durch ungenügendes „Aufklappen“ des Patienten kann es zu einer Überlagerung des Bandscheibenfaches L4/5 durch den Beckenkamm sowie L2/3 durch den Rippenbogen kommen. Dies erhöht die Gefahr, das Bandscheibenfach nicht in der notwendigen Orientierung ausräumen und mit einem Implantat bestücken zu können, was zu einer Verletzung der Grund- bzw. Deckplatte führt und ein Sintern des Implantates postoperativ begünstigt. Durch entsprechende Positionierung des Patienten unter seitlicher BV(Bildverstärker)-Kontrolle sollte der nahezu senkrechte Zugang zum Bandscheibenraum ggf. auch intraoperativ identifiziert und sichergestellt werden. Bei Verletzung der Wirbelkörperendplatten sollte der Defekt durch ein entsprechend großes Implantat überbrückt werden.

  • Ungenügendes Release/Implantatsinterung: Die Präparation und Durchtrennung des vorderen Längsbandes ist v. a. bei der Rekonstruktion der LWS-Lordose ein entscheidender und präparatorisch kritischer Punkt. Durch eine unzureichende Mobilisation der ventralen Bandscheibenanteile steigt das Risiko einer postoperativen Implantatsinterung mit postoperativem Korrekturverlust. Vor allem bei herabgesetzter Knochenqualität sollte ein ausreichendes Release mit Durchtrennung des vorderen Längsbandes sichergestellt werden. Zudem sollten die Implantate eine größtmögliche Auflagefläche bieten und idealerweise von der ipsilateralen bis zur kontralateralen Apophyse reichen, um postoperative Sinterungen zu vermeiden. Dies ist bei der Verwendung von hyperlordotischen Implantaten von noch größerer Bedeutung.

  • Vor allem durch eine Deformität mit entsprechender Rotation der Wirbelkörper kann es zu einer deutlichen Verlagerung der Gefäße kommen und eine Gefäßpräparation notwendig werden. Sollte es zu einer Verletzung der großen abdominellen Gefäße kommen, ist unverzüglich auf eine gefäßchirurgische Expertise zurückzugreifen, ohne einen höheren Blutverlust durch ein eigenständiges Manöver zu riskieren. Bis zum Eintreffen eines Gefäßchirurgen können venöse Blutungen gut über eine entsprechende Tamponade kontrolliert werden. Sollte es zu einer arteriellen Verletzung kommen, ist eine kontrollierte Kompression mittels Stiels Erfolg versprechend. Parallel sollten entsprechende Vorbereitung getroffen werden (Cell-Saver, Kreuzblut, Konserven, Zugänge etc.).

Ergebnisse

In einer von uns durchgeführten, retrospektiven Studie inkludierten wir 15 Patienten (12 Frauen, 3 Männer) mit degenerativer lumbaler Skoliose, die im Kalenderjahr 2018 mit einem operativen Eingriff im Sinne einer ventrodorsalen Fusionsoperation versorgt wurden.

Die inkludierten Patienten waren zwischen 34 und 84 Jahre alt mit einem medianen Alter von 71 Jahren. Die operative ventrale Versorgung beinhaltete 1 bis 4 Segmente. Erfasst wurden die zugangsspezifischen Komplikationen sowie die prä- und postoperativen radiologischen Parameter. Um die Rekonstruktion der sagittalen Balance und Besserung der degenerativen Deformität beurteilen zu können, erfolgte die Ausmessung von Parametern der sagittalen Balance (lumbale Lordose [L1-S1], Pelvic-Inzidenz [PI], Sacral-Slope [SS]) sowie des a.p.-Cobb Winkels des operativ versorgten Bereichs anhand von radiologischen Aufnahmen.

Insgesamt wurden im Sinne einer ventrodorsalen Prozedur 35 Segmente versorgt. Bei keinem der 15 linksseitig retroperitoneal durchgeführten ventralen Zugänge wurden intraoperative wie auch postoperative zugangsspezifische Komplikationen festgestellt.

Die Auswertung der Messungen ergab eine präoperative durchschnittliche Pelvic-Inzidenz von 57°. Postoperativ kam es zu einer leichten Zunahme der lumbalen Lordose (L1–S1) des gesamten Patientenkollektiv von 41,5° ± 11,3° präoperativ auf 43,5° ± 10,5°. Betrachtete man die Gruppe von Patienten (n = 10), die aufgrund präoperativer fehlender Lordose mit hyperlordotischen Cages (>10°) versorgt wurden, so fand sich eine statistisch signifikante Zunahme der lumbalen Lordose von 38,6° ± 11,7° präoperativ auf 45,2° ± 10,9° postoperativ (p < 0,05). Zudem fand sich im gesamten Patientenkollektiv eine signifikante Reduktion des a.p.-Cobb-Winkels von präoperativ 16° ± 6° auf 3° ± 2° postoperativ (p < 0,001). Der gemessene Sacral-Slope zeigte einen nichtsignifikanten Anstieg von präoperativ 32,9° ± 7° auf 34° ± 10° postoperativ. Vergleichbare Ergebnisse konnten in klinischen und biomechanischen Studien nachgewiesen werden [5]. Zudem konnte gezeigt werden, dass durch die OLIF-Technik sich auch klinische Parameter wie VAS (visuelle Analogskala) und ODI (Oswestry Disability Index) signifikant postoperativ verbessern ließen [6].