Vorbemerkungen

Die Ruptur des Pectoralis major ist eine seltene Verletzung. Die Anzahl der Publikationen hat aber deutlich zugenommen. So sind in der Literatur mittlerweile fast 1000 Fälle von Fallbeschreibungen und retrospektiven Untersuchungen dokumentiert.

Die Verletzung des M. pectoralis major tritt im Kraftsport und dort insbesondere beim Bankdrücken (zu ca. 85 %) auf [1, 5, 11, 18, 23, 24, 26, 27]. Die Lokalisation der Verletzung betrifft eher den myotendinösen Übergang und die beiden unteren Anteile [5, 11, 26]. Auch beim Sturz auf den ausgestreckten Arm oder in den außenrotierten Arm sowie bei kräftigen Innenrotationsbewegungen sind Verletzungen des M. pectoralis beschrieben. Direkte Traumata sind selten [5, 11, 23, 24].

Anatomisch besteht der M. pectoralis major aus 3 Anteilen: Der klavikuläre Anteil ist uniform, während sich der sternokostale (sternal und kostal) Anteil in 6–7 Segmente gliedert [13]. Der Muskel setzt mit einer sehr dünnen und kurzen Sehne breitflächig unmittelbar lateral der Verlaufsstrecke der langen Bizepssehne an der Crista tuberculi majoris an. Die Längsausdehnung des Ansatzes beträgt von proximal nach distal 5–8 cm und die Dicke 1–3 mm [6, 13]. Es ist häufig ein vorderes und hinteres Sehnenblatt in einer nach kranial offenen U‑Form zu unterscheiden. Der sternokostale Anteil bildet das hintere Sehnenblatt und ist zum Ansatz häufig um 180° verdreht [6, 13].

Der klinische Befund bei der chronischen Ruptur ist immer eindeutig und das wichtigste Diagnostikum. Anamnestisch berichtet der Sportler in der Regel über ein Rissgefühl oder Knallgeräusch in der Vergangenheit. Bei der akuten Verletzung sollte dieser Hinweis unbedingt beachtet werden und kündigt bereits eine relevante Ruptur an. Akut zeigt sich neben Schmerzen, Schwellung, schmerzhafter Bewegungseinschränkung und Kraftverlust in der Regel ein Hämatom, welches jedoch weniger an der Brust, sondern mehr am Arm lokalisiert ist. Beweisend für eine relevante Ruptur ist das fast immer vorhandene Konturzeichen mit dem Verlust der Kontur der vorderen Axillarfalte. Dennoch wird das Ausmaß der Verletzung akut häufig unterschätzt. Das Ergebnis ist dann eine chronische Ruptur, die als solche bezeichnet wird, wenn sie älter als 6 Wochen ist [12].

Bei den chronischen Rupturen lassen sich 2 verschiedene Typen unterscheiden [27]: Der Defekttyp (Typ 1) ist durch einen mehr oder weniger großen Defekt (Abb. 1) mit Retraktion des Muskels geprägt. Beim Flügelfelltyp (Typ 2) bildet sich im Bereich des Defekts ein regelhaft störendes narbiges Flügelfell aus (Abb. 2). Dieses Flügelfell zeigt sich am deutlichsten bei Horizontalflexion in Anspannung (Abb. 3a) oder gegen Widerstand des Untersuchers (Abb. 3b). Durch die hier vorliegenden Vernarbungen im Faszienbereich, die auch bis in die Oberarmfaszie hinunterziehen, kommt es in der Regel zu relevanten Beschwerden auch am Oberarm, besonders am Bizeps. Neben den lateralen Rupturen kommen auch sehr selten mediale Rupturen vor, die auch weit retrahiert sein können (Abb. 4). Die Ätiologie dieser Rupturen ist nur selten traumatisch und unklar. Die Beschwerden der Patienten mit chronischer Pectoralis-major-Ruptur werden als kosmetischer Verlust der Kontur der vorderen Axillarfalte, Kraftdefizit, Krampfneigung und als unangenehme schmerzhafte Narbenbildung (Typ 2) bis hinunter auf den Bizeps beschrieben.

Abb. 1
figure 1

Chronische Ruptur vom Defekttyp (Typ 1)

Abb. 2
figure 2

Chronische Ruptur vom Flügelfelltyp (Typ 2)

Abb. 3
figure 3

a Typ 2 bei Horizontalflexion und Anspannung. b Typ 2 bei Horizontalflexion gegen Widerstand

Abb. 4
figure 4

Retrahierte mediale Pectoralis-major-Ruptur

Die Einteilung der Pectoralis-major-Ruptur wird nach Zeitpunkt, Lokalisation, Typ und Ausprägung unterschieden [11].

Die korrekte und zügige Einschätzung des Ausmaßes der Verletzung ist die Grundlage eines guten Verletzungsmanagements. In der Diagnostik der Pectoralis-major-Ruptur hat, neben dem klinischen Befund, die Sonographie als auch die dynamische Untersuchungsmöglichkeit einen hohen Stellenwert [8]. Akut zeigt die Magnetresonanztomographie (MRT) eine sehr gute Sensitivität, bei chronischen Rissen ist diese aber geringer [7].

Die konservative Therapie weist mit einer Erfolgsquote von 20–70 % die schlechtesten Ergebnisse mit bis zu 50 % Kraftverlust auf [5, 24]. Nur bei Muskelfaserrissen und kleineren Rissen im muskulären Anteil ist die konservative Behandlung beim Sportler sinnvoll. Die seltenen medialen Risse am sternalen Ursprung sind schwierig. Eine Immobilisation ist in der Regel nicht erforderlich, aber die betroffene Brust sollte 4–8 Wochen nach der Verletzung nicht voll trainiert werden.

Die Indikation zur Rekonstruktion ist bei fast allen lateralen Rissen und auch bei bestimmten medialen Rissen gegeben. Chronische Rupturen können auch noch nach Jahren erfolgreich rekonstruiert werden. Die primäre Rekonstruktion sollte innerhalb von 10 Tagen angestrebt werden.

Operationsprinzip und -ziel

Ziel der Rekonstruktion der chronischen Ruptur des M. pectoralis major ist die Wiederherstellung der Anatomie mit der ursprünglichen Ausgangslänge der Muskel-Sehnen-Einheit, um die volle Kraftleistung zu ermöglichen. Durch einen minimal-invasiven Zugang und die Rekonstruktion mit Nahtankern am Humerus können die freie Funktion, die volle Kraftfähigkeit sowie die kosmetische Wiederherstellung der vorderen Axillarfalte erreicht werden. Mit Hilfe von Sehnenauto- oder -allografts sind auch komplexe sekundäre Rekonstruktionen sinnvoll und erfolgreich möglich.

Vorteile

  • Der kosmetische Zugang liegt in den Spaltlinien der Haut etwas medial der vorderen Axillarfalte. Der Zugang ist gut erweiterbar und lässt sowohl eine gute Mobilisation des Muskelstumpfs, als auch eine gute Darstellung der Ansatzzone des Muskels am Humerus zu.

  • Die Verwendung von All-suture-Ankern (JuggerKnot®, Zimmer Biomet; Abb. 5) erlaubt kleine Bohrlöcher (2,9 mm). Die Anker lassen ein optimales Fadenhandling zu und die Einbringung kann auch ohne relevante Freilegung des Ankersitzes erfolgen. Dies ist besonders bei sehr kräftigen Athleten mit intaktem klavikulärem Anteil hilfreich.

  • Durch doppelte Fadenarmierung wird eine gute Fixierung erreicht.

  • Der sparsame Umgang mit rigidem Fadenmaterial sichert die biologische Einheilung bei gleichzeitig guter Fixierung.

  • Sehnenauto- oder -allografts können in gleicher Weise an den Nahtankern befestigt werden.

  • Bei chronischen Defekten mit weit nach medial retrahiertem Muskel ist ein etwas weiter medial liegender Zugang sinnvoll. Die notwendige ausgiebige Mobilisation des Muskelstumpfs ist so gut möglich. Verbleibende Defekte können über Sehnengrafts angeschlossen oder augmentiert werden.

  • Flügelfellartige Narbenstränge (Typ 2) sollten vollständig von der Oberarmfaszie gelöst werden; sie können bei ausreichender Qualität des gelösten Narbengewebes in der Regel mit dem anhängigen Muskel direkt am Humerus refixiert werden.

  • Durch die Verwendung von Sehnenallografts entsteht keine Entnahmemorbidität bei gleich gutem Ergebnis.

  • Wie lange die Ruptur im chronischen Fall zurückliegt, ist letztlich unwichtig; auch lang zurückliegende Rupturen können sinnvoll versorgt werden.

Abb. 5
figure 5

2,9-mm-JuggerKnot®

Nachteile

  • Es besteht keine hohe Primärstabilität, da sich viele Risse im myotendinösen Übergang befinden. Daher liegen auch Nähte im muskulären Anteil und das Versagen des Faden-Sehnen‑/Muskel-Interfaces ist möglich. Eine strenge Nachbehandlung ist daher erforderlich.

  • Biomechanische Studien zu Ankersystemen oder Nahttechniken lassen sich nur begrenzt in vivo übertragen.

  • Die Kosten der notwendigen 2–4 Nahtanker.

  • Die Vergütung erfolgt in der Regel nach Operationen- und Prozedurenschlüssel über OPS 5-853.01 in der DRG I27D (Diagnosis Related Groups) und ist bei sekundären Eingriffen nicht adäquat abgebildet. Nur bei Kodierung einer Sehnenersatzplastik mit Interponat (OPS 5–854.51) ist die die DRG I27C, aber mit unterer Grenzverweildauer (UGW) 3 Tage, möglich. Bei Verwendung eines Sehnenallografts ist keine spezielle höher dotierte DRG oder ein Zusatzentgeld vorgesehen.

  • Bei sehr muskulösen Athleten und allgemein bei sekundären Rekonstruktionen besteht ein erhöhtes Komplikationsprofil.

  • Entnahmemorbidität bei Verwendung eines Autograft. Beim Kraftsportler hat sich die Verwendung der Grazilissehne bewährt. Die Entnahme der Semitendinosussehne verändert das muskuläre Profil des Beins und führt zu deutlich mehr Beschwerden.

Indikationen

  • Grundsätzlich stellt jede chronische laterale Pectoralis-major-Ruptur, auch relevante Teilrupturen, eine Operationsindikation dar. Die Entscheidung hierzu trifft der Patient nach Aufklärung über Vor- und Nachteile und Ausmaß der Beschwerdesymptomatik.

  • Alle chronischen lateralen Rupturen kann man durch eine sekundäre Rekonstruktion entscheidend verbessern. Hierzu sind beim chronischen Typ 1 in der Regel Sehnenauto- oder -allografts als Augmentation oder bei Defekt als Interponat notwendig. Beim Flügelfelltyp (Typ 2) kann häufig die von der Bizepsfaszie zu lösende Vernarbung mit dem anhängigen Muskelstumpf ohne Sehnengraft rekonstruiert werden.

  • Mediale Rupturen sind schwierig zu rekonstruieren und nur in besonderen Fällen indiziert.

Kontraindikationen

  • Infekte, Tumoren und allgemeine operative Kontraindikationen

Patientenaufklärung

  • Allgemeine Operationsrisiken: Insbesondere postoperative Hämatome, Wundheilungsstörungen, Infekt, Armvenenthrombose und Revisionsoperation.

  • Implantation von Nahtankern und Fäden zur Refixation

  • Vor- und Nachteile eines Sehnenallografts: Entnahmemorbidität eines Sehnenautografts und Benennung von Art und Ort der Entnahme; spezielle Nachbehandlung je nach Entnahme

  • Bei sekundären Operationen oder Revision Gefahr von Gefäß- und Nervenverletzungen

  • Ruhigstellung für 6 Wochen in einer Schlinge; 6 Wochen keine Schultermobilisation

  • Insgesamt 3 Monate lastfreie Mobilisation ohne Gewichtsbelastung

  • Einschränkung der postoperativen Belastbarkeit; Belastungsaufbau vom 4.–6. Monat

  • Bleibendes Kraftdefizit und Reruptur

  • Bleibendes kosmetisches Defizit durch Defekt und/oder ungünstige Narbenbildung

  • Stationäre Operation mit 2–3 Nächten Aufenthalt

Operationsvorbereitung

  • Anamnese mit Unfallhergang und Zeitpunkt

  • Klinischer Befund mit lokaler und funktioneller Beurteilung des M. pectoralis, Konturzeichen, sonographischer Befund in Funktion

  • Klinischer und sonographischer Befund der Schulter: Range of Motion (ROM), Rotatorenmanschette, insbesondere Subskapularis, lange Bizepssehne

  • Röntgenbild vom proximalen Oberarm in 2 Ebenen

  • Ein MRT ist nur bei Unsicherheit erforderlich; der klinische Befund ist eindeutig

  • Rasur von Brust, Schulter, Axilla und bei Autograft am Entnahmeort

  • Antibiotikaprophylaxe mit Cephalosporin

  • Die Rissarchitektur sollte schon beim Hautschnitt berücksichtigt werden und die spezielle Anatomie, die notwendige Mobilisation und die Fixationsmöglichkeiten sollten bedacht werden.

Instrumentarium

  • Bipolare Diathermie

  • Verschiedene Hohmann-Hebel, Roux- und Kocher-Haken

  • Kurze Kocher-Klemmen

  • Bohrmaschine

  • 2,9-mm-Bohrer und Bohrführung

  • 1–5 2,9-mm-JuggerKnot® (Zimmer Biomet)

  • Alternativ andere All-suture-Anker, Fadenanker oder Suture plates mit monokortikaler Verankerung. Interferenzschrauben und Schraubenanker sind nicht optimal.

Anästhesie und Lagerung

  • Allgemeinanästhesie mit Larynxmaske oder Intubation; ein Schmerzkatheter ist nicht erforderlich.

  • Rückenlagerung; der Arm wird auf einem Armhalter parallel zum Tisch ausgelagert.

  • Bewegliche Abdeckung; die Brustwarze sollte zur besseren Orientierung insbesondere bei sekundären Rekonstruktionen frei bleiben.

Operationstechnik

(Abb. 678910111213141516171819202122)

Abb. 6
figure 6

Patient in Rückenlage. Der Arm wird auf einem Armhalter parallel zum Operationstisch ausgelagert. Bewegliche Abdeckung unter Freilassen der Mamille zur Orientierung bei der Mobilisation

Abb. 7
figure 7

Der kosmetische Hautschnitt erfolgt in den Spaltlinien der Haut 1–2 cm medial der vorderen Axillarfalte über eine Länge von 5–6 cm

Abb. 8
figure 8

Bei Voroperationen ist zudem eine Mobilisation des Zugangs und der Haut notwendig. Eine ausreichende subcutane und suprafasciale und Mobilisation ist immer notwendig

Abb. 9
figure 9

Nach Analyse der Rissarchitektur erfolgt die ausgiebige Mobilisation des Muskelstumpfs. Kein Riss ist wie der andere und die meisten Risse betreffen den myotendinösen Übergang. Der chronische Riss vom Typ 1 ist durch einen Defekt mit Retraktion gekennzeichnet. Die Verlaufsrichtung der Muskelfasern ist regelhaft ungeordnet

Abb. 10
figure 10

Eine gute Orientierung ermöglicht die Korrektur der anatomischen Verlaufsrichtung der Muskelfasern auf den Humerus zu

Abb. 11
figure 11

Bei der scharfen Mobilisation sind ggf. auch tiefe Einschnitte in das vernarbte Muskelgewebe zur optimalen Mobilisation erforderlich

Abb. 12
figure 12

Beim chronischen Pectoralis-major-Riss vom Typ 2 mit einem Flügelfell wird dieses vollständig dargestellt und distal von der Bizepsfaszie scharf gelöst. Wenn sich eine gute Narbenstruktur zeigt, ist es möglich, den Narbenstrang mit dem anhängigen Muskel nach guter Mobilisation direkt in korrekter Spannung an den Nahtankern zu fixieren. Das Narbengewebe sollte dem Humerus dann gut aufliegen, sonst empfiehlt sich auch hier eine Sehnengraftaugmentation

Abb. 13
figure 13

Nach der Mobilisation erfolgt die Darstellung der Crista tuberculi majoris lateral der langen Bizepssehne. Der Humerus wird mit einem Hohmann-Hebel durch den fast immer intakten klavikulären Anteil des Pectoralis major umfahren

Abb. 14
figure 14

Je nach Befund werden 2–5 Nahtanker im Abstand von ca. 1 cm platziert. Der Arm sollte beim Bohren innen rotiert werden, um die zentrale Lage der Nahtanker im Humerus zu ermöglichen. Liegt der klavikuläre Anteil noch fest an, können die Anker über kleine Längsinzisionen durch den intakten klavikulären Anteil platziert werden. Die Nahtanker sollten nicht zu weit medial an die lange Bizepssehne oder in die Verlängerung des Sulcus intertubercularis gesetzt werden, um diese nicht durch Nahtmaterial zu kompromittieren

Abb. 15
figure 15

Nach Überprüfen der korrekten Lage der Nahtanker wird der ausreichend mobilisierte Muskel-Sehnen-Stumpf mit einer Kocher-Klemme oder einem Hilfsfaden hervorgezogen, um die Nähte vorlegen zu können

Abb. 16
figure 16

Die Nahtanlage erfolgt je nach Beschaffenheit des Rissrandes mit Masson-Allen-Nähten oder in Whip-stitch-Technik

Abb. 17
figure 17

Die Refixation erfolgt sukzessive und in maximaler Adduktion und Innenrotation des Arms. Die Fäden werden mit den Rutschknoten nach und nach unter Spannung gebracht und dann verknotet. Eine leichte Überkorrektur ist akzeptabel, da sich dies in der Regel remodelliert. Eine direkte Fixation am Humerus gelingt vielfach nicht und die Fäden bleiben „luftig“. Mit diesen – wenn auch „luftigen“ – Fäden wird die richtige Länge und Spannung des Muskels eingestellt. Ein zusätzliches Sehnengraft ist in diesem Fall sicher erforderlich

Abb. 18
figure 18

Das Sehnengraft wird dann zu einem „W“ gelegt und an den „Füßen“ an dem jeweils 2. Fadenpaar von 2 verschiedenen Nahtankern fixiert

Abb. 19
figure 19

Das Graft wird mit seinen 3 Armen am Sehnenstumpf unter Spannung fixiert und sorgfältig vernäht. Bei Gaps bis 2 cm kann man das Graft gut augmentieren. Bei Gaps über 2 cm sollte man das Graft interponieren und über Längsinzisionen im Muskelstumpf fixieren

Abb. 20
figure 20

Sorgfältiges Vernähen der Faszie mit Einzelknopfnähten und Einlage einer 10er- oder 12er-Redondrainage

Abb. 21
figure 21

Die Hautnaht erfolgt in Intrakutantechnik. Anschließend steriler Verband und Anlage einer Immobilisationsschlinge

Abb. 22
figure 22

In der radiologischen Kontrolle lassen sich die Bohrlöcher der Fadenanker meistens darstellen

Besonderheiten

Durch die richtige Wahl des Hautschnitts lässt sich dieser auch in der chronischen Situation kosmetisch überschaubar halten. Im Gegensatz zur akuten Operation ist bei der sekundären Rekonstruktion eine scharfe und aggressive Mobilisation erforderlich. Nur ein optimal mobilisierter Muskel wird zu einer relevanten Funktionsverbesserung führen. Die Verwendung von Auto- oder Allografts sollte großzügig gehandhabt werden, da sich hierdurch häufig bessere Ergebnisse erzielen lassen. Die sekundären Operationen am Pectoralis major bedürfen solider Erfahrung in Muskel- und Sehnenchirurgie.

Postoperative Behandlung

  • Redondrainage, mindestens Stärke 10

  • Steriler Verband mit Kompressen

  • Ggf. perioperative Verlängerung der i.-v.-Antibiose mit Cephalosporin für 1–2 Tage bei Operationszeiten länger als 75 min oder sekundären Rekonstruktionen mit Sehnengrafts und schwieriger Mobilisation

  • Kurzfristige Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und Wundkontrollen

  • Ruhigstellung in einer Armschlinge für 6 Wochen ohne Schultermobilisation

  • Lastfreie physiotherapeutische Mobilisation ab der 7. Woche

  • Gewichtsbelastung nicht vor der 13. Woche

Fehler, Gefahren, Komplikationen

  • Nachblutung trotz liegender Redondrainage und massive Schmerzhaftigkeit: Sofortige Revision

  • Wundheilungsstörungen: Beobachten und ggf. Antibiose

  • Wundinfekte: Revision mit Spülung und Débridement primär unter Erhalt der Rekonstruktion; ggf. Vac-Anlage und systemische Antibiotikatherapie möglichst nach Antibiogramm; bei anhaltendem Infekt müssen die Ankerfäden entfernt werden.

  • Postoperative Schmerzen ohne Anhalt für Infekt: Armvenenthrombose prüfen

  • Schultersteife: Wurde in über 300 vom Autor operierten Fällen, trotz der strengen Immobilisation, bisher nicht gesehen; auch in der Literatur sind, wenn überhaupt, nur passagere Steifen beschrieben.

  • Rerupturen: Eher selten; in der Regel ist von einer nichtoptimalen Rekonstruktion oder Heilung auszugehen; eine erneute Rekonstruktion mit einem Sehnengraft kann auch bei primär chronischen Rekonstruktionen sinnvoll sein.

  • Narbenbildungen mit Verklebungen auf der ventralen Oberarmfaszie: Können Probleme machen und sind dann auch revisionsbedürftig.

  • Ektope Ossifikationen: Kommen selten vor und sind unmittelbar am Humerus zu beobachten. Probleme ergeben sich hier nicht und eine Prophylaxe ist nicht erforderlich

Ergebnisse

Die Rekonstruktion chronischer Rupturen wird in der Literatur mit 70–90 % guten Resultaten bei einem bleibenden Kraftdefizit von 10–30 % beschrieben [1, 2, 5, 17, 23, 24, 26, 29]. Durch die Verwendung von Auto- und Allografts können die Ergebnisse bei den sekundären Rupturen verbessert werden [9, 21]. In der akuten Versorgung werden die besten Ergebnisse mit 90–100 % bei primärer Operation innerhalb der ersten 2 Wochen nach Trauma erreicht. Auch in der Isokinetik beträgt die Kraftfähigkeit hier 90–100 % der Gegenseite.

In der neueren Literatur wird die Verwendung von Buttons [19, 20] und Tapes favorisiert [14, 28]. Signifikante Vorteile ergeben sich hierdurch allerdings nicht [30]. Biomechanisch sind Nähte in fortlaufender und/oder geblockter Weise (nach Krackow) vorteilhaft [10, 16]. Anzumerken ist allerdings, inwieweit diese Kadaverstudien auf den Situs mit traumatisierten Muskeln und Sehnen zu übertragen sind [14, 19, 20, 28]. Schraubanker sind für den kräftigen kortikalen Knochen nicht sinnvoll und können auch versagen [25].

Die Augmentation/Interposition mit einem Auto- oder Allograft führt in der Therapie der chronischen Risse zu deutlich besseren Ergebnissen. Als Grafts sind Semitendinosus‑, Grazilis- und Achillessehne sowie Fascia lata oder humane azelluläre Dermis beschrieben [9, 21]. Sekundäre Rekonstruktionen sind so auch nach Jahren noch erfolgreich möglich.

Zwischen 1997 und 2015 wurden 300 Pectoralis-major-Rupturen bei 280 Patienten behandelt. Alle Patienten wurden prospektiv erfasst. Eine operative Therapie erfolgte bei 220 Patienten. In dieser Gruppe wurde bei 25 Patienten mit einer chronischen Pectoralis-major-Ruptur eine sekundäre Rekonstruktion mit einem Sehnenauto- oder -allograft durchgeführt. Alle Patienten waren männlich und 21 aktive Kraftsportler. Das durchschnittliche Alter lag bei 36,3 Jahren (Spanne 21–53 Jahre), die durchschnittliche Körperhöhe bei 182 cm (Spanne 165–201 cm) und das Körpergewicht im Schnitt bei 98 kg (Spanne 67–130 kg). Die Kraftsportler trainierten durchschnittlich seit 16,9 Jahren (Spanne 4–31 Jahre) 4‑mal wöchentlich (Spanne 2‑ bis 6‑mal). Neben der klinischen Diagnostik erfolgte eine Sonographie sowie eine Röntgendiagnostik und wenn notwendig ein MRT. Die Dauer von der Ruptur bis zur operativen Versorgung betrug im Durchschnitt 39 Monate (Spanne 3 Monate–18 Jahre). Zur Rekonstruktion wurden 18 Allografts der Firma DIZG (Berlin, Deutschland) (13-mal Semitendinosussehne, 4‑mal Grazilissehne, 1‑mal Fascia lata) und 7 Autografts (6-mal Semitendinosussehne, 1‑mal Grazilissehne) verwendet. Die Refixation am Humerus erfolgte in allen Fällen mit 2–4 2,9-mm-JuggerKnot® (Zimmer Biomet). Das Follow-up betrug mindestens 12 Monate. Alle Patienten wurden nach mindestens 12 Monaten klinisch und sonographisch nachuntersucht. Bei den Kraftsportlern wurde die Leistung im Bankdrücken erfragt.

Komplette Rupturen fanden sich 3‑mal; die Pars sternocostalis war gemeinsam mit der Pars abdominalis 18-mal, die Pars sternocostalis isoliert 1‑mal und die Pars abdominalis isoliert 3‑mal betroffen. Der Riss betraf 21-mal den myotendinösen Übergang, 1‑mal den Muskel und 3‑mal die Sehne. Ursächlich waren am häufigsten Bankdrücken (13-mal), Sturz (7-mal) und Wrestling (3-mal). Gemäß der Einteilung von Bak et al. [3] konnten bei 23 Patienten (92 %) gute und sehr gute Ergebnisse erreicht werden (14-mal sehr gut, 9‑mal gut). Nur in 2 Fällen kam es zu einem mäßigen Ergebnis ohne relevante Verbesserung gegenüber der präoperativen Situation. Der „Return to Sport“ lag bei 100 % und der „Return to Prior Performance“ bei 80 %. Die alte Bankdrückleistung wurde von 67 % der Patienten (14/21) erreicht.

Die Komplikationsrate lag mit 24 % insgesamt hoch. Es gab 2 große Komplikationen (8 %). Zum einen wurde 2 Wochen postoperativ eine Armvenenthrombose festgestellt, die unter Therapiestandard folgenlos ausheilte. Zum anderen ergab sich 4 Wochen postoperativ ein tiefer Wundinfekt mit Mischflora, der mehrfach revidiert werden musste und nur unter Defekt zur Ausheilung kam. Bei dem Patienten wurde eine autogene Grazilissehne verwendet. Es handelte sich um eine Revision bei frustraner Voroperation und zwischenzeitlich war der Defekt noch mit Macrolane™, ein Gel auf Hyaluronsäurebasis, aufgefüllt worden. Dies ergibt intraoperativ immer Probleme. Bei den kleineren Komplikationen (16 %) handelte es sich um 2 Wundheilungsstörungen (je eine bei Semisehnen-Autograft und Grazilissehnen-Allograft), um ein Hämatom und eine Thrombophlebitis am Unterarm. Der Hebedefekt bei Entnahme der Semitendinosussehne bereitete den Kraftsportlern regelmäßig Probleme.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen deutlich bessere klinische Ergebnisse, als sie in der Literatur bei chronischen Rupturen ohne Verwendung von Sehnengrafts beschrieben sind. Die Verwendung von Sehnenauto- oder -allografts ist in der Versorgung der chronischen Pectoralis-major-Ruptur daher zu empfehlen. Die All-suture-Anker (JuggerKnot®, Zimmer Biomet) lassen eine stabile Rekonstruktion mit gutem Fadenmanagement zu. Die Komplikationsrate ist höher, als in der Literatur beschrieben. Auf Komplikationen wird nur in wenigen Publikationen [4, 15, 22], hier auch in Form von tiefen Infekten, Wundheilungsstörungen und Rerupturen, eingegangen.