Zusammenfassung
Die Erfassung des Ernährungsstatus von Intensivpatient:innen wird in aktuellen Leitlinien empfohlen und sollte die Beurteilung des Muskelstatus beinhalten. Eine geeignete apparative Methode stellt die Analyse von Routinecomputertomographien (CT), die gerade bei kritisch Kranken häufig durchgeführt werden, dar. Mithilfe spezieller Softwares werden einzelne CT-Schichten bearbeitet und verschiedene Parameter, wie Muskelfläche, Muskeldichte oder der Fettgewebeanteil, dargestellt und quantifiziert. Es konnte gezeigt werden, dass die Erfassung des Skelettmuskulaturquerschnitts im Bereich der Lendenwirbelsäule sehr gut mit der Gesamtkörpermuskulatur korreliert. Es gibt definierte, wenn auch populationsabhängige, Cut-off-Werte, mit deren Hilfe die Diagnose einer Sarkopenie gestellt werden kann. Die Überprüfung einer individuellen Ernährungstherapie kann durch Beurteilung repetitiver CT-Untersuchungen erfolgen. Die stetig wachsende Datenlage bestätigt, dass das Verfahren in der Intensivmedizin einen wertvollen Beitrag zur Erhebung der Körperzusammensetzung liefern kann. Die meisten der aktuell verfügbaren Softwares erfordern eine zeitaufwendige Bearbeitung der CT. Mittlerweile vereinzelt verfügbare automatisierte Programme, die den Großteil der manuellen Bearbeitung überflüssig machen, könnten in Zukunft die Methode noch attraktiver machen. Das Risiko eines Intensivtransports zur CT bzw. die Strahlenbelastung können grundsätzlich nur bei sicherer medizinischer Indikation für eine CT gerechtfertigt werden. Eine verfügbare CT sollte beim Intensivpatienten auch zur Analyse der Körperzusammensetzung genutzt werden.
Abstract
The assessment of the nutritional status of patients in the intensive care unit is recommended in current guidelines and should include the assessment of muscle status. A suitable method is the analysis of routine computed tomography (CT) scans, which are frequently performed in critically ill patients. With the help of special software, individual CT slices are processed and various parameters such as muscle area, muscle density or even the percentage of adipose tissue are displayed and quantified. It has been shown that cross-sectional acquisition of skeletal muscle in the lumbar spine correlates very well with total body muscle. There are defined, albeit population-based, cut-off values that can be used to establish diagnosis of sarcopenia. Monitoring of individualized nutritional therapy can be accomplished by assessment of repetitive CT examinations. The steadily growing body of data confirms that the method can make a valuable contribution to the assessment of body composition in intensive care medicine. Most of the currently available software requires time-consuming processing of the CT. Automated programs, which are now occasionally available and eliminate the need for most manual processing, may make the method even more attractive in the future. Ultimately, the risk of intensive transport to the CT or radiation exposure may be only justified for medical indications. Nevertheless, whenever CT is available for medical reasons, it should also be exploited for composition analysis.
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Hintergrund
Die Erhebung des Ernährungsstatus kritisch kranker Patient:innen ist aufgrund des erheblichen Einflusses auf Morbidität und Mortalität zunehmend in den Fokus des Interesses von Intensivmediziner:innen gerückt. Zudem stellen Kenntnisse über den Ernährungsstatus die Grundlage einer individualisierten Ernährungstherapie dar.
Bis heute wurden zahlreiche Methoden und Formeln entwickelt, um den Ernährungszustand zu charakterisieren. Neben der alleinigen Bestimmung des Körpergewichts ist eine der am häufigsten verwendeten Methode die Berechnung des Body-Mass-Index (BMI; [14]). Allerdings ist der BMI bekanntermaßen nur bedingt aussagekräftig, da er als Bezugsgrößen lediglich das aktuelle Körpergewicht und die Körpergröße beinhaltet und daher kaum Rückschlüsse auf die einzelnen Gewebekompartimente des Körpers, also die Körperzusammensetzung, erlaubt. Und nur die Beurteilung der Körperzusammensetzung, insbesondere die Erhebung des Muskelstatus, ermöglicht eine reale Einschätzung des Ernährungszustands und des damit verbundenen ernährungsmedizinischen Risikos. Dass die Beurteilung der Körperzusammensetzung unverzichtbar ist, spiegelt sich in den heute geltenden Leitlinienempfehlungen wider.
Die Beurteilung der Körperzusammensetzung ist zur Einschätzung des Ernährungszustands unverzichtbar
So wurde die Diagnosestellung einer Mangelernährung im Jahr 2019 im Rahmen der Global Leadership Initiative on Malnutrition (GLIM) in einem Konsensuspapier neu definiert. Als diagnoserelevante Kriterien gelten
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ungewollter Gewichtsverlust,
-
niedriger BMI
-
reduzierte Muskelmasse,
-
reduzierte Nahrungsaufnahme bzw. -assimilation,
-
Art der Erkrankung (akut, chronisch oder Trauma) oder
-
Inflammation [5].
Ermittlung des Ernährungsstatus bei kritisch Kranken
Mit Blick auf kritisch kranke Patient:innen hat die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in diesem Jahr ein erstes Positionspapier zur Erfassung und Monitoring des Ernährungsstatus publiziert [35]. Demnach soll bei Aufnahme auf die Intensivstation stets die Erhebung des Ernährungsstatus erfolgen [35]. Im Wesentlichen bedingt durch eine krankheitsassoziierte Proteinkatabolie zeigen Intensivpatient:innen häufig einen Verlust an Skelettmuskulatur. Gerade bei Langzeitverläufen kann die Quantifizierung von prognoserelevanten Veränderungen der Körperzusammensetzung von erheblicher Bedeutung sein und liefert darüber hinaus Auskunft über den Erfolg der durchgeführten Ernährungstherapie [29]. Somit sind die standardisierte Erhebung des Ernährungsstatus und die individualisierte medizinische Ernährungstherapie („medical nutrition therapy“, MNT) wichtige Faktoren, um das Risiko einer erhöhten Sterblichkeit zu identifizieren und zu reduzieren [13, 35].
Scores zur Erfassung von Mangelernährung sind für Intensivpatient:innen nicht gut validiert
Die Ermittlung des Ernährungsstatus ist gerade bei Intensivpatient:innen oftmals schwierig. Beispielsweise sind etablierte Scores zur Erfassung von Mangelernährung für diese Patient:innen oft nicht gut validiert und bei eingeschränkter Vigilanz bzw. bei fehlender Kooperations- und Auskunftsfähigkeit praktisch nicht anwendbar. Auch die einfache Bestimmung eines aktuellen Körpergewichts ist oftmals wegen fehlender Bettwaagen bei nichtmobilisierbaren Patient:innen unmöglich. Alternativ stehen v. a. zur Beurteilung des Muskelstatus verschiedene apparative Methoden zur Verfügung, die in Abhängigkeit der betreuten Patient:innenklientel bzw. der jeweiligen Verfügbarkeit zum Einsatz kommen sollten.
Apparative Messansätze
Die sehr einfache Beurteilung der Muskelfunktion durch Messung der Handkraft mittels eines Dynamometers kann ebenfalls nur bei kooperationsfähigen Patient:innen angewendet werden. Die Bestimmung der Körperzusammensetzung und damit quantitative Beurteilung der Muskulatur mittels einer bioelektrischen Impedanzanalyse (BIA) ist eine für Intensivpatient:innen validierte und geeignete Alternative. Es kann jedoch bei ausgeprägten extravasalen Flüssigkeitseinlagerungen zu Ungenauigkeiten bei der Gewebeanalyse kommen. Eine weitere, sehr leicht erlernbare Methode stellt die Muskelsonographie dar. Bei der Messung von Dicke bzw. Fläche im Bereich des M. quadriceps femoris kann mit wenig Aufwand der Status erhoben und zur Verlaufskontrolle beurteilt werden. Denkbare Einschränkungen der Sonographie durch übermäßige Volumenlast bzw. ausgeprägte Adipositas sind ebenfalls beschrieben und sollten beim Einsatz dieses Verfahrens Berücksichtigung finden. Eine weitere Option bietet die Bearbeitung von Routinecomputertomographien (CT).
CT-basierte Kalkulation einzelner Körperkompartimente
Die CT ist eine der wichtigsten diagnostischen bildgebenden Verfahren in der Intensivmedizin und ist darüber hinaus eine der exaktesten Methoden zur Evaluation der Körperzusammensetzung. Kompartimente wie Skelettmuskulatur und Fettgewebe können meist präzise dargestellt werden [2].
Abschwächungswerte von Röntgenstrahlen zur Markierung verschiedener Gewebearten
Der CT-Scanner ermöglicht es, anhand der gewebespezifischen Abschwächungswerte der Röntgenstrahlen verschiedene Körpergewebe zu unterscheiden. Die Abschwächungswerte werden in Hounsfield Units (HU) angegeben (Luft: −1000 HU, Wasser: 0 HU, Knochen: +1000 HU). Dabei erscheinen Gewebe niedrigerer Abschwächungs- bzw. HU-Werte auf einer Grauwertskala dunkler und Gewebe höherer Abschwächungs- bzw. HU-Werte heller.
Die Abschwächungswerte werden in Hounsfield Units (HU) angegeben
Die alleinige Verwendung der Hounsfield-Skala zur absoluten Differenzierung der Gewebetypen ist jedoch nicht ausreichend, da es Überlappungen der Grauwerte verschiedener Gewebetypen gibt. Darüber hinaus erhöht Kontrastmittel, das bei vielen Fragestellungen von CT-Untersuchungen benötigt wird, die Abschwächungs- und HU-Werte. Zudem können Artefakte beispielsweise durch einliegende Spondylodesematerialien die HU-Werte verfälschen. Die Beurteilung durch in der CT erfahrene Radiolog:innen ist demnach unverzichtbar [34]. Zur Erhebung des Muskelstatus in der CT wird üblicherweise eine einzelne 2‑dimensionale CT-Schicht ausgewertet. Meist erfolgt die Analyse im Bereich der Lendenwirbelsäule auf Höhe des dritten Lendenwirbelkörpers (L3) als knöcherner Orientierungspunkt, da die Skelettmuskulatur in dieser Region eine starke Korrelation mit der Ganzkörpermuskulatur aufweist [28, 32].
Segmentierung
Die für die Messung erforderliche Segmentierung erfolgt in mehreren Arbeitsschritten. Nach Festlegung der zu verwendenden L3-Region werden die äußere und innere Begrenzung der gesamten abdominellen Muskulatur manuell markiert (Abb. 1). Von der Beschränkung auf nur einzelne abdominelle Muskelgruppen, z. B. auf die Psoasmuskulatur, ist nach heutigem Kenntnisstand abzusehen, da ein deutlicher Messfehler im Sinne einer schwachen Korrelation zur gesamten abdominellen Muskelfläche und somit zur Gesamtkörpermuskelmasse sowie weitere Verfälschungen durch fokale Atrophien im Rahmen von Erkrankungen der Wirbelsäule demonstriert wurden [30].
Mithilfe spezieller Softwareprogramme können im nächsten Schritt, basierend auf den jeweiligen HU-Werten, die unterschiedlichen Gewebetypen (Skelettmuskulatur bzw. Fettgewebe [viszeral, subkutan, intramuskulär]) ausgewählt werden. So wird zur Messung von Muskelgewebe ein muskelspezifischer Grenzwert von −29 bis +150 HU verwendet. Sind Informationen über den Fettanteil gewünscht, wird ein fettspezifischer Grenzwert (−150 bis −30 HU) gewählt. Die Muskelfläche (SMA) und Muskeldichte (MRA) ergeben sich dann nach Anwendung des muskelspezifischen Grenzwerts aus der Pixelfläche der markierten abdominellen Muskulatur (s. Details Abb. 2).
Die Muskelfläche und Muskeldichte ergeben aus der Pixelfläche der markierten abdominellen Muskulatur
Über die SMA kann mithilfe der Körpergröße der skelettale Muskelindex (SMI) berechnet werden (SMI = SMA [cm2]/Körpergröße [m] im Quadrat; [32]). Sowohl für den SMI als auch die MRA liegen zahlreiche Studien vor, die populationsspezifisch sowie nach Geschlecht und Alter differenzierte Cut-off-Werte zur Einordnung von Patient:innen anhand ihres SMI bzw. MRA als sarkopen oder nichtsarkopen bieten [7, 23, 25]. Auch für die Berechnung der viszeralen Fettmasse und Gesamtfettmasse aus der Fläche an fetthaltigen Voxeln auf Höhe von L3 liegen Umrechnungsformeln vor [36].
Bei der Auswahl der CT-Datensätze ist die Berücksichtigung der Kontrastmittelphase von Relevanz. Während Kontrastmittel keinen Einfluss auf die Bestimmung der Muskelmasse und des SMI hat, wird die Muskeldichte durch Kontrastmittel signifikant beeinflusst [31]. Sollten keine nativen Untersuchungen vorliegen, ist darauf zu achten, eine identische Kontrastmittelphase (z. B. alle portalvenös) zu wählen, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten.
Zu den Limitationen der Methode zählen eine eingeschränkte Beurteilbarkeit der CT z. B. durch Metall- oder Bewegungsartefakte oder eine erschwerte Muskeldarstellung bei Abdomen apertum etc. Weiterhin kann die Unterscheidung von Wasser- bzw. Fetteinlagerungen bei kapillarem Leck zu falsch-positiver Myosteatosediagnostik führen [1].
Manuelle vs. automatisierte Segmentierung
Die Analyse von CT-Schichten liefert die Möglichkeit einer genauen Darstellung der Körperkompartimente. Die heutzutage für diese Diagnostik eingesetzten Softwareprogramme erfordern allerdings in der Regel zunächst eine Extraktion der zu untersuchenden Schicht und manuelles Markieren (Segmentierung) der zu betrachtenden Regionen. Die Bearbeitung einer einzelnen CT erfordert damit etwa 20–30 min, was im Fall eines Einsatzes als Routinediagnostik für mehrere Patient:innen täglich zu einem erheblichen Mehraufwand führen kann [28].
Zur manuellen Segmentierung sind kostenlose Softwarepakete verfügbar
Es gibt mittlerweile zahlreiche und teils kostenlose Softwarepakete, die für die manuelle Segmentierung entwickelt worden sind: OsiriX (Pixmeo, Bernex, Schweiz), SliceOmatic (TomoVision, Magog, Kanada), Mimics (Materialise HQ, Leuven, Belgien), ImageJ (National Institute of Health [NIH], Laboratory for Optical and Computation Instrumentation, Bethesda, MA, USA). Die Arbeitsgruppe von Gomez-Perez et al. hat eine ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitung für die Messung des SMI mittels der ImageJ-Software (kostenloser Download auf der Homepage des NIH möglich) publiziert [11].
Studien, die Programme für automatisierte Segmentierung mittels Deep Learning und neuronaler Netze (z. B. AutoMATiCA, Waterloo, ON, Canada) mit manueller Analyse vergleichen, sind noch in der Entwicklung, die bereits publizierten Ergebnisse sind vielversprechend. Eine automatisierte Analyse kann jedoch aktuell noch nicht suffizient zwischen einem verwertbaren und einem z. B. artefaktbehaftetem, nichtverwertbarem Bild unterscheiden. Aus diesem Grund bedarf es weiterhin noch der manuellen Überprüfung und ggf. Korrektur, weshalb auch hier die radiologische Expertise weiterhin zwingend erforderlich ist.
CT-basiert identifizierte Myosteatose und Sarkopenie als Prognosefaktoren
Verringerte Muskelmasse bzw. eine Sarkopenie kann ebenso wie eine Myosteatose (Muskelverfettung) computertomographisch bestimmt werden [6, 32]. Der Einfluss einer pathologisch veränderten Körperzusammensetzung auf das Outcome der Patient:innen wurde bereits in vielen Arbeiten.
So konnte die Health-ABC-Studie bereits 1985 an 2627 Patient:innen zwischen 70–79 Jahre zeigen, dass eine verminderte Muskeldichte unabhängig von der Muskelmasse mit einer geringeren Muskelkraft einherging [12]. Weitere Arbeiten haben bestätigt, dass die Abnahme der Muskelkraft stark mit dem Fettgehalt der Skelettmuskulatur korreliert und dass dieses mit einer erhöhten Mortalität einhergeht [9, 20, 22, 23]. So hat eine neuere Untersuchung präinterventioneller CT-Aufnahmen von 937 Patient:innen vor katheterbasierter Aortenklappenimplantation (TAVI) gezeigt, dass ein erhöhter Fettgehalt der Muskulatur signifikant mit einer erhöhten Sterblichkeit einhergeht [22].
Ein erhöhter Fettgehalt der Muskulatur geht signifikant mit einer erhöhten Sterblichkeit einher
Martin et al. Konnten für Patient:innen mit maligner Grunderkrankung demonstrieren, dass neben unfreiwilligem Gewichtsverlust auch der Verlust an Muskelmasse, unabhängig vom Gesamtkörpergewicht, mit einer schlechteren Prognose einhergeht [23]. Eine Metaanalyse aus 2020 bestätigte, dass eine Myosteatose bei Patient:innen mit kolorektalen Karzinomen mit einer schlechteren Gesamtüberlebensrate einhergeht [20]. In einer weiteren Metaanalyse mit insgesamt 9 Studien und kumulativ 1667 Patient:innen mit Bronchialkarzinom erwies sich eine Myosteatose als unabhängiger, negativer prognostischer Faktor für die Überlebenswahrscheinlichkeit [9]. Auch bei Patient:innen mit pankreatischem und periampullärem Karzinom zeigte das Vorliegen einer Sarkopenie, einer Myosteatose oder einer sarkopenen Myosteatose (Mischbild) eine Assoziation mit einer erhöhten Mortalität [33]. Bei 678 Patient:innen mit fortgeschrittener Lebererkrankung, die auf eine Transplantation warteten, waren Myosteatose, Sarkopenie und v. a. ein Mischbild aus beidem und zusätzliche Adipositas mit erhöhter Langzeitsterblichkeit assoziiert [27]. Eine prospektive Studie, die ambulante onkologische Patient:innen mit soliden Tumoren untersuchte, konnte zusätzlich nachweisen, dass die CT-Diagnostik hinsichtlich der Diagnosestellung einer Mangelernährung den herkömmlichen Screeningtools und Ernährungsfragebögen überlegen war [8].
Problematisch ist, dass sowohl oftmals Angaben zur Verwendung von Kontrastmittel bzw. zur Kontrastmittelphase der CT-Untersuchungen fehlen als auch dass teilweise differierende Cut-off-Werte für einzelne muskelspezifische Parameter und damit für die Diagnosestellung einer Sarkopenie zugrunde gelegt wurden, was die Vergleichbarkeit der einzelnen Studien untereinander einschränken kann.
Entsprechend wurde durch die Kolleg:innen um Kemper et al. vorgeschlagen, neben der Verwendung von Cut-off-Werten auch originäre metrische Messwerte in linearer Assoziation zu den Verlaufs- bzw. Outcome-Parametern zu verwenden [15].
Aktuelle Studienlage zur CT-Analyse bei Intensivpatient:innen
Die CT-gesteuerte Analyse der Körperzusammensetzung wird auch bei Intensivpatient:innen angewendet, wobei bisher deutlich weniger Arbeiten für dieses Patient:innenkollektiv vorliegen.
Eine Kohortenstudie mit 155 Patient:innen einer medizinischen Intensivstation, zeigte, dass der Skelettmuskelindex und die Skelettmuskeldichte bei Aufnahme signifikant negativ mit dem Langzeitüberleben korreliert waren und somit als prognostische Faktoren betrachtet werden konnten. Das Vorliegen einer Myosteatose war, je nach Ausprägung, darüber hinaus mit längerer Beatmungsdauer, längerem Krankenhausaufenthalt und dem Auftreten septischer Krankheitsbilder assoziiert. Patient:innen mit Diabetes mellitus oder arterieller Hypertonie neigten zu höhergradiger Ausprägung von Myosteatose [21].
Eine Myosteatose war mit dem Auftreten septischer Krankheitsbilder assoziiert
In einer Gruppe von 149 Intensivpatient:innen mit Trauma und einem Durchschnittsalter von 79 Jahren wurde anhand einer CT-Untersuchung zum Aufnahmezeitpunkt bereits bei 71 % eine Sarkopenie diagnostiziert. Es ergab sich keine Korrelation zum BMI, da 37 % der Patient:innen normgewichtig und 57 % übergewichtig oder adipös waren. Eine solche Sarkopenie bei Übergewicht bzw. Adipositas entspricht dem oftmals unterdiagnostizierten Krankheitsbild der „sarcopenic obesity“. Diese Studie verdeutlicht die geringe Aussagekraft des BMI bei Intensivpatient:innen und die Relevanz der CT-Analyse zur Körperzusammensetzung. In der Arbeit zeigte sich ferner eine signifikante Assoziation zwischen Sarkopenie und erhöhter Mortalität sowie Beatmungsdauer und Länge des Intensivaufenthalts [24].
Für Intensivpatient:innen mit Leberzirrhose wurde gezeigt, dass bei etwa zwei Drittel zum Aufnahmezeitpunkt eine Sarkopenie bestand, was das Risiko für eine Sepsis 1,7fach erhöhte und das Mortalitätsrisiko um das 4Fache steigerte [16]. Auch bei chirurgischen Intensivpatient:innen fand sich eine signifikante Korrelation von niedrigem SMI und Myosteatose sowie der 90-Tage-Mortalität. Hier waren ebenfalls Beatmung und Intensivaufenthalt aufgrund von Myosteatose signifikant verlängert [10]. Lambell et al. zeigten anhand serieller CT-Analysen von 32 Patient:innen, dass es zu einem signifikanten Verlust an Skelettmuskulatur innerhalb der ersten 3 Wochen des Intensivaufenthalts kam, wohingegen im Verlauf, vor allem nach der 5. Woche, keine relevante Veränderung von Muskelfläche und -dichte mehr auftrat. In dieser Arbeit, mit nur geringem Pateint:inneneinschluss, ließ sich kein Einfluss der Energie- bzw. Eiweißzufuhr auf die Veränderungen der Muskulatur nachweisen [19]. In einer retrospektiven Kohortenstudie mit 35 Intensivpatient:innen konnten in Verlaufs-CT mit einem durchschnittlichen Abstand von 10 Tagen eine nichtsignifikante Reduktion der Skelettmuskelmasse bei unverändertem intramuskulärem und viszeralem Fettanteil gezeigt werden [4].
Innerhalb der ersten 3 Wochen kam es zu einem signifikanten Verlust an Skelettmuskulatur
In Studien, die bei Patient:innen mit Infektion durch „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2) durchgeführt wurden, erfolgte die CT-Analyse bei fehlender abdomineller Bildgebung häufig auf thorakalen CT-Schichten. In einer kürzlich publizierten Arbeit wurden Analysen von CT-Schichten des 12. Brustwirbels mit denen des 3. Lendenwirbelkörpers verglichen. Es zeigte sich eine gute bis sehr gute Korrelation für SMA und MRA, darüber hinaus ließen sich die abdominellen Werte durch thorakale Messungen prädizieren [26]. Besutti et al. zeigten, dass eine hohe Muskeldichte im Sinne einer gesünderen Muskulatur einen positiven Einfluss auf das Outcome hat, während ein erhöhter Fettgewebeanteil mit einer erhöhten Hospitalisierungsrate und signifikant häufiger mit einer maschinellen Beatmung sowie erhöhter Sterblichkeit einher ging [3].
Resümee und Ausblick
Die bislang publizierten Arbeiten zur CT-Analyse der Körperzusammensetzung unterstreichen eindrucksvoll wie outcome- und prognoserelevant der Ernährungszustand von Intensivpatient:innen ist. Das Verfahren ist mittlerweile gut validiert. Vergleichende Untersuchungen mit der BIA erbrachten eine gute Korrelation mit Befunden aus der CT-Analyse [17, 18]. Nur wenige Daten liegen bisher zum Einfluss der Ernährungstherapie auf die in der CT erfassbaren Veränderungen der Körperzusammensetzung vor, was sicherlich in Zukunft Gegenstand weiterer Untersuchungen sein wird.
Dass die CT-Analyse derzeit im klinischen Alltag nur selten in der täglichen Routine eingesetzt wird, hat verschiedene Gründe. Die größte Hürde zur Anwendung dieser Methode ist die zeitaufwendige Bearbeitung durch in der CT-Diagnostik erfahrene Radiolog:innen. Ein risikobehafteter Intensivtransport zur CT sowie die untersuchungsbedingte Strahlenbelastung können nicht allein für die Erhebung des Muskelstatus gerechtfertigt werden.
Es ist zu erwarten, dass sich die CT-Analyse als Diagnostikum bei bestimmten Krankheitsbildern, wie z. B. nekrotisierende Pankreatitis oder komplizierte postoperative Verläufe etc., bei denen Verlaufsuntersuchungen wahrscheinlich sind, weiter etablieren wird. Auch Langzeitverläufe chronisch kritisch Kranker könnten ein sinnvolles Einsatzfeld darstellen. Für Patient:innen, bei denen keine medizinisch rechtfertigende Indikation zur Schichtbildgebung besteht, könnten andere, weniger aufwendige Verfahren zur Beurteilung des Muskelstatus wie die Sonographie zur Anwendung kommen.
Automatisierte Softwareprogramme vereinfachen die CT-Analyse. Die Zukunft liegt in der Entwicklung intelligenter Programme des Deep Learning, die bereits in die Routine-CT-Diagnostik integriert sind. Basierend auf komplexen Algorithmen erfolgt die biomedizinische Bildsegmentierung der CT ohne zusätzliche bzw. nachträgliche Bearbeitung und liefert Informationen über die Körperzusammensetzung zeitgleich zu den übrigen CT-Befunden [28].
Fazit für die Praxis
-
Die Beurteilung des Muskelstatus von Intensivpatient:innen ist unverzichtbar.
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Die Analyse von Computertomographien (CT) zur Körperzusammensetzung ist dafür bestens geeignet.
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Das Verfahren ist zeitaufwendig und erfordert erfahrende Untersucher:innen.
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Auch wenn die Durchführung einer CT allein zur Beurteilung der Körperzusammensetzung nicht indiziert ist, sollten verfügbare CT beim Intensivpatienten auch zur Analyse der Körperzusammensetzung genutzt werden.
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G. de Heer erhielt Honorare für Vortragstätigkeiten von der Fa. B. Braun und von Fresenius Kabi. J. Erley, M. Kemper, A. Ogica, T. Weber und I. Molwitz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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de Heer, G., Erley, J., Kemper, M. et al. Routinecomputertomographie zur Analyse der Körperzusammensetzung – Erfahrungen bei Intensivpatient:innen. Med Klin Intensivmed Notfmed 118, 99–106 (2023). https://doi.org/10.1007/s00063-022-00985-7
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