Zusammenfassung
Hintergrund
Etwa 8–10 % der pädiatrischen Notfälle präsentieren sich mit akuten Bauchschmerzen. Zum Ausschluss eines akuten Abdomens ist eine gezielte Abklärung notwendig.
Ziel der Arbeit
Dieser Leitartikel gibt einen Überblick über Ursachen, Symptome, Diagnostik und aktuelle Therapieempfehlungen des akuten Abdomens im Kindesalter.
Material und Methoden
Review der aktuellen Literatur.
Ergebnisse
Ursachen eines akuten Abdomens sind in der Regel eine abdominale Entzündung, eine Ischämie, ein Hohlorganverschluss oder eine akute abdominale Blutung. Extraabdominale Erkrankungen, wie eine Otitis media bei Kleinkindern und eine Hodentorsion bei jugendlichen Jungen, können auch Symptome eines akuten Abdomens auslösen. Leitbefunde sind Bauchschmerzen, (galliges) Erbrechen, abdominale Abwehrspannung, Stuhlverhalt, blutiger Stuhl, eine abdominale Prellmarke und ein reduzierter Allgemeinzustand mit Allgemeinsymptomen (Tachykardie, Tachypnoe, Hypotonie) bis zum Schock. In einigen Fällen ist eine (Notfall‑)Operation zur Fokussanierung bzw. zum Organerhalt notwendig. Ein „pediatric inflammatory multisystem syndrome-temporarily associated with rSARS-CoV‑2 infection“ (PIMS-TS) mit gastrointestinaler Beteiligung ist eine neue Ursache, die ein akutes Abdomen verursachen kann, bei der jedoch selten eine Operationsindikation besteht.
Diskussion
Das akute Abdomen kann zu einem Organverlust (z. B. Darm oder Ovar) und zu einer akuten Verschlechterung des Allgemeinzustands des Patienten bis zum Schock führen. Zur rechtzeitigen und zielgerichteten Therapie sind daher eine aufmerksame Anamnese und Untersuchung notwendig.
Abstract
Background
Because 8–10% of children in the emergency room present with acute abdominal pain, a systematic work-up is essential to rule out acute abdomen.
Objectives
This article highlights the etiology, symptoms, diagnostic workup, and treatment of acute abdomen in children.
Materials and methods
Review of the current literature.
Results
Abdominal inflammation, ischemia, bowel and ureteral obstruction, or abdominal bleeding are causes of acute abdomen. Extra-abdominal diseases such as otitis media in toddlers or testicular torsion in adolescent boys can also lead to symptoms of acute abdomen. Abdominal pain, (bilious) vomiting, abdominal guarding, constipation, blood-tinged stools, abdominal bruise marks, and poor condition of the patient with symptoms such as tachycardia, tachypnea, and hypotonia up to shock are leading symptoms of acute abdomen. In some cases, emergent abdominal surgery is needed to treat the cause of the acute abdomen. However, in patients with pediatric inflammatory multisystem syndrome temporarily associated with SARS-CoV‑2 infection (PIMS-TS), a new disease causing an acute abdomen, surgical treatment is rarely needed.
Conclusions
Acute abdomen can lead to nonreversible loss of an abdominal organ, such as bowel or ovary, or develop into acute deterioration of the patient’s condition up to the state of shock. Therefore, a complete history and thorough physical examination are needed to timely diagnose acute abdomen and initiate specific therapy.
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Hintergrund
Das akute Abdomen ist ein klassischer chirurgischer Notfall. Etwa 8–10 % der Notfälle in der pädiatrischen Notfallaufnahme präsentieren sich mit akuten Bauchschmerzen und Verdacht auf ein akutes Abdomen [2, 24]. Das akute Abdomen wird durch eine Durchblutungsstörung eines abdominalen Organs, eine Infektion im Bauchraum, einen akuten Verschluss eines Hohlorgans mit Passagestörung oder eine intraabdominale (Organ‑)Blutung ausgelöst (Abb. 1). Fast alle sich daraus ableitenden Diagnosen sind potenziell lebensbedrohlich und beinhalten einen direkten chirurgischen Handlungsbedarf.
Die klinische Diagnosestellung ist jedoch insbesondere im Säuglings- und Kleinkindalter oftmals nicht einfach. Gerade im Kleinkindalter können extraabdominale Ursachen das klinische Bild eines akuten Abdomens „vortäuschen“. Abdominale Beschwerden sind so z. B. bei einer basalen Pneumonie, einer Otitis media oder einer Ketoazidose bei Diabetes mellitus zu sehen [2, 11].
In den letzten Jahren ist durch die COVID-19-Pandemie eine neue Differenzialdiagnose zu den Erkrankungen hinzugekommen, die ein akutes Abdomen bei Kindern auslösen können. Es handelt sich um eine hyperinflammatorische Reaktion des Gastrointestinaltrakts nach einer Infektion mit „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV 2): das „pediatric inflammatory multisystem syndrome-temporarily associated with SARS-CoV‑2 infection“ (PIMS-TS). In einigen Fällen ist die Entzündungsreaktion so stark ausgeprägt, dass das klinische Bild eines akuten Abdomens entsteht. Eine chirurgische Behandlung ist jedoch nicht notwendig.
Von den Fachgesellschaften der Pädiatrie und der Kinderchirurgie gibt es zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels keine Leitlinie zur Behandlung des akuten Abdomens im Kindesalter. Dieser Leitartikel soll daher einen Überblick über das akute Abdomen bei Kindern mit Erläuterung zu den Ursachen, Leitsymptomen, Warnzeichen, der Diagnostik und Therapie bieten. Die Ursachen eines akuten Abdomens bei Frühgeborenen werden nicht besprochen.
Definition und Ursachen
Das akute Abdomen ist eine klinische Zustandsbeschreibung. Es tritt als Folge einer akuten abdominalen Erkrankung auf. Eine Darmperforation kann z. B. durch das Austreten von Darminhalt in die freie Bauchhöhle zur Peritonitis mit Sepsis und Kreislaufversagen führen. Ohne chirurgische Intervention mit Beseitigung der Ursache entsteht für den Patienten eine lebensbedrohliche Situation.
Merke.
Das akute Abdomen beschreibt den Zustand einer abdominalen Erkrankung, die ohne weitere Therapie zu einem Organverlust oder einem lebensbedrohlichen Zustand führt.
Die Tab. 1 gibt eine Übersicht über die Ursachen eines akuten Abdomens im Kindesalter. Die Ursachen des akuten Abdomens können dabei multifaktoriell bedingt sein. So führen sowohl der Darmverschluss als auch die Enterokolitis (toxisches Megakolon) beim Morbus Hirschsprung zu einem akuten Abdomen.
Eine akute abdominale Symptomatik kann aber auch durch extraabdominale oder systemische (Stoffwechsel‑)Erkrankungen ausgelöst werden. Die abdominale Symptomatik wird dabei durch eine Begleitreaktion abdominaler Organe ausgelöst. Zumeist reagieren der Darm mit einer Atonie und das darmassoziierte lymphatische Gewebe in Form einer Lymphadenitis [11]. In diesen Fällen ist zumeist primär eine pädiatrisch-internistische und ggf. intensivmedizinische Therapie und zumeist keine primär chirurgische Intervention notwendig (Tab. 2).
Altersabhängige Erkrankungen sind unter den Differenzialdiagnosen vorranging in Betracht zu ziehen
Einige Erkrankungen eines akuten Abdomens weisen eine starke altersabhängige Inzidenz auf, so dass in Abhängigkeit des Alters bestimmte Differenzialdiagnosen bevorzugt in Betracht gezogen werden müssen [24]. Das eindrücklichste Beispiel hierfür ist der Dünndarmvolvulus, der in 50 % der Fälle im Neugeborenenalter und in bis zu 90 % im ersten Lebensjahr auftritt [13]. Er präsentiert sich mit galligem Erbrechen, fahrig erscheinendem, schreiendem Säugling, initial eingefallenem Abdomen, ggf. blutigem Stuhlabgang und raschem Verfall des Allgemeinzustands. Ein Nichtbeachten der Differenzialdiagnose des Volvulus kann zum Kurzdarmsyndrom oder Tod des Patienten führen. Es gilt daher der Grundsatz, dass jedes Neugeborene mit galligem Erbrechen und reduziertem Allgemeinzustand bis zum Beweis des Gegenteils die Diagnose eines Volvulus hat. Die Bestätigung oder der Ausschluss dieser Diagnose rechtfertigt in diesen Fällen eine diagnostische Laparotomie.
Ein weiteres Beispiel ist der plötzliche starke (Vernichtungs‑)Schmerzen im Unterleib mit Kaltschweißigkeit, Blässe und Erbrechen bei einer Ovarialtorsion bei Mädchen im jugendlichen Alter. Die Patientinnen können oft die genaue Uhrzeit des Schmerzbeginns benennen. Auch hier ist eine direkte diagnostische Laparoskopie oder Laparotomie ohne Zeitverlust zur Vermeidung des Organverlusts gerechtfertigt (Abb. 2). Weitere Beispiele alterstypischer Erkrankungen sind in Tab. 3 aufgeführt.
Bis zu 70 % der Kinder mit einer Appendizitis im Kleinkindalter und frühen Schulalter haben bei Vorstellung in der Klinik eine perforierte Appendizitis. Retrospektiv lässt sich typischerweise bei den Kindern eine Episode einer Malaise mit unspezifischen Bauchschmerzen vor 1–2 Wochen mit anschließender Beschwerdefreiheit und erneutem Einsetzen von Bauchschmerzen, dann zumeist mit Erbrechen und Fieber, feststellen. Bei der körperlichen Untersuchung zeigt sich dann eine Abwehrspannung und ein tastbarer (entzündlicher) Konglomerattumor [10].
Die Appendizitis im Kleinkindalter zeigt eine hohe Perforationsrate
Die Infektion eines ventrikuloperitonealen (VP-)Shunts kann sich primär als ein akutes Abdomen mit Schmerzen, Erbrechen, Fieber und Peritonitis präsentieren. Nicht selten besteht initial der Verdacht auf eine Appendizitis. In einer Nachuntersuchung von 24 Patienten mit VP-Shunt und einem akuten Abdomen hatten 50 % (12/24) eine primäre Infektion des Shunts als Ursache der Peritonitis ohne weitere abdominale Ursache. Bei nur 2 Patienten wurde die VP-Shunt-Infektion direkt festgestellt und der Shunt explantiert. Alle anderen Patienten erhielten initial eine Appendektomie (3 Patienten) und eine explorative Laparotomie (4 Patienten) oder Koloskopie (3 Patienten) ohne Nachweis einer Pathologie [7].
Eine VP-Shunt-Infektion kann sich primär als ein akutes Abdomen präsentieren
Bei Patienten mit einem VP-Shunt ist auch bei fehlenden neurologischen Zeichen (Kopfschmerzen, Visusveränderungen, Meningismus, Erbrechen u. a.) an eine Infektion des Shunts zu denken. Eine erhöhte Inzidenz der VP-Shunt-Infektionen ist insbesondere im Zeitraum innerhalb von 10 Wochen nach Implantation des Shunts zu erwarten [7]. Es sollte daher immer eine interdisziplinäre Begutachtung der Patienten durch Kinderärzte, (Kinder)Chirurgen und (Kinder)Neurochirurgen erfolgen. Liquordiagnostik und Bildgebung mittels Sonographie und Magnetresonanztomographie können in der differenzialdiagnostischen Abklärung helfen.
Eine Hodentorsion kann ein akutes Abdomen imitieren
Jedoch auch Schmerzen außerhalb des Abdomens können sich auf das Abdomen projizieren. Patienten mit einer Hodentorsion präsentieren sich nicht selten mit akuten starken Bauchschmerzen, Erbrechen und Schonhaltung in Seitenlage und die Hodentorsion kann somit ein akutes Abdomen imitieren. Aufgrund des Ischämieschmerzes und des peritonealen Reizes entsteht eine vegetative Begleitsymptomatik mit Übelkeit, Erbrechen und Kaltschweißigkeit. Daraus leite sich ab, dass bei jedem Jungen mit Bauchschmerzen eine Hodenuntersuchung durchzuführen ist [25].
Während oder nach einer SARS-CoV-2-Infektion kann bei Kindern und Jugendlichen selten ein PIMS-TS auftreten, das insbesondere dem Kawasaki-Syndrom ähnelt (< 20 %), zu einer kardialen Dysfunktion führt (< 70 %) und/oder gastrointestinale Beschwerden (< 90 %) verursacht [15]. Diese können dabei dem Bild einer (perforierten) Appendizitis gleichen. Die Patienten haben Druckschmerzen im rechten Unterbauch mit Abwehrspannung, erhöhten Entzündungsparametern im Serum und sonographischen Zeichen der abdominalen Entzündung mit Darmwandverdickung insbesondere im Bereich des terminalen Ileums und Zökums, mesenterialer Lymphadenitis und freier abdominaler Flüssigkeit [12, 18].
In bis zu 30 % der Fälle entwickelt sich im Rahmen des PIMS das klinische Bild eines akuten Abdomens
In bis zu 30 % der Fälle kann sich im Rahmen des PIMS das klinische Bild eines akuten Abdomens entwickeln [8, 23, 27]. In einem systematischen Literaturreview mit Einschluss von 385 Patienten mit PIMS im Alter zwischen 2 und 16 Jahren wurde bei 35 Kindern eine Laparotomie aufgrund eines akuten Abdomens durchgeführt. In 51,4 % der Fälle erbrachte die Laparotomie keine chirurgisch zu behandelnde Ursache des akuten Abdomens. In den anderen Fällen wurde fast ausschließlich die Diagnose Appendizitis gestellt [17]. Beim Bild eines akuten Abdomens unter PIMS mit Nachweis von SARS-CoV-2-Antikörpern ist eine Operationsindikation daher sorgfältig zu evaluieren [3, 17].
Hinter einem akuten Abdomen kann auch eine maligne Erkrankung als Erstpräsentation stehen
Hinter einem akuten Abdomen kann auch eine maligne Erkrankung als Erstpräsentation stehen. Ein B‑Zell-Lymphome mit Befall des intestinalen lymphatischen Systems kann initial durch Invagination und Ileus symptomatisch werden. Im Fall einer Invagination im Schulalter sollte stets aktiv ein Lymphom ausgeschlossen werden.
Ovarteratome sind nicht selten Ursache einer Ovartorsion und bedürfen eines differenzierten Vorgehens bezüglich eines ovarerhaltenden oder -entfernenden operativen Vorgehens [5].
Ein weiteres Beispiel eines chirurgisch-onkologischen Notfalls ist ein akutes Abdomen aufgrund eines Kompartmentsyndroms durch einen raumfordernden soliden abdominalen Tumor. Zum Beispiel kann ein Neuroblastom im Säuglingsalter mit Hepatomegalie durch Filiarisierung in die Leber eine Abdominozenthese zur Entlastung des abdominalen Drucks notwendig machen [9]. Grundsätzlich gilt, dass bei einem Kind mit distendiertem Abdomen immer an die Differenzialdiagnose einer abdominalen Raumforderung gedacht werden sollte.
Leitsymptome und Warnzeichen
Das akute Abdomen ist eine klinische Diagnose. Daher steht die körperliche Untersuchung bei der Diagnosestellung im Vordergrund [14]. Nach der klinischen Feststellung eines akuten Abdomens ist eine schnelle Abklärung der Ursache zumeist durch eine bildgebende Diagnostik durchzuführen (Abb. 3; [1, 26]).
In der Anamnese und der klinischen Untersuchung können eine Reihe von Warnzeichen auf ein akutes Abdomen hinweisen [2]. Bei akuten Bauchschmerzen sollte nach diesen Zeichen aktiv gefahndet werden (Tab. 4).
Der Schmerzcharakter spielt eine wesentliche Rolle bei der Diagnosestellung des akuten Abdomens
Eines der Leitsymptome des akuten Abdomens ist der Bauchschmerz. Im klinischen Alltag ist es oftmals nicht einfach, die Bauchschmerzen eines Patienten einer potenziell lebensbedrohlichen oder einer nichtlebensbedrohlichen Erkrankung zuzuordnen [16, 19]. Es gibt jedoch Schmerzcharakteristika, die auf ein akutes Abdomen hinweisen und der Schmerzcharakter spielt eine wesentliche Rolle bei der Diagnosestellung. Bei einem Ischämieereignis steht der zumeist plötzliche Schmerzbeginn mit stärksten Schmerzen (Vernichtungsschmerz) im Vordergrund (Tab. 3). Bei der Infektion kommt es eher zu einem Wechsel von einem initial nicht lokalisierbaren (viszeralen) Schmerz zu einem genau lokalisierbaren Schmerz (somatischer Schmerz; Tab. 5).
Die Abwehrspannung der Bauchdecke entsteht aufgrund einer Peritonitis mit dauerhafter Kontraktion der Bauchdeckenmuskulatur. Die Abwehrspannung ist daher stets ein Zeichen einer fortgeschrittenen Entzündung im Abdomen. Die Abb. 4 veranschaulicht die Ursachen und die klinischen Symptome der Peritonitis.
Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass die Ausprägung einer Abwehrspannung durch die Konstitution der Bauchdecke beeinflusst ist. Bei Säuglingen und bei manchen Kleinkindern ist die Bauchmuskulatur noch schwach ausgeprägt, sodass ein fester Widerstand der Bauchdecke nur sehr eingeschränkt zu ertasten ist. Ähnlich verhält es sich z. B. bei Kindern mit muskulärer Hypotonie bzw. Hypotrophie im Rahmen einer neuromuskulären Erkrankung. In Fall einer Abwehrspannung und damit Feststellung einer Peritonitis muss immer eine weitere Abklärung erfolgen.
Bei Neugeborenen und Säuglingen sollte auf allgemeine (indirekte) Zeichen geachtet werden
Bei Neugeborenen und Säuglinge ist in der klinischen Untersuchung ein hohes Maß an Erfahrung notwendig, um die Zeichen eines akuten Abdomens zu erkennen. In dieser Altersgruppe sollte auf allgemeine (indirekte) Krankheitszeichen geachtet werden. Hierzu zählen vor allem die Nahrungsverweigerung, eine schnelle Erschöpfung bei der Nahrungsaufnahme, hypotoner Muskeltonus (schlappes Kind) und ein blasses und graues Hautkolorit mit Marmorierung als Ausdruck einer (Allgemein‑)Infektion. Unstillbares Schreien und angezogene Beine (Kind strampelt nicht mehr) können sich als Folge einer Peritonitis oder einer inkarzerierten Leistenhernie zeigen (Tab. 3).
Die typischen Symptome des akuten Abdomens können durch andere Erkrankungen alteriert sein
Bei einigen Patienten können die typischen Symptome des akuten Abdomens durch andere Erkrankungen alteriert sein. So können die Symptome bei Patienten mit einer Immundefizienz (Diabetes mellitus, Malnutrition, maligne Erkrankung, Chemotherapie, [Hochdosis-]Steroidbehandlung, Neutropenie, Knochenmarktransplantation u. a.) aufgrund einer inadäquaten Immunantwort unspezifisch und abgeschwächt ausgeprägt sein (kein Fieber, fehlende Leukozytose, keine oder milde Peritonitis; [4]).
In ähnlicher Weise können die Symptome bei Patienten mit einer verminderten Schmerzwahrnehmung oder einer muskulären Hypotonie im Rahmen einer neuromuskulären Grunderkrankung (z. B. Corpus-callosum-Agenesie, Muskeldystrophie u. a.) schwer zu erkennen sein. Zusätzlich kann eine mentale Entwicklungsverzögerung oder eine ausgeprägte Skoliose die Anamnese und körperliche Untersuchung stark beeinträchtigen. In diesen Fällen sollte die Schwelle zur laborchemischen (C-reaktives Protein [CRP], Prokalzitonin [PCT], Interleukin 6) und apparativen Diagnostik (z. B. Röntgenuntersuchung des Abdomens) zur Diagnosefindung niedrig sein [21].
Körperliche Untersuchung
Bei der klinischen Untersuchung sind alle Körperabschnitte in der Untersuchung zu berücksichtigen, da sich gerade im Kleinkindalter abdomenferne Erkrankungen als Bauchschmerzen präsentieren, wie z. B. eine Otitis media [11]. Aber auch bei jugendlichen Jungen gehört zu jeder Untersuchung des Abdomens die Kontrolle der Hoden zum Ausschluss einer Hodentorsion [25].
Die Körperhaltung des Patienten und die Begleitsymptome können auf die Ursache der abdominalen Beschwerden hinweisen (Tab. 6; [2]).
Therapie
Das Therapieziel des akuten Abdomens besteht darin, einen Organverlust (z. B. Ovar, Darm) und eine lebensbedrohliche Situation (z. B. Sepsis, hämorrhagischer Schock) zu verhindern.
Patienten mit einer Durchblutungsstörung eines Organs (Ischämie) können einen Vernichtungsschmerz aufweisen. Diese Patienten lassen sich in der Regel nicht mehr gut am Abdomen untersuchen und benötigen zunächst eine ausreichende Analgesie (mit Opiaten). Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Opioidgabe zur Schmerzbehandlung in Standarddosierung (0,05–0,1 mg/kgKG) keinen Einfluss auf die Beurteilbarkeit eines akuten Abdomens hat [20]. Eine größtmögliche Schmerzfreiheit sollte bei den Patienten immer erreicht werden.
Eine abdominale Infektion kann zu einem septischen Schock führen
Eine abdominale Infektion kann zu einem septischen Schock und eine abdominale Blutung zu einem hämorrhagischen Schock führen. Klinische Zeichen, wie Blässe, Tachykardie, Tachypnoe, vaskuläre Zentralisierung (periphere Rekapillarisierungszeit > 2–3 s, kühle Extremitäten, Oligurie [< 0,5 ml/kgKG und Stunde], arterielle Hypotonie und Bewusstseinsstörungen [Vigilanzminderung, Verwirrtheit]), sind dann Zeichen des Schocks.
Im Fall einer Blutung ist bei Säuglingen, Kleinkindern und jungen Schulkindern die Tachykardie das erste Zeichen eines Volumenmangels bzw. eines Blutverlusts. Der kindliche Kreislauf reagiert erst spät mit einer Kreislaufdeprivation. Bei einer aktiven Blutung ist eine relevante Blutdrucksenkung u. a. erst bei einem Blutverlust von 45 % des zirkulierenden Blutvolumens zu erwarten, was lange Zeit über die Verletzungsschwere hinwegtäuschen kann [6].
Ohne zeitnahe Therapie kann ein akutes Abdomen tödlich verlaufen
Ohne zeitnahe Therapie kann ein akutes Abdomen daher tödlich verlaufen. Die Akutversorgung zielt auf die Überwachung und Stabilisierung des hämodynamischen Kreislaufs ab. Eine frühzeitige Gabe von Breitbandantibiotika, eine ausreichende Volumentherapie bzw. Transfusion von Erythrozytenkonzentraten und ein Ausgleich des Elektrolyt- und Säure-Base-Haushalts sind die ersten Maßnahmen. Zum Aspirationsschutz ist zudem an das Legen einer Magensonde zu denken [22].
Zur weiteren unmittelbaren Akuttherapie gehört auch die chirurgische Fokussanierung. In manchen Fällen ist die Sanierung auch durch interventionelle Methoden, wie z. B. durch eine computertomographisch gesteuerte Drainagenanlage eines Abszesses oder ein angiographisches Gefäß-Coiling zum Stoppen einer Blutung, möglich.
Fazit für die Praxis
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Die Diagnosestellung eines akuten Abdomens bei Kindern mit Bauchschmerzen bleibt weiterhin eine klinische Herausforderung. Warnzeichen wie plötzlicher Schmerzbeginn, stärkste Schmerzen, galliges Erbrechen, Blut im Stuhl, Verschlechterung des Allgemeinzustands u. a. weisen auf ein akutes Abdomen hin.
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Die Diagnose eines „akuten Abdomens“ führt zur Triagierung eines Patienten in die höchste dringlichste Kategorie mit Notwendigkeit zur sofortigen Abklärung der Ursache. Das bedeutet in manchen Fällen, z. B. im Fall einer Ovartorsion, eine sofortige Operation mit dem Ziel des Organerhalts.
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Sicherlich wird im klinischen Alltag die Diagnose eines akuten Abdomens oft zu schnell „ausgerufen“. Viele Bauchschmerzen im Kindesalter sind nicht gleichbedeutend mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung.
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Im Umkehrschluss kann jedoch eine verpasste Diagnose eines akuten Abdomens schwerwiegende Folgen für den Patienten verursachen. Zur rechtzeitigen und zielgerichteten Diagnosestellung sind daher eine aufmerksame Anamnese und Untersuchung notwendig.
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Doris Fischer, Wiesbaden
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Theilen, TM., Rolle, U. Akutes Abdomen im Kindesalter. Med Klin Intensivmed Notfmed 118, 619–625 (2023). https://doi.org/10.1007/s00063-023-01030-x
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